Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Robl sowie die Hofräte Dr. Mayr und Mag. Berger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Strasser, über die Revision des Landeshauptmannes von Wien gegen das am 30. Mai 2018 mündlich verkündete und mit 18. Juni 2018 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien, VGW-151/011/3088/2018-14, betreffend Aufenthaltstitel (mitbeteiligte Partei: Y T, vertreten durch Dr. Werner Zach, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Spiegelgasse 19), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
1 Mit Bescheid vom 27. Dezember 2017 wies der Landeshauptmann von Wien (belangte Behörde, Revisionswerber) den Antrag des Mitbeteiligten, eines ukrainischen Staatsangehörigen, vom 6. Oktober 2017 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Niederlassungsbewilligung - Angehöriger" nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) gestützt auf § 19 Abs. 1 NAG in Verbindung mit § 13 Abs. 3 AVG zurück.
Begründend führte die belangte Behörde aus, der Mitbeteiligte habe trotz seiner Handlungsfähigkeit den Antrag nicht persönlich bei der Behörde gestellt, sondern auf dem Postweg eingebracht. Der mit Schreiben vom 16. November 2017 gemäß § 13 Abs. 3 AVG erteilten Aufforderung, binnen der gesetzten Frist - bis zum 7. Dezember 2017 - bei der Behörde zur persönlichen Antragstellung zu erscheinen, sei der Mitbeteiligte nicht fristgerecht nachgekommen, weshalb der Antrag zurückzuweisen sei. 2 In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde brachte der Mitbeteiligte vor, er habe nicht fristgerecht persönlich vorsprechen können, weil er sich nach der Antragstellung nicht im Bundesgebiet aufgehalten habe.
3 Mit dem angefochtenen am 30. Mai 2018 mündlich verkündeten und mit 18. Juni 2018 schriftlich ausgefertigten Erkenntnis gab das Verwaltungsgericht Wien der Beschwerde statt und behob den bekämpften Bescheid. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte es für unzulässig.
4 Das Verwaltungsgericht führte begründend aus, der dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegte Zurückweisungsgrund liege nicht vor. Die belangte Behörde sei aktenwidrig vom Fehlen der persönlichen Antragstellung ausgegangen, zumal auf den ersten vier Antragsseiten insgesamt drei eigenhändige Unterschriften des Mitbeteiligten vorzufinden seien. In der Beweiswürdigung verwies das Verwaltungsgericht auf die diesbezüglichen Aussagen des Mitbeteiligten sowie auf das Vorbringen seines rechtsfreundlichen Vertreters in der mündlichen Verhandlung, wonach die Antragstellung während des legalen Inlandsaufenthaltes des Mitbeteiligten erfolgt sei. Die belangte Behörde habe unentschuldigt am Verfahren nicht mitgewirkt und ihren Standpunkt bzw. das Vorliegen des Zurückweisungsgrundes nicht erläutert. 5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision der belangten Behörde. 6 Eine Revisionsbeantwortung wurde nicht erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
7 In der Revision wird zur Zulässigkeit unter Verweis auf näher zitierte Rechtsprechung vorgebracht, das Vorgehen des Verwaltungsgerichtes widerspreche § 19 Abs. 1 NAG und der einschlägigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Das Verwaltungsgericht habe lediglich das Vorliegen der eigenhändigen Unterschrift des Mitbeteiligten betont und das Erfordernis der persönlichen Bestätigung der Antragstellung bei der Behörde innerhalb der mit Verbesserungsauftrag eingeräumten Frist nicht erkannt. Das Verwaltungsgericht habe übersehen, dass der Mitbeteiligte dem Verbesserungsauftrag nach § 13 Abs. 3 AVG nicht nachgekommen sei. Die Zurückweisung des Antrages sei zu Recht erfolgt.
Die Revision ist zulässig und berechtigt.
8 Nach § 19 Abs. 1 erster Satz NAG (in der hier maßgeblichen Fassung des BGBl. I Nr. 145/2017) sind Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels persönlich bei der Behörde zu stellen. Diesem Erfordernis hat der Mitbeteiligte nach den (mit der Aktenlage im Einklang stehenden und unbestritten gebliebenen) Feststellungen der belangten Behörde nicht entsprochen.
9 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes begründet § 19 Abs. 1 erster Satz NAG ein Formalerfordernis. Dessen Missachtung darf nicht zur sofortigen Zurückweisung führen, sondern ist einer Verbesserung nach § 13 Abs. 3 AVG zugänglich, die in einer persönlichen Bestätigung der Antragstellung besteht (vgl. zu allem VwGH 26.6.2013, 2013/22/0148, mwN).
10 Nach § 13 Abs. 3 AVG ermächtigen Mängel schriftlicher Anbringen die Behörde nicht zur Zurückweisung. Die Behörde hat vielmehr von Amts wegen unverzüglich deren Behebung zu veranlassen und kann dem Einschreiter die Behebung des Mangels innerhalb einer angemessenen Frist mit der Wirkung auftragen, dass das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist zurückgewiesen wird. Wird der Mangel rechtzeitig behoben, so gilt das Anbringen als ursprünglich richtig eingebracht (vgl. zu allem VwGH 26.2.2015, Ra 2014/22/0145; 27.1.2009, 2008/22/0865; sowie 23.10.2008, 2008/21/0212).
11 Entsprechend dieser Rechtslage erteilte die belangte Behörde dem Mitbeteiligten einen Verbesserungsauftrag gemäß § 13 Abs. 3 AVG und gewährte ihm dafür im Ergebnis eine Frist von ca. zwei Wochen. Diesem Verbesserungsauftrag ist der Mitbeteiligte laut den (ebenfalls unbestritten gebliebenen) Feststellungen der belangten Behörde trotz Hinweis auf die Rechtsfolgen nicht nachgekommen. Ausführungen (sowie diese tragende Feststellungen) dahingehend, dass der Verbesserungsauftrag nicht in gesetzeskonformer Weise erfolgt wäre, enthält das angefochtene Erkenntnis nicht (vgl. allgemein zur Rechtswidrigkeit einer Zurückweisung als Folge eines nicht dem Gesetz entsprechenden Verbesserungsauftrages wiederum VwGH 2013/22/0148). Ausgehend davon vermag der Verwaltungsgerichtshof die Auffassung des Verwaltungsgerichtes, dass der von der belangten Behörde herangezogene Zurückweisungsgrund des § 19 Abs. 1 NAG in Verbindung mit § 13 Abs. 3 AVG nicht vorliege, nicht zu teilen. 12 Das Verwaltungsgericht verwies auf (drei) eigenhändige Unterschriften des Mitbeteiligten auf dem Antragsformular, um das Nichtvorliegen des von der belangten Behörde angenommenen Zurückweisungsgrundes zu begründen. Der Umstand der eigenhändigen Unterfertigung des Antragsformulars stellt jedoch keine persönliche Antragstellung dar. Mit der im verwaltungsbehördlichen Verfahren festgestellten postalischen Einbringung des Antrages setzte sich das Verwaltungsgericht - obwohl die belangte Behörde auf Anfrage des Verwaltungsgerichtes im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erneut darauf hingewiesen hat - ebenso wenig auseinander wie mit dem durchgeführten Verbesserungsverfahren.
13 Aus den dargelegten Gründen hat das Verwaltungsgericht die Rechtslage verkannt und das Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet. Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Wien, am 17. Juni 2019