JudikaturBVwG

W293 2237225-3 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
24. Juni 2022

Spruch

W293 2237225-3/2Z

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht fasst durch die Richterin MMag. Dr. Monika ZWERENZ, LL.M., als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , XXXX , wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch die Landespolizeidirektion XXXX den Beschluss:

A)

Das Verfahren über die Beschwerde wird gemäß § 17 VwGVG iVm § 38 AVG bis zur Entscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Union über das ihm mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 18.10.2021, EU 2021/0005, 0006-1, vorgelegte Vorabentscheidungsersuchen, RS C-650/21, ausgesetzt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Begründung:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

1. Der Beschwerdeführer beantragte mit Schreiben vom 01.08.2013 die Neufestsetzung seines Vorrückungsstichtages. Mit Bescheid der Landespolizeidirektion XXXX (in der Folge: die Behörde) vom 12.03.2014, Zl. P6/3700/2014 wurde dem Beschwerdeführer die Aussetzung des Verfahrens bis zur Vorabentscheidung durch den EuGH zur Kenntnis gebracht.

2. Ein am 06.03.2014 eingebrachter neuerlicher Antrag auf Neufestsetzung des Vorrückungsstichtages wurde mit Bescheid der Behörde vom 16.07.2015, Zl. P6/47647/2015, als unzulässig zurückgewiesen.

3. Der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde gab das Bundesverwaltungsgericht – nach zuvor erfolgter Aussetzung des Verfahrens – mit Erkenntnis vom 10.11.2016, Zl. W122 2113154-1/4E statt und hob diesen gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG ersatzlos auf. Dabei führte das Bundesverwaltungsgericht mit näherer Begründung aus, dass die Behörde dazu verpflichtet gewesen wäre, eine inhaltliche Entscheidung zu treffen.

4. Mit Schreiben vom 22.11.2016 beantragte der Beschwerdeführer neuerlich die bescheidmäßige Feststellung der aus der Neufestsetzung des Vorrückungsstichtags resultierenden besoldungsrechtlichen Stellung.

5. Am 13.05.2020 erging aufgrund des offenen Antrags vom 01.08.2013 ein Parteiengehör. Gegen das Parteiengehör erhob der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 14.05.2020 Beschwerde und beantragte die Aufhebung des Parteiengehörs wegen Rechtswidrigkeit. Mit Beschluss vom 02.06.2020, Zl. W257 2231055-1/3E, wies das Bundesverwaltungsgericht den Antrag als unzulässig zurück.

6. Mit Schreiben vom 24.11.2020 brachte der Beschwerdeführer direkt beim Bundesverwaltungsgericht eine Säumnisbeschwerde ein. Mit Schreiben vom 24.03.2021 leitet das Bundesverwaltungsgericht daraufhin das Anbringen gemäß § 6 AVG iVm § 17 VwGVG zuständigkeitshalber an die Behörde weiter. Mit Schreiben vom 01.03.2021 bzw. 27.05.2021 brachte der Beschwerdeführer erneut Säumnisbeschwerden an das Bundesverwaltungsgericht ein. Mit Schreiben vom 03.03.2022 leitete das Bundesverwaltungsgericht die Anbringen gemäß § 6 AVG iVm § 17 VwGVG zuständigkeitshalber an die Behörde weiter.

7. Die Behörde legte dem Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom 30.04.2022, eingelangt im Bundesverwaltungsgericht am 05.05.2022, die Säumnisbeschwerde samt bezughabendem Verwaltungsakt vor.

8. Der Verwaltungsgerichthof legte dem Gerichtshof der Europäischen Union mit Beschluss vom 18.10.2021, Eu 2021/0005, 0006-1 folgende Fragen gemäß Art. 256 AEUV zur Vorabentscheidung vor:

„1. Ist das Unionsrecht, insbesondere Art. 1, 2 und 6 der Richtlinie 2000/78/EG in Verbindung mit Art. 21 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, dahin auszulegen, dass es einer nationalen Regelung entgegensteht, mit der ein altersdiskriminierendes Besoldungssystem durch ein Besoldungssystem ersetzt wird, bei dem sich die Einstufung eines Beamten weiterhin nach dem gemäß dem alten Besoldungssystem zu einem bestimmten Überleitungsmonat (Februar 2015) nicht diskriminierungsfrei ermittelten Besoldungsdienstalter bestimmt und dabei zwar einer Korrektur hinsichtlich der ursprünglich ermittelten Vordienstzeiten durch Ermittlung eines Vergleichsstichtags unterzogen wird, bei dem aber hinsichtlich der nach dem 18. Geburtstag gelegenen Zeiten nur die sonstigen zur Hälfte zu berücksichtigenden Zeiten einer Überprüfung unterliegen und bei dem der Ausweitung des Zeitraums, in dem Vordienstzeiten zu berücksichtigen sind, um vier Jahre damit begegnet wird, dass die sonstigen, zur Hälfte zu berücksichtigenden Zeiten bei der Ermittlung des Vergleichsstichtags nur insoweit voranzusetzen sind, als sie das Ausmaß von vier zur Hälfte zu berücksichtigenden Jahren übersteigen (Pauschalabzug von vier zur Hälfte zu berücksichtigenden Jahren)?

2. Ist Frage 1 für jene Verfahren anders zu beantworten, in welchen vor dem Inkrafttreten der Zweiten Dienstrechts-Novelle 2019 rechtskräftig zwar bereits ein neuer Vorrückungsstichtag festgesetzt wurde, dieser aber noch keine Auswirkung auf die besoldungsrechtliche Stellung des Beamten hatte, weil eine Entscheidung der Behörde unter unmittelbarer Anwendung des Unionsrechts noch nicht erfolgt war, und in denen nunmehr neuerlich ohne Berücksichtigung des inzwischen festgesetzten Vorrückungsstichtags der Vergleichsstichtag abermals in Bezug auf den altersdiskriminierend festgesetzten Vorrückungsstichtag zu ermitteln ist und die sonstigen zur Hälfte zu berücksichtigenden Zeiten dem Pauschalabzug unterliegen?

3. Ist das Unionsrecht, insbesondere Art. 1, 2 und 6 der Richtlinie 2000/78 in Verbindung mit Art. 21 der Charta der Grundrechte, dahin auszulegen, dass es einer nationalen Regelung entgegensteht, mit der trotz Neuermittlung des Besoldungsdienstalters und der besoldungsrechtlichen Stellung Zeiten in einem Ausbildungsverhältnis zu einer inländischen Gebietskörperschaft bei Ermittlung des Vergleichsstichtags nur dann voranzusetzen sind, wenn der Beamte nach dem 31. März 2000 in das Dienstverhältnis eingetreten ist, und andernfalls diese Zeiten nur als sonstige zur Hälfte zu berücksichtigende Zeiten vorangestellt werden und damit dem Pauschalabzug unterliegen, wobei diese Regelung tendenziell dienstältere Beamte benachteiligt?“

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da eine Senatsentscheidung in den einschlägigen Bundesgesetzen nicht vorgesehen ist, liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 38 AVG, der gemäß § 17 VwGVG auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren anzuwenden ist, ist eine Behörde bzw. ein Verwaltungsgericht berechtigt, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden wären, nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung zu beurteilen und diese Beurteilung ihrem Bescheid/seinem Erkenntnis zu Grunde zu legen. Die Behörde/das Verwaltungsgericht kann aber auch das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage aussetzen, wenn die Vorfrage schon den Gegenstand eines anhängigen Verfahrens bei der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. bei dem zuständigen Gericht bildet oder ein solches Verfahren gleichzeitig anhängig gemacht wird.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofs ist die Frage, wie Unionsrecht auszulegen ist, einschließlich der Frage, ob es unmittelbar anwendbar ist und innerstaatliches Recht verdrängt, eine Vorfrage iSd § 38 AVG, weil sie zufolge des Auslegungsmonopols des Gerichtshofes der Europäischen Union in Angelegenheiten des primären und sekundären Unionsrechts von einem (diesem) Gericht zu entscheiden ist (s. etwa VwGH 13.12.2011, 2011/22/0316; 09.11.2011, 2011/22/0284; 28.10.2008, 2008/05/0129; 22.02.2001, 2001/04/0034; vgl. hierzu weiters die Vielzahl an Judikatur- und Literaturhinweisen in Hengstschläger/Leeb, AVG, § 38, Rz 17).

Die Beantwortung der festgestellten Fragen im Wege des anhängigen Vorabentscheidungsverfahrens durch den Gerichtshof der Europäischen Union ist für das vorliegende, gleich gelagerte Beschwerdeverfahren präjudiziell, weil auch im gegenständlichen Beschwerdeverfahren die Bestimmungen über die Neufestsetzung der besoldungsrechtlichen Stellung zur Anwendung gelangen. Die Voraussetzungen für die Aussetzung des Verfahrens gemäß § 17 VwGVG iVm § 38 AVG sind daher gegeben. Das Beschwerdeverfahren ist daher bis zur Vorabentscheidung durch den Gerichtshof der Europäischen Union über die mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 18.10.2021, EU 2021/0005, 0006-1, vorgelegten Fragen auszusetzen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die hier anzuwendenden Regelungen erweisen sich als klar und eindeutig.

Rückverweise