Spruch
W293 2237225-3/13Z
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht fasst durch die Richterin MMag. Dr. Monika ZWERENZ, LL.M. über die Beschwerde von XXXX , wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch die Landespolizeidirektion XXXX den Beschluss:
A)
Das Verfahren wird gemäß § 34 Abs. 3 VwGVG bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs in den zu den Zahlen Ro 2024/12/0041 und Ro 2024/12/0042 anhängigen Verfahren ausgesetzt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Begründung:
1. Der Beschwerdeführer beantragte mit Schreiben vom 01.08.2013 die Neufestsetzung seines Vorrückungsstichtages. Mit Bescheid der Landespolizeidirektion XXXX (in der Folge: belangte Behörde) vom 12.03.2014, Zl. XXXX wurde dem Beschwerdeführer die Aussetzung des Verfahrens bis zur Vorabentscheidung durch den EuGH zur Kenntnis gebracht.
2. Ein am 06.03.2014 eingebrachter neuerlicher Antrag auf Neufestsetzung des Vorrückungsstichtages wurde mit Bescheid der Behörde vom 16.07.2015, Zl. XXXX , als unzulässig zurückgewiesen.
3. Der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde gab das Bundesverwaltungsgericht – nach zuvor erfolgter Aussetzung des Verfahrens – mit Erkenntnis vom 10.11.2016, Zl. W122 2113154-1/4E statt und hob diesen gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG ersatzlos auf. Dabei führte das Bundesverwaltungsgericht mit näherer Begründung aus, dass die Behörde dazu verpflichtet gewesen wäre, eine inhaltliche Entscheidung zu treffen.
4. Mit Schreiben vom 22.11.2016 beantragte der Beschwerdeführer neuerlich die bescheidmäßige Feststellung der aus der Neufestsetzung des Vorrückungsstichtags resultierenden besoldungsrechtlichen Stellung.
5. Am 13.05.2020 erging aufgrund des offenen Antrags vom 01.08.2013 ein Parteiengehör. Gegen das Parteiengehör erhob der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 14.05.2020 Beschwerde und beantragte die Aufhebung des Parteiengehörs wegen Rechtswidrigkeit. Mit Beschluss vom 02.06.2020, Zl. W257 2231055-1/3E, wies das Bundesverwaltungsgericht den Antrag als unzulässig zurück.
6. Mit Schreiben vom 24.11.2020 brachte der Beschwerdeführer direkt beim Bundesverwaltungsgericht eine Säumnisbeschwerde ein. Mit Schreiben vom 24.03.2021 leitet das Bundesverwaltungsgericht daraufhin das Anbringen gemäß § 6 AVG iVm § 17 VwGVG zuständigkeitshalber an die Behörde weiter. Mit Schreiben vom 01.03.2021 bzw. 27.05.2021 brachte der Beschwerdeführer erneut Säumnisbeschwerden an das Bundesverwaltungsgericht ein. Mit Schreiben vom 03.03.2022 leitete das Bundesverwaltungsgericht die Anbringen gemäß § 6 AVG iVm § 17 VwGVG zuständigkeitshalber an die Behörde weiter.
7. Die belangte Behörde legte dem Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom 30.04.2022, einlangend im Bundesverwaltungsgericht am 05.05.2022, die Säumnisbeschwerde samt bezughabendem Verwaltungsakt vor.
8. Mit Beschluss vom 18.10.2021, EU 20210005, 0006, (Ra 2020/12/0068, 0077), hatte der Verwaltungsgerichtshof dem Gerichtshof der Europäischen Union bereits zuvor bestimmte Fragen (betreffend die Rechtslage nach der 2. Dienstrechtsnovelle 2019, BGBl I 58/2019, und der Dienstrechts-Novelle 2020, BGBl I 153/2020) zur Vorabentscheidung vorgelegt.
9. Das Bundesverwaltungsgericht setzte das Beschwerdeverfahren zu Zl. 2237225-3 mit Beschluss vom 24.06.2022, W293 2237225-3, bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union über das ihm mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 18.10.2021, EU 2021/0005, 0006-1, vorgelegte Vorabentscheidungsersuchen, C-650/21, aus.
10. Der Gerichtshof der Europäischen Union antwortete mit Urteil vom 20.04.2023, C-650/21, Landespolizeidirektion Niederösterreich und Finanzamt Österreich, auf die vom Verwaltungsgerichtshof gestellten Fragen dahingehend, dass die Gleichbehandlungs-Richtlinie einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der die Einstufung eines Beamten auf der Grundlage seines Besoldungsdienstalters in einem alten Besoldungssystem erfolgt, das für diskriminierend befunden wurde, weil dieses System für die Zwecke der Bestimmung des Besoldungsdienstalters nur die Berücksichtigung der anrechenbaren Vordienstzeiten erlaubte, die nach Vollendung des 18. Lebensjahres zurückgelegt wurden und damit vor Vollendung des 18. Lebensjahres zurückgelegte Vordienstzeiten ausschloss, soweit diese Regelung eine Korrektur der ursprünglich ermittelten anrechenbaren Vordienstzeiten durch Ermittlung eines Vergleichsstichtags vorsieht, bei dem für die Zwecke der Bestimmung des Besoldungsdienstalters nunmehr vor Vollendung des 18. Lebensjahres zurückgelegte anrechenbare Vordienstzeiten berücksichtigt werden, wenn zum einen hinsichtlich der nach dem 18. Geburtstag zurückgelegten Zeiten nur die zur Hälfte zu berücksichtigenden „sonstigen Zeiten“ berücksichtigt werden und zum anderen diese „sonstigen Zeiten“ von drei auf sieben Jahre erhöht werden, jedoch nur insoweit berücksichtigt werden, als sie vier Jahre übersteigen (1.). Der Grundsatz der Gleichbehandlung und der Grundsatz der Rechtssicherheit (Art. 20 Grundrechtecharta) sind laut Gerichtshof der Europäischen Union dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, die für Beamte, bei denen am Tag der Kundmachung einer Gesetzesänderung des Besoldungssystems ein Verfahren zur Neufestsetzung ihrer besoldungsrechtlichen Stellung anhängig war, vorsieht, dass die Bezüge nach den neuen Bestimmungen über den Vergleichsstichtag neu ermittelt werden, so dass eine Diskriminierung wegen des Alters nicht beseitigt wird, wohingegen eine solche Ermittlung nicht für Beamte vorgenommen wird, bei denen ein zuvor eingeleitetes Verfahren mit gleichem Gegenstand bereits durch eine rechtskräftige Entscheidung abgeschlossen war, die auf einem Stichtag beruht, der nach dem alten Besoldungssystem, dessen vom nationalen Richter für diskriminierend befundene Bestimmungen in unmittelbarer Anwendung des unionsrechtlichen Grundsatzes der Gleichbehandlung unangewendet blieben, günstiger festgesetzt wurde (2.).
11. Der Beschwerdeführer nahm mit Schreiben vom 10.09.2023, 04.10.2023 sowie 23.10.2023 zu seinem Verfahren Stellung.
12. Mit BGBl I 137/2023 (Inkrafttreten mit 16.11.2023) änderte der Gesetzgeber die gesetzlichen Bestimmungen der §§ 169f und 169g GehG.
13. Mit Schreiben vom 12.03.2024 ersuchte das Bundesverwaltungsgericht die belangte Behörde, im vorliegenden Säumnisbeschwerdeverfahren nach Ermittlung des Vergleichsstichtags (§ 169g GehG idF BGBl I 137/2323) das Besoldungsdienstalter des Beschwerdeführers zum Ablauf des 28.02.2015 zu berechnen (§ 169f Abs. 4 GehG idF BGBl I 137/2023) und dem Bundesverwaltungsgericht das Ergebnis sowie die Berechnung zu übermitteln. Weiters wurde die belangte Behörde ersucht, gemäß § 169f Abs. 6b GehG auch das Datum zu bestimmen, ab dem ein allfälliger Anspruch auf Nachzahlung von Bezügen nicht verjährt ist.
14. Mit Aktenvorlage vom 30.03.2024 übermittelte die belangte Behörde Unterlagen zur Ermittlung des Vergleichsstichtags und des Besoldungsdienstalters. Dazu nahm der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 15.04.2024 Stellung.
15. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 11.12.2024 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in der die Sach- und Rechtslage mit dem Beschwerdeführer ausführlich besprochen wurde.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Rechtliche Beurteilung
Zu A) Aussetzung des Verfahrens:
1. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da eine Senatsentscheidung in den einschlägigen Bundesgesetzen nicht vorgesehen ist, liegt im vorliegenden Verfahren Einzelrichterzuständigkeit vor.
Nach § 34 Abs. 3, erster Absatz VwGVG kann das Verwaltungsgericht ein Verfahren über eine Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG mit Beschluss aussetzen, wenn
1. vom Verwaltungsgericht in einer erheblichen Anzahl von anhängigen oder in naher Zukunft zu erwartenden Verfahren eine Rechtsfrage zu lösen ist und gleichzeitig beim Verwaltungsgerichtshof ein Verfahren über eine Revision gegen ein Erkenntnis oder einen Beschluss eines Verwaltungsgerichtes anhängig ist, in welchem dieselbe Rechtsfrage zu lösen ist, und
2. eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Lösung dieser Rechtsfrage fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Gleichzeitig hat das Verwaltungsgericht dem Verwaltungsgerichtshof gemäß § 34 Abs. 3, zweiter Absatz, VwGVG das Aussetzen des Verfahrens unter Bezeichnung des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Verfahrens mitzuteilen. Eine solche Mitteilung hat zu entfallen, wenn das Verwaltungsgericht in der Mitteilung ein Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof zu bezeichnen hätte, das es in einer früheren Mitteilung schon einmal bezeichnet hat. Mit der Zustellung des Erkenntnisses oder Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofs an das Verwaltungsgericht gemäß § 44 Abs. 2 VwGG ist das Verfahren fortzusetzen. Das Verwaltungsgericht hat den Parteien die Fortsetzung des Verfahrens mitzuteilen.
2. Aus den Erläuterungen zu § 34 VwGVG geht hervor, dass ein Verfahren ausgesetzt werden kann, wenn bei einem Verwaltungsgericht in einer erheblichen Zahl von anhängigen oder zu erwartenden Verfahren eine Rechtsfrage zu lösen ist, die in einem – gleichzeitig anhängigen – Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof zu lösen ist. Zweck dieser Bestimmung ist es daher, aus Gründen der Prozessökonomie zu vermeiden, dass die gleiche Rechtsfrage nebeneinander in mehreren Verfahren erörtert werden muss. Die Aussetzung soll eine Maßnahme der Vereinfachung des Verfahrens sein und auch die Parteien vor der Einbringung unnötiger Revisionen an den Verwaltungsgerichtshof bewahren (s. die Materialien zum Verwaltungsgerichtsbarkeits-Ausführungsgesetz 2013, BGBl I 33/2013, ErläutRV 2009 BlgNR 24. GP, 8).
Wenn daher ein Verwaltungsgericht, während vor dem Verwaltungsgerichtshof ein Verfahren zur Klärung einer bestimmten Rechtsfrage anhängig ist, Verfahren, bei denen die gleichen Rechtsfragen strittig sind, aussetzt (und nicht durch Erlassung weiterer Entscheidungen mehrfache Revisionen an den Verwaltungsgerichtshof „verursacht“), dient die Aussetzung auch Parteiinteressen (Wegfall des Kostenrisikos in Bezug auf allfällig zu ergreifende Rechtsmittel an den Verwaltungsgerichtshof) sowie letztlich auch der Entlastung des Verwaltungsgerichtshofs.
Durch die Aussetzung eines Verfahrens soll die Funktionsfähigkeit des Verwaltungsgerichts bei einer großen Zahl gleichgelagerter Beschwerden gewährleistet sein, indem auf einen beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen „leading case“ gewartet und so dessen Rechtsansicht eingeholt werden kann. Darüber hinaus wird der Verwaltungsgerichtshof selbst vor einer potentiell massenhaften Revisionseinbringung geschützt (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren2 [2018] § 34 VwGVG Anm 14).
3. Beim Bundesverwaltungsgericht sind aktuell bereits über 80 gleichgelagerte Verfahren zur Klärung derselben Rechtsfrage anhängig. Das Bundesverwaltungsgericht hat in einem Verfahren bereits entsprechend der aktuellen Rechtslage entschieden (BVwG 31.07.2024, Zl. W122 2287930-1/5E). Beim Verwaltungsgerichtshof sind zu diesem Erkenntnis die im Spruch genannten Verfahren, denen dieselbe Rechtsfrage wie dem hier vorliegenden Verfahren (konkret die Frage der Unionsrechtskonformität der nunmehr in Kraft stehenden Bestimmungen betreffend die Festsetzung der besoldungsrechtlichen Stellung) zugrunde liegt, anhängig. Eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu dieser Rechtsfrage, deren Klärung auch für das vorliegende Verfahren relevant ist, liegt bislang nicht vor.
Die Voraussetzungen für die Aussetzung des Verfahrens gemäß § 34 Abs. 3 VwGVG sind daher gegeben. Es ist somit spruchgemäß zu entscheiden.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die hier anzuwendenden Regelungen erweisen sich als klar und eindeutig.