Spruch
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Georg WILD-NAHODIL als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Irak, vertreten durch die BBU GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.07.2025, Zl. XXXX , zu Recht:
A)
Der Beschwerde wird gem. § 28 Abs 2 VwGVG iVm § 35 AVG stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (i.d.F. „BF“) ist ein irakischer Staatsangehöriger, der am 06.05.2021 einen ersten Antrag auf internationalen Schutz stellte, welchen er zusammengefasst mit der Sicherheitslage im Herkunftsstaat sowie Stammesschwierigkeiten und Bedrohungen durch Milizen begründete. Der Asylantrag wurde vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (i.d.F. „Bundesamt“ oder „bB“) mit Bescheid vom 06.05.2022, Zl. XXXX , vollinhaltlich abgewiesen und wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde vom Bundesverwaltungsgericht (i.d.F. „BVwG“) mit Erkenntnis vom 19.01.2023, L519 2255826-1, als unbegründet abgewiesen.
2. Am 28.07.2024 stellte der BF einen Folgeantrag, welchen er ergänzend damit begründete, er habe sich vom Islam abgewandt, weshalb ihm in seinem Herkunftsstaat Verfolgung drohe. Die bB wies den Antrag mit Bescheid vom 26.08.2024, Zl. XXXX , wegen entschiedener Sache gem. § 68 AVG zurück. Der BF erhob das Rechtsmittel der Beschwerde an das BVwG, welches die Beschwerde mit Erkenntnis vom 23.06.2025, L507 2255826-2, als unbegründet abwies.
3. Mit Bescheid vom 10.07.2025, Zl. XXXX , dem BF zugestellt am 16.07.2025, verhängte die bB gegen ihn eine Mutwillensstrafe in der Höhe von EUR 500,--, wogegen sich die rechtzeitig eingebrachte Beschwerde vom 25.07.2025 wendet.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Der Verfahrensgang wird zur Feststellung erhoben.
1.2. Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF die Tätigkeit des Bundesamtes in der gegenständlichen Rechtssache offenbar mutwillig in Anspruch genommen hat.
2. Beweiswürdigung:
Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt des Bundesamtes sowie die hg. Vorakten. Der BF stellte im Verfahren vor dem BVwG keine über die Durchführung einer mündlichen Verhandlung hinausgehenden Beweisanträge. Aufgrund des vorliegenden Verwaltungsaktes sowie der Vorakten ist das erkennende Gericht in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt ein ausreichendes und abgerundetes Bild zu machen.
2.1. Die Ausführungen des Verfahrensganges waren zwischen den Parteien unstrittig und finden Deckung in den hg. Vorakten, weshalb diese zur Feststellung erhoben werden konnten.
2.2. Eine missbräuchliche Inanspruchnahme der behördlichen Tätigkeit war aus hg. Sicht im gegenständlichen Falle nicht zu objektivieren.
Dies deshalb, weil der BF – wenn auch sein Folgeantrag mangels eines glaubhaften Kerns des Vorbringens wegen entschiedener Sache (rechtskräftig) zurückgewiesen wurde – sich im Folgeverfahren auf neue Tatsachenbehauptungen berief, anstatt ausschließlich bereits im Vorverfahren relevierte Umstände geltend zu machen. Das BVwG stützte sich in seiner die Rechtsanschauung der bB teilenden Entscheidung erkennbar und zusammengefasst darauf, der BF, der schon vor seinem Austritt kein praktizierender Moslem gewesen sei, vertrete allenfalls eine indifferente Haltung gegenüber Glaubenslehren, habe jedoch weder eine explizit atheistische oder islamkritische Grundeinstellung eingenommen noch habe sich sein Verhalten im Hinblick auf religiöse Vorschriften geändert (siehe insbesondere S. 64 bis 67 des hg. Erkenntnisses vom 23.06.2025, L507 2255826-2).
Eine mutwillige Inanspruchnahme der Tätigkeit des Bundesamtes ergibt sich nach hg. Ansicht daraus – anders als wenn der BF beispielsweise sein im Erstverfahren erstattetes Vorbringen neuerlich und ohne die Behauptung neuer Gründe als schutzrelevant behauptet hätte, er sich objektivierterweise der Unwahrheit bedient hätte oder er gefälschte Unterlagen zum Beweis der ihm drohenden Verfolgung vorgelegt hätte - gerade nicht.
Am Rande sei im Übrigen, wenn dem auch keine Entscheidungsrelevanz zukommt, angemerkt, dass aus dem Argument der Rechtsvertretung, der BF habe den Folgeantrag nicht im Bewusstsein der Aussichtslosigkeit gestellt, da seine weltanschaulichen Überzeugungen sich nach Abschluss des Erstverfahrens verändert hätten, nichts für den BF zu gewinnen ist, da das BVwG im Zweitverfahren geradezu Gegenteiliges ausführte (nämlich, dass eine Änderung gerade nicht stattgefunden habe) und diese Prozessbehauptung sohin im diametralen Widerspruch zum Akt und zur rechtskräftigen Entscheidung im Zweitverfahren steht.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Gemäß § 7 Abs 1 Z 1 BFA-VG idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Zu A)
3. Beschwerdestattgabe:
3.1. Zur Rechtsgrundlage:
„Mutwillensstrafe
§ 35 Gegen Personen, die offenbar mutwillig die Tätigkeit der Behörde in Anspruch nehmen oder in der Absicht einer Verschleppung der Angelegenheit unrichtige Angaben machen, kann die Behörde eine Mutwillensstrafe bis 726 Euro verhängen.“
3.2. Zur Anwendung auf den gegenständlichen Fall:
3.2.1. Bei einer Mutwillensstrafe nach § 35 AVG handelt es sich, wie bei der Ordnungsstrafe nach § 34 AVG, nicht um die Ahndung eines Verwaltungsdeliktes, sondern um ein Disziplinarmittel (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 04.09.1973, 1665/72, VwSlg. Nr. 8448 A/1973, sowie das zu § 34 AVG ergangene und auf den vorliegenden Beschwerdefall übertragbare Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30.05.1994, 92/10/0469, VwSlg. Nr. 14.064 A/1994).
Mit dem Vorwurf des Missbrauchs von Rechtsschutzeinrichtungen ist mit äußerster Vorsicht umzugehen. Ein derartiger Vorwurf ist nur dann am Platz, wenn für das Verhalten einer Partei nach dem Gesamtbild der Verhältnisse keine andere Erklärung bleibt; die Verhängung einer Mutwillensstrafe kommt demnach lediglich im "Ausnahmefall" in Betracht (vgl. VwGH 07.03.2023, Ra 2023/03/0019).
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt iSd § 35 AVG mutwillig, wer sich im Bewusstsein der Grund- und Aussichtslosigkeit, der Nutz- und der Zwecklosigkeit seines Anbringens an die Behörde wendet. Darüber hinaus verlangt das Gesetz aber noch, dass der Mutwille offenbar ist; dies ist dann anzunehmen, wenn die wider besseres Wissen erfolgte Inanspruchnahme der Behörde unter solchen Umständen geschieht, dass die Aussichtslosigkeit, den angestrebten Erfolg zu erreichen, für jedermann erkennbar ist (vgl. VwGH 19.07.2023, Ra 2022/01/0016).
3.2.2. Angesichts dessen, dass unter Heranziehung der höchstgerichtlichen Judikatur von einem äußerst restriktiven Verständnis des § 35 AVG auszugehen ist, ist aus dem o.a. Verfahrensverlauf für das BVwG – wie beweiswürdigend dargelegt - eine vorsätzliche Handlung zur Verfahrensverzögerung oder ungerechtfertigten Inanspruchnahme der bB, die die Verhängung einer Mutwillensstrafe rechtfertigt, im Zuge dieser Antragstellung sowie ein „Ausnahmefall“ iSd obzitierter Rechtsprechung – noch – nicht zu erkennen, weshalb der angefochtene Bescheid aus dem Rechtsbestand zu entfernen war.
Da die Mutwillensstrafe im vorliegenden Fall jedenfalls nicht zu verhängen war, ist auch nicht näher auf die general- und spezialpräventive Wirkung bzw. auf die Frage, weshalb das Bundesamt einen Satz von EUR 500,-- (was prima facie – der Beschwerde beitretend - unverhältnismäßig hoch erscheint) zur Anwendung brachte, einzugehen.
Zum Entfall der mündlichen Verhandlung:
In Hinblick auf die Stattgebung der Beschwerde, aber auch in Bezug darauf, dass nach § 24 Abs. 4 VwGVG das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen kann, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden, weil das Gericht einerseits bereits einen dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegten Sachverhalt annehmen konnte, der mit dem Vorbringen des BF in Einklang ist (der Sachverhalt insoweit, soweit relevant, also unstrittig ist). Es war dem Vorbringen des BF zu folgen, dass er keineswegs grund- und aussichtlos diesen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat. Das Gericht konnte so aufgrund der Akten und des schriftlichen Vorbringens entscheiden, ohne dass dies eine Verletzung von Art. 6 Abs. 1 MRK oder Art. 47 GRC bedeutet hätte; eine Rechtsfrage, die für sich genommen einer Erörterung im Rahmen der mündlichen Verhandlung bedurft hätte, wurde nicht aufgezeigt (vgl. VwGH 20.03.2014, 2013/07/0146, 17.02.2015, Ra 2015/09/0007).
Aus den Gesetzesmaterialien zur Bestimmung des § 24 VwGVG ergibt sich im Übrigen, dass eine mündliche Verhandlung, soweit sie ausschließlich der Klärung der Rechtsfrage dienen würde, nicht geboten sein soll (vgl. RV 1255 BlgNR 25. GP, 5; auch VwGH 19.09.2017, Ra 2017/01/0276).
Zu B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiter ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.