JudikaturBVwG

I417 2184244-5 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
07. August 2025

Spruch

I417 2184244-5/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Friedrich ZANIER über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA. Nigeria, vertreten durch RA Prof. Mag. Dr. Vera M. WELD und die BBU Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 23.05.2023, Zl. XXXX , zu Recht:

A)

In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte nach unrechtmäßiger Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 04.09.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz, welcher mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: belangte Behörde) vom 13.10.2017 abgewiesen wurde. Gegen den Beschwerdeführer wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig sei. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30.11.2021, GZ: XXXX , als unbegründet abgewiesen.

2.Mit E-Mail vom 11.03.2022 beantragte der Beschwerdeführer bei der belangten Behörde die Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005, wobei dieser Antrag mit Bescheid der belangten Behörde vom 18.10.2022 gemäß § 58 Abs. 11 Z 2 AsylG als unzulässig zurückgewiesen (Spruchpunkt I.) und ein Mängelheilungsantrag des Beschwerdeführers abgewiesen wurde (Spruchpunkt II.). Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 01.12.2022, GZ: XXXX , wurde die dagegen erhobene Beschwerde gegen Spruchpunkt I. als unbegründet abgewiesen und Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides ersatzlos behoben.

3.Mit E-Mail seiner Rechtsvertretung vom 23.03.2023 beantragte der Beschwerdeführer bei der belangten Behörde die Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005, wobei am selben Tag zahlreiche Beilagen übermittelt wurden.

4.Mit verfahrensgegenständlichem Bescheid vom 23.05.2023 wies die belangte Behörde den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art 8 EMRK vom 23.03.2023 gemäß § 58 Abs. 10 AsylG 2005 als unzulässig zurück (Spruchpunkt I.).

5.Dagegen richtet sich die am 26.06.2023 eingebrachte Beschwerde, in welcher inhaltliche Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie Verletzung von Verfahrensvorschriften, bei deren Einhaltung ein für den Beschwerdeführer günstigerer Bescheid erzielt worden wäre, moniert wurden. Begründend wurde ausführt, dass zuletzt im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30.11.2021 eine Interessensabwägung iSd § 9 BFA-VG vorgenommen worden sei, sodass die positive Absolvierung einer A2-Deutschprüfung, ein Arbeitsvorvertrag, der gemeinsame Haushalt mit seiner Lebensgefährtin sowie die Geburt der gemeinsamen Tochter bislang nicht berücksichtigt haben werden können.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Am 23.03.2023 langte bei der belangten Behörde per E-Mail seiner Rechtsvertretung ein vom Beschwerdeführer unterzeichnetes Formblatt zum Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs. 1 AsylG ein und wurde um Bekanntgabe eines Termins zwecks der persönlichen Vorsprache ersucht.

Eine persönliche Antragstellung durch den Beschwerdeführer erfolgte nicht und wurde seitens der belangten Behörde kein Verbesserungsauftrag erteilt. Im Verfahren haben sich keine Hinweise ergeben, dass der Beschwerdeführer handlungsunfähig wäre. Eine niederschriftliche Einvernahme vor der belangten Behörde, im Zuge derer die persönliche Antragstellung nachgeholt hätte werden können, fand nicht statt.

2. Beweiswürdigung:

Beweis erhoben wurde im gegenständlichen Beschwerdeverfahren durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der belangten Behörde sowie den vorliegenden Verfahrensakt des Bundesverwaltungsgerichtes. Es haben sich darin keine Hinweise für die Annahme einer Handlungsunfähigkeit des Beschwerdeführers ergeben.

Aus dem im Verwaltungsakt einliegenden E-Mail-Ausdruck geht die Einbringung des Antrages via E-Mail durch die rechtsfreundliche Vertreterin des Beschwerdeführers am 23.03.2023 hervor (AS 249), wobei darin zudem um Terminvergabe zur persönlichen Vorsprache ersucht wurde.

Dass eine persönliche Antragstellung nicht erfolgte, wird auch aus dem Fehlen eines Vermerks auf dem per E- Mail übermittelten Antrag, wonach er persönlich eingebracht worden sei, und den Ausführungen im Verfahrensgang des bekämpften Bescheides (AS 249) ersichtlich. Dem Akteninhalt war schließlich auch nicht zu entnehmen, dass die belangte Behörde dem Ersuchen der Rechtsvertretung des Beschwerdeführers um Bekanntgabe eines Termins zur persönlichen Vorsprache (AS 249) vor Bescheiderlassung entsprochen bzw. in sonstiger Weise darauf reagiert hat.

Auch ansonsten lassen sich weder dem Verwaltungs-, noch dem Gerichtsakt Hinweise auf eine persönliche Antragstellung des Beschwerdeführers entnehmen. Es ergibt sich aus dem Akteninhalt überdies nicht, dass der Beschwerdeführer zur persönlichen Einbringung des Antrags aufgefordert wurde oder eine niederschriftliche Einvernahme vor der belangten Behörde stattgefunden hat, im Zuge derer die persönliche Antragstellung nachgeholt hätte werden können.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchpunkt A)

Anzuwendende Rechtslage:

Gemäß § 58 Abs. 5 AsylG 2005 sind Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 sowie auf Verlängerung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 persönlich beim Bundesamt zu stellen, es sei denn, der Antragsteller ist selbst nicht handlungsfähig. In diesem Fall hat den Antrag sein gesetzlicher Vertreter einzubringen.

Dass es sich bei der persönlichen Antragsstellung jedenfalls um ein zwingendes Erfordernis handelt, ergibt sich auch aus den ErläutRV (1803 BlgNR 24. GP 48) zu § 58 Abs. 5 AsylG 2005: „In Abs. 5 wird klargestellt, dass Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach diesem Hauptstück persönlich beim Bundesamt zu stellen sind. Erfasst sind damit die Erstanträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57, einschließlich der Verlängerungsanträge gemäß § 59 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" gemäß § 57. Die persönliche Antragsstellung beim Bundesamt als nun zuständige Behörde ist unbedingt erforderlich, da auch für das Bundesamt dies der einzig verlässliche Weg ist, die materielle Voraussetzung des Aufenthaltes im Bundesgebiet nachzuprüfen und ist die persönliche Anwesenheit zur Beibringung jener Daten unverzichtbar, die der künftigen Personifizierung des Aufenthaltstitels mittels Biometrie (Fingerabdruck, Lichtbild) dienen. Bei nicht handlungsfähigen Personen hat die Antragstellung - wie bisher - durch den gesetzlichen Vertreter zu erfolgen.“

Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH zum vergleichbaren § 19 Abs. 1 NAG, der wie § 58 Abs. 5 AsylG 2005 die persönliche Stellung von Anträgen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels bei Behörden vorsieht, begründet § 19 Abs. 1 erster Satz NAG ein Formalerfordernis. Dessen Missachtung darf nicht zur sofortigen Zurückweisung führen, sondern ist einer Verbesserung nach § 13 Abs. 3 AVG zugänglich, die in einer persönlichen Bestätigung der Antragstellung besteht (vgl. VwGH 17.06.2019, Ra 2018/22/0197). Der Mangel der fehlenden persönlichen Antragstellung kann dadurch beseitigt werden, dass der Fremde persönlich zur Behörde kommt (vgl. VwGH 26.06.2012, 2010/22/0191).

Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Beschwerdefall:

Hat die belangte Behörde einen Antrag zurückgewiesen, ist Sache des Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgericht lediglich die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung (vgl. VwGH 17.03.2022, Ra 2020/12/0058). Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Antragszurückweisung ist der Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides maßgeblich (vgl. VwGH 30.06.2025, Ra 2024/17/0010).

Im gegenständlichen Fall wies die belangte Behörde den Antrag gemäß § 58 Abs. 10 AsylG 2005 zurück, weil sich seit der letzten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30.11.2021 keine entscheidungsrelevanten Änderungen ergeben hätten. Dabei übersieht die belangte Behörde zu prüfen, ob der Antrag überhaupt gesetzmäßig gestellt wurde. Erst nach dieser Klärung kann eine Prüfung von weiteren Erteilungsvoraussetzungen getätigt werden.

Fallgegenständlich hat der Beschwerdeführer jedoch den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 Abs. 1 AsylG nicht persönlich eingebracht, wobei sich keinerlei Hinweise auf das Vorliegen einer etwaigen Handlungsunfähigkeit des Beschwerdeführers ergeben haben. Nur durch die persönliche Antragstellung können jedoch erkennungsdienstliche Daten ermittelt und überprüft werden, wie § 58 Abs. 11 AsylG normiert.

Der Beschwerdeführer hat den Antrag an sich somit nicht ordnungsgemäß eingebracht, da die Antragseinbringung per E-Mail erfolgte und eine persönliche Antragstellung notwendig ist. Gegenständlich übersieht die belangte Behörde zudem, dass die Rechtsvertretung des Beschwerdeführers bei der belangten Behörde um einen Termin für eine persönliche Vorsprache ansuchte, wobei die belangte Behörde dem Ersuchen vor der Erlassung des gegenständlich angefochtenen Bescheides nicht nachgekommen ist bzw. dieses von ihr unbeantwortet blieb. Die belangte Behörde wies auch nicht auf die Notwendigkeit der persönlichen Antragstellung hin und räumte dem Beschwerdeführer somit auch keine Frist für die Verbesserung dieses Formmangels ein.

Da somit bereits der Antrag selbst an einem Formmangel iSd § 58 Abs. 5 AsylG leidet, hätte die belangte Behörde den Antrag nicht nach § 58 Abs. 10 AsylG zurückweisen dürfen. In Erledigung der Beschwerde war daher der bekämpfte Bescheid ersatzlos zu beheben.

Durch die gegenständliche Behebung des bekämpften Bescheides tritt die Situation ein, dass der nicht ordnungsgemäß eingebrachte, dem gegenständlichen Bescheid zugrundeliegende Antrag wieder unerledigt ist. Die belangte Behörde wird daher im fortgesetzten Verfahren auf eine ordnungsgemäße Einbringung des Antrags Bedacht zu nehmen haben. Dem Beschwerdeführer ist die Möglichkeit der Verbesserung einzuräumen, indem die belangte Behörde dem bereits gestellten Ersuchen um Terminvereinbarung tatsächlich nachkommt.

Erst im Falle der Nichtentsprechung eines Verbesserungsauftrages könnte in weiterer Folge in Erwägung gezogen werden, den Antrag des Beschwerdeführers gemäß § 58 Abs. 10 AsylG als unzulässig zurückzuweisen.

Aufgrund der nunmehrigen Behebung des angefochtenen Bescheides war der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht weiter zu behandeln.

4. Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 kann die Verhandlung entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben oder die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig zu erklären ist.

Eine mündliche Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG unterbleiben, da bereits aus der Aktenlage ersichtlich war, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder fehlt es an einer Rechtsprechung zum Erfordernis der persönlichen Antragstellung, noch weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Notwendigkeit eines Verbesserungsauftrages ab; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.