JudikaturBFG

RV/7102437/2022 – BFG Entscheidung

Entscheidung
04. August 2025

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin ***Ri1*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Leitner & Leitner GmbH, Ottensheimer Straße 32, 4040 Linz, über die Beschwerde vom 25. Mai 2021 gegen die Bescheide des Finanzamtes Österreich vom 10. Mai 2021 betreffend Körperschaftsteuer 2011 -2014, Umsatzsteuer 2011-2014, Festsetzung der Kraftfahrzeugsteuer 2011-2014 sowie über die Beschwerde vom 13.10.2021 gegen die Bescheide des Finanzamtes Österreich vom 23.09.2021 betreffend Festsetzung der Normverbrauchabgabe 2012-2013, zu Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.

Die angefochtenen Bescheide werden aufgehoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit Schreiben vom 29.12.2020 erstattete die nunmehrige steuerliche Vertretung der beschwerdeführenden GmbH (in der Folge kurz: Bf) eine Selbstanzeige betreffend die Körperschaftsteuer, Umsatzsteuer sowie Kraftfahrzeugsteuer für die Jahre 2010 bis 2019 sowie für die Normverbrauchsabgabe 2016, 2017 und 2020 und legte sämtliche nicht versteuerte Sachverhalte offen. Betreffend die Jahre bis einschließlich 2014 wurde bereits in der Selbstanzeige die Einrede der Verjährung geltend gemacht.

Die belangte Behörde erließ mit 10.05.2021 Körperschaftsteuerbescheide, Umsatzsteuerbescheide sowie über die Festsetzung der Kraftfahrzeugsteuer für die Jahre 2011 bis 2019. Weiters erließ die belangte Behörde mit 23.09.2021 Bescheide über die Festsetzung der Normverbrauchsabgabe 2012 und 2013. Begründend verwies die Behörde auf die Selbstanzeige der Bf vom 29.12.2020 und gab an, dass die Nichtabgabe der Steuererklärungen und das Innehaben einer (Vertreter-)Betriebsstätte in Österreich seit 2010 eine Abgabenhinterziehung gem § 33 FinStrG darstellen würde und daher die verlängerte Verjährungsfrist im Sinne des § 207 Abs 2 zweiter Satz BAO zu tragen kommen würde. Die Jahre 2011 bis 2014 seien somit noch nicht verjährt.

Dagegen richteten sich die fristgerecht eingebrachten Beschwerden vom 25.05.2021 sowie vom 13.10.2021 der Bf, in welcher die ersatzlose Aufhebung beantragt wurde, da es keinen Vorsatz im Sinne einer Abgabenhinterziehung gäbe und somit keine verlängerte Verjährungsfrist anzuwenden sei. "Der Umstand, dass die Tätigkeit der Außendienstmitarbeiter neben lohnsteuerlichen Themen auch andere steuerliche Pflichten in Österreich nach sich zieht, war der Beschwerdeführerin bislang nicht bewusst. Auf diesen Umstand wurde sie auch nicht von ihrem vormaligen Berater hingewiesen." […] "Die unvollständige Erfüllung der steuerlichen Pflichten vermag allenfalls einen Fahrlässigkeitsvorwurf der Beschwerdeführerin zu begründen, stellt jedoch keine taugliche Grundlage für die Annahme eines vorsätzlichen Fehlverhaltens dar."

Insbesondere würde die lückenlose Abfuhr der monatlichen Lohnabgaben für den Außendienstmitarbeiter dafür sprechen, dass die Bf stets bemüht gewesen sei, die steuerlichen Anforderungen in Österreich ordnungsgemäß zu erfüllen.

Mit Beschwerdevorentscheidungen vom 21.06.2022 bzw 27.06.2022 wurden die Beschwerden der Bf von der belangten Behörde als unbegründet abgewiesen. Die Behörde verwies auf die Bescheidbegründungen und führte vorrangig aus, dass "ein Unternehmen von der Größenordnung der Bf grundsätzlich wissen müsste, dass auch der (Vertreter-) Betriebsstättengewinn der Körperschafsteuer, sowie die gewährten Sachbezüge in Österreich der Umsatzsteuer unterliegen". Es sei "umso mehr als auch nach allgemeiner Lebenserfahrung regelmäßig anzunehmen, dass derjenige, der über ein größeres Vermögen verfügt, auch von der potentiellen Steuerpflicht anfallender Erträge oder auch Umsätze weiß."

Es wäre trotz der gesetzlichen Pflicht keine Abgabenerklärung eingereicht und steuerlich relevante Vorgänge nicht offengelegt worden. Daher ging die belangte Behörde davon aus, dass die Bf es zumindest für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen habe, dass dadurch Steuern hinterzogen würden.

Die steuerliche Vertretung des Bf brachte am 15.07.2022 fristgerecht einen Vorlageantrag ein und beantragte weiterhin die ersatzlose Aufhebung der angefochtenen Bescheide der Jahre 2011 bis 2014 wegen Verjährungseinrede.

Die belangte Behörde legte die Beschwerde am 10.08.2022 dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und beantragte wie bisher, die gegenständliche Beschwerde als unbegründet abzuweisen. Die Behörde beharrte auf einem bedingten Vorsatz und somit auf der Anwendung der verlängerten Verjährungsfrist gem § 207 Abs 2 zweiter Satz BAO.

Die Beschwerde wurde der nunmehr zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesfinanzgerichts aufgrund einer Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses iZm der Pensionierung der bisherigen Richterin mit 07.02.2025 zugeteilt.

Auf den Vorhalt des Bundesfinanzgerichtes vom 26.06.2025 hat die Bf wie folgt repliziert:

Eine umfassende steuerliche Vertretung und Betreuung habe grundsätzlich in Deutschland durch einen deutschen Steuerberater stattgefunden, welche auf die Lohnabgabenthemen in Bezug auf Außendienstmitarbeiter hingewiesen habe. Daraufhin habe die Bf eine steuerliche Vertretung in Österreich zusätzlich in Anspruch genommen. Die steuerliche Vollmacht für die Vertretung durch den aktuellen Vertreter, welcher auch die Selbstanzeige für die Bf eingebracht hat, bestehe seit 16.12.2020. Durch die Beauftragung einer arbeitsrechtlichen Frage mit einer Rechtsanwaltsgesellschaft, sei der aktuelle steuerliche Vertreter für die steuerliche Beurteilung im November 2020 hinzugezogen worden. In diesem Rahmen wurde die Bf von diesem aufmerksam gemacht, dass eine Vertreter-Betriebsstätte vorliegen und welche steuerlichen Konsequenzen daraus resultieren würden. Bis zu diesem Zeitpunkt sei eine solche Betriebsstätte von den vorherigen Vertretern in keiner Weise thematisiert worden. Die umgehende steuerliche Ordnungsmäßigkeit in Österreich herzustellen, sei somit der erste Schritt der neuen steuerlichen Vertretung gewesen.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Im Beschwerdezeitraum ist es unstrittig objektiv zu einer Verletzung von abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflichten durch die Bf gekommen.

Die Beschwerdeführende Gesellschaft ist seit mehr als 10 Jahren in Österreich steuerlich registriert und führte für Außendienstmitarbeiter Lohnabgabe in Österreich ab. Eine Körperschaftsteuer-, Kraftfahrzeugsteuer- oder Umsatzsteuererklärung für die Jahre ab 2010 wurde nicht abgegeben und diese Abgaben auch nicht abgeführt.

Die Gesellschaft wurde von Beginn an von einer deutschen Steuerberatungsgesellschaft vertreten, welche hinsichtlich der Außendienstmitarbeiter zwar über die Lohnabgaben beraten hat, jedoch nicht auf das Vorliegen einer (Vertreter-)Betriebsstätte hingewiesen bzw Vorkehrungen gemeinsam mit der Bf für eine ordnungsgemäße steuerliche Abhandlung in Österreich getroffen hat. Von der ersten steuerlichen Vertretung in Österreich wurde die lohnabgabenrechtlichen Themen ordnungsgemäß abgewickelt.

Vom neuen Steuerberater, dessen Vollmacht seit 16.12.2020 besteht, wurde am 29.12.2020, unmittelbar nach Übernahme der steuerlichen Vollmacht, eine Selbstanzeige bezüglich der Verletzung der abgabenrechtlichen Offenlegungspflicht dem Finanzamt vorgelegt und daraufhin auch die Zahlung der säumigen Abgaben vorgenommen.

Strittig ist im Beschwerdefall nicht, ob eine Abgabenpflicht bestanden hat, sondern, ob die abgabenrechtliche Verpflichtung der Offenlegung für die Jahre 2011 bis 2014 bereits verjährt ist, oder ob diese auf Grund eines Vorsatzes hinsichtlich einer Abgabenhinterziehung im Sinne des § 207 Abs 2 2. Satz BAO unter die verlängerte Verjährungsfrist fällt und somit noch vom Finanzamt festgesetzt werden könne.

2. Beweiswürdigung

Der Sachverhalt hinsichtlich der unterlassenen Erklärungen (Körperschaftsteuer, Umsatzsteuer, Kraftfahrzeugsteuer) und die Höhe der daraus resultierenden Zahllasten in den einzelnen Jahren erschließen sich aus dem Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes, insbesondere aus den Ausführungen des steuerlichen Vertreters der Bf in der Selbstanzeige vom 29.12.2020, in der Beschwerde vom 25.05.2021 sowie aus der Beantwortung des Vorhaltes vom 26.06.2025 mit Schreiben vom 21.07.2025. Damit ist auch der objektive Tatbestand einer Abgabenverkürzung unstrittig klargestellt.

Dass die Bf die aktuelle steuerliche Vertretung erst seit 16.12.2020 beratend zur Seite hat, konnte anhand der Recherche von finanzinternen Datenbanken bzw der Vorhaltsbeantwortung der Bf vom 21.07.2025 nachgewiesen werden.

Das Bundesfinanzgericht stellt fest, dass sich jedenfalls aus den glaubhaften und schlüssigen Darstellungen des steuerlichen Vertreters ergibt, dass die Bf erst im Zuge des Steuerberaterwechsels in Österreich (bzw im Zusammenhang mit der steuerlichen Beurteilung einer arbeitsrechtlichen Frage gemeinsam mit einer Rechtsanwaltkanzlei im November 2020) auf das Vorliegen einer (Vertreter-)Betriebsstätte und deren allgemeinen abgabenrechtlichen Pflichten und rechtlichen Konsequenzen aufmerksam gemacht wurde.

Dass die Bf die Lohnabgaben für diverse Außendienstmitarbeiter seit 2010 (lückenlos) abführte, ist einerseits aus dem FinanzOnline Konto erkennbar und wurde andererseits von der Bf in der Selbstanzeige vom 29.12.2020 sowie in der Beschwerde vom 25.05.2021 dargelegt.

Ebenso ist aus den Schreiben des steuerlichen Vertreters sowie aus dem FinanzOnline Konto ersichtlich und somit unstrittig, dass keine Abgabenerklärungen für Körperschaftsteuer, Umsatzsteuer und Kraftfahrzeugsteuer in Österreich von der Bf im Zeitraum vor der Selbstanzeige abgegeben wurden.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)

Im gegenständlichen Fall ist die Steuerpflicht der Bf per se oder die Höhe der vorzuschreibenden Abgaben unstrittig. Strittig ist lediglich, ob die Festsetzung der Abgaben der Jahre 2011 bis 2014 im Jahr 2020 (Jahr der Selbstanzeige) bereits verjährt waren oder ob es sich um hinterzogene Abgaben handelt und somit eine Vorschreibung der Abgaben für diese Jahre auf Grund der längeren Verjährungsfrist nach § 207 Abs 2 2.Satz BAO noch möglich ist.

Ob Abgaben hinterzogen sind, bildet eine Vorfrage nach § 116 Abs 1 BAO für die Frage, ob die längere Verjährungsfrist des § 207 Abs 2 zweiter Satz BAO anzuwenden ist (vgl VwGH 30.03.2022, Ra 2020/13/0096).

Gemäß § 207 Abs 1 BAO unterliegt das Recht, eine Abgabe festzusetzen nach Maßgabe der nachstehenden Bestimmungen der Verjährung. Nach § 207 Abs 2 BAO beträgt die Verjährungsfrist grundsätzlich fünf Jahre. Soweit eine Abgabe hinterzogen ist, beträgt die Verjährungsfrist zehn Jahre. Entscheidend ist - nach dem Wortlaut des § 207 Abs 2 BAO - dass eine Abgabe hinterzogen wurde. Es kommt dabei nicht darauf an, wer eine Abgabe hinterzogen hat (vgl VwGH 19.12.2018, Ra 2017/15/0072).

Damit die Verjährungsfrist für hinterzogene Abgaben zur Anwendung gelangt, bedarf es weder der Einleitung eines Finanzstrafverfahrens, noch eines rechtskräftigen Schuldspruchs in einem Finanzstrafverfahren (vgl VwGH 03.09.2019, Ra 2018/15/0035). Die Beurteilung, ob Abgaben hinterzogen sind, setzt jedoch eindeutige, ausdrückliche und nachprüfbare Feststellungen über die Abgabenhinterziehung voraus (vgl VwGH 11.12.2019, Ra 2019/13/0091, VwGH 19.12.2018, Ra 2017/15/0072). Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 207 Abs 2 BAO gilt für die Beurteilung, ob Abgaben hinterzogen wurden, der Grundsatz der freien Beweiswürdigung und damit ein anderes Beweismaß als im Finanzstrafverfahren (vgl VwGH 17.12.2021, Ra 2019/13/0038, VwGH 30.03.2022, Ra 2020/13/0096).

Gemäß § 33 Abs 1 FinStrG macht sich der Abgabenhinterziehung schuldig, wer vorsätzlich unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht eine Abgabenverkürzung bewirkt.

Bei der Beurteilung, ob der Hinterziehungstatbestand erfüllt ist, ist vor allem aber auch in Rechnung zu stellen, dass eine Abgabenhinterziehung nicht schon bei einer (objektiven) Abgabenverkürzung, die im gegenständlichen Beschwerdefall unstrittig und ohne Zweifel gegeben ist, vorliegt. Die Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG erfordert vielmehr auch das Vorliegen der subjektiven Tatseite, nämlich einen Vorsatz.

Gemäß § 8 Abs 1 FinStrG handelt vorsätzlich, wer einen Sachverhalt verwirklichen will, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht; dazu genügt es, dass der Täter diese Verwirklichung ernstlich für möglich hält und sich mit ihr abfindet.

Gemäß § 8 Abs 2 FinStrG handelt fahrlässig, wer die Sorgfalt außer Acht lässt, zu der er nach den Umständen verpflichtet und nach seinen geistigen und körperlichen Verhältnissen befähigt ist und die ihm zuzumuten ist, und deshalb nicht erkennt, dass er einen Sachverhalt verwirklichen könne, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht. Fahrlässig handelt auch, wer es für möglich hält, dass er einen solchen Sachverhalt verwirkliche, ihn aber nicht herbeiführen will.

Gemäß § 8 Abs 3 FinStrG handelt grob fahrlässig, wer ungewöhnlich und auffallend sorgfaltswidrig handelt, sodass der Eintritt eines dem gesetzlichen Tatbild entsprechenden Sachverhaltes als geradezu wahrscheinlich vorhersehbar war.

Die subjektive Tatseite verlangt ein vorsätzliches Handeln, dass jemand ein Tatbild mit Wissen und Wollen verwirklicht. Vorsätzliches Handeln beruht nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zwar auf einem nach außen nicht erkennbaren Willensvorgang, ist aber aus dem nach außen in Erscheinung tretenden Verhalten des Täters zu erschließen, wobei sich die diesbezüglichen Schlussfolgerungen als Ausfluss der freien Beweiswürdigung erweisen (vgl VwGH 14.09.2017, Ro 2015/15/0027, VwGH 30.10.2003, 99/15/0098).

Bloß aus der Erstattung einer Selbstanzeige ist nicht sofort auf Vorsatz zu schließen (vgl VwGH 09.12.2021, Ra 2021/13/0040, 16.12.1998, 96/13/0033).

Voraussetzung für die Annahme des bedingten Vorsatzes, der die Untergrenze des Vorsatzes darstellt, ist nicht ein Wissen um eine Tatsache oder um ihre Wahrscheinlichkeit im Sinne eines Überwiegens der dafürsprechenden Momente, sondern es genügt das Wissen um die Möglichkeit (vgl VwGH 19.10.1987, 86/15/0120). Unter Möglichkeit ist hier allerdings nicht das Bestehen eines abstrakten, in Anbetracht der allgemeinen Unsicherheit der menschlichen Erkenntnis zumeist möglichen letzten Zweifels an der Richtigkeit zu verstehen, sondern die Möglichkeit in einem konkreteren Sinn, wie sie etwa einem durch Bedenken erweckten Zweifel entspricht (vgl VwGH 21.12.2000, 97/16/0404). Der bedingte Vorsatz liegt nur dann vor, wenn der Täter die Verwirklichung ernstlich für möglich hält und sich mit ihr abfindet. Der Täter muss also einerseits den Eintritt des verpönten Erfolges als naheliegend ansehen und andererseits bereit sein, diesen Erfolgseintritt in Kauf zu nehmen (vgl VwGH 31.01.2018, Ra 2017/15/0059). Beides konnte das Bundesfinanzgericht in gegenständlichen Verfahren nicht feststellen: der Bf wurde einerseits erst durch die Übernahme der (in späterer Folge) neuen steuerlichen Vertretung hinsichtlich einer steuerlichen Beurteilung gemeinsam mit einer Rechtsanwaltskanzlei aufmerksam gemacht, dass abgabenrechtlich über die Lohnsteuer hinaus Themen in Österreich bestehen, welche dieser andererseits umgehend mit dem steuerlichen Vertreter mittels der Selbstanzeige einer steuerlichen Ordnungsmäßigkeit zugeführt hat. Die Absicht bzw überhaupt das Wissen, tatsächlich eine Abgabe zu hinterziehen, bestand nicht.

Dabei ist va in Rechnung zu stellen, dass eine Abgabenhinterziehung nicht schon bei einer (objektiven) Abgabenverkürzung vorliegt, sondern Vorsatz erfordert, und eine Abgabenhinterziehung somit erst als erwiesen gelten kann, wenn - in nachprüfbarer Weise - auch der Vorsatz feststeht. Vorsätzliches Handeln beruht nach stRsp des VwGH zwar auf einem nach außen nicht erkennbaren Willensvorgang, ist aber aus dem nach außen in Erscheinung tretenden Verhalten des Täters zu erschließen, wobei sich die diesbezüglichen Schlussfolgerungen als Ausfluss der freien Beweiswürdigung erweisen (VwGH 26. 02. 2015, 2011/15/0121). (Brennsteiner/Fischerlehner, BAO, Rz 8 zu § 207)

Wie oben dargestellt, ist eine Verkürzung der Körperschaftsteuer, Umsatzsteuer sowie Kraftfahrzeugsteuer durch die Vorgangsweise der Bf und ihrer Vertreter in den Jahren 2010-2019 unzweifelhaft und unbestritten erfolgt. Fraglich ist im gegenständlichen Verfahren lediglich die Vorwerfbarkeit dieses Verhaltens, wobei die Bf nicht nur die Vorwerfbarkeit des Verhaltens ihrer Organe, sondern auch die der von ihrem gewählten Vertreter zu vertreten hat.

Das Beweisverfahren hat für das Bundesfinanzgericht glaubwürdig ergeben, dass der Geschäftsführer der Bf keinesfalls einen Vorsatz auf Verkürzung der Abgaben gehabt hat. Auch der damalige steuerliche Vertreter hat nach den Ergebnissen des Beweisverfahrens zwar jedenfalls grobe Fahrlässigkeit in der steuerlichen Behandlung und Beratung der Tätigkeit der Bf zu verantworten, für das Vorliegen eines Vorsatzes hat sich jedoch kein Beweis ergeben, weswegen eine Verlängerung der Verjährungsfrist gemäß § 207 Abs 2 BAO nicht in Betracht kommt.

Wie bereits ausgeführt, setzt die Beurteilung, ob Abgaben hinterzogen sind, eindeutige, ausdrückliche und nachprüfbare bescheidmäßige Feststellungen über die Abgabenhinterziehung voraus. Die maßgebenden Hinterziehungskriterien der Straftatbestände sind von der Abgabenbehörde nachzuweisen. Dabei ist vor allem in Rechnung zu stellen, dass eine Abgabenhinterziehung nicht schon bei einer (objektiven) Abgabenverkürzung vorliegt, sondern Vorsatz erfordert und eine Abgabenhinterziehung somit erst als erwiesen gelten kann, wenn - in nachprüfbarer Weise - auch der Vorsatz feststeht (vgl VwGH 25.05.2016, 2013/15/0174). Solche nachprüfbaren Feststellungen wurden im Beschwerdefall von der belangten Behörde nicht getroffen. Vielmehr sind, wie das Bundesfinanzgericht in freier Beweiswürdigung vor dem dargelegten rechtlichen Hintergrund festgestellt hat, die im Beschwerdefall agierenden Organe und involvierten Personen sowohl hinsichtlich des Bestehens von abgabenrechtlichen Tatbeständen sowie deren Konsequenzen jedenfalls im guten Glauben den steuerlichen Vertretern gegenüber einem (grob) fahrlässigen Beratungsfehler unterlegen. Ein vorsätzliches Handeln der Akteure lag folglich nicht vor.

Eine (allenfalls auch grob) fahrlässige Abgabenverkürzung ( § 34 FinStrG) bewirkt jedoch keine Verlängerung der Verjährungsfrist auf zehn Jahre nach § 207 Abs 2 BAO, sodass im Beschwerdefall die allgemeine Beschwerdefrist von fünf Jahren nach § 207 Abs 2 BAO anzuwenden war.

Die angefochtenen Bescheide (Körperschaftsteuer und Umsatzsteuer) für die Jahre 2011 bis 2014, alle vom 10.05.2021, sind daher ersatzlos aufzuheben.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da die zu lösende Rechtsfrage durch die oben zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt ist, ist eine ordentliche Revision nicht zulässig.

Graz, am 4. August 2025