BESCHLUSS
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***5***, ***6***, ***3***, betreffend Beschwerde vom 16. Juli 2023 gegen den Bescheid des ***FA*** DS ***1*** vom 24. Mai 2023 betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2022 Steuernummer ***BF1StNr1*** beschlossen:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 260 Abs. 1 lit b BAO in Verbindung mit § 278 Abs. 1 lit a BAO als nicht fristgerecht eingebracht zurückgewiesen.
II. Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Begründung
Strittig ist im gegenständlichen Beschwerdefall, ob die elektronische Zustellung des Einkommensteuerbescheides 2022 am 24.05.2023 in die FinanzOnline-Databox der Beschwerdeführerin (Bfin.) rechtens war und die Bescheidbeschwerde vom 16.07.2023 sohin verspätet eingebracht wurde.
Seit ***4*** ist sie an der Adresse ***7*** ***3*** wohnhaft (Nebenwohnsitz-ZMR-Abfrage des Gerichtes v. 01.08.2025).
In der Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2022 vom 5.2.2023 beantragte die Beschwerdeführerin (Bfin.) die Berücksichtigung von Aufwendungen für Familienheimfahrten iHv. € 6.740,14.
Mit Einkommensteuerbescheid 2022 vom 24.5.2023 wurde die Veranlagung vorgenommen. Die Kosten für Familienheimfahrten wurden nicht berücksichtigt, da die Bf. und ihr Gatte gemeinsam am Nebenwohnsitz in Wien gemeldet und somit die Familienheimfahrten privat begründet seien. Die Zustellung des Bescheides erfolgte am 24.5.2023 in die FinanzOnline Databox/Nachrichten der Bfin.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die von der Bf. über FinanzOnline verspätet eingebrachte Beschwerde vom 16.7.2023.
Die Zurückweisung der Beschwerde erfolgte mit Beschwerdevorentscheidung vom 20.10.2023.
Gegen den Zurückweisungsbescheid vom 20.10.2023 wurde von der Bfin. am 11.1.2024, und somit wiederum verspätet, Beschwerde eingebracht. Diese Beschwerde wäre vom Finanzamt als Vorlageantrag zu werten gewesen. Irrtümlich wurde stattdessen jedoch eine weitere Beschwerdevorentscheidung vom 29.4.2024 erlassen.
Nach Einbringung einer weiteren Beschwerde vom 5.5.2024 wurde die irrtümlich erlassene Beschwerdevorentscheidung vom 29.4.2024 mit Aufhebungsbescheid vom 1.7.2024 gemäß § 299 BAO durch das FAÖ DS ***1*** aufgehoben und der Verfahrensmangel im eigenen Wirkungsbereich somit beseitigt.
Gemäß § 260 Abs 1 BAO ist die Bescheidbeschwerde mit Beschluss zurückzuweisen, wenn sie a) nicht zulässig ist oder b) nicht fristgerecht eingebracht wurde.
Gemäß § 245 Abs. 1 BAO beträgt die Beschwerdefrist einen Monat ab Zustellung.
Wird der Lauf einer Frist durch eine behördliche Erledigung ausgelöst, so ist für den Beginn der Frist der Tag maßgebend, an dem die Erledigung bekanntgegeben worden ist ( § 109 BAO bzw. § 97 Abs. 1 BAO).
Für vorliegenden Beginn des Fristenlaufes der einmonatigen Beschwerdefrist betreffend den Einkommensteuerbescheid 2022 ist maßgeblich, wann dieser zugestellt wurde.
Im Erkenntnis des VwGH vom 22.11.2023, Ra 2023/13/0048 befasste sich der VwGH bereits mit der Frage der Richtigkeit einer elektronischen Zustellung.
Der VwGH führte dabei aus, dass elektronisch zugestellte Dokumente als zugestellt gelten, sobald sie in den elektronischen Verfügungsbereich des Empfängers gelangt sind. Voraussetzung für die Wirksamkeit dieser Zustellung ist, dass der Empfänger Zugang zu diesem Speicherbereich hat (vgl - mit näheren Hinweisen - VwGH 31.7.2013, 2009/13/0105; VwGH 26.01.2013, Ra 2022/16/0112).
Als Empfänger ist im Zustellrecht im Allgemeinen der "formelle" Empfänger gemeint; dieser ist von der Behörde in der Zustellverfügung ( § 5 ZustG) zu bestimmen. Es handelt sich hiebei zwar im Regelfall um die Person, für die der Inhalt des zuzustellenden Dokuments bestimmt ist ("materieller Empfänger"); dies muss aber nicht der Fall sein (zB gesetzlicher Vertreter, Zustellungsbevollmächtigter; vgl. VwGH 15.12.2022, Ra 2022/13/0023 mwN).
In vorliegendem Fall wurde der Einkommensteuerbescheid 2022 am 24.05.2023 elektronisch zugestellt.
Erledigungen der Abgabenbehörde werden dadurch wirksam, dass sie demjenigen bekanntgegeben werden, für den sie ihrem Inhalt nach bestimmt sind. Die Bekanntgabe erfolgt bei schriftlichen Erledigungen, wenn nicht in besonderen Vorschriften die öffentliche Bekanntmachung oder die Auflegung von Listen vorgesehen ist, durch Zustellung ( § 97 Abs 1 lit a BAO).
§ 98 BAO normiert Folgendes:
(1) Soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, sind Zustellungen nach dem Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982, vorzunehmen; das gilt nicht für den 3. Abschnitt des ZustG (Elektronische Zustellung).
(2) Elektronisch zugestellte Dokumente gelten als zugestellt, sobald sie in den elektronischen Verfügungsbereich des Empfängers gelangt sind. Im Zweifel hat die Behörde die Tatsache und den Zeitpunkt des Einlangens von Amts wegen festzustellen.
Die Zustellung gilt als nicht bewirkt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung mit dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag wirksam.
Die FOnV 2006 ist eine Verordnung iSd § 97 Abs 3 zweiter Satz BAO.
§ 5 b der FinanzOnlineverordnung 2006 (FONV 2006) in der im Streitjahr geltenden Fassung mit der Überschrift "Elektronische Zustellung" lautet auszugsweise wie folgt:
"(1) Die Abgabenbehörden haben nach Maßgabe ihrer technischen Möglichkeiten Zustellungen an Empfänger, die Teilnehmer von FinanzOnline sind, elektronisch vorzunehmen.
(2) Jeder Teilnehmer, der an der elektronischen Form der Zustellung über FinanzOnline teilnimmt, hat in FinanzOnline eine E-Mailadresse anzugeben, wenn er über die elektronische Zustellung informiert werden möchte. Die Wirksamkeit der Zustellung der Erledigung selbst wird durch die Nichtangabe, durch die Angabe einer nicht dem Teilnehmer zuzurechnenden oder durch die Angabe einer unrichtigen oder ungültigen E-Mailadresse nicht gehindert."
[…]
Der Zeitpunkt, an dem die Daten in den elektronischen Verfügungsbereich des Empfängers gelangt sind, ist bei FinanzOnline der Zeitpunkt der Einbringung der Daten in die Databox, zu der der Empfänger Zugang hat. Auf das tatsächliche Einsehen der Databox durch den FinanzOnline-Teilnehmer (zB Öffnen, Lesen, oder Ausdrucken eines Bescheides) kommt es nicht an.
Irrelevant ist das Datum der Information über die in die Databox erfolgte Zustellung. Der Zeitpunkt der Einbringung der Daten in die Databox ist auch dann der Zustellzeitpunkt, wenn die in § 5b Abs 2 FOnV 2006 vorgesehene Information an der vom Teilnehmer angegebenen elektronischen Adresse unterblieben ist. Diese Information hat lediglich Service-Charakter. Sie ist keine Voraussetzung für die Wirksamkeit der elektronischen Zustellung (vgl zu dem und den vorstehenden Absätzen Ritz/Koran, BAO8 § 98 Rz 4mwN auf die Rechtsprechung des BFG).
Die Nichtangabe einer E-Mailadresse (bzw. die nicht erteilte Zustimmung) zur Verständigung über die Zustellung per E-Mail hindert nach § 5b Abs 2 FOnV 2006 die Wirksamkeit der Zustellung nicht (VwGH 26.1.2023, Ra 2022/16/0112; BFG 1.8.2023, RV/7101939/2023).
Die Bfin. verfügte über einen eigenen aufrechten FinanzOnline-Zugang und hatte Zugriff zu dessen Databox bzw Speicherbereich.
Der Einkommensteuerbescheid 2022 vom 24.5.2023 und die abweisende Beschwerdevorentscheidung vom 20.10.2023 wurden jeweils am Tag der Bescheiderlassung in die FinanzOnline-Databox/Nachrichten der Bfin. zugestellt.
Zusammenfassend ist nun festzuhalten, dass der Einkommensteuerbescheid 2022 am 24.05.2023 elektronisch zugestellt wurde und die einmonatige Beschwerdefrist daher gemäß § 108 BAO am Montag, den 26.06.2023 endete, da der 24.06.2023 ein Samstag war.
Die Beschwerde vom 16.07.2023 wurde daher verspätet eingebracht, weshalb sie wegen Versäumung der Beschwerdefrist zurückzuweisen war (siehe auch die Begründung in der BVE v. 20.10.2023).
Der Vollständigkeit halber wird bemerkt, dass die zweite (aber rechtswidrige) BVE v. 29.04.2024 durch das FAÖ DS ***1*** (noch vor der Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinangericht am 02.07.2024) im Wege einer § 299 BAO-Aufhebung im eigenen Wirkungsbereich des FAÖ aus dem Rechtsbestand beseitigt wurde.
Zu Spruchpunkt II. (Zulässigkeit einer Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Zurückweisung einer Beschwerde im Falle ihrer verspäteten Einbringung ergibt sich (zwingend) aus dem diesbezüglich klaren Gesetzeswortlaut.
Überdies folgt das Bundefinanzgericht mit vorliegender Entscheidung der zitierten höchstgerichtlichen Rechtsprechung. Die Voraussetzungen für die Revisionszulassung sind demnach nicht erfüllt.
Linz, am 4. August 2025