Beschluss
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***R*** in der Beschwerdesache ***Erbe 1***, ***Adresse Erbe 1***, und ***Erbe 2***, ***Adresse Erbe 2***, als Erben nach ***X***, vertreten durch taxwerk.at Mag. Thonhauser Steuerberater GmbH, Am Kögel 1/3/1, 8430 Leibnitz, betreffend die Beschwerde vom 13.10.2015 gegen
{ "type": "ol", "children": [ { "type": "li", "children": [ "den Bescheid des Finanzamtes Bruck Leoben Mürzzuschlag (nunmehr Finanzamt Österreich) vom 14.8.2015 betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2011" ] }, { "type": "li", "children": [ "den Bescheid des Finanzamtes Bruck Leoben Mürzzuschlag (nunmehr Finanzamt Österreich) vom 14.8.2015 betreffend Festsetzung von Anspruchszinsen für das Jahr 2011" ] }, { "type": "li", "children": [ "den Bescheid des Finanzamtes Bruck Leoben Mürzzuschlag (nunmehr Finanzamt Österreich) vom 14.8.2015 betreffend Umsatzsteuer für das Jahr 2011" ] }, { "type": "li", "children": [ "den Bescheid des Finanzamtes Bruck Leoben Mürzzuschlag (nunmehr Finanzamt Österreich) vom 14.8.2015 betreffend Verspätungszuschlag hinsichtlich Umsatzsteuer für das Jahr 2011" ] }, { "type": "li", "children": [ "den Bescheid des Finanzamtes Bruck Leoben Mürzzuschlag (nunmehr Finanzamt Österreich) vom 14.8.2015 betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2012" ] }, { "type": "li", "children": [ "den Bescheid des Finanzamtes Bruck Leoben Mürzzuschlag (nunmehr Finanzamt Österreich) vom 14.8.2015 betreffend Festsetzung von Anspruchszinsen für das Jahr 2012" ] }, { "type": "li", "children": [ "den Bescheid des Finanzamtes Bruck Leoben Mürzzuschlag (nunmehr Finanzamt Österreich) vom 14.8.2015 betreffend Umsatzsteuer für das Jahr 2012" ] }, { "type": "li", "children": [ "den Bescheid des Finanzamtes Bruck Leoben Mürzzuschlag (nunmehr Finanzamt Österreich) vom 14.8.2015 betreffend Verspätungszuschlag hinsichtlich Umsatzsteuer für das Jahr 2012" ] }, { "type": "li", "children": [ "den Bescheid des Finanzamtes Bruck Leoben Mürzzuschlag (nunmehr Finanzamt Österreich) vom 14.8.2015 betreffend Festsetzung von Anspruchszinsen für das Jahr 2013" ] } ], "attributes": { "class": "ListeAufzhlung", "style": "list-style-type: disc;" } }
beschlossen:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 260 Abs 1 lit b BAO als nicht fristgerecht eingebracht zurückgewiesen.
II. Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Begründung
1. Festgestellter Sachverhalt:
Im Anschluss an eine bei ***X*** durchgeführte Außenprüfung erließ das Finanzamt neben den im Spruch dieses gerichtlichen Beschlusses genannten Bescheiden ua die folgenden Bescheide:
{ "type": "ol", "children": [ { "type": "li", "children": [ "Bescheid vom 14.8.2015 betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer für das Jahr 2011" ] }, { "type": "li", "children": [ "Bescheid vom 14.8.2015 betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Umsatzsteuer für das Jahr 2011" ] }, { "type": "li", "children": [ "Bescheid vom 14.8.2015 betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer für das Jahr 2012" ] }, { "type": "li", "children": [ "Bescheid vom 14.8.2015 betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Umsatzsteuer für das Jahr 2012" ] }, { "type": "li", "children": [ "Bescheid vom 14.8.2015 betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2013" ] }, { "type": "li", "children": [ "Bescheid vom 14.8.2015 betreffend Umsatzsteuer für das Jahr 2013" ] }, { "type": "li", "children": [ "Bescheid vom 14.8.2015 betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2014" ] }, { "type": "li", "children": [ "Bescheid vom 14.8.2015 betreffend Umsatzsteuer für das Jahr 2014" ] } ], "attributes": { "class": "ListeAufzhlung", "style": "list-style-type: disc;" } }
Sowohl die im Spruch dieses gerichtlichen Beschlusses genannten Bescheide als auch die übrigen oben angeführten Bescheide sind mit 14.8.2015 datiert und an ***X*** zu Handen seines (damaligen) zustellungsbevollmächtigten steuerlichen Vertreters ***stV X***, ***Adresse stV X***, gerichtet. Sie langten am 14.8.2015 in der FinanzOnline-Databox dieses steuerlichen Vertreters ein und wurden ebendort am 17.8.2015 abgerufen (gelesen).
Mit FinanzOnline-Eingabe vom 11.9.2015 richtete ***X*** durch seinen steuerlichen Vertreter folgendes Fristverlängerungsansuchen an das Finanzamt:
"Datum des Bescheides: 14082015
Art des Bescheides: Wiederaufnahme ESB und USB 2011-2012, Festsetzung ESB und USB 2013-2014
Betreff: Fristverlängerung Beschwerdefrist
Da noch Unterlagen für die Einreichung der Beschwerde ausständig sind, bitte ich um Fristverlängerung bis zum 14.10.2015."
Mit Bescheid vom 21.9.2015 gab das Finanzamt dem Fristverlängerungsansuchen statt. Es führte wörtlich wie folgt aus:
"Ihrem Ansuchen vom 11.9.2015, eingelangt am 11.9.2015, um Verlängerung der Rechtsmittelfrist zur Einbringung einer Beschwerde gegen die Wiederaufnahmebescheide Umsatzsteuer und Einkommensteuer 2011 und 2012 sowie gegen die Erstbescheide betr. Umsatzsteuer und Einkommensteuer 2013 und 2014 wird stattgegeben. Die Frist wird bis zum 14.10.2015 verlängert."
Ein Ansuchen um Verlängerung der Beschwerdefrist hinsichtlich der im Spruch dieses gerichtlichen Beschlusses genannten Bescheide wurde nicht eingebracht.
Mit Schreiben vom 13.10.2015 brachte ***X*** durch seinen rechtsanwaltlichen Vertreter sowohl gegen die im Spruch dieses gerichtlichen Beschlusses genannten Bescheide als auch gegen die übrigen oben angeführten Bescheide das Rechtsmittel der Beschwerde ein. Dieses mit 13.10.2015 datierte Beschwerdeschreiben wurde am 14.10.2015 zur Post gegeben und langte am 15.10.2015 beim Finanzamt ein.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom 14.5.2018 wies das Finanzamt die Beschwerde gegen die im Spruch dieses gerichtlichen Beschlusses genannten Bescheide als verspätet zurück.
Mit Schreiben vom 11.6.2018 beantragte ***X*** durch seinen rechtsanwaltlichen Vertreter die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht. Auf die Ausführungen des Finanzamtes in der Beschwerdevorentscheidung wurde nicht eingegangen.
Am 28.6.2018 legte das Finanzamt den Beschwerdeakt dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.
Am ***tt.mm.2018*** verstarb ***X***.
Mit Beschluss des Bezirksgerichtes ***Stadt*** vom ***tt.mm.2019*** zu GZ ***GZ*** wurde die Verlassenschaft nach ***X*** seinen beiden Brüdern ***Erbe 1***, geboren am ***Geburtsdatum Erbe 1***, und ***Erbe 2***, geboren am ***Geburtsdatum Erbe 2***, je zur Hälfte rechtskräftig eingeantwortet.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellung, dass sowohl die im Spruch dieses gerichtlichen Beschlusses genannten Bescheide als auch die übrigen oben angeführten Bescheide am 14.8.2015 in der FinanzOnline-Databox von ***stV X***, dem (damaligen) zustellungsbevollmächtigten steuerlichen Vertreter von ***X***, einlangten und ebendort am 17.8.2015 abgerufen (gelesen) wurden, beruht auf dem vom Bundesfinanzgericht bei der für IT-Angelegenheiten zuständigen Abteilung des Bundesministeriums für Finanzen eingeholten Databox-Protokoll, das detaillierte Angaben zum Zeitpunkt des Einlangens der Bescheide in der FinanzOnline-Databox von ***stV X*** sowie zum Zeitpunkt des Abrufens (Lesens) der Bescheide in der FinanzOnline-Databox von ***stV X*** enthält. Dieses Databox-Protokoll, das der Richter dem steuerlichen Vertreter der Erbengemeinschaft im Zuge des am 5.6.2025 abgehaltenen Erörterungstermines zur Kenntnis brachte, wurde von Letzterem nicht in Zweifel gezogen. Auch das Bundesfinanzgericht zweifelt nicht an der Richtigkeit der im Databox-Protokoll ausgewiesenen Daten.
Die Feststellung, dass ***stV X*** der (damalige) zustellungsbevollmächtigte steuerliche Vertreter von ***X*** war, war im gesamten Verfahren unstrittig. Eine Abfrage der im elektronischen Akt (Grunddatenverwaltung) hinterlegten Vollmachts-Daten hat dies bestätigt.
Die Feststellung, dass hinsichtlich der im Spruch dieses gerichtlichen Beschlusses genannten Bescheide ein Ansuchen um Verlängerung der Beschwerdefrist nicht gestellt wurde, beruht auf den diesbezüglichen Ausführungen in der Beschwerdevorentscheidung. Diesen Ausführungen, denen Vorhaltscharakter zukommt (zum Vorhaltscharakter der Beschwerdevorentscheidung vgl etwa VwGH 6.2.2025, Ra 2024/13/0121; VwGH 7.9.2023, Ra 2022/15/0097), trat die beschwerdeführende Partei weder im Vorlageantrag noch im weiteren Verlauf des Beschwerdeverfahrens entgegen. Auch sonst finden sich im Akt keinerlei Hinweise auf ein diesbezügliches Fristverlängerungsansuchen.
Dass das mit 13.10.2015 datierte Beschwerdeschreiben am 14.10.2015 per Post eingebracht wurde und am 15.10.2015 beim Finanzamt einlangte, ist dem auf dem Beschwerdeschreiben angebrachten Eingangsstempel des Finanzamtes, der den 15.10.2015 mit dem Zusatzvermerk "P: 14.10.2015" ausweist, zu entnehmen. Zudem blieb der ausdrückliche Hinweis in der Beschwerdevorentscheidung, dass das Beschwerdeschreiben am 14.10.2015 eingebracht worden sei, seitens der beschwerdeführenden Partei unwidersprochen.
Die übrigen Feststellungen ergeben sich allesamt aus den im Akt einliegenden Unterlagen und sind unstrittig.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Zurückweisung):
Gemäß § 245 Abs 1 Satz 1 BAO beträgt die Beschwerdefrist einen Monat.
Aus § 109 BAO folgt, dass für den Beginn der Beschwerdefrist der Tag maßgebend ist, an dem die Erledigung bekanntgegeben worden ist (vgl Ritz/Koran, BAO7 § 245 Tz 4).
Gemäß § 98 Abs 2 BAO gelten elektronisch zugestellte Dokumente als zugestellt, sobald sie in den elektronischen Verfügungsbereich des Empfängers gelangt sind. Im Zweifel hat die Behörde die Tatsache und den Zeitpunkt des Einlangens von Amts wegen festzustellen.
Der Zeitpunkt, in dem die Daten in den elektronischen Verfügungsbereich des Empfängers gelangt sind, ist bei FinanzOnline der Zeitpunkt der Einbringung der Daten in die Databox, zu welcher der Empfänger Zugang hat (vgl VwGH 31.7.2013, 2009/13/0105).
Die im Spruch dieses gerichtlichen Beschlusses genannten Bescheide, die allesamt an ***X*** zu Handen seines (damaligen) zustellungsbevollmächtigten steuerlichen Vertreters ***stV X*** gerichtet sind, langten am 14.8.2015 in der FinanzOnline-Databox dieses steuerlichen Vertreters ein und wurden ebendort am 17.8.2015 abgerufen (gelesen).
Die einmonatige Beschwerdefrist begann daher am 14.8.2015 zu laufen.
Zum aktenkundigen Ansuchen um Verlängerung der Beschwerdefrist vom 11.9.2015, in welchem wörtlich auf die "Wiederaufnahme ESB und USB 2011-2012, Festsetzung ESB und USB 2013-2014" Bezug genommen wird, ist der Klarstellung halber Folgendes zu bemerken:
Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH kommt es für die Beurteilung von Parteianträgen nicht auf die Bezeichnung von Schriftsätzen und zufälligen verbalen Formen an, sondern auf den Inhalt, das erkennbare oder zu erschließende Ziel des Parteischrittes. Maßgebend für die Wirksamkeit einer Prozesserklärung ist das Erklärte, nicht das Gewollte. Allerdings ist das Erklärte der Auslegung zugänglich. Parteierklärungen sind nach ihrem objektiven Erklärungswert auszulegen, dh es kommt darauf an, wie die Erklärung unter Berücksichtigung der konkreten gesetzlichen Regelung, des Verfahrenszweckes und der der Behörde vorliegenden Aktenlage objektiv verstanden werden muss. Im Zweifel ist dem Anbringen einer Partei, das sie zur Wahrung ihrer Rechte stellt, nicht ein solcher Inhalt beizumessen, der ihr die Rechtsverteidigungsmöglichkeit nimmt. Allerdings kann auch bei rechtsschutzfreundlicher Interpretation von Parteienerklärungen nicht die Befugnis oder Pflicht der Behörde abgeleitet werden, von der Partei tatsächlich nicht erstattete Erklärungen aus der Erwägung als erstattet zu fingieren, dass der Kontext des Parteienvorbringens die Erstattung der nichterstatteten Erklärung nach behördlicher Beurteilung als notwendig, ratsam oder empfehlenswert erscheinen lässt (vgl etwa VwGH 29.7.2020, Ra 2020/13/0046, mit Hinweisen auf Vorjudikatur).
Aus dem Umstand, dass sich das oben zitierte Fristverlängerungsansuchen vom 11.9.2015 einerseits ausdrücklich auf die "Wiederaufnahme" (dh auf die Wiederaufnahmsbescheide) hinsichtlich Einkommensteuer und Umsatzsteuer 2011 und 2012 sowie andererseits ausdrücklich auf die "Festsetzung" (dh auf die Sachbescheide) hinsichtlich Einkommensteuer und Umsatzsteuer 2013 und 2014 bezieht, ist unzweifelhaft der Schluss zu ziehen, dass hinsichtlich Einkommensteuer und Umsatzsteuer 2011 und 2012 die Verlängerung der Beschwerdefrist nur betreffend die Wiederaufnahmsbescheide, nicht hingegen betreffend die im Spruch dieses gerichtlichen Beschlusses genannten Sachbescheide (Einkommensteuerbescheide 2011 und 2012, Umsatzsteuerbescheide 2011 und 2012) begehrt wird. Damit steht aber auch fest, dass keiner der im Spruch dieses gerichtlichen Beschlusses genannten Bescheide vom gegenständlichen Fristverlängerungsansuchen umfasst ist.
Mangels Fristverlängerung endete die Beschwerdefrist hinsichtlich der im Spruch dieses gerichtlichen Beschlusses genannten Bescheide mit Ablauf des 14.9.2015, bei dem es sich um einen Montag handelt (vgl § 108 Abs 2 und 3 BAO).
Die Beschwerde vom 13.10.2015 wurde somit nach Ablauf der Beschwerdefrist eingebracht.
Nach Ablauf der Beschwerdefrist eingebrachte Beschwerden sind gemäß § 260 Abs 1 lit b BAO als verspätet zurückzuweisen. Dies hat durch die Abgabenbehörde mit Beschwerdevorentscheidung ( § 262 BAO) bzw durch das Verwaltungsgericht mit Beschluss ( § 278 BAO) zu erfolgen. Die Beschwerde war daher gemäß § 260 Abs 1 lit b BAO in Verbindung mit § 278 Abs 1 lit a BAO beschlussmäßig zurückzuweisen.
Ergänzender Hinweis: Da mit diesem gerichtlichen Beschluss der zur GZ RV/2100695/2018 anhängige Beschwerdeakt noch nicht vollumfänglich erledigt ist (ein Teil der Beschwerde vom 13.10.2015 ist - noch - unerledigt), ergeht dieser Beschluss gesondert zur GZ RV/2100697/2018.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision):
Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der Beschluss von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Soweit Rechtsfragen zu klären waren, stützt sich die vorliegende Entscheidung auf die oben zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Die Voraussetzungen für eine Revisionszulassung sind daher nicht erfüllt.
Graz, am 14. August 2025