JudikaturBFG

RV/5100096/2024 – BFG Entscheidung

Entscheidung
12. Juni 2025

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** vertreten durch Steuerberater ***StB***, betreffend die Beschwerden

1) vom 19. Oktober 2023 gegen die als Bescheid intendierte Enunziation des Finanzamtes Österreich vom 5. Oktober 2023 zu Steuernummer ***BF1StNr1*** betreffend Zahlungserleichterung gemäß § 212 BAO, und

2) vom 5. Dezember 2023 gegen die als Bescheid intendierte Enunziation des Finanzamtes Österreich vom 14. November 2023 zu Steuernummer ***BF1StNr1*** betreffend Zurückweisung eines Aussetzungsantrages gemäß § 212a BAO

beschlossen:

Die Beschwerden werden gemäß § 260 Abs. 1 lit. a BAO als nicht zulässig zurückgewiesen.

Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

Sachverhalt

Mit Bescheiden des Finanzamtes für Gebühren, Verkehrssteuern und Glücksspiel (nunmehr Finanzamt Österreich) vom 2.5.2019 wurden eine Gebühr gemäß § 33 TP 21 GebG in Höhe von 16.717,21 € und eine Gebührenerhöhung gemäß § 9 Abs. 2 GebG in Höhe von 8.358,61 € festgesetzt. Die Bescheide ergingen an die Beschwerdeführerin.

Gegen diese Bescheide wurde mit Schriftsatz vom 6.6.2019 durch den steuerlichen Vertreter Beschwerde erhoben. Darin führte dieser einleitend aus: "Frau ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, hat mir steuerliche Spezialvollmacht ohne Zustellvollmacht erteilt, auf die ich mich aktuell gemäß § 3 Abs 3 Z 2 WTBG 2017 berufe (BGBl I 2017/137)."

Im weiteren Verfahren wurden daher ein Mängelbehebungsauftrag des Finanzamtes vom 28.6.2019, die Beschwerdevorentscheidung vom 3.9.2019 ebenso wie das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom 23.8.2023, GZ. RV/7101811/2020, direkt an die Beschwerdeführerin zugestellt.

Mit Eingabe vom 6.9.2023 stellte der steuerliche Vertreter ohne gesonderte Berufung auf eine erteilte Vollmacht "für meine Mandantin" einen Antrag auf Stundung der Gebühr, der Gebührenerhöhung sowie von angefallenen Aussetzungszinsen gemäß § 212 BAO. Gegen das BFG-Erkenntnis werde Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben.

Das Finanzamt wies dieses Stundungsansuchen mit einer als Bescheid intendierten Enunziation vom 5.10.2023 ab, welche zu Handen des steuerlichen Vertreters zugestellt wurde.

Dagegen richtet sich die Beschwerde vom 19.10.2023. In dieser wies der steuerliche Vertreter unter Punkt 4 darauf hin, dass die Zustellung des angefochtenen Bescheides an ihn erfolgt sei, ohne dass er die Zustellvollmacht jemals für sich reklamiert hätte, zumal selbst das angefochtene Erkenntnis des BFG vom 23.8.2023 richtigerweise nicht an ihn, sondern seine Mandantin ergangen sei. Es stelle sich daher die Frage, ob das Anfechtungsobjekt überhaupt wirksam ergangen wäre oder nicht als absolut nichtiger Verwaltungsakt im Sinne eines Nicht-Bescheides ins Leere gegangen sei. Abschließend beantragte der steuerliche Vertreter die Aussetzung der Einhebung der Gebühr, der Gebührenerhöhung und der Aussetzungszinsen.

Mit einer als Bescheid intendierten Enunziation vom 14.11.2023 wies das Finanzamt diesen Aussetzungsantrag zurück, da ein solcher bei einer Beschwerde gegen die Abweisung eines Zahlungserleichterungsansuchens nicht zulässig sei. Auch dieses Schriftstück wurde zu Handen des steuerlichen Vertreters zugestellt.

Mit zu Handen des steuerlichen Vertreters zugestellter, als Beschwerdevorentscheidung intendierter Enunziation vom 15.11.2023 wurde die Beschwerde gegen den Bescheid vom 5.10.2023 über die Abweisung des Zahlungserleichterungsansuchens abgewiesen. Zur Frage der Zustellung führte das Finanzamt aus, dass eine Bevollmächtigung grundsätzlich im jeweiligen Verfahren geltend gemacht werden müsse, außer es bestehe ein sehr enger Zusammenhang zwischen zwei Verfahren. Die Bevollmächtigung im Beschwerdeverfahren sei auch als Bevollmächtigung für die Stellung eines Aussetzungsantrages zu verstehen. Ein unmittelbarer Zusammenhang bestehe auch zwischen Beschwerdeverfahren und Stundungsansuchen. Das erneute Einschreiten des Parteienvertreters lasse keine Zweifel an der Bevollmächtigung entstehen. Nachdem eine allgemeine Vollmacht auch eine Zustellvollmacht umfasse, sei der (in der Beschwerde vom 19.10.2023 behauptete) Zustellmangel nicht anzunehmen.

Dagegen richtet sich der Vorlageantrag vom 5.12.2023, in dem die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt wurde.

Mit weiterer Eingabe vom 5.12.2023 wurde gegen den Zurückweisungsbescheid vom 14.11.2023 betreffend die begehrte Aussetzung der Einhebung Beschwerde erhoben.

Diese Beschwerde wurde mit einer zu Handen des steuerlichen Vertreters zugestellten, als Beschwerdevorentscheidung intendierten Enunziation vom 15.12.2023 abgewiesen.

Dagegen richtet sich der nach Stellung von Fristverlängerungsansuchen eingebrachte Vorlageantrag vom 28.2.2024, in dem die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt wurde.

Das Finanzamt legte mit Vorlageberichten vom 13.2.2024 und 3.6.2024 die Beschwerden vom 19.10.2023 und 5.12.2023 dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.

In Beantwortung eines Vorhaltes des Bundesfinanzgerichtes teilte der steuerliche Vertreter mit, dass er seit Dezember 2016 für die ***Bf-Gruppe*** tätig sei und in keinem einzigen Fall jemals die Zustellvollmacht für sich reklamiert habe. Er sei als "Berater der Berater" so gut wie ausschließlich für andere Steuerberater und Anwälte nur in speziellen Angelegenheiten tätig, und habe mit dem laufenden Geschäft der Mandanten rein gar nichts zu tun. Solcherart würde eine ihm erteilte Zustellvollmacht keinen Sinn machen, weil er in diesem Fall die laufende Post bis hin zu jeder einzelnen Buchungsmitteilung, Kontonachricht und dergleichen weiterleiten müsste. Die Korrespondenz mit der Familie ***BF*** erfolge mit Ausnahme einiger weniger Besprechungen in ***1*** ausschließlich telefonisch bzw. elektronisch. Auf der einen Seite leite ihm die Familie ***BF*** die einlangende Post (Bescheide, Vorhalte) elektronisch zu, und auch er übermittle die bei ihm einlangende Post per E-Mail an die Familie ***BF***. Als Beispiele wurden die E-Mail vom 17.10.2023 über die Weiterleitung des verfahrensgegenständlichen "Bescheides" vom 5.10.2023 und die E-Mail vom 17.6.2024 über die Weiterleitung des Vorlageberichtes vom 3.6.2024 an die Beschwerdeführerin vorgelegt. Beide Anhänge werden darin als PDF-Dokumente ausgewiesen.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 97 Abs. 1 lit. a BAO werden Erledigungen dadurch wirksam, dass sie demjenigen bekanntgegeben werden, für den sie ihrem Inhalt nach bestimmt sind. Die Bekanntgabe erfolgt bei schriftlichen Erledigungen, wenn nicht in besonderen Vorschriften die öffentliche Bekanntmachung oder die Auflegung von Listen vorgesehen ist, durch Zustellung.

Soweit in der Bundesabgabenordnung nicht anderes bestimmt ist, sind Zustellungen nach dem Zustellgesetz vorzunehmen ( § 98 Abs. 1 BAO).

Unterlaufen im Verfahren der Zustellung Mängel, so gilt die Zustellung als in dem Zeitpunkt dennoch bewirkt, in dem das Dokument dem Empfänger tatsächlich zugekommen ist ( § 7 ZustG).

Soweit in den Verfahrensvorschriften nicht anderes bestimmt ist, können die Parteien und Beteiligten andere natürliche oder juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften gegenüber der Behörde zur Empfangnahme von Dokumenten bevollmächtigen (Zustellungsvollmacht; § 9 ZustG).

Eine allgemeine Vollmacht umfasst grundsätzlich auch die Zustellungsbevollmächtigung. Dies gilt auch dann, wenn sich ein Vertreter auf die ihm erteilte Vollmacht beruft. Von diesem Grundsatz besteht aber dann eine Ausnahme, wenn ein Empfang von Schriftstücken ausgeschlossen ist (Ritz, BAO8, § 9 ZustG Tz 20, 21 mit Judikaturnachweisen). Beruft sich ein Parteienvertreter auf eine ihm erteilte Bevollmächtigung, so ist für den Umfang der Vertretungsmacht seine Behauptung maßgebend (Ritz, BAO8, § 83 Tz 12 mwN).

Im gegenständlichen Fall hat sich der steuerliche Vertreter in der Eingabe vom 6.6.2019 nicht auf eine allgemeine Vollmacht berufen, sondern auf eine Spezialvollmacht, und dabei darauf hingewiesen, dass diese Spezialvollmacht keine Zustellvollmacht umfasst. Wenn der steuerliche Vertreter ausdrücklich erklärt, dass ihm keine Zustellvollmacht zukommt, kann eine solche entgegen der Ansicht des Finanzamtes nicht mit der Begründung fingiert werden, dass der steuerliche Vertreter jedenfalls bevollmächtigt sei und eine allgemeine Vollmacht auch die Zustellvollmacht umfasse. Die Behörde ist nicht berechtigt, außerhalb der von der Partei geübten Disposition mit Wirksamkeit für die Partei gegenüber einem Machthaber der Partei Verfahrenshandlungen zu setzen (VwGH 16.12.2003, 2001/15/0026). Folgerichtig wurden im Beschwerdeverfahren betreffend die Gebührenfestsetzung sowohl vom Finanzamt als auch vom Bundesfinanzgericht alle Erledigungen an die Beschwerdeführerin zugestellt. Das Finanzamt hat in der als Beschwerdevorentscheidung intendierten Enunziation vom 15.11.2023 zutreffend darauf hingewiesen, dass zwischen Beschwerdeverfahren (betreffend die Gebührenfestsetzung) und Stundungsansuchen (betreffend eben diese Gebühren) ein so enger Zusammenhang besteht, dass die Bevollmächtigung im zweitgenannten Verfahren nicht nochmals ausdrücklich geltend gemacht werden muss und das erneute Einschreiten des steuerlichen Vertreters keine Zweifel an der Bevollmächtigung entstehen lässt (siehe neuerlich VwGH 16.12.2003, 2001/15/0026). Dafür spricht nicht nur der enge sachliche, sondern auch der zeitliche Zusammenhang: das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes, mit dem das Beschwerdeverfahren betreffend Gebührenfestsetzung abgeschlossen wurde, datiert vom 23.8.2023, das eben diese Gebühren betreffende Stundungsansuchen vom 6.9.2023. Verfehlt ist dagegen die Ansicht des Finanzamtes hinsichtlich des Umfanges der erteilten Bevollmächtigung. Die in den beschwerdegegenständlichen Verfahren erstatteten Eingaben bieten keinerlei Anhaltspunkt dafür, dass entgegen der ausdrücklichen Erklärung vom 6.6.2019 dem steuerlichen Vertreter nunmehr eine Zustellvollmacht erteilt worden wäre. Ganz im Gegenteil hat dieser in der Beschwerde vom 19.10.2023 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass ihm nach wie vor gerade keine Zustellvollmacht zukomme.

Das Finanzamt ging in den gegenständlichen Verfahren betreffend Zahlungserleichterung und Aussetzung der Einhebung damit zu Unrecht davon aus, dass dem steuerlichen Vertreter Zustellvollmacht erteilt worden wäre. Sowohl die als Bescheide intendierten Enunziationen vom 5.10.2023 und 14.11.2023, als auch die beabsichtigten Beschwerdevorentscheidungen vom 15.11.2023 und 15.12.2023 wurden daher durch die veranlasste Zustellung zu Handen des steuerlichen Vertreters der Beschwerdeführerin nicht wirksam.

Zu prüfen ist damit noch, ob diese Zustellmängel gemäß § 7 ZustG durch tatsächliches Zukommen geheilt sind. Diese Bestimmung ist anwendbar, wenn die Zustellverfügung an X zu Handen Y lautet, dem Y zugestellt wurde und der nicht zustellungsbevollmächtigte Y das Schriftstück an X weiterleitet, für den es bestimmt ist (z.B. VwGH 15.3.2001, 2000/16/0115; weitere Judikaturnachweise bei Ritz, BAO8, § 7 ZustG Tz 4). Ein tatsächliches Zukommen setzt aber voraus, dass der Empfänger tatsächlich in den Besitz des zuzustellenden Schriftstückes kommt (z.B. VwGH 20.11.2019, Fr 2018/15/0011). Eine Heilung des Zustellmangels setzt somit ein tatsächliches Zukommen des zuzustellenden Schriftstückes im Original voraus; die bloße Mitteilung des Inhaltes oder die Übermittlung einer Ablichtung des Schriftstückes etwa per Fax oder E-Mail genügen nicht (Ritz, BAO8, § 7 ZustG Tz 7 mit zahlreichen Judikaturnachweisen; vgl. auch VwGH 18.6.2024, Ra 2024/09/0028, Rn 29 f.).

Da die als Bescheide intendierten Enunziationen vom 6.9.2023 und 14.11.2023 ebenso wie die als Beschwerdevorentscheidungen beabsichtigten Schriftstücke vom steuerlichen Vertreter lediglich per E-Mail in Form von eingescannten PDF-Dokumenten an die Beschwerdeführerin weitergeleitet wurden, sind die im vorliegenden Fall festgestellten Zustellmängel nicht geheilt und die beabsichtigten Erledigungen nicht wirksam geworden.

Gemäß § 260 Abs. 1 lit. a BAO ist die Bescheidbeschwerde mit Beschluss zurückzuweisen, wenn sie nicht zulässig ist. Unzulässig ist eine Beschwerde dann, wenn sie sich gegen Schriftstücke ohne Bescheidcharakter richtet. Zurückzuweisen ist daher eine Bescheidbeschwerde gegen eine mangels Zustellung rechtlich nicht existent gewordenen Bescheid (Ritz, BAO8, § 260 Tz 8 mit zahlreichen Judikaturnachweisen, z.B. VwGH 29.5.2024, Ra 2024/13/0010).

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden, wobei von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung gemäß § 274 Abs. 3 Zif. 1 iVm Abs. 5 BAO abgesehen wurde.

Im weiteren Verfahren wird das Finanzamt über das unerledigt offene Stundungsansuchen vom 6.9.2023 bescheidmäßig abzusprechen haben, wobei dieser Bescheid aufgrund der derzeitigen Vollmachtsverhältnisse direkt an die Beschwerdeführerin zuzustellen sein wird.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Da im gegenständlichen Verfahren die entscheidungsrelevanten Rechtsfragen bereits ausreichend durch Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt sind, und die Entscheidung von dieser Rechtsprechung nicht abweicht, ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig.

Linz, am 12. Juni 2025