JudikaturVwGH

Ra 2022/20/0023 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
26. Juli 2022

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. Dr. Zehetner sowie die Hofräte Mag. Eder und Dr. Horvath als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Herrmann Preschnofsky, in der Rechtssache der Revision des O O, vertreten durch Mag. Dr. Martin Dercsaly, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Landstraßer Hauptstraße 146/6/B2, dieser vertreten durch Dr. Claudia Stoitzner, MBA, Rechtsanwältin in 1060 Wien, Mariahilfer Straße 45/5/36, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. Dezember 2021, I413 2170204 2/12E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Nigerias, stellte erstmals am 30. März 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005). Zur Begründung gab er an, homosexuell und deswegen im Heimatland Verfolgung ausgesetzt zu sein.

2 Dieser Antrag wurde im Instanzenzug vom Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 29. August 2019 abgewiesen. Unter einem wurden gegen den Revisionswerber eine Rückkehrentscheidung erlassen sowie weitere nach dem Gesetz vorgesehene Aussprüche getätigt.

3 Am 21. Februar 2020 stellte der Revisionswerber den gegenständlichen zweiten Antrag auf internationalen Schutz nach dem AsylG 2005. Diesen begründete er im Wesentlichen mit Erbstreitigkeiten zwischen ihm und seinem Halbbruder, der ihn verfolge und einem Kult namens „AYE“ angehöre. Die Mitglieder dieses Kults unterstützten den Halbbruder bei der Verfolgung des Revisionswerbers.

4 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies diesen Antrag mit Bescheid vom 6. April 2020 wegen entschiedener Sache zurück, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung sowie ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig sei. Eine Frist für die freiwillige Ausreise wurde nicht gewährt.

5 Die dagegen erhobene Beschwerde wurde vom Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 15. Dezember 2021 nach Durchführung einer Verhandlung als unbegründet abgewiesen. Unter einem sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Erhebung einer Revision nach Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.

6 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

9 In der vorliegenden Revision wird zu ihrer Zulässigkeit vorgebracht, das Bundesverwaltungsgericht sei in Verkennung der Rechtslage davon ausgegangen, dass hinsichtlich des Fluchtvorbringens des ersten Antrages auf internationalen Schutz und des Folgeantrages „lediglich die agierende Person“ ausgetauscht worden sei. Entgegen der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts handle es sich aber um zwei völlig unterschiedliche Vorbringen, welche nicht miteinander in Zusammenhang stünden. Denn den ersten Antrag habe der Revisionswerber mit seiner Homosexualität begründet und den Folgeantrag mit einer Verfolgung wegen Erbstreitigkeiten sowie durch einen Kult.

10 Der Revisionswerber behauptet in der Revision eine Verfolgung wegen seiner Zugehörigkeit zum Christentum. Daran anknüpfend führt er zur Zulässigkeit der Revision ins Treffen, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Verfolgungsgefahr von Christen durch den Kult „AYE“.

Der Revisionswerber hat allerdings bislang nie behauptet, dass er wegen seiner Zugehörigkeit zum Christentum verfolgt werde. Mit diesem Vorbringen wird sohin schon deshalb die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan, weil es sich um ein Vorbringen handelt, das gegen das nach § 41 VwGG im Revisionsverfahren geltende Neuerungsverbot verstößt (vgl. VwGH 8.11.2021, Ra 2021/20/0301, mwN).

11 Weiters führt der Revisionswerber für die Zulässigkeit der Revision ins Treffen, dass das Bundesverwaltungsgericht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen sei, indem es das zum ersten Antrag auf internationalen Schutz und das im Folgeantrag erstattete Vorbringen als im Wesentlichen übereinstimmend angesehen habe.

12 Voraussetzung für die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ist, dass dem Asylwerber im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinn des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, also aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung, droht. Fehlt ein kausaler Zusammenhang mit einem oder mehreren Konventionsgründen, kommt die Asylgewährung nicht in Betracht (vgl. VwGH 5.4.2022, Ra 2022/14/0057, mwN). Fallbezogen ist nicht zu sehen, dass in Bezug auf die geltend gemachten Erbstreitigkeiten ein Konnex zu einem Konventionsgrund gegeben wäre. Somit wurde nicht dargetan, weshalb insoweit die Änderung eines für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalts vorliegen könnte.

Überdies geht aus den Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichts sowie dessen weiteren Ausführungen, der Revisionswerber habe in seinem neuen Vorbringen lediglich einen „Austausch der in seiner Rahmenerzählung agierenden Personen“ des im ersten Antrag erstatteten Vorbringens vorgenommen, hinreichend deutlich hervor, dass das Bundesverwaltungsgericht (auch) dem neuen Vorbringen die Glaubwürdigkeit versagte. Darauf wird in der Revision nicht eingegangen.

13 Ferner trifft es nicht zu, dass das Bundesverwaltungsgericht keine Feststellungen zur Sicherheitslage im Herkunftsstaat getroffen hätte.

14 Wenn sich der Revisionswerber schließlich unter Verweis auf seinen seit dem Jahr 2016 dauernden Aufenthalt im Bundesgebiet gegen die im Rahmen der Rückkehrentscheidung vorgenommene Interessenabwägung wendet, ist er auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalles in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG ist (vgl. VwGH 15.3.2022, Ra 2022/20/0045 bis 0046, mwN).

15 Mit dem bloßen Hinweis auf die Dauer seines Aufenthalts im Bundesgebiet legt der Revisionswerber nicht dar, dass das Bundesverwaltungsgericht bei der Interessenabwägung ein vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifender Fehler unterlaufen wäre.

16 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 26. Juli 2022

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