JudikaturBVwG

G304 2306520-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
05. Juni 2025

Spruch

G304 2306520-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Beatrix LEHNER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Serbien, vertreten durch RA Mag. Stefan ERRATH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.12.2024, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet a b g e w i e s e n .

B)Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA oder belangte Behörde) vom 17.12.2024 wurde der Antrag des Beschwerdeführers (im Folgenden: BF) auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 55 Abs 2 AsylG als unzulässig zurückgewiesen. Begründet wurde die Zurückweisung damit, dass der BF mit einer bulgarischen Staatsangehörigen verheiratet sei und als begünstigter Drittstaatsangehöriger anzusehen sei.

2. Gegen diesen Bescheid wurde im Wege der rechtsfreundlichen Vertretung fristgerecht Beschwerde erhoben. Es stimme zwar, dass es keine bindende Entscheidung über das Vorliegen einer Aufenthaltsehe gebe, aber die Ehegattin sei nicht in Österreich aufhältig und könne sich selbst nicht auf die Freizügigkeitsrichtlinie berufen, weshalb das auch der BF nicht könne.

3. Am 27.01.2025 langte beim Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) die gegenständliche Beschwerde samt dazugehörigem Verwaltungsakt ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der BF ist Staatsangehöriger von Serbien und führt die im Spruch angeführte Identität.

1.2. Von 2015 bis 2019 war der BF im Besitz eines Aufenthaltstitels „Familienangehöriger“

1.3. Er war seit 2012 mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet und diese Ehe wurde am XXXX 2022 rechtskräftig geschieden und aus dieser Ehe entstammt ein mj Sohn (geb. 2016).

1.4. Der BF ehelichte am XXXX .2022 in Serbien eine bulgarische Staatsangehörige. Der BF gab vor dem BFA an, dass er diese Ehe eingegangen ist, damit er in Österreich bleiben könne.

1.5. Von der LPD Wien erging am 22.11.2023 ein Abschlussbericht zum Verdacht der Aufenthaltsehe.

1.6 Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 27.05.2024 wurde ein Bescheid des Landeshauptmannes von Wien zur Ausstellung einer Aufenthaltskarte gemäß § 54 Abs 7 NAG wegen Zurückziehung des Antrages des BF ersatzlos behoben. Eine rechtskräftige Feststellung, dass es sich um eine Aufenthaltsehe handelt, liegt daher nicht vor.

1.7. Der BF stellte am 07.08.2024 persönlich beim BFA den gegenständlichen Antrag auf einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 55 Abs. 2 AsylG.

1.8. Aufgrund seiner aufrechten Ehe mit einer bulgarischen Staatsangehörigen ist der BF begünstigter Drittstaatsangehöriger.

1.9. Der BF hat keinen Kontakt zu seiner bulgarischen Ehefrau und erwägt eine Scheidung. Der BF lebt derzeit wieder mit seiner Ex-Frau zusammen.

1.10. In Österreich war der BF als Maler und Fliesenleger tätig und hat ein freies Gewerbe „Hausbetreuung“ angemeldet.

1.11. Der BF hat keinen Integrationskurs besucht und noch keinen Deutschkurs abgeschlossen.

2. Beweiswürdigung:

Der unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang und die unter Punkt II. getroffenen Feststellungen beruhen auf dem vorliegenden Akteninhalt samt Beschwerdevorbringen.

Dass der BF seit dem XXXX .2022 mit einer bulgarischen Staatsangehörigen verheiratet ist, ergibt sich aus der im Akt einliegenden Kopie der Heiratsurkunde.

Fest steht, dass die derzeitige Ehefrau des BF in Österreich aufhältig war und der BF sich mit ihr mehrmals hier getroffen hat, bevor die Vereinbarung zum Abschluss einer Ehe getroffen wurde. Der derzeitige Aufenthaltsort der Ehefrau ist nicht bekannt, es ist jedoch nicht auszuschließen, dass sie sich ohne polizeiliche Meldung im Bundesgebiet aufhält.

Dass es sich faktisch um eine Aufenthaltsehe handelt, ergibt sich aus dem Abschlussbericht der LPD Wien und wurde auch vom BF selbst eingestanden. Ein Bescheid der MA35 vom 19.03.2024 zur Erteilung eines Aufenthaltstitels „Angehöriger eines EWR-Bürgers“ wurde wegen Zurückziehung des Antrages vom Verwaltungsgericht Wien ersatzlos behoben. Es ist daher keine rechtskräftige Feststellung einer Aufenthaltsehe gegeben.

Aus den Angaben des BF vor dem BFA ergibt sich auch, dass er keinen Kontakt zu seiner derzeitigen Ehefrau hat, eine Scheidung von dieser erwägt und wieder bei seiner Ex-Frau wohnt.

Die Beschäftigung des BF in Österreich und die Feststellungen zur Integration und Sprachkursen ergeben sich ebenso aus seinen Angaben vor dem BFA.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

3.1. Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:

3.1.1. Gesetzliche Bestimmungen

Der mit „Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK“ betitelte § 55 AsylG 2005 lautet wie folgt:

„(1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ zu erteilen, wenn

1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und

2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955) erreicht wird.

(2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine „Aufenthaltsberechtigung“ zu erteilen.“

§ 2 Abs 3 Z 11 FPG lautet:

„(…..) begünstigter Drittstaatsangehöriger: der Ehegatte, eingetragene Partner, eigene Verwandte und Verwandte des Ehegatten oder eingetragenen Partners eines EWR-Bürgers oder Schweizer Bürgers oder Österreichers, die ihr unionsrechtliches oder das ihnen auf Grund des Freizügigkeitsabkommens EG-Schweiz zukommende Aufenthaltsrecht in Anspruch genommen haben, in gerader absteigender Linie bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres, darüber hinaus, sofern ihnen Unterhalt tatsächlich gewährt wird, sowie eigene Verwandte und Verwandte des Ehegatten oder eingetragenen Partners in gerader aufsteigender Linie, sofern ihnen Unterhalt tatsächlich gewährt wird, insofern dieser Drittstaatsangehörige den unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürger oder Schweizer Bürger, von dem sich seine unionsrechtliche Begünstigung herleitet, begleitet oder ihm nachzieht;“

§ 15b FPG lautet:

(1) Begünstigte Drittstaatsangehörige (§ 2 Abs. 4 Z 11) haben das Recht auf Aufenthalt für einen Zeitraum von drei Monaten, unterliegen aber der Visumpflicht, sofern Anhang I zur Visumpflichtverordnung (§ 2 Abs. 4 Z 20) auf sie Anwendung findet. Sie haben Anspruch auf Erteilung eines Visums.

(2) Amtshandlungen im Zusammenhang mit der Erteilung von Visa an begünstigte Drittstaatsangehörige sind prioritär zu führen und von Verwaltungsabgaben befreit.

(3) Über den dreimonatigen Zeitraum nach Abs. 1 hinaus besteht ein Aufenthaltsrecht nach Maßgabe des 4. Hauptstückes des 2. Teiles des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes. Inhaber von Aufenthaltskarten und Daueraufenthaltskarten (§§ 54 und 54a NAG) oder von Aufenthaltskarten und Daueraufenthaltskarten anderer Mitgliedstaaten sind zur visumfreien Einreise berechtigt.

§ 58 Abs 9 AsylG lautet:

„Ein Antrag auf einen Aufenthaltstitel nach diesem Hauptstück ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn der Drittstaatsangehörige

1. sich in einem Verfahren nach dem NAG befindet,

2. bereits über ein Aufenthaltsrecht nach diesem Bundesgesetz oder dem NAG verfügt oder

3. gemäß § 5 des Amtssitzgesetzes – ASG, BGBl. I Nr. 54/2021, über einen Lichtbildausweis verfügt oder gemäß § 24 FPG zur Ausübung einer bloß vorübergehenden Erwerbstätigkeit berechtigt ist, soweit dieses Bundesgesetz nicht anderes bestimmt. Dies gilt auch im Falle des gleichzeitigen Stellens mehrerer Anträge.“

3.1.2. Auf den Beschwerdefall bezogen

Gemäß § 2 Abs. 4 Z 1 FPG gilt als Fremder, wer die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt und gemäß Z 10 leg cit. als Drittstaatsangehöriger jeder Fremder der nicht EWR-Bürger oder Schweizer Bürger ist.

Der BF ist aufgrund seiner serbischen Staatsangehörigkeit somit Drittstaatsangehöriger iSd § 2 Abs. 4 Z 10 FPG.

Zu prüfen ist folglich, ob der BF aufgrund seiner (noch) aufrechten Ehe mit einer bulgarischen Staatsangehörigen als begünstigter Drittstaatsangehöriger gemäß § 2 Abs 3 Z 11 FPG anzusehen ist.

Für die Inanspruchnahme des „Rechts auf Freizügigkeit“ genügt es, dass sich der Unionsbürger in Österreich aufhält. Selbst im Fall einer Niederlassung in Österreich von Geburt an (ohne jegliche Reisebewegung) wäre er als Unionsbürger zu bezeichnen, der sein „Recht auf Freizügigkeit“ in Anspruch genommen hat (vlg VwGH 10. 11. 2009, 2008/22/0733).

Ehegatten von EWR-Bürgern, die ihr unionsrechtliches Aufenthaltsrecht in Anspruch genommen haben, kommt die Stellung als „begünstigter Drittstaatsangehöriger“ iSd § 2 Abs 4 Z 11 FPG 2005 zu, das gilt auch dann, wenn die Ehe als Aufenthaltsehe zu qualifizieren ist (vgl E 7. 4. 2011, 2011/22/0005; B 14. 4. 2016, Ro 2016/21/0005), und zwar jedenfalls solange keine rechtskräftige Feststellung iSd § 54 Abs 7 NAG 2005 vorliegt (vlg VwGH 23. 3. 2017, Ra 2016/21/0349).

Die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach dem 7. Hauptstück des AsylG 2005 (und damit insbesondere nach § 55 AsylG 2005) ist als subsidiäre Maßnahme konzipiert, die nur in Betracht kommt, wenn der betreffende Fremde nicht ohnehin über ein anderweitiges Aufenthaltsrecht verfügt (VwGH vom 04.04.2019, Zl. Ra 2019/21/0009; vgl. § 54 Abs. 5 und § 58 Abs. 9 Z 2 AsylG 2005; siehe auch die ErläutRV zum FNG 2014, 1803 BlgNR 24. GP 49, sowie § § 52 Abs. 3 AsylG 2005).

Unstrittig ist nach den Angaben des BF, dass er seine bulgarische Ehefrau 2022 in Wien kennengelernt hat. Sie war daher zu diesem Zeitpunkt in Österreich aufhältig und es ist daher davon auszugehen, dass sie ihr unionsrechtliches Aufenthaltsrecht in Anspruch genommen hat. Auch wenn der BF keine Information über den derzeitigen Aufenthaltsort seiner Ehefrau hat, ist dieser Umstand alleine nicht dazu geeignet, davon auszugehen, dass sie das Recht auf Freizügigkeit nicht beansprucht.

Auch der Umstand, dass es sich in der Gesamtbetrachtung um eine Aufenthaltsehe handelt, ist nicht geeignet, eine andere Entscheidung herbeizuführen, denn eine rechtskräftige Feststellung der Aufenthaltsehe ist nicht vorliegend.

In der Gesamtbetrachtung ist daher festzustellen, dass der BF in der vorliegenden Konstellation als begünstigter Drittstaatsangehöriger zu sehen ist.

Die Zurückweisung des Antrages gemäß § 58 Abs 9 Z 2 AsylG ist daher nicht zu beanstanden.

Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden und die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

3.2. Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erschien, konnte eine mündliche Verhandlung unterbleiben. Die Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung hätte zu keinem anderen Ergebnis geführt.

3.3. Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.