Spruch
W252 2251935-3/10E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Elisabeth SCHMUT LL.M. als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA. Syrien, vertreten durch die BBU Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen Spruchpunkt I. des Bescheids des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.07.2024, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:
A) Die Beschwerde wird abgewiesen.
B) Die Revision ist nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (in der Folge: BF) stellte erstmals am 19.05.2021 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.
2. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: belangte Behörde) vom 23.09.2021 wurde der Antrag des BF auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen (Spruchpunkt I.) und ihm der Status des Subsidiär Schutzberechtigten, sowie eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr erteilt (Spruchpunkt II. und III.).
3. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.06.2022, XXXX , wurde die dagegen erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
4. Die gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts erhobene außerordentliche Revision des BF wurde mittels Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes, Ra XXXX , am 29.11.2022 zurückgewiesen.
5. Am 31.08.2023 stellte der BF den nunmehr gegenständlichen Folgeantrag auf internationalen Schutz und brachte vor, dass er ein Schreiben erhalten habe, welches die Aufforderung zum Militärdienst in der syrischen Armee beweise. Außerdem sei er in Österreich Mitglied einer politischen Bewegung gegen das syrische Regime.
6. Am 11.06.2024 fand die schriftliche Einvernahme des BF vor der belangten Behörde statt. Wobei der BF zum Grund des neuerlichen Asylantrages angab, dass er nur mit subsidiären Schutz keine Arbeit bekomme und einen Reisepass beantragen wolle, aber nicht könne, da er nicht auf die Botschaft gehen können, da das syrische Regime seinen Bruder getötet hätte. Er werde in Syrien aufgrund des Militärdienstes verfolgt und gesucht, da er noch nicht gedient habe. Bei einer Rückkehr könne alles passieren, er vertraue dem Regime nicht.
7. Mit Bescheid vom 12.07.2024 wies die belangte Behörde den Antrag des BF auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ab und führte begründend aus, dass der BF keine asylrelevanten Gründe glaubhaft machen konnte, die einen neuen Sachverhalt darlegen würden und zu einer anderen Entscheidung als der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zum ersten Asylantrag führen würden.
8. Gegen gegenständlichen Bescheid erhob der BF am 19.08.2024 fristgerecht Beschwerde und brachte zusammengefasst vor, dass ihm bei einer Rückkehr eine wohlbegründete Verfolgung durch das syrische (Assad)-Regime aufgrund seiner (zumindest unterstellten) oppositionellen politischen Gesinnung, die sich in seiner Verweigerung des Einsatzes als Soldat beim syrischen Militär, seiner Demonstrationsteilnahmen in Österreich sowie seiner Tätigkeit im Verein XXXX , äußere.
9. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 27.01.2025 eine mündliche Verhandlung durch. Im Zuge der Ladung zur Verhandlung wurde den Parteien das einschlägige Länderberichtsmaterial (Länderinformation des CMS-COI zu Syrien, Version 11, vom 27.03.2024) vorgehalten und die Möglichkeit gegeben, eine Stellungnahme abzugeben. Eine Stellungnahme langte nicht ein.
10. Mit Stellungnahme des BF vom 03.02.2025 gab der BF an, Beweise zu seinen neuen, in der mündlichen Verhandlung vorgebrachten, Fluchtgründen vorzulegen. Er fürchte aktuell eine Verfolgung in Syrien und es sei davon auszugehen, dass ihm ein staatlicher Schutz von Seiten der HTS oder SDF nicht gewährt werde.
11. Das Bundesverwaltungsgericht übermittelte mit Parteiengehör vom 25.04.2025 weitere Länderberichte (ACCORD Anfragebeantwortung vom 21.03.2025) zur Stellungnahme. Eine Stellungnahme langte nicht ein.
12. Mit Parteiengehör vom 09.05.2025 übermittelte das Bundesverwaltungsgericht das neueste einschlägige Länderberichtsmaterial (Länderinformationsblatt der Staatendokumention –Syrien, Version 12, 08.05.2025) zur Stellungnahme. Eine Stellungnahme langte nicht ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des BF:
Der BF führt den Namen XXXX , geb. am XXXX . Er ist syrischer Staatsangehöriger, Moslem, gehört zur Volksgruppe der Araber und spricht Arabisch als Muttersprache. Er ist geschieden, hat zwei Kinder und in keiner Lebensgemeinschaft.
Er ist in der Stadt XXXX , Gouvernement XXXX geboren und aufgewachsen. Er absolvierte in Syrien die Matura und hat in einem Laden für Schulbedarf und einem Restaurant gearbeitet. Im Jahr 2015 reiste er aus Syrien aus. Die Ex-Frau des BF hat neuerlich geheiratet und lebt mit den Kindern des BF in der Türkei. Drei Brüder des BF leben in Syrien, einer davon in der Heimatstadt des BF, die anderen beiden außerhalb der Stadt.
Der BF stellte am 19.05.2021 seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 23.09.2021 wurde der Antrag des BF auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen (Spruchpunkt I.) und ihm der Status des Subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.06.2022, XXXX , wurde die gegen Spruchpunkt I. erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 29.11.2022, Ra XXXX , wurde die dagegen erhobene außerordentliche Revision, zurückgewiesen.
Der BF genießt nach wie vor den Status eines subsidiär Schutzberechtigten und ist Inhaber eines Fremdenpasses.
1.2. Zu den Fluchtgründen des BF:
Der Heimatort des BF steht unter der Herrschaft der nunmehrigen Übergangsregierung.
Das syrische Regime unter Baschar al-Assad wurde am 08.12.2024 gestürzt. Das syrische Regime bzw dessen Sicherheitsbehörden existieren nicht mehr und können weder Verhaftungen, noch Zwangsrekrutierungen durchführen. Der BF ist auch nicht durch Schläferzellen des Assad-Regimes gefährdet.
Die Al-Nusra-Front existiert nicht mehr, diese ist in der HTS (Hay´at Tahrir ash-Sham) aufgegangen. Der BF hat keine oppositionelle Gesinnung gegenüber der neuen Übergangsregierung und ihm wird eine solche auch nicht unterstellt.
Die kurdischen Kräfte haben keine Macht bzw. Zugriffsmöglichkeit auf den Heimatort des BF und der BF ist seitens Angehöriger der SDF nicht gefährdet.
Der BF ist bei einer Rückkehr in seine Heimatregion möglich.
1.3. Zur maßgeblichen Situation in Syrien:
Aus den ins Verfahren eingeführten Länderinformationen:
Länderinformationsblatt der Staatendokumention –Syrien, Version 12, 08.05.2025
ACCORD Anfragebeantwortung vom 21.03.2025: Rekrutierungspraxis der Übergangsregierung, Rekrutierungen durch andere bewaffnete Gruppen
Kurzinformation der Staatendokumentation, Syrien, Sicherheitslage, Politische Lage Dezember 2024: Opposition übernimmt Kontrolle, al-Assad flieht, 10.12.2024
UNHCR: UNHCR Position On Returns To The Syrian Arab Republic, Dezember 2024
UNHCR: Regional Flash Update #4, 16.12.2024
ACCORD: Syrien-Länderseite auf ecoi.net, Stand 27.01.2025
ergibt sich Folgendes:
Länderinformationsblatt der Staatendokumention –Syrien, Version 12, 08.05.2025
Politische Lage - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024)
Am 8.12.2024 erklärten die Oppositionskräfte in Syrien die 24-jährige Herrschaft von Präsident Bashar al-Assad für beendet. Zuvor waren Kämpfer in die Hauptstadt eingedrungen, nachdem Oppositionsgruppierungen am 27.11.2024 eine Offensive gegen das Regime gestartet und innerhalb weniger Tage die Städte Aleppo, Hama und große Teile des Südens eingenommen hatten. Al-Assad war aus Damaskus geflohen (AJ 8.12.2024). Ihm und seiner Familie wurde Asyl in Russland gewährt (VB Moskau 10.12.2024). Er hatte das Land seit 2000 regiert, nachdem er die Macht von seinem Vater Hafez al-Assad übernommen hatte, der zuvor 29 Jahre regiert hatte (BBC 8.12.2024a). Er kam mit der Baath-Partei an die Macht, die in Syrien seit den 1960er-Jahren Regierungspartei war (NTV 9.12.2024). Bashar al-Assad hatte friedliche Proteste gegen sein Regime im Jahr 2011 gewaltsam unterdrückt, was zu einem Bürgerkrieg führte. Mehr als eine halbe Million Menschen wurden getötet, sechs Millionen weitere wurden zu Flüchtlingen (BBC 8.12.2024a). Die Offensive gegen al-Assad wurde von der Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) angeführt (BBC 9.12.2024). [Details zur Offensive bzw. zur Hay'at Tahrir ash-Sham finden sich im Kapitel Sicherheitsbehörden - Entwicklungen seit dem Sturz des al-Assad-Regimes (8.12.2024) Anm.] Die HTS wurde ursprünglich 2012 unter dem Namen Jabhat an-Nusra (an-Nusra Front) gegründet, änderte ihren Namen aber 2016 nach dem Abbruch der Verbindungen zur al-Qaida in Hay'at Tahrir ash-Sham. Sie festigte ihre Macht in den Provinzen Idlib und Aleppo, wo sie ihre Rivalen, darunter Zellen von al-Qaida und des Islamischen Staates (IS), zerschlug. Sie setzte die sogenannte Syrische Heilsregierung (Syrian Salvation Government - SSG) ein, um das Gebiet nach islamischem Recht zu verwalten (BBC 9.12.2024). Die HTS wurde durch die von der Türkei unterstützte Syrische Nationale Armee (Syrian National Army - SNA), lokale Kämpfer im Süden und andere Gruppierungen unterstützt (Al-Monitor 8.12.2024). Auch andere Rebellengruppierungen erhoben sich (BBC 8.12.2024b), etwa solche im Norden, Kurdenmilizen im Nordosten, sowie Zellen der Terrormiliz IS (Tagesschau 8.12.2024). Im Süden trugen verschiedene bewaffnete Gruppierungen dazu bei, die Regierungstruppen aus dem Gebiet zu vertreiben. Lokale Milizen nahmen den größten Teil der Provinz Dara'a sowie die überwiegend drusische Provinz Suweida ein (Al-Monitor 8.12.2024). Die Abteilung für Militärische Operationen (Department for Military Operations - DMO) dem auch die HTS angehört, kontrollierte mit Stand 11.12.2024 70 % des syrischen Territoriums (Arabiya 11.12.2024).
[…]
Der HTS-Anführer Mohammed al-Joulani, der mittlerweile anstelle seines Kampfnamens seinen bürgerlichen Namen Ahmad ash-Shara' verwendet (Nashra 8.12.2024), traf sich am 9.12.2024 mit dem ehemaligen Ministerpräsidenten und Vizepräsidenten von al-Assad, um die Modalitäten für eine Machtübergabe zu besprechen (DW 10.12.2024). Bis zu ihrer Übergabe blieben die staatlichen Einrichtungen Syriens unter seiner Aufsicht (REU 8.12.2024). Die Macht des Assad-Regimes wurde auf ein Übergangsgremium übertragen, das vom Premierminister der SSG, Mohammed al-Bashir, geleitet wurde (MEI 9.12.2024). Al-Bashir kündigte am ersten Tag seiner Ernennung an, dass die Prioritäten seiner Regierung folgende seien: Gewährleistung von Sicherheit, Bereitstellung von Dienstleistungen und Aufrechterhaltung der staatlichen Institutionen. (AJ 27.1.2025a). Am 29.1.2025 wurde de-facto-Herrscher Ahmed ash-Shara' zum Übergangspräsidenten ernannt (Standard 29.1.2025).
[…]
Am 29.1.2025 versammelten sich die Führer der militärischen Gruppierungen, die an der militärischen Kampagne zum Sturz Assads beteiligt waren, zu einer Zeremonie im Präsidentenpalast, um den Sieg zu erklären. In der Siegeserklärung kündigten sie neun Schritte an, die in drei Hauptthemen unterteilt sind, wie beispielsweise: 1. Füllen des Machtvakuums durch die Annullierung der Verfassung von 2012, die Aussetzung aller Ausnahmegesetze, die Auflösung der während der Zeit des vorherigen Regimes gebildeten Volksversammlung und aller aus ihr hervorgegangenen Komitees und die Ernennung des Befehlshabers des militärischen Operationskommandos, Ahmed ash-Shara', zum Präsidenten des Landes während der Übergangszeit. Bei der Zeremonie wurde die Auflösung von vier Institutionen, welche die Säulen der Herrschaft und Kontrolle des früheren Regimes darstellten und die Schaffung eines neuen Regimes behindern, angekündigt, nämlich: die Armee, die Sicherheitsdienste mit ihren verschiedenen Zweigen und alle damit verbundenen Milizen, die Arabische Sozialistische Ba'ath-Partei, die Parteien der Nationalen Progressiven Front und die ihnen angeschlossenen Organisationen, Institutionen und Komitees und das Verbot ihrer Wiedererrichtung auch unter einem anderen Namen und Rückgabe ihrer Vermögenswerte an den syrischen Staat (AJ 31.1.2025a). Die Ba'ath-Partei des gestürzten syrischen Machthabers Bashar al-Assad stellte nach eigenen Angaben mit 12.12.2024 sämtliche Aktivitäten ein. Dies gelte bis auf Weiteres, hieß es in einer auf der Website der Parteizeitung veröffentlichten Erklärung. Die Vermögenswerte und die Gelder der Partei würden unter die Aufsicht des Finanzministeriums gestellt, Fahrzeuge und Waffen sollen nach Parteiangaben an das Innenministerium übergeben werden. Die Ba'ath-Partei war seit 1963 in Syrien an der Macht (Tagesschau 12.12.2024). Viele Mitglieder der Parteiführung sind untergetaucht und einige aus dem Land geflohen. In einem symbolischen Akt haben die neuen Machthaber Syriens das ehemalige Hauptquartier der Partei in Damaskus in ein Zentrum umgewandelt, in dem ehemalige Mitglieder der Armee und der Sicherheitskräfte Schlange stehen, um sich registrieren zu lassen und ihre Waffen abzugeben (AP 30.12.2024). Am 11.2.2025 gab das Präsidialamt bekannt, dass die wichtigsten Oppositionsgremien Syriens, die im Exil tätig waren, Damaskus die von ihnen bearbeiteten Akten übergeben haben, als Teil der Bemühungen, die während des Konflikts gebildeten Institutionen „aufzulösen“. Dieser Schritt kommt der Abschaffung der wichtigsten unbewaffneten Oppositionsgruppen Syriens gleich und erinnert an ash-Shara's Versuch, alle bewaffneten Gruppen aufzulösen und in die Armee zu integrieren (FR24 12.2.2025). Für die in den Kriegsjahren im und aus dem Ausland tätige Opposition hat man nur Geringschätzung (SYRDiplQ1 5.2.2025).
Während ash-Shara' ein gewisses Maß an Pragmatismus gezeigt hat, insbesondere im Umgang mit lokalen Gemeinschaften, sind die Strukturen der Übergangsregierung nach wie vor zentralisiert und hierarchisch, wobei die Macht in einem kleinen Führungskreis konzentriert ist. Dies schränkt die Möglichkeiten für eine integrative Entscheidungsfindung ein und verstärkt die Wahrnehmung der Ausgrenzung von Minderheiten und Frauen (AC 20.12.2024). HTS hat in Idlib einerseits bemerkenswerte Zugeständnisse an die lokale Bevölkerung gemacht. So erlaubte sie beispielsweise Christen, Gottesdienste abzuhalten und Frauen, Universitäten zu besuchen und Autos zu fahren – Maßnahmen, die angesichts der radikalen dschihadistischen Vergangenheit der Gruppe bemerkenswert sind. Darüber hinaus hat HTS Zivilisten in seine Regierungsverwaltung integriert und einen technokratischen Regierungsstil eingeführt, selbst in sensiblen ideologischen Bereichen wie Bildung und Religion, in denen die Gruppe ursprünglich ausschließlich eigenes Personal ernennen wollte. Andererseits ist die mangelnde Bereitschaft, politische Opposition zuzulassen, nach wie vor besorgniserregend. In Idlib hat HTS nach und nach die Macht monopolisiert und agierte praktisch als Einparteienstaat. Politische Opposition und zivilgesellschaftlicher Aktivismus wurden unterdrückt (DIIS 16.12.2024). Zu den ersten Entscheidungen der Übergangsregierung unter al-Bashir gehörten die Entsendung von Polizeikräften in Großstädte und das Verbot von Rauchen und Alkoholkonsum (MAITIC 17.12.2024). Der HTS wurden unter anderem von Human Rights Watch, immer wieder schwere Menschenrechtsverletzungen gegen Oppositionelle, Frauen und religiöse Minderheiten vorgeworfen. Es kam auch zu groß angelegten Protesten gegen die HTS und ihren Anführer, ash-Shara' (Rosa Lux 17.12.2024). Laut Terrorismusexperte Peter Neumann haben die Kämpfer der HTS für ein islamistisches Regime gekämpft. Er hält es für möglich, dass es zu einer Opposition in der eigenen Bewegung kommen könnte (Spiegel 11.12.2024). Auch Terrorismusexperte Hans-Jakob Schindler spricht von Videos von Personen aus dem Umfeld der HTS, die ein Kalifat aufbauen wollen (WiWo 9.12.2024). Alberto M. Fernandez, Vizepräsident des Middle East Media Research Institutes, wiederum sieht nicht so sehr die Gefahr, dass Syrien nun ein islamischer Staat sein wird, sondern dass es ein gescheiterter Staat sein wird. Die Gefahr besteht eher darin, dass die Anarchie die Oberhand gewinnt und nicht das Scharia-Recht. Dennoch sehen auch sie, al-Shara', seine Organisation die HTS und viele ihrer Verbündeten als Hardcore-Islamisten. Der beste Vergleich sind nicht der Islamische Staat (IS) und al-Qaida, sondern die Taliban und die Hamas, politische Projekte, die sowohl islamistisch als auch nationalistisch sind (MEMRI 9.12.2024). Etwa 70 % der syrischen Bevölkerung sind sunnitische Muslime, darunter auch Kurden, die etwa 10 % der Bevölkerung ausmachen. Die arabischen Sunniten sind sich jedoch in ihren Zielen nicht einig, und viele wünschen sich für die Zukunft Syriens keinen islamischen Staat (SWI 13.2.2025). [Informationen zu ethnischen und religiösen Minderheiten finden sich im Kapitel Ethnische und religiöse Minderheiten - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024).]
Trotz der Kritik ergab eine im März 2025 im Auftrag von „The Economist“ durchgeführte Umfrage, an der 1.500 Syrer aus allen Provinzen und konfessionellen Gruppen des Landes teilnahmen, dass 81 % die Herrschaft von ash-Shara' befürworten. Nur 22 % sind der Meinung, dass seine Vergangenheit als al-Qaida-Führer ihn für eine Führungsrolle disqualifiziert. Eine große Zahl der Befragten gibt an, dass sie seine neue Ordnung als sicherer, freier und weniger konfessionell geprägt empfinden als das Regime von al-Assad. Etwa 70 % sind optimistisch, was die allgemeine Richtung des Landes angeht. Die zufriedenste Provinz ist Idlib, ash-Shara's ehemaliges Machtgebiet, wo 99 der 100 Befragten sich optimistisch äußern. Tartus, wo Anfang März 2025 mehrere Massaker an der alawitschen Minderheit stattgefunden haben, ist die pessimistischste Provinz. Selbst dort gaben 49 % an, optimistisch zu sein, während 23 % sich pessimistisch äußerten. (Economist 2.4.2025). […]
Ahmed ash-Shara' wurde 1982 (Rosa Lux 17.12.2024) als Ahmed Hussein ash-Shara' in Saudi-Arabien als Kind syrischer Expatriates geboren. Ende der 1980er-Jahre zog seine Familie zurück nach Syrien (NYT 12.12.2024). Als junger Mann radikalisierte er sich während der blutigen zweiten Intifada, als die israelische Regierung auf palästinensische Selbstmordattentate mit brutaler Gewalt antwortete. Auch der 11.9.2001 prägte ihn (Rosa Lux 17.12.2024). Er ging 2003 in den Irak, um sich al-Qaida anzuschließen und gegen die US-Besatzung zu kämpfen. Arabischen Medienberichten und US-Beamten zufolge verbrachte er mehrere Jahre in einem amerikanischen Gefängnis im Irak. Zu Beginn des Bürgerkriegs tauchte er in Syrien auf und gründete die Jabhat an-Nusra, aus der sich schließlich Hay'at Tahrir ash-Sham entstand (NYT 12.12.2024). 2003 nahm er den Kriegsnamen Abu Mohammad al-Jolani an (Rosa Lux 17.12.2024). In einem vor einigen Jahren mit dem US-amerikanischen Sender PBS geführten Interview gab ash-Shara' zu, dass er bei seiner Rückkehr nach Syrien finanzielle Unterstützung durch den sogenannten Islamischen Staat (IS) erhielt, der zu diesem Zeitpunkt weite Teile des Iraks und Syriens besetzt hielt (DW 18.12.2024). Im Januar 2017 gründete er mit der HTS ein neues Bündnis verschiedener islamistischer Milizen, das sich dezidiert von der dschihadistischen al-Qaida und ihrem Ziel eines globalen Dschihads gegen den Westen lossagte (Rosa Lux 17.12.2024). Seit dem Bruch mit al-Qaida haben er und seine Gruppierung versucht, internationale Legitimität zu erlangen, indem sie globale dschihadistische Ambitionen ablehnten und sich auf eine organisierte Regierungsführung in Syrien konzentrierten (NYT 12.12.2024). 2013 setzten die USA ihn auf ihre Terrorliste und lobten später sogar ein Kopfgeld in Höhe von zehn Millionen für Hinweise zu seiner Ergreifung aus. 2018 wurde dann auch die HTS von den Vereinigten Staaten als terroristische Vereinigung eingestuft, die Vereinten Nationen folgten (Rosa Lux 17.12.2024)
Politische Lage in den Gebieten unter der Kontrolle der kurdisch dominierten SDF – Demokratische Autonome Administration von Nord- und Ostsyrien (DAANES)
[…]
Der politische Flügel der SDF, der Syrische Demokratische Rat (Syrian Democratic Council -SDC), beglückwünschte das syrische Volk am 8.12.2024 zum Ende des Assad-Regimes und versprach, mit verschiedenen Gruppen im Land zusammenzuarbeiten. In einer Erklärung heißt es: Wir werden mit allen nationalen, kulturellen und gesellschaftlichen Kräften Syriens zusammenarbeiten, indem wir uns am nationalen Dialog beteiligen und unsere Verantwortung wahrnehmen, um ein neues Syrien zu schaffen, das alle seine Bürger einschließt (Al-Monitor 8.12.2024). Nach dem Sturz al-Assads hissten die SDF als Geste gegenüber der neuen Regierung in Damaskus die Revolutions- und Unabhängigkeitsflagge der Rebellengruppen auf ihren Einrichtungen, was von Washington begrüßt wurde (AJ 9.1.2025a). Am 29.12.2024 erklärte ash-Shara’ gegenüber dem Fernsehsender Al Arabiya, dass die SDF in die neue nationale Armee integriert werden sollten. Waffen dürfen nur in den Händen des Staates sein. Wer bewaffnet und qualifiziert ist, um dem Verteidigungsministerium beizutreten, ist bei uns willkommen, sagte er (AJ 31.12.2024a).
[…]
Am 10.3.2025 unterzeichneten der Anführer der kurdisch dominierten SDF Mazloum ’Abdi und Übergangspräsident Ahmad ash-Shara’ ein Abkommen über die Integration der SDF in die staatlichen Institutionen Syriens. Das Abkommen sieht die Gewährleistung der Rechte aller Syrer auf Vertretung und Beteiligung, einen Waffenstillstand in allen syrischen Gebieten und die Integration aller zivilen und militärischen Institutionen im Nordosten Syriens vor. Das Abkommen sieht auch vor, dass die SDF den syrischen Staat bei der Bekämpfung von Assads Überbleibseln und Drohungen unterstützen und Aufrufe zur Teilung, Hassreden und Versuche, Zwietracht zu säen, zurückweisen werden (Arabiya 11.3.2025). Das Abkommen besteht aus acht Klauseln. Gemeinsame Ausschüsse sollen daran arbeiten, die Umsetzung des Abkommens bis Ende des Jahres abzuschließen (AJ 11.3.2025). Das Abkommen sieht vor, das DAANES-Gebiet unter die volle Kontrolle der syrischen Zentralregierung bringen (AJ 10.3.2025b). Es beinhaltet die Integration der zivilen und militärischen Einrichtungen im Nordosten Syriens in die syrische Staatsverwaltung, einschließlich der Grenzposten, des Flughafens [in Qamishli, Anm.] und der Öl- und Gasfelder, die von den SDF im Nordosten Syriens kontrolliert werden (FR24 10.3.2025). Kurz nach Bekanntgabe der Vereinbarung sagten Quellen gegenüber Al Jazeera, dass sich ein Konvoi des syrischen Verteidigungsministeriums in Abstimmung mit den SDF nach al-Hasaka begeben wird und dass die Kräfte des Verteidigungsministeriums die Gefängnisse von den SDF übernehmen werden (AJ 11.3.2025).
[…]
Kurdisch geführte Truppen haben den Zusammenbruch der syrischen Armee genutzt, um die vollständige Kontrolle über die wichtigste Stadt, Deir ez-Zour, zu übernehmen (BBC 8.12.2024b). Diese wurde ihnen von den Rebellengruppierungen kurz darauf wieder abgenommen (Al-Monitor 8.12.2024). Kräfte der SNA wiederum haben die Situation genützt, um Territorium in Manbij von den SDF zu erobern (TWI 9.12.2024). Die SDF kontrollieren nun 20 % des syrischen Territoriums (Arabiya 11.12.2024). Am 6.2.2025 sind Streitkräfte des syrischen Ministeriums für Allgemeine Sicherheit in die nordwestsyrische Stadt ’Afrin einmarschiert. ’Afrin wird seit 2018 von verschiedenen bewaffneten Gruppierungen der von der Türkei unterstützten SNA besetzt gehalten. Mit dem Einmarsch in ’Afrin setzt die neue syrische Regierung ihre Kontrolle über Teile des Landes durch. ’Afrin ist ein historisch kurdisches Gebiet in Syrien, und der Machtwechsel wurde von den kurdischen Medien aufmerksam verfolgt (LWJ 6.2.2025).
Sicherheitslage - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024)
[…]
Sicherheitskräfte sind immer noch dabei, Überbleibsel des Regimes im ganzen Land auszuheben, die häufig Mitglieder der Allgemeinen Sicherheit und Checkpoints ins Visier genommen haben. ETANA verzeichnete Angriffe von Pro-Regime- Gruppen auf Mitglieder der Allgemeinen Sicherheit in Rif Dimashq, Ost-Dara’a und West-Homs. Auch in Hama und Jableh, in der Nähe der Hmeimim-Basis, kam es zu Zusammenstößen. Sicherheitskräfte haben in ehemaligen Regimegebieten von Deir ez-Zour mehrere Operationen durchgeführt (Etana 22.2.2025). Während Zehntausende auf die Initiative der Versöhnungsprozesse eingingen, lehnten bewaffnete Gruppierungen von Regimeüberbleibseln sie ab, vor allem an der syrischen Küste, wo hohe Offiziere des Assad-Regimes stationiert waren. Im Laufe der Zeit flohen diese Gruppierungen in die Bergregionen und begannen, Spannungen zu schüren, die Lage zu destabilisieren und sporadische Angriffe auf die Regierungstruppen zu verüben (AJ 10.3.2025c). Bis Anfang März 2025 beschränkten sich solche Übergriffe auf kleine Ausbrüche von willkürlicher Selbstjustiz und waren nicht Teil von groß angelegter, organisierter Gewalt. Am 6.3.2025 jedoch überfielen Aufständische des Assad-Regimes die Sicherheitskräfte der Übergangsregierung in der westlichen Küstenstadt Jableh im Gouvernement Latakia und töteten 30 von ihnen (viele wurden später verbrannt oder in flachen Massengräbern aufgefunden) (TWI 10.3.2025). […]
Rückkehr - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024)
Mit dem Sturz al-Assads kehrten Tausende Syrer aus dem Libanon und der Türkei nach Syrien zurück. Für viele war das Assad-Regime das Haupthindernis für die Rückkehr in ihre Heimat. Die Aufnahmeländer haben diese Begeisterung genutzt, um weitere Rückkehrer zu ermutigen (CSIS 11.12.2024). Zehn Tage nach dem Sturz des syrischen Regimes am 8.12.2024 erklärte die Europäische Union (EU), sie schätze, dass zwischen Januar und Juni 2025 etwa eine Million syrische Flüchtlinge in ihr Land zurückkehren würden. Das wurde durch die Direktorin des Büros des UNHCR für den Nahen Osten und Nordafrika bestätigt. Ahmad ash-Shara’, der Befehlshaber der Militäroperationen in Syrien, der später zum Übergangspräsidenten des Landes wurde, betonte bei einem Treffen mit dem UN-Sondergesandten Geir Pedersen, dass eine seiner ersten Prioritäten darin bestehe, zerstörte Häuser wieder aufzubauen und die Vertriebenen in das letzte Zelt zurückzubringen, während er gleichzeitig sehr wichtige wirtschaftliche Entscheidungen treffe (Almodon 13.2.2025). Die Mehrheit ist in die Gouvernements Hama und Aleppo zurückgekehrt. Das bedeutet, dass die Zahl der Menschen, die neu vertrieben wurden, von 1,1 Millionen, wie am 12.12.2024 gemeldet, auf 882.000 Menschen am 15.12.2024 gesunken ist. Von dieser Zahl wurden mindestens 150.000 Menschen mehr als einmal vertrieben. Viele Familien sind in frühere Lager in ihren Herkunftsgebieten zurückgekehrt, weil es in ihren Heimatstädten an grundlegenden Versorgungsleistungen mangelt oder die Infrastruktur beschädigt ist. Einige Familien gaben auch an, dass sie auf die Räumung von Kampfmittelrückständen in ihren Herkunftsgebieten warten, bevor sie zurückkehren (UNOCHA 16.12.2024). UNHCR schätzt, dass von 8.12.2024 bis 2.1.2025 über 115.000 Syrer nach Syrien zurückgekehrt sind, basierend auf öffentlichen Erklärungen von Aufnahmeländern, Kontakten mit Einwanderungsbehörden in Syrien und dem UNHCR sowie der Grenzüberwachung durch Partner (UNHCR 2.1.2025). Insgesamt sind nach Angaben des UNHCR 800.000 vertriebene Syrer in ihre Heimat zurückgekehrt, darunter 600.000 Binnenvertriebene (Internal Displaced Persons - IDPs) (Stand 31.1.2025) (AlHurra 31.1.2025). Die Zahl der Personen, die in das Gouvernement Aleppo zurückkehren, ist am höchsten, wobei die Rückkehrer die verbesserte Sicherheitslage und die Abschaffung des Wehrdienstes als Hauptgründe für ihre Rückkehr nennen (UNHCR 2.1.2025). Grundsätzlich verzeichnen die UN einen Anstieg an rückkehrwilligen Syrern, die im Nahen Osten leben. Fast 30 % geben an, in ihre Heimat zurückzuwollen. Als großes Hindernis für die Rückkehr sieht UNHCR-Chef Grandi die Sanktionen (Zeit Online 26.1.2025). Die syrischen Behörden gaben an, dass innerhalb von zwei Monaten nach der Befreiung Syriens 100.905 Bürger über die Grenzübergänge der Türkei zurückgekehrt sind. Der Grenzübergang Jdaydat Yabous/ Masna’ zum Libanon fertigte in zwei Monaten 627.287 Reisende ab, darunter 339.018 syrische Staatsbürger und arabische und ausländische Gäste, und 288.269 Ausreisende. Im gleichen Zeitraum wurden am Grenzübergang Nassib/ al-Jaber zu Jordanien 174.241 Passagiere syrischer Staatsbürger und arabischer und ausländischer Gäste abgefertigt, davon 109.837 bei der Einreise und 64.404 bei der Ausreise. Am Grenzübergang al-Bu Kamal/ al-Qa’im wurden 5.460 syrische Staatsbürger abgefertigt, die im Irak leben und zurückkehren, um sich dauerhaft in Syrien niederzulassen (Nashra 11.2.2025). Bei den Angaben zu Rückkehrern sind die zuständigen Behörden und Forschungszentren nicht in der Lage festzustellen, ob diese Menschen lediglich zurückgekehrt sind, um ihre Familien zu besuchen und zu treffen, oder ob sie freiwillig und dauerhaft zurückgekehrt sind (Almodon 13.2.2025).
[…]
Bewegungsfreiheit - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024)
Die Interimsregierung installiert Checkpoints, an denen Autos durchsucht werden. Es wird überprüft, wer unterwegs ist, beispielsweise um Menschen zu verhaften, die für Verbrechen gegen das syrische Volk in der Zeit des Regimes verantwortlich sind (PBS 16.12.2024). Die Kontaminierung durch explosive Kampfmittel stellt nach wie vor eine große Bedrohung für Zivilisten, die sich zwischen ehemaligen Kontrollgebieten bewegen, dar (UNOCHA 23.12.2024).
Laut Aussage des syrischen Verkehrsministers bei einem Interview mit der kurdischen Zeitung Rudaw haben die neuen syrischen Machthaber vom ersten Tag der Befreiung an damit begonnen, die Bedürfnisse der Menschen zu erfüllen, insbesondere durch die Sicherstellung der Grundversorgung, z. B. mit Brot und Treibstoff, zusätzlich zur Sicherung des Transportsektors, damit sich die Menschen zwischen den Provinzen bewegen können. Sie haben damit begonnen, Treibstoff für Fahrzeuge zu sichern, damit sie in Abstimmung mit dem Ölministerium eingesetzt werden können, und Fahrten zwischen Damaskus und den restlichen Provinzen, zwischen Idlib und den restlichen Provinzen und zwischen Aleppo und restlichen Provinzen zu organisieren, zusätzlich zum internen Transport innerhalb jeder Provinz. Sie haben mit der Umsetzung eines Plans zur Festlegung spezifischer Preise, die für Fahrzeugbesitzer und für Menschen mit sehr begrenztem Einkommen angemessen sind, begonnen. Etwa 70 bis 80 % der Preis- bzw. Transporttarifstruktur wurden fertiggestellt und umgesetzt. Was die Versorgung der Öffentlichkeit betrifft, so wurden etwa 50 bis 60 % der Strecken, ob intern oder extern, gesichert (Rudaw 1.2.2025).
Kurzinformation der Staatendokumentation, Syrien, Sicherheitslage, Politische Lage Dezember 2024: Opposition übernimmt Kontrolle, al-Assad flieht, 10.12.2024
1. Zusammenfassung der Ereignisse
Nach monatelanger Vorbereitung und Training (NYT 1.12.2024) starteten islamistische Regierungsgegner unter der Führung der Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS) (Standard 1.12.2024) die Operation „Abschreckung der Aggression“ – auf نن Arabisch: ردع العدوا - Rad’a al-‘Adwan (AJ 2.12.2024) und setzten der Regierung von Präsident Bashar al-Assad innerhalb von 11 Tagen ein Ende. Die folgende Karte zeigt die Gebietskontrolle der einzelnen Akteure am 26.11.2024 vor Beginn der Großoffensive:
Am 30.11. nahmen die Oppositionskämpfer Aleppo ein und stießen weiter in Richtung der Stadt Hama vor, welche sie am 5.12. einnahmen. Danach setzten sie ihre Offensive in Richtung der Stadt Homs fort (AJ 8.12.2024). Dort übernahmen sie die Kontrolle in der Nacht vom 7.12. auf 8.12. (BBC 8.12.2024).
Am 6.12. zog der Iran sein Militärpersonal aus Syrien ab (NYT 6.12.2024). Russland forderte am 7.12. seine Staatsbürger auf, das Land zu verlassen (FR 7.12.2024). Am 7.12. begannen lokale Milizen und Rebellengruppierungen im Süden Syriens ebenfalls mit einer Offensive und nahmen Daraa ein (TNA 7.12.2024; Vgl. AJ 8.12.2024), nachdem sie sich mit der Syrischen Arabischen Armee auf deren geordneten Abzug geeinigt hatten (AWN 7.12.2024). Aus den südlichen Provinzen Suweida und Quneitra zogen ebenfalls syrische Soldaten, sowie Polizeichefs und Gouverneure ab (AJ 7.12.2024). Erste Oppositionsgruppierungen stießen am 7.12. Richtung Damaskus vor (AJ 8.12.2024). Am frühen Morgen des 8.12. verkündeten Medienkanäle der HTS, dass sie in die Hauptstadt eingedrungen sind und schließlich, dass sie die Hauptstadt vollständig unter ihre Kontrolle gebracht haben (Tagesschau 8.12.2024). Die Einnahme Damaskus’ ist ohne Gegenwehr erfolgt (REU 9.12.2024), die Regierungstruppen hatten Stellungen aufgegeben, darunter den Flughafen (Tagesschau 8.12.2024). Das Armeekommando hatte die Soldaten außer Dienst gestellt (Standard 8.12.2024).
Russland verkündete den Rücktritt und die Flucht von al-Assad (BBC 8.12.2024). Ihm und seiner Familie wurde Asyl aus humanitären Gründen gewährt (REU 9.12.2024).
Kurdisch geführte Kämpfer übernahmen am 6.12.2024 die Kontrolle über Deir ez-Zour im Nordosten Syriens, nachdem vom Iran unterstützte Milizen dort abgezogen waren (AJ 7.12.2024), sowie über einen wichtigen Grenzübergang zum Irak. Sie wurden von den USA bei ihrem Vorgehen unterstützt (AWN 7.12.2024).
Die von der Türkei unterstützten Rebellengruppierungen unter dem Namen Syrian National Army (SNA) im Norden Syriens starteten eine eigene Operation gegen die von den Kurden geführten Syrian Democratic Forces (SDF) im Norden von Aleppo (BBC 8.12.2024). ج فف ج Im Zuge der Operation „Morgenröte der Freiheit“ (auf Arabisch رال ر ح ة يية - Fajr al-Hurriya) nahmen diese Gruppierungen am 9.12.2024 die Stadt Manbij ein (SOHR 9.12.2024). Die Kampfhandlungen zwischen Einheiten der durch die Türkei unterstützten Syrian National Army (SNA) auf der einen Seite und den SDF auf der anderen Seite dauerten danach weiter an. Türkische Drohnen unterstützten dabei die Truppen am Boden durch Luftangriffe (SOHR 9.12.2024b).
Der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte zufolge sind seit Beginn der Offensive 910 Menschen ums Leben gekommen, darunter 138 Zivilisten (AAA 8.12.2024). Beim Vormarsch auf Homs waren tausende Menschen Richtung Küste nach Westen geflohen (AJ 6.12.2024). Bei der Offensive gegen Manbij wurden hingegen einige Zivilisten in Richtung Osten vertrieben (SOHR 9.12.2024).
In Damaskus herrschte weit verbreitetes Chaos nach der Machtübernahme durch die Opposition. So wurde der Sturz von Assad mit schweren Schüssen gefeiert und Zivilisten stürmten einige staatliche Einrichtungen, wie die Zentralbank am Saba-Bahrat-Platz, das Verteidigungsministerium (Zivilschutz) in Mleiha und die Einwanderungs- und Passbehörde in der Nähe von Zabaltani, außerdem wurden in verschiedenen Straßen zerstörte und brennende Fahrzeuge gefunden (AJ 8.12.2024b). Anführer al-Joulani soll die Anweisung an die Oppositionskämpfer erlassen haben, keine öffentlichen Einrichtungen anzugreifen (8.12.2024c) und erklärte, dass die öffentlichen Einrichtungen bis zur offiziellen Übergabe unter der Aufsicht von Ministerpräsident Mohammed al-Jalali aus der Assad-Regierung bleiben (Rudaw 9.12.2024).
Gefangene wurden aus Gefängnissen befreit, wie aus dem berüchtigten Sedanaya Gefängnis im Norden von Damaskus (AJ 8.12.2024c).
2. Die Akteure
Syrische Arabische Armee (SAA): Die Syrische Arabische Armee kämpfte gemeinsam mit den National Defense Forces, einer regierungsnahen, paramilitärischen Gruppierung. Unterstützt wurde die SAA von der Hisbollah, Iran und Russland (AJ 8.12.2024).
Die Einheiten der syrischen Regierungstruppen zogen sich beim Zusammenstoß mit den Oppositionskräften zurück, während diese weiter vorrückten. Viele Soldaten flohen oder desertierten (NZZ 8.12.2024). In Suweida im Süden Syriens sind die Soldaten der Syrischen Arabischen Armee massenweise desertiert (Standard 7.12.2024). Am 7.12. flohen mehrere Tausend syrische Soldaten über die Grenze in den Irak (Arabiya 7.12.2024; vgl. Guardian 8.12.2024). Präsident al-Assad erhöhte am 4.12. die Gehälter seiner Soldaten, nicht aber dasjenige von Personen, die ihren Pflichtwehrdienst ableisteten (TNA 5.12.2024). Dieser Versuch, die Moral zu erhöhen, blieb erfolglos (Guardian 8.12.2024).
Die Opposition forderte die Soldaten indes zur Desertion auf (TNA 5.12.2024). Aktivisten der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte beobachteten, dass Hunderte Soldaten ihre Militäruniformen ausgezogen haben, nachdem sie entlassen wurden (SOHR 8.12.2024). Offiziere und Mitarbeiter des Regimes ließen ihre Militär- und Sicherheitsfahrzeuge in der Nähe des Republikanischen Palastes, des Büros des Premierministers und des Volkspalastes unverschlossen stehen, aus Angst von Rebellen am Steuer erwischt zu werden (AJ 8.12.2024b).
Opposition: Obwohl Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS) den plötzlichen Vormarsch auf Aleppo gestartet hat und treibende Kraft der Offensive war haben auch andere Rebellengruppierungen sich gegen die Regierung gewandt und sich am Aufstand beteiligt (BBC 8.12.2024c).
• Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS): Die HTS wurde 2011 als Ableger der al-Qaida unter dem Namen Jabhat an-Nusra gegründet (BBC 8.12.2024c). Im Jahr 2017 brach die Gruppierung ihre Verbindung mit der Al-Qaida (CSIS 2018) und formierte sich unter dem Namen Hay’at Tahrir ash-Sham neu, gemeinsam mit anderen Gruppierungen (BBC 8.12.2024c). Sie wird von der UN, den USA, der Europäischen Union (AJ 4.12.2024) und der Türkei als Terrororganisation eingestuft (BBC 8.12.2024c). Der Anführer der HTS, der bisher unter seinem Kampfnamen Abu Mohammed al-Joulani bekannt war, hat begonnen wieder seinen bürgerlichen Namen, Ahmad ash-Shara’a zu verwenden (Nashra 8.12.2024). Er positioniert sich als Anführer im Post-Assad Syrien (BBC 8.12.2024c). Die HTS hat in den letzten Jahren versucht, sich als nationalistische Kraft (BBC 8.12.2024b) und pragmatische Alternative zu al-Assad zu positionieren (BBC 8.12.2024c).
Der Gruppierung werden Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen (BBC 8.12.2024c). Einem Terrorismusexperten zufolge gibt es bereits erste Videos von Personen aus dem HTS-Umfeld, die ein Kalifat aufbauen wollen (WiWo 9.12.2024).
• National Liberation Front (NFL): Eine Reihe kleinerer Kampfgruppen, aus denen sich die NFL zusammensetzt, nahmen an der Operation „Abschreckung der Aggression“ teil, darunter die Jaish al-Nasr, das Sham Corps und die Freie Idlib-Armee. Die 2018 in Idlib gegründete NFL umfasst mehrere nordsyrische Fraktionen, von denen einige auch unter das Dach der Freien Syrischen Armee fallen (AJ 2.12.2024b).
Ahrar al-Sham Movement: Die Ahrar al-Sham-Bewegung ist hauptsächlich in Aleppo und Idlib aktiv und wurde 2011 gegründet. Sie definiert sich selbst als „umfassende reformistische islamische Bewegung, die in die Islamische Front eingebunden und integriert ist“ (AJ 2.12.2024b).
• Jaish al-Izza: Jaish al-Izza: Übersetzt: „Die Armee des Stolzes“ ist Teil der Freien Syrischen Armee und konzentriert sich auf den Norden des Gouvernements Hama und einige Teile von Lattakia. Im Jahr 2019 erhielt die Gruppierung Unterstützung aus dem Westen, darunter auch Hochleistungswaffen (AJ 2.12.2024b).
• Nur Eddin Zinki-Bewegung (Zinki): Diese Gruppierung entstand 2014 in Aleppo, versuchte 2017, sich mit der HTS zusammenzuschließen, was jedoch nicht funktionierte. Die beiden Gruppierungen kämpften 2018 gegeneinander, und „Zinki“ wurde Anfang 2019 von ihren Machtpositionen in der Provinz Aleppo vertrieben. Ein Jahr später verhandelte „Zinki“ mit der HTS, und ihre Kämpfer kehrten an die Front zurück, und seitdem ist die Gruppe unter den oppositionellen Kämpfern präsent (AJ 2.12.2024b).
• Milizen in Südsyrien: Gruppierungen aus südlichen Städten und Ortschaften, die sich in den letzten Jahren zurückhielten, aber nie ganz aufgaben und einst unter dem Banner der Freien Syrien Armeekämpften, beteiligten sich am Aufstand (BBC 8.12.2024c). In Suweida nahmen Milizen der syrischen Minderheit der Drusen Militärstützpunkte ein (Standard 7.12.2024).
• Syrian Democratic Forces (SDF): Die SDF ist eine gemischte Truppe aus arabischen und kurdischen Milizen sowie Stammesgruppen. Die kurdische Volksschutzeinheit YPG ist die stärkste Miliz des Bündnisses und bildet die militärische Führung der SDF (WiWo 9.12.2024). Sie werden von den USA unterstützt (AJ 8.12.2024). Im kurdisch kontrollierten Norden liegen die größten Ölreserven des Landes (WiWo 9.12.2024).
• Syrian National Army (SNA): Diese werden von der Türkei unterstützt (BBC 8.12.2024c) und operieren im Norden Syriens im Grenzgebiet zur Türkei (AJ 8.12.2024). Der SNA werden mögliche Kriegsverbrechen, wie Geiselnahmen, Folter und Vergewaltigung vorgeworfen. Plünderungen und die Aneignung von Privatgrundstücken, insbesondere in den kurdischen Gebieten, sind ebenfalls dokumentiert (WiWo 9.12.2024).
UNHCR: UNHCR Position On Returns To The Syrian Arab Republic, Dezember 2024
1. Diese Position ersetzt die UNHCR-Leitlinien vom März 2021 International Protection Considerations with Regard to people fleeing the Syrian Arab Republic, Update VI.1
Angesichts der unbeständigen Situation wird dieser Leitfaden frühzeitig und bei Bedarf auf der Grundlage der sich schnell entwickelnden Umstände aktualisiert.
Freiwillige Rückkehr
2. Syrien befindet sich an einem Scheideweg - zwischen Frieden und Krieg, Stabilität und Gesetzlosigkeit, Wiederaufbau oder weiterem Ruin. Für Syrien bietet sich jetzt eine bemerkenswerte Gelegenheit, sich auf den Frieden zuzubewegen und mit der Rückkehr seiner Bevölkerung zu beginnen. Das UNHCR betont seit vielen Jahren die Notwendigkeit, die Anstrengungen zu verdoppeln, um günstige Bedingungen für die Rückkehr von Flüchtlingen und Vertriebenen zu schaffen, und die aktuelle Situation eröffnet in dieser Hinsicht neue Möglichkeiten, die von allen genutzt werden müssen. Dazu gehören die Beseitigung bzw. Beseitigung neuer sicherheitspolitischer, rechtlicher und verwaltungstechnischer Hindernisse seitens der syrischen De-facto-Behörden, die Bereitstellung umfangreicher humanitärer Hilfe und frühzeitiger Wiederaufbauhilfe durch die Geberstaaten für die Rückkehrer, die sie aufnehmenden Gemeinden und die Gebiete, in die sie tatsächlich oder potenziell zurückkehren wollen, sowie die Ermächtigung des UNHCR und seiner Partner, die Rückkehr an den Grenzübergängen und an den Orten, an die die Menschen zurückkehren wollen, zu überwachen.
3. Jeder hat das Recht, in sein Herkunftsland zurückzukehren. UNHCR ist bereit, syrische Flüchtlinge zu unterstützen, die sich freiwillig für eine Rückkehr entscheiden, nachdem sie über die Lage an ihrem Herkunftsort oder in einem alternativen Gebiet ihrer Wahl umfassend informiert wurden. In Anbetracht der zahlreichen Herausforderungen, denen sich die syrische Bevölkerung gegenübersieht, darunter eine humanitäre Krise großen Ausmaßes, ein anhaltend hohes Maß an Binnenvertreibung und weit verbreitete Zerstörung und Beschädigung von Häusern und wichtiger Infrastruktur, fördert UNHCR jedoch vorerst keine freiwillige Rückkehr nach Syrien in großem Maßstab.
Moratorium zwangsweiser Rückführungen
4. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist Syrien nach wie vor von Angriffen und Gewalt in Teilen des Landes, groß angelegten Binnenvertreibungen, der Verseuchung vieler Teile des Landes mit explosiven Überresten des Krieges, einer zerstörten Wirtschaft und einer humanitären Krise großen Ausmaßes betroffen, wobei über 16 Millionen Menschen bereits vor den jüngsten Entwicklungen humanitäre Hilfe benötigten. Darüber hinaus hat Syrien, wie bereits erwähnt, massive Zerstörungen und Schäden an Häusern, wichtiger Infrastruktur und landwirtschaftlichen Flächen erlitten. Die Eigentumsrechte wurden stark beeinträchtigt, und in den letzten zehn Jahren wurden weit verbreitete Verstöße gegen Wohnungs-, Land- und Eigentumsrechte verzeichnet, was zu komplexen Eigentumsstreitigkeiten führte, deren Beilegung einige Zeit in Anspruch nehmen wird. Vor diesem Hintergrund appelliert der UNHCR weiterhin an die Staaten, syrische Staatsangehörige und Personen, die früher ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Syrien hatten, einschließlich Palästinenser, die sich früher in Syrien aufhielten, nicht gewaltsam in irgendeinen Teil Syriens zurückzuführen.
Aussetzung der Erteilung negativer Bescheide an syrische Antragsteller auf internationalen Schutz
5. UNHCR fordert weiterhin alle Staaten auf, Zivilpersonen, die aus Syrien fliehen, Zugang zu ihrem Hoheitsgebiet zu gewähren, das Recht auf Asyl zu garantieren und die Einhaltung des Grundsatzes der Nichtzurückweisung zu jeder Zeit sicherzustellen.
6. Auch wenn die Gefahr der Verfolgung durch die frühere Regierung nicht mehr besteht, können andere Gefahren fortbestehen oder sich verschärfen. In Anbetracht der sich rasch verändernden Dynamik und Lage in Syrien ist UNHCR derzeit nicht in der Lage, Asylentscheidern detaillierte Hinweise zum internationalen Schutzbedarf von Syrern zu geben. UNHCR wird die Situation weiterhin genau beobachten, um detailliertere Hinweise zu geben, sobald es die Umstände erlauben. Angesichts der derzeit unsicheren Lage in Syrien fordert UNHCR die Asylstaaten auf, die Ausstellung negativer Entscheidungen über Anträge auf internationalen Schutz von syrischen Staatsangehörigen oder Staatenlosen, die früher ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Syrien hatten, auszusetzen. Die Aussetzung der Ausstellung negativer Bescheide sollte so lange aufrechterhalten werden, bis sich die Lage in Syrien stabilisiert hat und verlässliche Informationen über die Sicherheits- und Menschenrechtssituation zur Verfügung stehen, um die Notwendigkeit der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft an einzelne Antragsteller umfassend beurteilen zu können.
7. UNHCR ist der Auffassung, dass die Voraussetzungen für die Beendigung des Flüchtlingsstatus für Personen mit internationalem Schutzstatus, die aus Syrien stammen, derzeit nicht erfüllt sind.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zu den Feststellungen zur Person des BF:
Die Feststellungen zum Namen und Geburtsdatum des BF ergeben sich aus den dahingehend übereinstimmenden und stringenten Angaben des BF im gesamten bisherigen Verfahren. Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität des BF (Namen und Geburtsdatum) getroffen wurden, gelten diese ausschließlich zur Identifizierung des BF im Asylverfahren. Die Feststellungen zu Staatsangehörigkeit, Volksgruppenzugehörigkeit und Muttersprache des BF gründen auf seinen diesbezüglich glaubhaften und gleichbleibenden Angaben im bisherigen Verfahrensverlauf (Erstverfahren XXXX , Folgeantrag, niederschriftliche Einvernahme vor dem Bundesamt und mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht OZ 5, S 6 und 7).
Die Angaben des BF zu Heimatort, Datum seiner Ausreise, seiner Schulausbildung, seiner Berufserfahrung und den Feststellungen zu seiner Familie resultieren auf seinen diesbezüglich nachvollziehbaren und glaubhaften Aussagen im gesamten Verfahren, insbesondere der Einvernahme vor dem Bundesamt, der Vorlage eines syrischen Reifezeugnisses sowie seinen diesbezüglich glaubhaften Angaben in der mündlichen Verhandlung (OZ 5 S 7).
Die Angaben zur ersten Asylantragstellung des BF, der Gewährung von subsidiärem Schutz und dem Erstverfahren ergeben aus dem unbedenklichen Akteninhalt sowie einer Nachschau im Akt des Erstverfahrens XXXX . Der aktuelle Status des BF ergibt sich darüber hinaus aus einer aktuellen Abfrage im Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister (IZR).
2.2. Zu den Feststellungen zum Fluchtvorbringen des BF:
Die Feststellung dahingehend, dass der Heimatort des BF unter Herrschaft der Übergangsregierung steht, ergibt sich aus einer Nachschau in der Syria-Livemap (https://syria.liveuamap.com/).
Der BF brachte in seinem Folgeantrag vor, dass er Angst vor dem Militärdienst (des Assad-Regimes) habe und nunmehr ein Beweismittel, ein Schreiben, vorlegen könne, welches „die Aufforderung zum Militärdienst in Syrien“ beweise und dass er nunmehr Mitglied eines Vereins gegen die syrische (Assad)-Regierung in Österreich sei. Das von ihm genannte „neue Beweismittel“ legte der BF nie vor. Darüber hinaus sind sämtliche Vorbringen in Bezug auf eine Verfolgung durch das staatliche Assad-Regime (Angst vor Verfolgung aufgrund einer unterstellten oppositionellen Gesinnung wegen Verweigerung des Militärdienstes und Teilnahme an Demonstrationen / Tätigkeiten im Verein XXXX gegen das Assad-Regime) obsolet geworden, als dass das syrische Assad-Regime gestürzt wurde und nicht mehr existiert bzw handlungsfähig ist. Dies ergibt sich aus den eingebrachten Länderinformationen, wonach die Oppositionskräfte am 8.12.2024 die 24-jährige Herrschaft von Präsident Bashar al-Assad für beendet erklärten und Al-Assad aus Damaskus floh (AJ 8.12.2024). Die Syrische Arabische Armee wurde noch von al-Assad vor seiner Flucht nach Mitternacht am 08.12.2024 per Befehl aufgelöst. (Länderinformationsblatt der Staatendokumention –Syrien, Version 12, 08.05.2025). Der BF bestätigt in der mündlichen Verhandlung selbst, dass das Regime gefallen ist und dass er sich darüber freut (OZ 5, S 8).
Zum Vorbingen des BF, dass „Schläferzellen des Regimes noch anwesend“ seien und er deshalb aufgrund diverser Online-Posts gegen das Assad-Regime noch bedroht sei, ist auszuführen, dass sich aus den aktuellen Länderberichten keine aktuellen „Tätigkeiten“ solcher Schläferzellen, insbesondere im Heimatort des BF, ergeben. Soweit solche Schläferzellen noch existent sind, befinden sich diese vornehmlich im Kernland des ehemaligen Assad-Regimes, was die Küstenregion Syriens, die sich nicht in Nähe des Heimatortes des BF befindet, darstellt. Ferner kann der BF keine konkreten Bedrohungen gegen ihn seitens solcher Schläferzellen vorbringen, sondern gibt in der Verhandlung lediglich eine pauschale Gefährdung an. Auch dass ein Bruder des BF noch im Heimatort des BF und zwei Brüder in unmittelbarer Umgebung leben können und der BF diesbezüglich keinerlei Probleme des Bruders vor Ort aufgrund von solchen Schläferzellen schilderte bzw. bei diesen offenbar auch nicht konkret nach dem BF gefragt wurde, lässt das Vorbringen als nicht glaubwürdig erscheinen.
Dass die Al-Nusra Front nicht mehr existiert und in der HTS aufgegangen ist, ergibt sich aus der in das Verfahren eingebrachte Länderinformation (Länderinformationsblatt der Staatendokumention –Syrien, Version 12, 08.05.2025, S 22-23). Demnach hat sich die ehemalige Al-Nusra-Front zusammen mit anderen dschihadistischen islamistischen Milizen von der al-Qaida abgewandt und vom Ziel eines globalen Dschihads gegen den Westen losgesagt (Rosa Lux 17.12.2024). Seit dem Bruch mit der al-Quadia hat der nunmehriger Präsident Ahamed ash-Shara und seine Gruppierungen versucht internationale Legitimität zu erlagen, indem sie globale dschihadistische Ambitionen ablehnten und sich auf eine organisierte Regierungsführung in Syrien konzentrierten (NYT 12.12.2024). Die „radikale“ Al Nusra Front mit Verbindungen zur al-Qaida von damals auf die sich der BF in der mündlichen Verhandlung bezieht (OZ 5, S 8) existiert nicht mehr. Darüber hinaus kann der BF keine ihn persönlich treffenden Gründe vorbringen, weshalb die Übergangsregierung / neue Regierung ein Problem für ihn werden sollte. Der BF brachte zu keinem Zeitpunkt vor, sich gegen die neue Übergangsregierung oppositionell geäußert zu haben. So gibt er gerade auch selbst an, dass er „mit der neuen Regierung keine Probleme habe.“ (OZ 5, S 8). Auch kann der BF weder in der mündlichen VH noch in der Stellungnahme Gründe für die (angebliche) vor Jahren stattgefundene Verhaftung seines Bruders durch die Al-Nusra-Front angeben, seine Angaben diesbezüglich sind nicht substantiiert und darüber hinaus unglaubwürdig (siehe dazu unten).
Die Feststellung, dass kurdische Kräfte keine Macht bzw. Zugriffsmöglichkeit auf den Heimatort des BF haben, ergibt sich maßgeblich aus der festgestellten aktuellen Gebietskontrolle im Heimatort des BF. So hatten zwar zu Beginn, unmittelbar nach Sturz von Assad, kurdisch geführte Truppen den Zusammenbruch der syrischen Armee genutzt, um die vollständige Kontrolle über die Stadt, XXXX , zu übernehmen. Diese wurde ihnen von den Rebellengruppierungen kurz darauf wieder abgenommen (Länderinformationsblatt der Staatendokumention –Syrien, Version 12, 08.05.2025, S 32).
Demnach befindet sich der Heimatort des BF zwar unweit der Grenze zum kurdischen Gebiet, doch steht der gesamte Heimatort sowie auch das gesamte Gouvernement klar unter Kontrolle der nunmehrigen Übergangsregierung. Kurdisches Gebiet beginnt erst außerhalb der Stadt jenseits des Flusses XXXX (https://maps.app.goo.gl/TWM3GM2Vt89SDv3r7).
So mag die Angabe des BF in der mündlichen Verhandlung, dass „Leute der SDF sind bist jetzt am Rande XXXX anwesend“ insbesondere zum Zeitpunkt der Verhandlung im Jänner richtig gewesen sein bzw. dahingehend richtig sein, dass außerhalb von XXXX über dem Fluss XXXX kurdisches Gebiet beginnt, doch ist der Heimatort selbst nunmehr unter alleiniger Herrschaft der Übergangsregierung. Darüber hinaus unterzeichneten die Führer der SDF im März 2025 eine Vereinbarung zur Integration ihrer Streitkräfte und zivilen Institutionen in die neue syrische Regierung. Dieses Abkommen sieht eine vollständige Einstellung der Feindseligkeiten vor und verlangt von der SDF unter anderem die Übergabe der Kontrolle über Grenzposten. (EUAA März 2025, S 19 und Länderinformationsblatt der Staatendokumention –Syrien, Version 12, 08.05.2025, S 30ff). Die Angaben des BF in der mündlichen Verhandlung, dass die SDF in seinen Heimatort einmarschiert ist, basieren offenbar noch aus einer Zeit kurz nach dem Sturz Assads. Aus den neuesten Länderberichten ergeben sich damit keine Hinweise, einer Zugriffsabsicht oder Möglichkeit durch kurdische Streitkräfte im Heimatort des BF.
Auch brachte der BF nur unsubstantiiert vor, dass er von der SDF konkret bedroht werde. So brachte er in der mündlichen Verhandlung vor, aufgrund eines Videos, welches zeige wie die SDF in seinem Heimatort vier Personen getötet habe und er auf Social-Media veröffentlicht habe, von Mitgliedern der SDF in den Kommentaren bedroht zu werden. Der BF konnte das entsprechende Video nie vorlegen. Stattdessen langte nach Aufforderung durch die Richterin in der mündlichen Verhandlung eine Stellungnahme ein, welche einen Link zu einem (alten) Video enthielt (welches darüber hinaus aufgrund von „nicht Verfügbarkeit“ nicht abrufbar war) indem zu sehen sei, wie der Bruder des BF im Jahr 2017 von der Al-Nussra-Front verhaftet worden sei. Aus der Stellungnahme geht darüber hinaus nicht hervor, von wem der BF nun konkret bedroht werde. So konnte er gerade nicht, wie in der mündlichen Verhandlung angekündigt, konkretisieren, dass er Drohungen von Seiten der SDF ausgesetzt sei, als es an diesbezüglichen Ausführungen fehlt bzw. der BF sich nunmehr ohne nähere Ausführungen darauf bezieht von Seiten der HTS oder SDF keinen staatlichen Schutz erwarten zu können.
Angemerkt sei auch, dass Hass/Drohkommentare von unbekannten Privatpersonen in sozialen Netzwerken alltäglich auftretende Reaktionen darstellen, die eine gesellschaftliche Begleiterscheinung ohne asylrechtliche Relevant darstellen und grundsätzlich jeden treffen können, der in Social-Media aktiv ist. Der BF konnte durch die pauschale Vorlage von Screenshots ohne Zusammenhänge mit Kommentaren/Nachrichten von unbekannten Personen, nicht darlegen von wem konkret eine Gefährdung in seinem Heimatort ausgehen sollte. So ergibt sich ferner auch nicht, dass sich diese Personen im Heimatort des BF oder generell in Syrien aufhalten.
Insgesamt ist den Angaben des BF kein glaubhafter Kern zu entnehmen. Es zeigt sich im gesamten Verfahren der Eindruck, dass der BF seine Fluchtgründe nach Belieben abändert und steigert, um seine Chancen auf Asyl zu erhöhen. So wurden bereits im Erstverfahren die Angaben des BF insbesondre in Bezug auf eine Zwangsrekrutierung als widersprüchlich und unglaubwürdig dargelegt (vgl XXXX ). Im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts des Erstverfahrens wird in der Beweiswürdigung zudem angeführt „Außerdem gibt es keine Hinweise auf (exil)politische gegen das syrische Regime gerichtete Aktivitäten des BF, wie z.B. Demonstrationen innerhalb oder außerhalb seines Landes oder dass er auch nur eine derartige regimekritische Gesinnung hat bzw. öffentlich kundtun würde, sodass sich seine Befürchtungen, vom Regime möglicherweise als Kritiker oder Gegner wahrgenommen zu werden, auch aus diesem Grund nicht rechtfertigen lassen“. Im Folgeantrag bringt der BF sodann vor, er habe nunmehr ein Schreiben erhalten, welches beweise, dass er zum Militärdienst aufgefordert wurde, legte dieses Schreiben jedoch nie vor und gab an nunmehr auch an Mitglied einer politischen Bewegung gegen das syrische (Assad)-Regime zu sein. In der Einvernahme vor der belangten Behörde konkretisierte er, dass er Mitglied des Vereins XXXX sei und im Zuge seiner Tätigkeit dort auf Demonstrationen gegen das Regime gehe und darüber auch Fotos und Videos auf Facebook und TikTok veröffentliche. In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht unter Hinweis auf den Sturz des Assad-Regimes, brachte der BF nunmehr vor, Angst vor einer Verfolgung von Mitgliedern der kurdischen SDF zu haben, aufgrund des Postens eines Videos von Tötungen der SDF in seinem Heimatort, wobei angebliche Mitglieder der SDF drohend darunter kommentiert hätten. Das entsprechende Video legte der BF nie vor. Stattdessen wurde nach Aufforderung der Richterin in der mündlichen Verhandlung zur Vorlage aller relevanten Fotos und Videos in der entsprechenden Stellungnahme des BF lediglich ein Link zu einem Video vorgebracht, welches beweisen solle, dass ein Bruder des BF von der Al-Nusra-Front verhaftet wurde sowie darüber hinaus nicht zuordenbare Screenshots von Kommentaren von unbekannten Personen auf diversen Social-Media Plattformen. In der Einvernahme vor der belangten Behörde gab der BF noch an, sein Bruder sei vom syrischen Regime getötet worden, weshalb er nicht in die Botschaft gehen hätte wollen, um einen Reisepass zu beantragen. Befragt in der mündlichen Verhandlung gab er an, dass sein Bruder 2017 von der Al-Nusra-Front festgenommen worden sei. Hingewiesen auf die Widersprüche zur Einvernahme gab der BF an, er wisse nicht ob sein Bruder getötet wurde oder festgenommen wurde oder verschollen sei, er habe keine Informationen darüber.
Der Beschwerdeführer zeigte durchgehend ein unstimmiges Aussageverhalten, er war nicht in der Lage, ein konkretes und stichhaltiges bzw. widerspruchsfreies Vorbringen zu erstatten. Auch in der Beschwerdeverhandlung und darauffolgenden Stellungnahme konnte er keine stimmigen, substantiierten und nachvollziehbaren Angaben zu seinen Fluchtgründen machen, seine Vorbringen waren vage, widersprüchlich, unschlüssig und inkonsistent.
Auch bei Berücksichtigung der Änderungen durch den Sturz des Assad-Regimes, lässt das Aussageverhalten des BF in einer Gesamtschaut des Erstverfahrens und des nunmehrigen Folgeverfahrens insgesamt nicht auf eine Glaubwürdigkeit seiner Aussagen schließen.
Die Feststellung, dass dem BF eine hypothetische Rückkehr möglich ist, ergibt sich aus den in das Verfahren eingebrachten Länderberichten, wonach insgesamt bereits 800.000 vertriebene Syrer in ihre Heimat zurückgekehrt sind, darunter 600.000 Binnenvertriebene (Internal Displaced Persons - IDPs) (Stand 31.1.2025) (AlHurra 31.1.2025). Innerhalb von zwei Monaten nach der Befreiung Syriens seien über 100.905 Bürger über die Grenzübergänge der Türkei zurückgekehrt. Seit dem Tag der Befreiung wurde damit begonnen, die Bedürfnisse der Menschen zu erfüllen, insbesondere durch Sicherstellung der Grundversorgung und der Sicherung des Transportsektors, damit sich Menschen zwischen den Provinzen frei bewegen können. Laut einer Umfrage (im Auftrag von „The Economist“) Anfang März 2025 an der 1.500 Syrer aus allen Provinzen und konfessionellen Gruppen des Landes teilnahmen, gaben 81 % an, dass sie die Herrschaft von ash-Shara' befürworten. Etwa 70 % sind optimistisch, was die allgemeine Richtung des Landes angeht. (Länderinformationsblatt der Staatendokumention –Syrien, Version 12, 08.05.2025, S 20).
Es kamen keine Anhaltspunkte hervor, weshalb dem BF eine Rückkehr nicht ebenso möglich sein sollte, zumal ein Bruder des BF in seinem Heimatort lebt und zwei Brüder in unmittelbarer Umgebung.
Die Feststellungen zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Quellen. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
3.1. Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides – Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten
3.1.1. Flüchtling im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder der staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
3.1.2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention definierten Verfolgung im Herkunftsstaat die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (vgl. VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074 uva.). Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen.
Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. etwa VwGH 10.11.2015, Ra 2015/19/0185, mwN).
3.1.3. Nicht jede diskriminierende Maßnahme gegen eine Person ist als „Verfolgung“ im Sinn des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK anzusehen, sondern nur solche, die in ihrer Gesamtheit zu einer schwerwiegenden Verletzung grundlegender Menschenrechte der Betroffenen führen (vgl. Art. 9 Abs. 1 der Statusrichtlinie). Ob dies der Fall ist, haben die Asylbehörde bzw. das Bundesverwaltungsgericht im Einzelfall zu prüfen und in einer die nachprüfende Kontrolle ermöglichenden Begründung darzulegen (vgl. VwGH 16.12.2021, Ra 2021/18/0387, mwN).
3.1.4. Das Asylverfahren bietet nur beschränkte Möglichkeiten, Sachverhalte, die sich im Herkunftsstaat des Asylwerbers ereignet haben sollen, vor Ort zu verifizieren. Hat der Asylwerber keine anderen Beweismittel, so bleibt ihm lediglich seine Aussage gegenüber den Asylbehörden, um das Schutzbegehren zu rechtfertigen. Dabei hat der Asylwerber im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht nach § 15 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 alle zur Begründung des Antrags auf internationalen Schutz erforderlichen Anhaltspunkte über Nachfrage wahrheitsgemäß darzulegen. Das Vorbringen des Asylwerbers muss, um eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit und nicht nur eine entfernte Möglichkeit einer Verfolgung glaubhaft zu machen, eine entsprechende Konkretisierung aufweisen. Die allgemeine Behauptung von Verfolgungssituationen, wie sie in allgemein zugänglichen Quellen auffindbar sind, wird grundsätzlich zur Dartuung von selbst Erlebtem nicht genügen (vgl. VwGH 02.09.2019, Ro 2019/01/0009, mwN).
3.1.5. Schon nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut des § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist Voraussetzung für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten die Glaubhaftmachung, dass dem Asylwerber im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinn des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention, demnach aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung, droht. Voraussetzung für die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ist also, dass die begründete Furcht einer Person vor Verfolgung in kausalem Zusammenhang mit einem oder mehreren Konventionsgründen steht (vgl. VwGH 21.05.2021, Ro 2020/19/0001, mwN).
Die Beurteilung des rechtlichen Begriffs der Glaubhaftmachung ist auf der Grundlage positiv getroffener Feststellungen von Seiten des erkennenden Verwaltungsgerichts vorzunehmen, aber im Fall der Unglaubwürdigkeit der Angaben des Asylwerbers können derartige positive Feststellungen vom Verwaltungsgericht nicht getroffen werden (vgl. VwGH 13.01.2022, Ra 2021/14/0386, mwN).
3.1.6. Für die Asylgewährung kommt es auf die Flüchtlingseigenschaft im Sinn der GFK zum Zeitpunkt der Entscheidung an. Es ist demnach für die Zuerkennung des Status der Asylberechtigten zum einen nicht zwingend erforderlich, dass ein Asylwerber bereits in der Vergangenheit verfolgt wurde, zum anderen ist auch eine bereits stattgefundene Verfolgung („Vorverfolgung“) für sich genommen nicht hinreichend. Selbst wenn der Asylwerber daher im Herkunftsstaat bereits asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt war, ist entscheidend, ob er im Zeitpunkt der Entscheidung (der Behörde bzw. des Verwaltungsgerichts) weiterhin mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit mit Verfolgungshandlungen rechnen müsste (vgl. VwGH 03.09.2021, Ra 2021/14/0108, mwN).
3.1.7. Bezüglich der rechtlichen Bedingungen für die Zulässigkeit eines Folgeantrages gemäß § 2 Abs. 1 Z 23 AsylG liegt in Zusammenschau mit dem Unionsrecht (Art. 40 Abs. 2-3 der Richtlinie 2013/32/EU – Verfahrensrichtlinie) und des nationalen Rechts (§ 68 Abs. 1 AVG) keine entschiedene Sache vor, wenn neue Umstände vorliegen und diese relevant sind (EuGH 09.09.2021, C-18/20; VwGH 19.10.2021, Ro 2019/14/006).
Neue Umstände liegen vor, wenn nachträglich (seit der Rechtskraft der früheren Entscheidung) neue Tatsachen entstanden sind bzw. der maßgebliche Sachverhalt sich geändert hat (nova producta) oder wenn nachträglich neue Tatsachen oder Beweismittel hervorgekommen sind (nova reperta), die sich auf einen früheren Sachverhalt beziehen (vgl. Art. 40 Abs. 2 Verfahrensrichtlinie; EuGH 09.09.2021, C-18/20; VwGH 19.10.2021, Ro 2019/14/0006). Umgekehrt liegen keine neuen Umstände vor, wenn sich weder die Rechtslage im Vergleich zur früheren Entscheidung geändert hat noch neue Tatsachen oder Beweismittel hervorgekommen oder entstanden sind.
Die neuen Umstände müssen, um relevant zu sein, erheblich zur Wahrscheinlichkeit beitragen, dass internationaler Schutz zuzuerkennen ist (vgl. Art. 40 Abs. 3 Verfahrensrichtlinie; EuGH 09.09.2021, C-18/20; VwGH 19.10.2021, Ro 2019/14/0006). Ein neues Vorbringen muss somit einen glaubhaften Kern haben, wesentlich und relevant sein (vgl. etwa VwGH 21.08.2020, Ra 2020/18/0157; 23.06.2021, Ra 2021/18/0087; 19.02.2009, 2008/01/0344).
3.1.8. Für den gegenständlichen Fall ergibt sich Folgendes:
Die vom Beschwerdeführer im Folgeantrag vorgebrachten Fluchtgründe hinsichtlich einer Verfolgung durch das syrische Regime (Einziehung zum Militärdienst und oppositionelle Gesinnung) sind bereits mit den geltend gemachten Fluchtgründen im Erstverfahren ident und bereits mit Erkenntnis XXXX behandelt worden. Hinsichtlich des bei der belangten Behörde vorgelegten Schreibens betreffend eine Mitgliedschaft bei XXXX , ging die belangte Behörde von einem Gefälligkeitsschreiben aus und hatte sich insgesamt aus Sicht der belangten Behörde seit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts keine maßgebliche Änderung betreffend die Situation in Syrien ergeben.
Durch den zwischenzeitlich erfolgten Sturz von Baschar al-Assad in Syrien und der damit einhergehende Zerfall des gesamten syrischen Regimes und seiner Behörden, wurden die vom BF im behördlichen Folgeverfahren vorgebrachten Fluchtgründe obsolet.
Wie festgestellt, wurde das syrische Assad-Regime gestürzt. Da die bisherigen Macht- /Behördenstrukturen damit nicht mehr existieren, sind diese auch nicht mehr dazu in der Lage Personen zu verhaften oder zu rekrutieren. Der vom BF vorgebrachte Verfolger existiert nicht mehr, womit es der vom BF diesbezüglich vorgebrachten Verfolgung, an Aktualität fehlt. Die vom BF in Bezug auf die syrische Assad-Regierung vorgebrachten Fluchtgründe sind daher unbegründet (siehe dazu auch UNHCR, Position on Returns to the Syrian Arab Republic, Rz 6).
Auch eine Verfolgung durch „Schläferzellen“ des Assad-Regimes kann nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit festgestellt werden, als diese, sofern noch vorhanden, sich vornehmlich im ehemaligen Kerngebiet des Assad-Regimes, welches die Küstenregion darstellt, aufhalten.
Die Umstände haben sich aufgrund des Sturzes von Baschar al-Assad und des damit einhergehenden Machtwechsels in Syrien geändert. Wie bereits in der Beweiswürdigung dargestellt, ist es dem BF nicht gelungen, glaubhaft zu machen, dass ihm nunmehr aufgrund des geänderten Umstandes im Falle der Rückkehr nach Syrien eine konkrete und gezielt gegen seine Person gerichtete aktuelle Verfolgung maßgeblicher Intensität, welche ihre Ursachen in einem der in der GFK genannten Gründe hat droht:
Der BF bekundete in der mündlichen Verhandlung selbst, mit der neuen syrischen Übergangsregierung in keinerlei Konflikt zu stehen. Wie aus der Beweiswürdigung hervorgeht, sind die Vorbringen des BF und dessen Aussageverhalten als unglaubwürdig zu betrachten, insbesondere auch die nunmehr erhobene Behauptung, sein Bruder sei – anders als bisher vorgebracht – nicht vom syrischen Regime, sondern plötzlich von der Al-Nusra-Front verhaftet worden. Ebenso wenig vermochte der BF eine konkrete, auf seine Person bezogene Bedrohung in seinem Heimatort durch Privatpersonen und/oder die SDF infolge seiner Social- Media-Aktivitäten glaubhaft zu machen und damit einhergehend auch keinen fehlenden staatlichen Schutz von Seiten der neuen Übergangsregierung. Da folglich keine maßgeblich wahrscheinliche Verfolgung ersichtlich ist, erhöhen die neuen Tatsachen die Wahrscheinlichkeit einer Schutzgewährung nicht substanziell, sodass neue, entscheidungserhebliche Umstände im Sinne der Rechtsprechung zu verneinen sind. Mangels einer Änderung des Sachverhalts bzw mangels „glaubhaften Kerns“ des Vorbringens des BF in seinem Folgeantrag, liegen keine neuen Tatsachen vor, die zu einem anderen Verfahrensergebnis führen könnten.
Wie festgestellt und in der Beweiswürdigung ausgeführt existiert auch die Al-Nusra-Front, auf die sich der BF in der mündlichen Verhandlung bezog, nicht mehr. Somit fehlt es auch einer diesbezüglichen durch den BF vorgebrachten Verfolgung an Aktualität.
Die vom Beschwerdeführer angegebene Furcht vor Verfolgung durch die kurdische SDF stellt keine „begründete Furcht vor Verfolgung“ dar, da es an der maßgeblichen Verfolgungswahrscheinlichkeit mangelt. Wie in der Beweiswürdigung eingehend ausführt liegt die Herkunftsregion des Beschwerdeführers (und die Rückkehrwege dorthin) im Herrschaftsgebiet der nunmehrigen Übergangsregierung und sind der Kontrolle kurdischen Kräfte (SDF) entzogen. Damit ist es der SDF nicht möglich, auf den Beschwerdeführer zuzugreifen. Von der maßgeblichen Gefahr einer Verfolgung ist aber nicht auszugehen, wenn der Verfolger keinen Zugriff auf die betroffene Person hat (vgl. VwGH 06.09.2018, Ra 2017/18/0055). Darüber hinaus konnte den Aussagen des BF diesbezüglich kein glaubhafter Kern entnommen werden, als er das Video aufgrund dessen er Drohungen seitens der SDF erhalten habe, nie vorgelegt hat und keine konkrete Drohungen gegen ihn seitens der SDF nachweisen konnte.
Auch konnte der BF keine Bedrohung in seinem Heimatort durch andere (darüber hinaus unbekannte private) Personen aufgrund von seinerseits getätigten Social-Media-Postings, wie in der Beweiswürdigung ausgeführt, glaubhaft machen. Eine diesbezügliche Verfolgung ist damit nicht maßgeblich Wahrscheinlich und damit auch ein allfälliger Ausfall eines effektiven Schutzes durch HTS oder die SDF für die Entscheidungsfindung nicht von Relevanz.
Die Beschwerde war daher abzuweisen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor, zumal der vorliegende Fall vor allem im Bereich der Tatsachenfragen anzusiedeln ist. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten zu Spruchteil A wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.