IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Stefan Plattner in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom 27. Juni 2013 gegen die Bescheide des Finanzamtes Wien 12/13/14 Purkersdorf vom 29. Mai 2013 betreffend Einkommensteuer 2011 und Festsetzung von Anspruchszinsen 2011 bzw. vom 26. September 2019 betreffend Einkommensteuer 2011 und die Beschwerde vom 15. März 2017 gegen die Bescheide des Finanzamtes Wien 12/13/14 Purkersdorf vom 22. Februar 2017 betreffend Einkommensteuer 2012 und Festsetzung von Anspruchszinsen 2012 (jeweils ergangen zu Steuernummer ***BF1StNr1*** ) zu Recht erkannt:
I.
A. Aufgrund der Beschwerde vom 29. Mai 2013 wird der Bescheid betreffend Einkommensteuer 2011 vom 26. September 2019 und der Bescheid betreffend Einkommensteuer 2011 vom 29. Mai 2013 aufgehoben.
B. Aufgrund der Beschwerde vom 15. März 2017 betreffend Einkommensteuer 2012 wird der Bescheid betreffend Einkommensteuer 2012 vom 22. Februar 2017 dahingehend abgeändert, dass die Einkommensteuer 2012 mit 28.804,00 festgesetzt wird. Die Berechnung ist in der Beilage zum Erkenntnis dargestellt, und bildet einen Bestandteil des Spruches.
C. Die Beschwerden vom 29. Mai 2013 betreffend Festsetzung von Anspruchszinsen für 2011 und vom 15. März 2017 betreffend Festsetzung von Anspruchszinsen für das Jahr 2012 werden gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Die Beschwerdeführerin (BF) ***Bf1*** reichte am 19.3.2013 eine Einkommensteuererklärung für das Jahr 2011 ein.
Das Finanzamt Wien 12/13/14 Purkersdorf, nunmehr seit 1.1.2021 Finanzamt Österreich (belangte Behörde) setzte die Einkommensteuer 2011 der BF zunächst mit Bescheid vom 5.4.2013 erklärungsgemäß fest.
Mit Bescheid vom 29.5.2013 änderte die belangte Behörde den Einkommensteuerbescheid für 2011 nach § 295 Abs 1 BAO ab und setzte mit weiterem Bescheid vom 29.5.2013 Anspruchszinsen betreffend Einkommensteuer des Jahres 2011 fest.
Mit Schreiben vom 27.6.2013, übermittelt per Fax am 1.7.2013, erhob die BF gegen die Bescheide vom 29.5.2013 Berufung.
Mit Berufungsvorentscheidungen vom 1.7.2013 wies die belangte Behörde die Berufungen als unbegründet ab.
Mit Schreiben vom 1.8.2013 beantragte die BF die Entscheidung über die Berufungen durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.
Am 9.12.2013 reichte die BF die Einkommensteuererklärung für das Jahr 2012 ein.
Mit Bescheid vom 22.2.2017 setzte die belangte Behörde die Einkommensteuer 2012 der BF abweichend von der Erklärung und mit weiterem Bescheid vom 22.2.2017 Anspruchszinsen betreffend Einkommensteuer des Jahres 2012 fest.
Mit Schreiben vom 15.3.2017 erhob die BF gegen den Einkommensteuerbescheid 2012 und den Bescheid über die Festsetzung von Anspruchszinsen vom 22.2.2017 Beschwerde.
Mit Beschwerdevorentscheidungen vom 23.3.2017 wies die belangte Behörde diese Beschwerden als unbegründet ab.
Mit Schreiben vom 28.4.2017 beantragte die BF fristgemäß die Vorlage der Beschwerden an das Bundesfinanzgericht.
Mit Bescheid vom 26.9.2019 änderte die belangte Behörde den Einkommensteuerbescheid für 2011 nach § 295 Abs 1 BAO erneut ab.
Mit Schreiben vom 2.11.2019 erhob die BF gegen den neuen Einkommensteuerbescheid vom 26.9.2019 das Rechtsmittel der Beschwerde.
Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 12.8.2020 wurde die BF ua. schuldig gesprochen, gemeinsam mit ***Person2*** als faktische Machthaberin und damit die abgabenrechtlichen Interessen Wahrnehmende und Verantwortliche für die abgabenrechtlichen Obliegenheiten Abgabenhinterziehungen iSd § 33 Abs 1 FinStrG in Bezug auf die ***P Ltd & Co KG*** hinsichtlich Umsatzsteuer 2011 und in Bezug auf die ***BAR KG*** hinsichtlich Umsatzsteuer 2010 und 2011, Abgabenhinterziehungen iSd § 33 Abs 2 lit a FinStrG in Bezug auf die ***BAR KG*** und die ***P Ltd & Co KG*** jeweils für die Zeiträume Jänner - September 2012, sowie durch die Abgabe unrichtiger Jahreserklärungen Abgabenhinterziehungen iSd § 33 Abs 1 FinStrG an eigener Einkommensteuer für die Jahre 2007 - 2011 begangen zu haben.
Am 16.12.2020 wurde die Beschwerdesache dem Bundesfinanzgericht vorgelegt.
Am 27.9.2024 forderte das Bundesfinanzgericht die belangte Behörde zur Stellungnahme hinsichtlich der Frage auf, ob die den Einkommensteuerbescheiden zugrundeliegenden Grundlagebescheide tatsächlich zugestellt wurden.
Am 20.11.2024 erließ die belangte Behörde neue Feststellungsbescheide gem. § 188 BAO.
Nach weiterem Vorhalt des BFG vom 15.1.2025 teilte die belangte Behörde mit Schreiben vom 20.1.2025 mit, die am 20.11.2024 neu erlassenen Feststellungsbescheide seien den jeweiligen Empfängern, insbes. der BF, zugestellt worden und es sei innerhalb der Rechtsmittelfrist keine Beschwerden erhoben worden.
Mit Vorhalt vom 23.1.2025 brachte das BFG der BF die neu erlassenen Grundlagenbescheide, sowie die Stellungnahmen der belangten Behörde zur Kenntnis und forderte sie zu einer Gegenäußerung binnen vier Wochen auf.
Vonseiten der BF langte keine weitere Stellungnahme ein.
Die belangte Behörde berücksichtigte in den angefochtenen Einkommensteuerbescheiden der Jahre 2011 und 2012 Einkünftezuweisungen aufgrund diverser Feststellungsbescheide zu Personengesellschaften. Aufgrund der sich dabei ergebenden Einkommensteuerlast ergingen auch die gegenständlichen Anspruchszinsenbescheide. Begründend führte die belangte Behörde aus, im Rahmen von Außenprüfungsverfahren sei festgestellt worden, dass Einkünfte aus dem Betrieb der Pizzerien ***Bar*** und ***P*** in wirtschaftlicher Betrachtungsweise der BF und ***Person2*** als faktischen Machthabern dieser Betriebe zuzurechnen seien. Die tatsächlichen Umstände seien verschleiert worden, indem britische "Limited Companies" gegründet worden seien, und diese, sowie Kellner, offiziell als Komplementäre in den betreibenden KGs eingesetzt worden seien. Im Rahmen der eingereichten Einkommensteuererklärungen der BF seien die daraus zugeflossenen Einkünfte nicht erklärt worden.
Die BF brachte in ihren Eingaben im Wesentlichen vor, die den angefochtenen Abgabenbescheiden zugrundeliegenden Feststellungsbescheide seien nicht zugestellt worden und daher unbekannt. Im Jahr 2011 sei sie lediglich unselbständig tätig gewesen und habe keine Funktion als Einzelunternehmerin gehabt. Ebenso seien ihr keine Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zugeflossen. Die im Finanzstrafverfahren aufgeworfenen Vorwürfe seien unrichtig. Die BF sei in den Lokalen weder präsent gewesen und habe dazu auch keine Weisungsbefugnis gehabt.
Die belangte Behörde räumte im Verlauf des Verfahrens ein, dass die Adressierung bzw. Zustellung der ursprünglichen Feststellungsbescheide sich nachträglich als unkorrekt herausgestellt habe und erließ neue Feststellungsbescheide. Nach Auflösung der ***G Ltd*** seien die Pizzerien in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts durch die BF und ***Person2*** weitergeführt worden. Es werde beantragt, bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die Einkommensteuer 2011 und 2012 die Gewinnanteile aus diesen Feststellungsbescheiden vom 20.11.2024 einzubeziehen.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
1.1. Allgemeines:
Die BF ***Bf1*** war gemeinsam mit ***Person2*** in den verfahrensgegenständlichen Jahren 2011 und 2012 faktische Machthaberin unter anderem der ***BAT KG***, der ***P Ltd & Co KG*** und der ***BAR KG*** (Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 12.8.2020 - OZ 63).
Im Rahmen der Pizzeria ***Bar*** wurden im Jahr 2012 Einkünfte aus Gewerbebetrieb iHv insgesamt 7.395,34 Euro erzielt. An dieser Pizzeria war die BF, die ***G Ltd*** und ***Person2*** beteiligt. Der BF floss aus diesen Einkünften ein Anteil von 3.697,67 Euro zu. (Rechtskräftiger Feststellungsbescheid vom 20.11.2024)
Nach Löschung der ***G Ltd*** aus dem britischen Firmenregister wurde die Pizzeria ***Bar*** von der BF und ***Person2*** im Rahmen der ***GesbR BAR*** fortgeführt und im Rahmen dieser GesbR im Jahr 2012 Einkünfte aus Gewerbebetrieb iHv 81.348,72 Euro erzielt. Der BF floss aus diesen Einkünften ein Anteil von 40.674,36 Euro zu. (Rechtskräftiger Feststellungsbescheid vom 20.11.2024)
Im Rahmen der Pizzeria ***P*** wurden im Jahr 2012 Einkünfte aus Gewerbebetrieb iHv insgesamt 2.079,18 Euro erzielt. An dieser Pizzeria war die BF, die ***G Ltd*** und ***Person2*** beteiligt. Der BF floss aus diesen Einkünften ein Anteil von 1.039,59 Euro zu. (Rechtskräftiger Feststellungsbescheid vom 20.11.2024)
Nach Löschung der ***G Ltd*** aus dem britischen Firmenregister wurde die Pizzeria ***P*** von der BF und ***Person2*** im Rahmen der ***GesbR P*** fortgeführt und im Rahmen dieser GesbR im Jahr 2012 Einkünfte aus Gewerbebetrieb iHv 22.870,98 Euro erzielt. Der BF floss aus diesen Einkünften ein Anteil von 11.435,49 Euro zu. (Rechtskräftiger Feststellungsbescheid vom 20.11.2024)
Sowohl die ***GesbR BAR*** als auch die ***GesbR P*** waren zum Zeitpunkt der Zustellung der Feststellungsbescheide vom 20.11.2024 noch existent.
Seit Dezember 2002 befand sich der Wohnsitz der BF, mit Ausnahme des Zeitraumes Feber - Dezember 2018, durchgehend in der ***Bf1-Adr*** (Auszug aus dem Zentralen Melderegister - OZ 101).
1.2. Zu den einzelnen Personengesellschaften:
In den Beschwerdejahren wurden der BF mit Feststellungsbescheiden Einkünfte aus Beteiligungen an diversen Personengesellschaften zugewiesen, nämlich der ***TO KG***, der ***BAR KG***, der ***P Ltd & Co KG*** und der ***TA KG***.
Die ***TO KG*** wurde am ***t.m.1981*** im Firmenbuch des Handelsgerichtes Wien eingetragen und ab ***t.m.1991*** unter der Nummer ***FN TO KG*** fortgeführt. Seit ***t.m.2011*** war einzige unbeschränkt haftende Gesellschafterin die BF. Seit ***t.m.2011*** befand sich der Firmensitz in ***Firmensitz TO KG***. Ab ***t.9.2009*** war ***Kommanditistin1 TO KG*** einzige Kommanditistin. Ab ***t.7.2015*** war ***Kommanditist2 TO KG*** einziger Kommanditist. Mit Beschluss vom ***t.12.2015*** des Handelsgerichtes Wien wurde der Konkurs eröffnet und die Gesellschaft aufgelöst. (Firmenbuchauszug - OZ 39)
Die ***BAR KG*** wurde am ***t.11.2009*** im Firmenbuch eingetragen. Ihr Firmensitz befand sich in der ***Adresse B***. Einzige Kommanditistin der ***BAR KG*** war die BF. Zunächst war ***Person2*** unbeschränkt haftender Gesellschafter. Ab ***t.1.2010*** war einzige unbeschränkt haftende Gesellschafterin die ***G Ltd*** (Registernummer ***Registernummer G LTD*** im Registrar of Companies for England and Wales) mit Sitz in London. (Firmenbuchauszug - OZ 37)
Die ***P Ltd & Co KG*** wurde am ***t1.11.2009*** im Firmenbuch unter der Nummer ***FN P KG*** und dem Firmennamen ***P KG*** eingetragen. Einzige Kommanditistin der ***P KG*** war die BF. Zunächst war ***Person2*** unbeschränkt haftender Gesellschafter, ab ***t.m.2009*** ***Komplementär P KG***. Seit ***t.2.2010*** war einzige unbeschränkt haftende Gesellschafterin der nunmehr ***P Ltd & Co KG*** genannten Gesellschaft wiederum die ***G Ltd***. (Firmenbuchauszug - OZ 40)
Die ***G Ltd*** wurde am ***t.1.2012*** aus dem englischen Firmenregister gelöscht (Auflösungsbestätigung englisches Firmenregister - OZ 107).
Die ***TA KG*** wurde am ***t.m.2007*** im Firmenbuch unter der Nummer ***FN TA KG*** eingetragen und hatte ihren Sitz in der ***Adresse B***. Zunächst war unbeschränkt haftender Gesellschafter ***Person2***, ab ***tt.mm.2009*** war die ***WG LTD*** (Registernummer ***Registernummer WG LTD*** im Registrar of Companies for England and Wales) mit Sitz in London einzige unbeschränkt haftende Gesellschafterin. Kommanditistin war die BF. Mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom ***t.m.2013*** wurde der Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zurückgewiesen und die Gesellschaft am ***tt.mm.2013*** gelöscht (Firmenbuchauszug - OZ 36).
Die ***WG LTD*** wurde im britischen Firmenregister per ***t.m.2010*** als aufgelöst geführt (Auflösungsbestätigung englisches Firmenregister - OZ 105; Vorbringen der belangten Behörde im Vorlagebericht - OZ 62).
1.3. Verfahrensrechtliche Feststellungen zum Beschwerdejahr 2011:
Der zunächst angefochtene, nach § 295 Abs 1 BAO geänderte, Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2011 vom 29.5.2013 wurde aufgrund eines vermeintlich am 27.5.2013 zur ***BAT KG*** gem. § 188 BAO ergangenen Feststellungsbescheides erlassen. Der gegenständliche Feststellungsbescheid vom 27.5.2013 wurde mit Fensterkuvert abgefertigt. Er ist dem Empfänger niemals zugekommen (Vorlagebericht - OZ 62).
Nach abweisender Beschwerdevorentscheidung wurde am 26.9.2019 der Einkommensteuerbescheid 2011 nach § 295 Abs 1 BAO aufgehoben und durch einen neuen Einkommensteuerbescheid 2011 ersetzt. Dies aufgrund folgender vermeintlich ergangener Feststellungbescheide gem. § 188 BAO:
1. ***TO KG*** vom 2.8.2013
2. ***BAR KG*** vom 4.9.2015
3. ***P Ltd & Co KG*** vom 22.7.2015
ad 1.
Der Feststellungsbescheid vom 2.8.2013 zur ***TO KG*** wurde z.H. ***Bf1***, ***Adresse2***, adressiert. Der Bescheid wurde ohne Zustellnachweis verschickt (Vorbringen der belangten Behörde im Schreiben vom 22.11.2024, OZ 75). Die BF hatte zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung keinen aufrechten Wohnsitz an der Bescheidadresse (ZMR-Auszug, OZ 101). Ein gleichzeitig an die ***TO KG*** ausgefertigter Bescheid nach § 299 BAO vom 2.8.2013, wurde ebenfalls zu Handen der BF an die Adresse ***Adresse2*** mit Zustellnachweis versendet. Der Rückschein kam jedoch mit dem Vermerk "EMPFÄNGER UNBEKANNT" retour (RSb-Rückschein OZ 103). Der Feststellungbescheid vom 2.8.2013 ist der BF nicht zugestellt worden.
ad 2. und 3.
Der gegenständliche Feststellungsbescheid vom 4.9.2015 zur ***BAR KG*** wurde an die ***BAR KG***, ***AdresseB/3***, adressiert.
Der gegenständliche Feststellungsbescheid vom 22.7.2015 zur ***P Ltd & Co KG*** wurde an die ***P Ltd & Co KG***, ***Adresse P***, adressiert.
Nach Vorlage an das BFG durch die belangte Behörde erlassene Feststellungsbescheide:
Mit Feststellungsbescheid gem. § 188 BAO vom 20.11.2024 wurden die im Rahmen der ***BAR KG*** im Jahr 2011 erzielten Einkünfte aus Gewerbebetrieb mit 104.771,19 Euro festgestellt. Der BF wurde ein Anteil von 52.385,59 zugewiesen. Dieser Bescheid wurde an die BF und ***G Ltd*** als ehemalige Gesellschafter der ***BAR KG*** und ***Person2*** einerseits zH der BF und andererseits zH ***Person2*** adressiert und am 20.11.2024 in die jeweilige FinanzOnline-Databox eingespielt. Gegen diesen Bescheid wurde kein Rechtsmittel erhoben (Stellungnahme der belangten Behörde vom 20.1.2025 samt Beilagen, OZ 77 - 81).
Mit Feststellungsbescheid gem. § 188 BAO vom 20.11.2024 wurden die im Rahmen der ***P Ltd & Co KG*** im Jahr 2011 erzielten Einkünfte aus Gewerbebetrieb mit 23.132,78 Euro festgestellt. Der BF wurde ein Anteil von 11.566,39 zugewiesen. Dieser Bescheid wurde an die BF und ***G Ltd*** als ehemalige Gesellschafter der ***P Ltd & Co KG*** und ***Person2*** einerseits zH der BF und andererseits zH ***Person2*** adressiert und am 20.11.2024 in die jeweilige FinanzOnline-Databox eingespielt. Gegen diesen Bescheid wurde kein Rechtsmittel erhoben (Stellungnahme der belangten Behörde vom 20.1.2025 samt Beilagen, OZ 77 - 81).
1.4. Verfahrensrechtliche Feststellungen zum Beschwerdejahr 2012:
Der angefochtene Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2012 vom 22.2.2017 berücksichtigt neben den von der BF erklärten Einkommensteilen auch Einkünfte aus Gewerbebetrieb iHv 76.847,11 Euro.
ursprüngliche Feststellungsbescheide:
Mit Feststellungsbescheid gem. § 188 BAO vom 18.11.2014 wurden die im Rahmen der ***TA KG*** im Jahr 2012 erzielten Einkünfte aus Gewerbebetrieb mit 40.000 Euro festgestellt. Der BF wurde ein Anteil von 20.000 Euro zugewiesen. Dieser Bescheid wurde an ***Person2*** als Vertreter gem. § 81 BAO unter Hinweis auf die Zustellfiktion des § 101 Abs 3 BAO verschickt. Der Versand erfolgte mittels RSb, wobei das Kuvert mit dem Hinweis auf Ortsabwesenheit des Empfängers rückgesendet wurde.
Mit Feststellungsbescheid gem. § 188 BAO vom 22.7.2015 wurden die im Rahmen der ***P Ltd & Co KG*** im Jahr 2012 erzielten Einkünfte aus Gewerbebetrieb mit 24.950,16 Euro festgestellt, wobei der BF ein Anteil von 12.475,08 Euro zugewiesen wurde. Dieser Feststellungsbescheid wurde an die ***P Ltd & Co KG*** adressiert.
Mit Feststellungsbescheid gem. § 188 BAO vom 4.9.2015 wurden die im Rahmen der ***BAR KG*** im Jahr 2012 erzielten Einkünfte aus Gewerbebetrieb mit 88.744,06 Euro festgestellt. Der BF wurde ein Anteil von 44.372,03 Euro zugewiesen. Dieser Feststellungsbescheid wurde an die ***BAR KG*** adressiert.
nach Vorlage an das BFG durch die belangte Behörde erlassene Feststellungsbescheide:
Mit Feststellungsbescheid gem. § 188 BAO vom 20.11.2024 wurden die im Rahmen der ***P Ltd & Co KG*** im Jahr 2012 erzielten Einkünfte aus Gewerbebetrieb mit 2.079,18 Euro festgestellt. Der BF wurde ein Anteil von 1.039,59 Euro zugewiesen. Dieser Bescheid wurde an die BF und ***G Ltd*** als ehemalige Gesellschafter der ***P Ltd & Co KG*** und ***Person2*** einerseits zH der BF und andererseits zH ***Person2*** adressiert und am 20.11.2024 in die jeweilige FinanzOnline-Databox eingespielt. Gegen diesen Bescheid wurde kein Rechtsmittel erhoben (Stellungnahme der belangten Behörde vom 20.1.2025 samt Beilagen, OZ 77 - 81).
Mit Feststellungsbescheid gem. § 188 BAO vom 20.11.2024 wurden die im Rahmen der ***BAR KG*** im Jahr 2012 erzielten Einkünfte aus Gewerbebetrieb mit 7.395,34 Euro festgestellt. Der BF wurde ein Anteil von 3.697,67 Euro zugewiesen. Dieser Bescheid wurde an die BF und ***G Ltd*** als ehemalige Gesellschafter der ***BAR KG*** und ***Person2*** einerseits zH der BF und andererseits zH ***Person2*** adressiert und am 20.11.2024 in die jeweilige FinanzOnline-Databox eingespielt. Gegen diesen Bescheid wurde kein Rechtsmittel erhoben (Stellungnahme der belangten Behörde vom 20.1.2025 samt Beilagen, OZ 77 - 81).
Mit Feststellungsbescheid gem. § 188 BAO vom 20.11.2024 wurden die im Rahmen der ***GesbR BAR*** erzielten Einkünfte aus dem Betrieb der Pizzeria ***Bar*** mit 81.348,72 Euro festgestellt. Der BF wurde hierbei ein Anteil von 40.674,36 Euro zugewiesen. Dieser Bescheid wurde einerseits zH der BF und andererseits zH des ***Person2*** adressiert und am 20.11.2024 in die jeweilige FinanzOnline-Databox eingespielt. Gegen diesen Bescheid wurde kein Rechtsmittel erhoben (Stellungnahme der belangten Behörde vom 20.1.2025 samt Beilagen, OZ 77 - 81).
Mit Feststellungsbescheid gem. § 188 BAO vom 20.11.2024 wurden die im Rahmen der ***GesbR P*** erzielten Einkünfte aus dem Betrieb der Pizzeria ***P*** mit 22.870,98 Euro festgestellt. Der BF wurde hierbei ein Anteil von 11.435,49 Euro zugewiesen. Dieser Bescheid wurde einerseits zH der BF und andererseits zH des ***Person2*** adressiert und am 20.11.2024 in die jeweilige FinanzOnline-Databox eingespielt. Gegen diesen Bescheid wurde kein Rechtsmittel erhoben (Stellungnahme der belangten Behörde vom 20.1.2025 samt Beilagen, OZ 77 - 81).
2. Beweiswürdigung
Der Sachverhalt ergibt sich aus den im Gerichtsakt erliegenden Unterlagen, die in Klammer genannt sind, und ist grundsätzlich unstrittig.
Der Umstand, dass der BF der Feststellungsbescheid zur ***TO KG*** für 2011 nicht zugestellt wurde, ergibt sich daraus, dass dieser an eine Adresse geschickt wurde, an der die BF zu diesem Zeitpunkt nicht polizeilich gemeldet war. Ein Zustellnachweis wurde von der belangten Behörde trotz Aufforderung nicht vorgelegt. Zudem wurde ein gleichzeitig mit RSb verschickter Bescheid mit dem Vermerk "EMPFÄNGER UNBEKANNT" retourniert.
Die Umstände, dass die Bescheide vom 20.11.2024 in die jeweilige FinanzOnline-Databox zugestellt wurden und innerhalb der Rechtsmittelfrist nicht bekämpft wurden ergibt sich aus den vom Finanzamt übermittelten Aufstellungen (OZ 95 - OZ 98) und dem Schreiben des Finanzamtes vom 20.11.2025 (OZ 94). Das genannte Vorbringen und die genannten Unterlagen wurden der BF mit Vorhalt vom 23.1.2025 mitgeteilt und von dieser nicht bestritten, woraus abzuleiten ist, dass die jeweiligen GesbR zu diesem Zeitpunkt noch existent waren.
Dass an die jeweiligen, aus der BF und ***Person2*** bestehenden, GesbR im Jahr 2012 Einkünfte aus dem Betrieb der gegenständlichen Pizzerien geflossen sind, ergibt sich aus dem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 12.8.2020 - OZ 63.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I.
3.1.1. Beschwerdejahr 2011
§ 253 BAO lautet: Tritt ein Bescheid an die Stelle eines mit Bescheidbeschwerde angefochtenen Bescheides, so gilt die Bescheidbeschwerde auch als gegen den späteren Bescheid gerichtet. Dies gilt auch dann, wenn der frühere Bescheid einen kürzeren Zeitraum als der ihn ersetzende Bescheid umfasst.
Der Einkommensteuerbescheid 2011 vom 26.9.2019 ist an Stelle des zunächst angefochtenen Einkommensteuerbescheid 2011 vom 29.5.2013 getreten, weshalb die ursprünglich erhobene Beschwerde nach § 253 BAO auch als gegen den späteren Bescheid gerichtet gilt.
Die gegen den nachträglich geänderten Einkommensteuerbescheid 2011 vom 26.9.2019 eingebrachte Beschwerde gilt daher lediglich als ergänzender Schriftsatz zur ursprünglichen Berufung (vgl. VwGH 19.4.2023, Ra 2022/13/0085).
Nach § 188 Abs 1 lit b BAO werden die Einkünfte (der Gewinn oder der Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten) aus Gewerbebetrieb festgestellt, wenn an den Einkünften derselben Einkunftsart mehrere Personen beteiligt sind.
Nach § 188 Abs 3 BAO ist Gegenstand der Feststellung gemäß Abs 1 auch die Verteilung des festgestellten Betrages auf die Teilhaber.
Nach § 295 Abs 1 BAO ist ein Bescheid, der von einem Feststellungsbescheid abzuleiten ist, ohne Rücksicht darauf, ob die Rechtskraft eingetreten ist, im Fall der nachträglichen Abänderung, Aufhebung oder Erlassung des Feststellungsbescheides von Amts wegen durch einen neuen Bescheid zu ersetzen oder, wenn die Voraussetzungen für die Erlassung des abgeleiteten Bescheides nicht mehr vorliegen, aufzuheben. Mit der Änderung oder Aufhebung des abgeleiteten Bescheides kann gewartet werden, bis die Abänderung oder Aufhebung des Feststellungsbescheides oder der nachträglich erlassene Feststellungsbescheid rechtskräftig geworden ist.
Der gem. § 295 BAO erlassene spätere Bescheid tritt insgesamt und zur Gänze an die Stelle des früheren Bescheides - mag dieser nun rechtswidrigerweise berichtigt worden sein oder nicht (VwGH 19.3.1997, 97/13/0038).
Eine Abänderung nach § 295 Abs 1 BAO ist nur zulässig, wenn die Bescheide betreffend Einkommensteuer für die Streitjahre von Feststellungsbescheiden abzuleiten sind. Sind die Bescheide betreffend die einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften für die Streitjahre ins Leere gegangen, so fehlen taugliche Feststellungsbescheide für eine Abänderung nach § 295 Abs 1 BAO. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass nach Erlassung des Bescheides nach § 295 Abs 1 BAO Feststellungsbescheide mit dem gleichen Inhalt wie die ins Leere gegangenen Feststellungsbescheide erlassen worden sind. Mit diesen Bescheiden wird die unzulässige Abänderung nach § 295 Abs 1 BAO nicht saniert (VwGH 24.11.1998, 93/14/0203).
Ein Abgabenbescheid, der auf einem Nichtbescheid aufbaut, ist nicht schon deswegen ebenfalls unwirksam. Sollte sich daher eine als Einkünftefeststellung nach § 188 BAO intendierte Erledigung - etwa weil die Zustellung unterblieben ist - als "Nichtbescheid" erweisen, hat dies keine Auswirkung auf die Wirksamkeit eines auf der Grundlage des § 295 Abs 1 BAO auf der Basis dieser Erledigung nach § 188 BAO erlassenen Einkommensteuerbescheides (VwGH 7.9.2022, Ra 2020/15/0086 mwN).
Handelt es sich bei einer als Feststellungsbescheid intendierten Erledigung um einen "Nichtbescheid", ist eine darauf gestützte Änderung gemäß § 295 Abs. 1 BAO rechtswidrig . In einer solchen Konstellation wäre der gemäß § 295 Abs. 1 BAO geänderte Bescheid im Falle seiner Bekämpfung mit Beschwerde aufzuheben oder - unter weiteren Voraussetzungen - auf Antrag einer Partei gemäß § 295 Abs 4 BAO aufzuheben (VwGH 7.9.2022, Ra 2020/15/0086 mwN).
Für die Aufhebung und Änderung eines Bescheides ist nach § 295 Abs 1 BAO somit im Wesentlichen Voraussetzung, dass nachträglich ein (wirksamer) Grundlagenbescheid ergangen ist, der Auswirkung auf diesen abgeleiteten Bescheid hat.
Nach § 97 Abs 1 lit a BAO werden Erledigungen dadurch wirksam, dass sie demjenigen bekanntgegeben werden, für den sie ihrem Inhalt nach bestimmt sind. Die Bekanntgabe erfolgt bei schriftlichen Erledigungen, wenn nicht in besonderen Vorschriften die öffentliche Bekanntmachung oder die Auflegung von Listen vorgesehen ist, durch Zustellung.
§ 98 Abs 1 BAO lautet: Soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, sind Zustellungen nach dem Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982, vorzunehmen; das gilt nicht für den 3. Abschnitt des ZustG (Elektronische Zustellung).
§ 98 Abs 1a BAO lautet: Die Finanzämter haben nach Maßgabe ihrer technischen Möglichkeiten Zustellungen an Empfänger, die Teilnehmer an FinanzOnline sind, elektronisch vorzunehmen. Teilnehmer, die nicht zur Einreichung einer Umsatzsteuererklärung verpflichtet sind, können auf die elektronische Zustellung im Verfahren FinanzOnline verzichten. Der Bundesminister für Finanzen kann durch Verordnung die Ausgestaltung der elektronischen Zustellung festlegen.
§ 98 Abs 2 BAO lautet: Elektronisch zugestellte Dokumente gelten als zugestellt, sobald sie in den elektronischen Verfügungsbereich des Empfängers gelangt sind. Im Zweifel hat die Behörde die Tatsache und den Zeitpunkt des Einlangens von Amts wegen festzustellen. Die Zustellung gilt als nicht bewirkt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung mit dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag wirksam.
Der zur ***TO KG*** ergangene Feststellungsbescheid für das Jahr 2011 vom 2.8.2013 wurde ohne Rückschein mittels Fensterkuvert zu Handen der BF an die Adresse ***Adresse2***, verschickt.
Bei einer Zustellung ohne Zustellnachweis wird das Dokument nach § 26 ZustG zugestellt, indem es in die für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung eingelegt oder an der Abgabestelle zurückgelassen wird.
Abgabestelle ist nach § 2 Z 4 ZustG die Wohnung oder sonstige Unterkunft, die Betriebsstätte, der Sitz, der Geschäftsraum, die Kanzlei oder auch der Arbeitsplatz des Empfängers, im Falle einer Zustellung anlässlich einer Amtshandlung auch deren Ort, oder ein vom Empfänger der Behörde für die Zustellung in einem laufenden Verfahren angegebener Ort.
Die BF hatte an der Adresse keine Abgabestelle iSd § 2 Z 4 ZustG, weshalb der Bescheid nicht gem. § 26 ZustG als zugestellt angesehen werden kann. Da die Behörde keinen Nachweis einer tatsächlichen Zustellung vorlegen kann, ist auch kein anderer Zustelltatbestand des ZustG erfüllt. Da der Bescheid somit niemals zugestellt wurde, ist er nach § 97 Abs 1 lit a BAO nicht wirksam geworden, weshalb dieser Bescheid nicht zur Änderung des Einkommensteuerbescheides nach § 295 Abs 1 BAO führen konnte.
Die zur ***BAR KG*** am 4.9.2015 und zur ***P Ltd & Co KG*** am 22.7.2015 ergangenen Feststellungsbescheide für das Jahr 2011 wurden an die jeweils genannte KG gerichtet. Die an beiden KGs ursprünglich beteiligte ***G Ltd*** wurde bereits im Jahr 2012 im englischen Firmenbuch gelöscht. Nach § 131 Z 4 iVm § 161 UGB wird eine Kommanditgesellschaft durch den Tod eines Gesellschafters aufgelöst. Nach herrschender Lehre ist die Auflösung einer juristischen Person dem "Tod" iSd § 131 Z 4 UGB gleichzuhalten (vgl. Straube/Ratka/Rauter, Wiener Kommentar zum Unternehmensgesetzbuch-UGB, § 131 Rz 15).
Die Löschung einer Limited im Register wirkt nach dem englischen Recht konstitutiv, die Beendigung ("dissolution") bewirkt, dass die Existenz der Gesellschaft als Rechtsträger (juristische Person) aufhört und die Vertretungsbefugnisse enden (vgl. OGH 19.3.2015, 6 Ob 178/14s mwN).
Da mit der Auflösung der ***G Ltd*** im Jahr 2012 der einzige Komplementär der betreffenden KGs weggefallen ist, verblieb als letzte Gesellschafterin lediglich lediglich die BF als Kommanditistin.
Da lediglich ein Gesellschafter in der KG verblieben ist, ist diese nach § 142 UGB ohne Liquidation erloschen. Das Gesellschaftsvermögen ging auf die BF als letzte verbleibende Gesellschafterin im Wege der Gesamtrechtsnachfolge über, somit tritt diese nach § 19 Abs 1 BAO in materieller als auch verfahrensrechtlicher Hinsicht an die Stelle der Rechtsvorgänger.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes folgt aus § 191 Abs 1 lit c BAO in Verbindung mit § 191 Abs 2 leg. cit., dass dort, wo der Abgabenbehörde nicht rechtsfähige Personenzusammenschlüsse als Gemeinschaften (Vereinigungen) gegenübertreten, der Feststellungsbescheid an eben diese Gemeinschaft (Vereinigung) zu richten ist, solange diese besteht; unzulässig ist es im Hinblick auf § 191 Abs 2 BAO jedoch, den Bescheid an eine Gemeinschaft zu richten, die nicht mehr besteht. Ein Feststellungsbescheid gemäß § 188 BAO, der nach Beendigung der Personengesellschaft an diese ergeht, entfaltet keine Rechtswirkungen (vgl. etwa VwGH vom 29. März 2007, 2004/15/0140, mwN).
Die betreffenden Feststellungbescheide wären somit nicht an die jeweilige KG zu richten gewesen, sondern an die BF als Rechtsnachfolgerin der KG, weshalb sie keine Rechtswirkungen entfalten konnten und daher nicht als Grund für eine Änderung nach § 295 Abs 1 BAO herangezogen werden konnten.
Da mangels eines wirksamen Grundlagenbescheides somit kein Fall des § 295 Abs 1 BAO vorgelegen ist, ist die Änderung des Bescheides vom 29.5.2013 mit Bescheid vom 26.9.2019 rechtswidrig erfolgt. Auch die nachträgliche Erlassung rechtswirksamer Feststellungsbescheide kann diese Rechtswidrigkeit nach der obzitierten Rspr. des VwGH nicht sanieren, weshalb dieser Bescheid aufzuheben ist.
Durch die Aufhebung des Einkommensteuerbescheides vom 26.9.2019 würde der Einkommensteuerbescheid vom 29.5.2013 wieder aufleben (vgl. VwGH 12.5.2022, Ra 2021/13/0155).
Der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2011 vom 29.5.2013, der ebenfalls mit Bescheidbeschwerde vom 27.6.2013 angefochten ist, wurde aufgrund eines vermeintlich am 27.5.2013 zur ***BAT KG*** gem. § 188 BAO ergangenen Feststellungsbescheides nach § 295 Abs 1 BAO erlassen.
Da auch dieser Grundlagenbescheid nicht zugestellt wurde, gilt das eben ausgeführte. Auch der angefochtene Einkommensteuerbescheid vom 29.5.2013 ist somit rechtswidrig ergangen, da die Voraussetzungen des § 295 Abs 1 BAO nicht vorgelegen sind, weshalb dieser - mangels Sanierbarkeit - aufzuheben ist.
3.1.2. Beschwerdejahr 2012
Dem angefochtenen Einkommensteuerbescheid für 2012 vom 22.2.2017 liegen Einkünftezurechnungen zugrunde, die in folgenden Feststellungsbescheiden getroffen wurden:
1. Feststellungsbescheid vom 18.11.2014 zur ***TA KG***
2. Feststellungsbescheid vom 22.7.2015 zur ***P Ltd & Co KG***
3. Feststellungsbescheid vom 4.9.2015 zur ***BAR KG***
Der Feststellungsbescheid vom 18.11.2014 der ***TA KG*** wurde unbestritten nicht zugestellt, weshalb dieser nach § 97 Abs 1 BAO niemals wirksam wurde.
Die Feststellungsbescheide zur ***P Ltd & Co KG*** und zur ***BAR KG*** wurden an die jeweilige KG adressiert. Zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung waren diese jedoch, wie für 2011 bereits ausgeführt, aufgrund des Umstandes, dass lediglich ein Gesellschafter verblieben ist, bereits als aufgelöst anzusehen, weshalb die Bescheide an die BF als Rechtsnachfolgerin auszufertigen gewesen wären. Diese Bescheide sind somit ebenfalls nicht wirksam geworden und konnten daher keine Wirkung entfalten.
Im Gegensatz zum Jahr 2011 bewirkt dies jedoch keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Einkommensteuerbescheides 2012, die jedenfalls zur Aufhebung führen müsste, da es sich hierbei um keine Abänderung nach § 295 Abs 1 BAO handelt, sondern um den erstmals erlassenen Bescheid, dem die in den vermeintlichen Feststellungsbescheiden getroffenen Feststellungen nach § 192 BAO zugrunde gelegt wurden.
Das Bundesfinanzgericht entscheidet grundsätzlich nach der Sachlage zum Zeitpunkt der Erkenntnisses (vgl. VwGH 20.11.2024, Ra 2024/13/0068). Es hat somit jene Feststellungsbescheide zu berücksichtigen, die zum Zeitpunkt der Entscheidung dem Rechtsbestand angehören (vgl. VwGH 18.12.2019, Ra 2019/15/0154). Abgeleitete Bescheide dürfen vor Erlassung des Grundlagenbescheides ergehen (vgl. etwa VwGH 24.10.2013, 2010/15/0090).
Im gegenständlichen Fall sind nach Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht, nämlich am 20.11.2024, neue Feststellungsbescheide ergangen, die das Jahr 2012 betreffen. Insgesamt werden der BF in diesen Feststellungsbescheiden Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 56.847,11 Euro zugerechnet.
Nach § 191 Abs 1 lit c BAO ergeht der Feststellungsbescheid in den Fällen des § 188 an die Personenvereinigung (Personengemeinschaft) ohne eigene Rechtspersönlichkeit, an der die Beteiligung im Feststellungszeitpunkt bestanden hat.
§ 191 Abs 2 BAO lautet: Ist eine Personenvereinigung (Personengemeinschaft) ohne eigene Rechtspersönlichkeit in dem Zeitpunkt, in dem der Feststellungsbescheid ergehen soll, bereits beendigt, so hat der Bescheid an diejenigen zu ergehen, […] denen in den Fällen des Abs 1 lit c gemeinschaftliche Einkünfte zugeflossen sind.
§ 81 Abs 7 BAO lautet: Werden an alle Gesellschafter (Mitglieder) einer Personenvereinigung (Personengemeinschaft) ohne eigene Rechtspersönlichkeit in dieser ihrer Eigenschaft schriftliche Ausfertigungen einer Abgabenbehörde gerichtet, so gilt der nach Abs. 1 bis 5 für die Personenvereinigung (Personengemeinschaft) Zustellungsbevollmächtigte auch als gemeinsamer Zustellungsbevollmächtigter der Gesellschafter (Mitglieder). Ergehen solche schriftliche Ausfertigungen nach Beendigung einer Personenvereinigung (Personengemeinschaft) ohne eigene Rechtspersönlichkeit, so gilt die nach Abs. 6 vertretungsbefugte Person auch als Zustellungsbevollmächtigter der ehemaligen Gesellschafter (Mitglieder), sofern ein solcher nicht eigens namhaft gemacht wurde. Die Bestimmung des Abs. 6 über die Erhebung eines Widerspruches gilt sinngemäß.
Aufgrund des Ausscheidens der ***G Ltd*** aus der ***BAR KG*** und der ***P Ltd & Co KG*** im Jahr 2012 sind diese seit 2012 als aufgelöst anzusehen, weshalb die Feststellungsbescheide ab diesem Zeitpunkt nach § 191 Abs 2 BAO an diejenigen Personen zu ergehen hatten, denen die gemeinschaftlichen Einkünfte zugeflossen sind. Die gegenständlichen zur ***G Ltd*** und zur ***P Ltd & Co KG*** Feststellungsbescheide vom 20.11.2024 wurde somit zurecht an die BF und ***G Ltd*** als ehemalige Gesellschafter der ***BAR KG*** adressiert. Der Umstand, dass auch der rechtlich nicht mehr existenten ***G Ltd*** ein Anteil an den Einkünften iHv 0 Euro zugerechnet wurde, steht der Wirksamkeit des Feststellungsbescheides in Bezug auf die BF nach § 191 Abs 5 BAO nicht entgegen.
Diese Bescheide wurden auf elektronischem Wege zugestellt und sind somit nach § 97 Abs 1 lit a BAO wirksam geworden. Im Übrigen wurden kein Rechtsmittel eingebracht, weshalb diese als rechtskräftig anzusehen sind.
Auch die an die jeweiligen GesbR ergangenen Bescheide vom 20.11.2024 wurden elektronisch an sämtliche beteiligte Gesellschafter zugestellt, weshalb sie nach § 97 Abs 1 lit a BAO wirksam geworden sind. Dass die jeweiligen GesbR nicht mehr existent wären, wurde von der BF nicht behauptet, weshalb davon auszugehen ist, dass diese zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung noch existierten. Mangels Einbringung eines Rechtsmittels sind auch diese Bescheide als rechtskräftig anzusehen.
Nach § 192 BAO werden in einem Feststellungsbescheid enthaltene Feststellungen, die für […] Abgabenbescheide von Bedeutung sind, diesen Bescheiden zugrunde gelegt, auch wenn der Feststellungsbescheid noch nicht rechtskräftig geworden ist.
Die in den obgenannten Bescheiden vom 20.11.2024 festgestellten Einkünfte sind daher nach § 192 BAO dem Einkommensteuerbescheid zugrunde zu legen und somit auch vom Bundesfinanzgericht im Rahmen der Entscheidung über das Rechtsmittel gegen den Einkommensteuerbescheid 2012 zu berücksichtigen.
Der angefochtene Bescheid war daher in diesem Punkt abzuändern und an die vorhandenen Feststellungsbescheide anzupassen.
3.1.3. Zu den Anspruchszinsenbescheiden:
Nach § 205 Abs 1 BAO sind Differenzbeträge an Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, die sich aus Abgabenbescheiden unter Außerachtlassung von Anzahlungen (Abs 3), nach Gegenüberstellung mit Vorauszahlungen oder mit der bisher festgesetzt gewesenen Abgabe ergeben, für den Zeitraum ab 1. Oktober des dem Jahr des Entstehens des Abgabenanspruchs folgenden Jahres bis zum Zeitpunkt der Bekanntgabe dieser Bescheide zu verzinsen (Anspruchszinsen).
Nach § 205 Abs 1 BAO sind jeweils Differenzbeträge zu verzinsen, insbesondere jene, die sich aus einer Gegenüberstellung einer neuerlichen Abgabenfestsetzung mit der bisher festgesetzt gewesenen Abgabe ergeben. Bei Abänderungen von Abgabenfestsetzungen ergibt sich der zinsenrelevante Differenzbetrag also aus der nunmehr vorgeschriebenen Abgabe abzüglich der bisher vorgeschriebenen Abgabe. Jeweils nach Abänderung der zugrunde liegenden Abgabe sind neue (weitere) Anspruchszinsenbescheide zu erlassen, die insoweit eine eigene "Sache" bilden. (vgl.etwa VwGH 6.4.2022, Ra 2021/13/0139 mwN)
Wird der Abgabenbescheid abgeändert, so wird diesem Umstand mit einem an den Abänderungsbescheid gebundenen neuen Zinsenbescheid Rechnung getragen. Es hat von Amts wegen ein weiterer Zinsenbescheid zu ergehen, ohne dass eine Abänderung des ursprünglichen - wirkungslos gewordenen - Zinsenbescheides zu erfolgen hat. (VwGH 28.5.2009, 2006/15/0316)
Anspruchszinsenbescheide sind an die Höhe der im Bescheidspruch des Einkommen- oder Körperschaftsteuerbescheides ausgewiesenen Nachforderung gebunden (VwGH 27.2.2008, 2005/13/0039 mwN).
Eine rechtskräftige Einkommen- oder Körperschaftsteuerfestsetzung wird vom Gesetz nicht verlangt (VwGH 27.3.2008, 2008/13/0036).
Voraussetzung für die Festsetzung von Anspruchszinsen ist somit, dass ein Einkommensteuerbescheid (ua.) wirksam ergangen ist. Da im gegenständlichen Fall die jeweiligen Einkommensteuerbescheide wirksam ergangen sind, wobei die BF auch nichts Gegenteiliges vorgebracht hat, wurden auch die gegenständlich angefochtenen Anspruchszinsenbescheide rechtmäßig erlassen. Eine nachträgliche Abänderung oder Aufhebung der Einkommensteuerbescheide ist durch die Erlassung eines weiteren Anspruchszinsenbescheides zu berücksichtigen. Die Beschwerde war sohin in diesem Punkt als unbegründet abzuweisen.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Da der gegenständliche Fall anhand der vorhandenen Rechtsnormen und einheitlichen Rechtsprechung des VwGH gelöst werden konnte, liegt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor, weshalb eine Revision nicht zuzulassen war.
Graz, am 9. September 2025