JudikaturBVwG

W603 2310797-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
Öffentliches Recht
08. Juli 2025

Spruch

W603 2310797-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Thomas MIKULA, MBA über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , XXXX 3361 Aschbach-Markt, gegen den Bescheid der ORF-Beitrags Service GmbH vom XXXX 2024, Beitragsnummer: XXXX , GZ: XXXX , zu Recht:

A)

Der angefochtene Bescheid wird ersatzlos aufgehoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang

Mit an die ORF-Beitrags Service GmbH (in der Folge: belangte Behörde) übermitteltem Antragsformular vom XXXX .2024 beantragte XXXX (im Folgenden: „beschwerdeführende Partei“) eine Befreiung von der Verpflichtung zur Entrichtung des ORF-Beitrags.

Mit Bescheid vom XXXX .2024 wies die belangte Behörde den Antrag auf Befreiung von der ORF-Gebühr gemäß § 13 Abs. 3 AVG zurück, weil die beschwerdeführende Partei einer Aufforderung, Unterlagen vorzulegen, nicht fristgerecht nachgekommen sei.

Mit am XXXX .2024 bei der belangten Behörde eingelangtem Schreiben vom XXXX .2024 erhob die beschwerdeführende Partei Beschwerde gegen diesen Bescheid.

Die belangte Behörde legte die Beschwerde samt dem Verwaltungsakt mit Schreiben vom XXXX .2025 dem Bundesverwaltungsgericht vor.

Der Verfassungsgerichtshof entschied mit Beschluss vom 11.03.2025, E 4624/2024-11, am 18.03.2025 in BGBl. II 49/2025 kundgemacht, dass eine erhebliche Anzahl von Verfahren über Beschwerden iSd § 86a Abs. 1 VfGG anhängig sei, in denen gleichartige Rechtsfragen zu lösen seien. Dabei gehe es um die Frage, ob gegen die Beitragspflicht nach dem ORF-Beitrags-Gesetz 2024, BGBl. I 112/2023, und dem § 31 ORF-G, BGBl. 379/1984 idF BGBl. I 112/2023, verfassungsrechtliche Bedenken bestehen würden. Mit Ablauf des Tages der Kundmachung traten ex-lege die Rechtsfolgen des § 86a Abs. 3 VfGG ein.

Mit Erkenntnis vom 24.06.2025, E 4624/2024-15, am 07.07.2025 in BGBl. II 153/2025 kundgemacht, stellte der Verfassungsgerichtshof fest, dass die Bestimmungen des ORF-Beitrags-Gesetz 2024 und des § 31 ORF-Gesetz nicht gegen verfassungsrechtliche Vorgaben verstoßen. Mit Ablauf des Tages der Kundmachung endeten die Rechtsfolgen des § 86a Abs 3 VfGG.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

Mit an die belangte Behörde übermitteltem Antragsformular vom XXXX .2024 beantragte die beschwerdeführende Partei eine Befreiung von der Verpflichtung zur Entrichtung des ORF-Beitrages. Dem Antrag waren mehrere Beilagen angeschlossen.

Mit Schreiben vom XXXX .2024 forderte die belangte Behörde die beschwerdeführende Partei auf, einen „Nachweis über eine im Gesetz genannte Anspruchsgrundlage (soziale Transferleistung der öffentlichen Hand) … Unterlagen zur Einkommensberechnung … Gesetzlichen Anspruch und aktuelles Einkommen (Pensionsaufgliederung aus dem Jahre 2024, Lohn mit Rezeptgebührenbefreiung, etc.) von XXXX sowie aktuelles Einkommen (AMS-Taggeldbestätigung aus dem Jahre 2024, Lohn, etc.) von XXXX … Abzugsfähige Posten wie bspw. den Mietvertrag/die Mietzinsaufschlüsselung, außergewöhnliche Belastungen lt. Einkommensteuerbescheid“ nachzureichen. Sollten die benötigten Unterlagen und Informationen nicht nachgereicht werden, müsse die belangte Behörde der beschwerdeführenden Partei „Ihren Antrag leider zurückweisen“. Als Rechtsgrundlage wurde in diesem Schreiben auf § 13 Abs. 3 AVG hingewiesen. Das Schreiben wurde nach den Angaben der belangten Behörde postalisch ohne Zustellnachweis versendet.

Die belangte Behörde wies den Antrag der beschwerdeführenden Partei mit am XXXX .2024 signiertem Bescheid, datiert mit XXXX .2024, zurück. Begründend führte die belangte Behörde aus, sie habe mit ihrem „letzten Schreiben“ die beschwerdeführende Partei aufgefordert, fehlende Angaben bzw. Unterlagen nachzureichen und dabei darauf hingewiesen, dass die belangte Behörde den Antrag zurückweisen müsse, falls die benötigten Unterlagen und Angaben „nicht innerhalb von 14 Tagen“ nachgereicht würden. „Gesetzlicher Anspruch und aktuelles Einkommen (Pensionsaufgliederung aus dem Jahre 2024, Lohn mit Rezeptgebührenbefreiung, etc.) von XXXX sowie aktuelles Einkommen (AMS-Taggeldbestätigung aus dem Jahre 2024, Lohn, etc.) von XXXX wurden nicht nachgereicht … Abzugsfähige Posten wie bspw. den Mietvertrag/die Mietzinsaufschlüsselung, außergewöhnliche Belastungen lt. Einkommensteuerbescheid wurden nicht nachgereicht“, weshalb der Antrag spruchgemäß zurückzuweisen gewesen sei. Die belangte Behörde stützte sich bei der Angabe der Rechtsgrundlage im Bescheid auf § 13 Abs. 3 AVG. Laut Angabe der belangten Behörde wurde der Bescheid postalisch ohne Zustellnachweis versendet.

Mit am XXXX 2024 bei der belangten Behörde eingelangtem Schreiben vom XXXX .2024 erhob die beschwerdeführende Partei „Bescheidbeschwerde“ gegen diesen Bescheid, wobei die Geschäftszahl, das Bescheiddatum und das Datum der Zustellung mit XXXX .2024 angegeben wurden. Die beschwerdeführende Partei führte auch eine Begründung und ein Begehren (Anträge) an.

2. Beweiswürdigung

Die Feststellungen gründen sich auf die vom Bundesverwaltungsgericht nachgeprüften und für zutreffend befundenen Feststellungen der belangten Behörde im bekämpften Bescheid, auf den Inhalt des von der Behörde vorgelegten Verwaltungsakts bzw. sind unstrittig.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts

Durch BGBl I 112/2023 wurden die Rundfunkgebühren für Radio- und Fernsehempfangseinrichtungen per 01.01.2024 durch den ORF-Beitrag iSd ORF-Beitrags-Gesetz 2024 ersetzt. Mit Erkenntnis vom 24.06.2025, E 4624/2024-15, sprach der Verfassungsgerichtshof aus, dass das ORF-Beitrags-Gesetz nicht verfassungswidrig ist.

Fallgegenständlich beantragte die beschwerdeführende Partei eine Befreiung von der Verpflichtung zur Entrichtung des ORF-Beitrags ab Jänner 2024. Im Verfahren ist das ORF-Beitrags-Gesetz 2024 anzuwenden. Im Verfahren ist das AVG anzuwenden (§ 12 Abs. 1 ORF-Beitrags-Gesetz 2024 iVm § 17 VwGVG). Nach § 12 Abs. 3 ORF-Beitrags-Gesetz 2024 kann gegen von der belangten Behörde erlassene Bescheide Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben werden.

Zur Erledigung der vorliegenden Beschwerde ist daher das Bundesverwaltungsgericht zuständig. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Mangels einer diesbezüglichen Bestimmung im Materiengesetz liegt im gegenständlichen Verfahren Einzelrichterzuständigkeit vor.

3.2. Rechtzeitigkeit und Inhalt der Beschwerde

Die Beschwerde ist fristgerecht erhoben worden und vollständig iSd § 9 VwGVG.

3.3. Zu Spruchpunkt A)

3.3.1. Sache des Verfahrens

Wird ein Antrag von der belangten Behörde zurückgewiesen, ist Sache des Beschwerdeverfahrens lediglich die Frage der Rechtmäßigkeit dieser Zurückweisung (VwGH 21.12.2022, Ra 2022/05/0145). Dem Verwaltungsgericht ist es verwehrt, über diesen Rahmen hinaus eine Entscheidung über die „Hauptsache“ zu treffen, weil dadurch der sachlichen Prüfung des gestellten Antrags und damit den Parteien eine Instanz genommen würde (VwGH 09.03.2023, Ra 2020/07/0121).

Im vorliegenden Fall ist daher für das Bundesverwaltungsgericht lediglich Prüfgegenstand, ob die Zurückweisung des verfahrenseinleitenden Antrags der beschwerdeführenden Partei durch die belangte Behörde mit der Begründung, Unterlagen und Informationen seien trotz Aufforderung nicht nachgereicht worden, zu Recht erfolgte.

3.3.2. Kein verbesserungsfähiger Mangel

§ 13 AVG lautet auszugsweise:

„(3) Mängel schriftlicher Anbringen ermächtigen die Behörde nicht zur Zurückweisung. Die Behörde hat vielmehr von Amts wegen unverzüglich deren Behebung zu veranlassen und kann dem Einschreiter die Behebung des Mangels innerhalb einer angemessenen Frist mit der Wirkung auftragen, dass das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist zurückgewiesen wird. Wird der Mangel rechtzeitig behoben, so gilt das Anbringen als ursprünglich richtig eingebracht.“

Die Zurückweisung eines Antrags setzt nach § 13 Abs. 3 AVG somit einerseits voraus, dass dem Antragsteller von der Behörde die Behebung konkreter, verbesserungsfähiger Mängel innerhalb einer angemessenen Frist aufgetragen wird. Andererseits muss auf die Rechtsfolge, dass der Antrag nach fruchtlosem Ablauf der Frist zurückgewiesen werden wird, explizit hingewiesen werden. Eine Zurückweisung nach § 13 Abs. 3 AVG ist allerdings nur bei verbesserungsfähigen Mängeln überhaupt zulässig. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs sind von solchen verbesserungsfähigen Mängeln eines Anbringens iSd § 13 Abs. 3 AVG Umstände zu unterscheiden, die die Erfolgsaussichten betreffen und die daher gegebenenfalls zur Abweisung eines Antrags führen können. Ob es sich um einen Mangel im Sinne des § 13 Abs. 3 AVG oder um eine Erfolgsvoraussetzung handelt, ist durch Auslegung der Bestimmungen der Materiengesetze zu ermitteln (vgl. VwGH 18.12.2017, Ro 2016/15/0042, mwN). Ein „Mangel“ im Sinne des § 13 Abs. 3 AVG liegt dann vor, wenn ein Anbringen von den für die Partei erkennbaren Anforderungen des Materiengesetzes an ein vollständiges, fehlerfreies Anbringen abweicht (vgl. z.B. VwGH 24.05.2016, Ra 2016/07/0016).

Der Verwaltungsgerichtshof verneint die Zulässigkeit der Zurückweisung eines Antrags auf Befreiung von den Rundfunkgebühren infolge Nichterfüllung eines behördlichen Verbesserungsauftrags (vgl VwGH 16.11.2022, Ra 2020/15/0040). Gemäß § 3 Abs. 5 Rundfunkgebührengesetz (RGG) sind von den Rundfunkgebühren auf Antrag jene Rundfunkteilnehmer zu befreien, bei denen die in §§ 47 bis 49 Fernmeldegebührenordnung (FMGebO) genannten Voraussetzungen für eine Befreiung von der Rundfunkgebühr vorliegen. Die §§ 47 bis 49 FMGebO regeln aber nur, auf welcher Grundlage Bezieher staatlicher Unterstützung von der Entrichtung der Rundfunkgebühren befreit werden können und dass diese an der Ermittlung der Anspruchsvoraussetzungen mitzuwirken haben. Sie enthalten keine Regelung dahingehend, dass bei Nichtvorlage bestimmter Unterlagen die Zulässigkeit eines Anbringens nicht gegeben wäre (vgl. VwGH 18.12.2017, Ro 2016/15/0042). Auch § 51 Abs. 1 FMGebO, wonach die gemäß § 50 FMGebO erforderlichen Nachweise anzuschließen sind, ist angesichts des Umstandes, dass in § 50 FMGebO keine konkreten Belege oder Urkunden genannt sind, die für den Nachweis erforderlich wären, nicht geeignet, eine ausdrückliche Anordnung in dem Sinn darzustellen, dass das Fehlen eines bestimmten, von der Behörde im Einzelfall für erforderlich erachteten Nachweises als Fehlen einer erforderlichen Beilage im Sinne des § 13 Abs. 3 AVG gedeutet werden könnte (vgl. VwGH 18.12.2017, Ro 2016/15/0042, mit Hinweis auf VwGH 9.6.2010, 2006/17/0161). Diese Rechtsprechung ist nach Ansicht des erkennenden Gerichts auch auf die Rechtslage nach dem ORF-Beitrags-Gesetz zu übertragen.

Da fallgegenständlich somit zusammengefasst kein iSd höchstgerichtlichen Judikatur verbesserungsfähiger Mangel vorliegt, war die Behörde von daher nicht berechtigt, mit Zurückweisung gemäß § 13 Abs. 3 AVG vorzugehen.

Da Sache des Beschwerdeverfahrens lediglich die Zurückweisung des verfahrenseinleitenden Antrags der beschwerdeführenden Partei ist (vgl. oben Punkt II.3.3.1.), war der angefochtene Bescheid daher spruchgemäß ersatzlos zu beheben. Das Verfahren über den gestellten Antrag ist daher (wieder) bei der belangten Behörde anhängig und von dieser – unter Abstandnahme vom bisherigen Zurückweisungsgrund – weiterzuführen.

3.4. Absehen von einer mündlichen Verhandlung

Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte im vorliegenden Fall – auch ungeachtet eines entsprechenden Parteienantrages – gemäß § 24 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1 VwGVG abgesehen werden, da bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der angefochtene Bescheid ersatzlos aufzuheben ist.

3.5. Zu Spruchpunkt B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der im jeweiligen Zusammenhang zitierten bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ab, noch fehlt es an einschlägiger Rechtsprechung. Auch in der Beschwerde findet sich kein Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben. Die Entscheidung folgt der im jeweiligen Zusammenhang zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.