Vorwort
Artikel 1
Art. 1
(1) Dieses Abkommen ist auf den Konkurs und auf den Ausgleich von Kaufleuten oder von Handelsgesellschaften sowie auf den Kaufleuten oder Handelsgesellschaften bewilligten Zahlungsaufschub anzuwenden. Die Eigenschaft als Kaufmann oder als Handelsgesellschaft ist nach dem Recht des Vertragsstaates zu beurteilen, auf dessen Gebiet sich die Wirkungen des Konkurses, des Ausgleiches oder des Zahlungsaufschubes auf Grund dieses Abkommens erstrecken.
(2) Für die Anwendung dieses Abkommens werden die Genossenschaften den Handelsgesellschaften gleichgehalten.
Artikel 2
Art. 2
(1) Die Gerichte des Vertragsstaates, auf dessen Gebiet der Kaufmann seine Geschäftsleitung oder die Handelsgesellschaft ihren Sitz hat, sind für die Eröffnung des Konkurses ausschließlich zuständig.
(2) Sind die Gerichte der Vertragsstaaten nicht gemäß Absatz 1 zuständig, so wird ihre Zuständigkeit dennoch anerkannt, wenn über den Schuldner in demjenigen der beiden Staaten, in dem er eine Niederlassung hat, der Konkurs eröffnet wurde. Die Zuständigkeit des Gerichtes desjenigen der beiden Staaten, in dem der Schuldner eine Niederlassung besitzt, wird jedoch von dem anderen Staate nicht anerkannt, wenn dieser einem zwischenstaatlichen Abkommen angehört, das die Zuständigkeit der Gerichte eines dritten Staates vorsieht.
(3) Werden Gerichte jedes der beiden Vertragsstaaten auf Grund des Absatzes 1 oder des Absatzes 2 mit Konkurssachen befaßt, die denselben Kaufmann oder dieselbe Handelsgesellschaft betreffen, so hat das später befaßte Gericht das Verfahren einzustellen, außer das zuerst befaßte Gericht hätte sich für unzuständig erklärt.
Artikel 3
Art. 3
Die Gerichte des Vertragsstaates, in dem der Konkurs eröffnet worden ist, werden für zuständig erachtet, insoweit sie über Ansprüche entschieden haben, die sich nach der Rechtsordnung eines der beiden Staaten unmittelbar aus dem Konkurs ergeben.
Artikel 4
Art. 4
(1) Die privatrechtlichen Wirkungen des in einem Vertragsstaat durch das gemäß Artikel 2 zuständige Gericht eröffneten Konkurses erstrecken sich auch auf das Gebiet des anderen Staates.
(2) Die Eröffnung des Konkurses in einem Vertragsstaat übt auf den Gemeinschuldner im anderen Vertragsstaat, was seine Rechte der Berufsausübung anlangt, die Wirkungen aus, die nach dem Recht dieses anderen Vertragsstaates den Gemeinschuldner in seiner Eigenschaft als Kaufmann treffen.
(3) Soweit das Recht des Vertragsstaates, in dem der Konkurs eröffnet wurde, ihn dazu befugt, kann der Masseverwalter in dem anderen Staat als Vertreter des Gemeinschuldners oder der Masse einschreiten und insbesondere:
1. alle Maßnahmen zur Sicherung und Verwaltung der Masse treffen;
2. Rechte vor Gericht geltend machen;
3. bewegliches Vermögen des Gemeinschuldners veräußern;
4. die Veräußerung unbeweglichen Vermögens vornehmen lassen und sich zu diesem Zweck in Österreich an das Handelsgericht Wien, in Belgien an das Handelsgericht Brüssel wenden; diese Gerichte ordnen alle zur Veräußerung erforderlichen Maßnahmen so an, als ob der Konkurs auf dem Gebiet ihres Staates eröffnet worden wäre.
Artikel 5
Art. 5
Das Gericht, das den Konkurs eröffnet hat, kann einen besonderen Verwalter bestellen, der befugt ist, auf dem Gebiet des anderen Vertragsstaates gemäß Artikel 4 Absatz 3 einzuschreiten.
Artikel 6
Art. 6
(1) Das Gericht, das den Konkurs eröffnet hat, kann das in Absatz 4 bezeichnete Gericht des anderen Staates im Rechtshilfewege um Veranlassung der Bekanntmachung des Konkurseröffnungsbeschlusses sowie jeder anderen, den Konkurs betreffenden Entscheidung ersuchen, wenn anzunehmen ist, daß sich Gläubiger oder Vermögenswerte des Schuldners in diesem Staate befinden.
(2) Das ersuchte Gericht hat die Übersetzung der ihm übersendeten Entscheidungen zu veranlassen und die Übersetzung in der Form bekanntzumachen, die das Recht seines Staates vorsieht. Das ersuchte Gericht hat weiters nach dem Recht seines Staates die Eintragung der Entscheidungen in die öffentlichen Bücher und Register zu veranlassen und die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, damit die an den Gemeinschuldner gerichteten Sendungen dem Masseverwalter ausgefolgt werden.
(3) Der Staat des ersuchten Gerichtes ist berechtigt, von dem Staat des ersuchenden Gerichtes die Erstattung der Bekanntmachungs- und Eintragungskosten zu verlangen.
(4) Das Gericht, dem das Rechtshilfeersuchen zu übersenden ist, ist in Österreich das Handelsgericht Wien, in Belgien das Handelsgericht Brüssel. Dieses Gericht hat das Rechtshilfeersuchen an ein anderes Gericht desselben Staates weiterzuleiten, wenn es nicht selbst die Durchführung der erforderlichen Maßnahmen anordnen kann.
Artikel 7
Art. 7
(1) Die Wirkungen der Eröffnung, der Aufhebung sowie jeder anderen Art der Beendigung des Konkurses treten in dem anderen Vertragsstaat zu dem Zeitpunkt ein, den das Recht des Staates, in dem der Konkurs eröffnet wurde, bestimmt.
(2) Wurde in einem Vertragsstaat der Konkurs eröffnet, so sind, abweichend von der Bestimmung des Absatzes 1, dem Gemeinschuldner in dem anderen Staat geleistete Zahlungen wirksam und befreien den Verpflichteten gegenüber der Masse, wenn sie vor den nach dem Recht dieses Staates vorgeschriebenen Bekanntmachungen geleistet wurden, es sei denn, daß der Verpflichtete von der Eröffnung des Konkurses Kenntnis hatte oder Kenntnis haben mußte. Zahlungen, die in diesem Staat nach den vorgeschriebenen Bekanntmachungen geleistet wurden, befreien den Verpflichteten nur insoweit, als sie der Masse zugute kommen oder der Verpflichtete trotz Bekanntmachung der Konkurseröffnung von dieser keine Kenntnis haben konnte.
Artikel 8
Art. 8
(1) Die Forderungen, die vorzugsweise aus beweglichen Vermögensbestandteilen zu befriedigen sind, sowie die Reihenfolge dieser Privilegien bestimmen sich nach dem Recht des Vertragsstaates, in dem der Konkurs eröffnet worden ist.
(2) Die Hypotheken und Rechte auf vorzugsweise Befriedigung aus unbeweglichem Vermögen richten sich nach dem Recht des Vertragsstaates, in dem sich dieses Vermögen befindet.
(3) Die Hypotheken und Rechte auf vorzugsweise Befriedigung aus Seeschiffen, Binnenschiffen und Luftfahrzeugen richten sich nach dem Recht des Vertragsstaates, in dem diese eingetragen sind.
(4) Die Arbeiter und Angestellten einer Niederlassung des Gemeinschuldners in demjenigen der Vertragsstaaten, in dem der Konkurs nicht eröffnet wurde, können sich für das auf dem Gebiet dieses Staates befindliche Vermögen hinsichtlich der Gesamtheit ihrer Rechte auf vorzugsweise Befriedigung ihrer Ansprüche aus dem Dienstverhältnis auf das Recht des einen oder anderen der beiden Staaten berufen.
(5) Bei Eröffnung des Konkurses in einem Vertragsstaat werden die Forderungen juristischer Personen des öffentlichen Rechts des anderen Staates zur Befriedigung aus der Masse zugelassen. Die Rechte auf vorzugsweise Befriedigung dieser Forderungen werden nur hinsichtlich des Vermögens anerkannt, das sich auf dem Gebiet des Staates befindet, in dem der Konkurs nicht eröffnet wurde; sie richten sich dort nach dem Recht dieses Staates.
Artikel 9
Art. 9
(1) Die in einem Vertragsstaat von dem im Sinne des Artikels 2 zuständigen Gericht gefällten Entscheidungen auf dem Gebiet des Konkurses einschließlich des Zwangsausgleiches, auf dem Gebiet des Ausgleiches oder auf dem des Zahlungsaufschubes werden in dem anderen Staat anerkannt, es sei denn, daß sie der öffentlichen Ordnung dieses Staates widersprechen oder daß die Rechte der Verteidigung nicht gewahrt wurden. Dasselbe gilt für die Entscheidungen über sich unmittelbar aus dem Konkurs ergebende Ansprüche, die von dem im Sinne des Artikels 3 zuständigen Gericht gefällt worden sind. Die Wirkungen der im vorliegenden Absatz bezeichneten Entscheidungen treten in dem anderen Staat zu dem Zeitpunkt ein, den das Recht des Staates, in dem sie gefällt wurden, bestimmt.
(2) Im Falle des Ausgleiches kann die zuständige Behörde eines Vertragsstaates entsprechend dem für sie geltenden Recht alle zur Überwachung der Verwaltung oder zur Liquidation des Vermögens des Schuldners im anderen Staat erforderlichen Maßnahmen treffen; insbesondere kann sie zu diesem Zweck eine Person bestellen, die befugt ist, auf dem Gebiet des anderen Staates einzuschreiten.
(3) Für die Bekanntmachungen und für die Eintragungen in öffentliche Bücher und Register, zu denen die in Absatz 1 angeführten Entscheidungen in dem Vertragsstaat, in dem die Entscheidungen nicht gefällt wurden, Anlaß geben können, gilt Artikel 6.
Artikel 10
Art. 10
Die Bestimmungen dieses Abkommens betreffend die Entscheidungen des österreichischen Gerichts, das den Konkurs eröffnet oder den Ausgleich bestätigt hat, gelten auch für die Auszüge aus dem Anmeldungsverzeichnis, die von diesem Gericht als Exekutionstitel ausgestellt werden.
Artikel 11
Art. 11
(1) Sollen auf Grund einer Entscheidung, die von einem österreichischen Gericht in einem Verfahren, für das dieses Abkommen gilt, gefällt wurde und die in Österreich vollstreckbar ist, in Belgien Vollstreckungshandlungen gesetzt werden, so wird die Entscheidung in Belgien im Wege der Vollstreckbarerklärung durch den Gerichtshof erster Instanz vollstreckbar gemacht, wenn sie nach dem Abkommen anzuerkennen ist. Gegen die Vollstreckbarerklärung sind alle nach belgischem Recht hiefür vorgesehenen Rechtsmittel mit Ausnahme der „opposition“ zulässig.
(2) Ist eine Entscheidung, die von einem belgischen Gericht in einem Verfahren, für das dieses Abkommen gilt, gefällt wurde, in Belgien vollstreckbar, so ist sie auch in Österreich vollstreckbar, wenn sie nach dem Abkommen anzuerkennen ist. Gegen die Exekutionsbewilligung sind alle nach österreichischem Recht hierfür vorgesehenen Rechtsmittel zulässig.
(3) Der Antrag auf Vollstreckung der Entscheidung in Österreich oder auf Vollstreckbarerklärung der Entscheidung in Belgien ist in der Form und nach den von der Rechtsordnung des Staates, wo die Vollstreckung begehrt wird, aufgestellten Vorschriften einzubringen und zu beurteilen.
(4) Die antragstellende Partei hat vorzulegen:
1. eine Ausfertigung der Entscheidung;
2. im Fall einer Versäumnisentscheidung eine mit der Bestätigung ihrer Richtigkeit versehene Abschrift der Ladung oder ein anderes zur Feststellung der gesetzmäßigen Ladung des Beklagten geeignetes Schriftstück.
(5) Die vorgelegten Schriftstücke sind von Beglaubigungen und von allen Formerfordernissen ähnlicher Art befreit; es ist ihnen eine Übersetzung in eine der Amtssprachen des ersuchten Staates anzuschließen, deren Richtigkeit von einem beeideten Übersetzer eines der beiden Staaten bestätigt sein muß.
Artikel 12
Art. 12
Dieses Abkommen ist nur auf die nach dem Tage seines Inkrafttretens eröffneten Konkurse und nur auf Ausgleiche und Zahlungsaufschübe anzuwenden, die nach diesem Tage beantragt wurden.
Artikel 13
Art. 13
(1) Dieses Abkommen ist zu ratifizieren. Der Austausch der Ratifikationsurkunden hat so bald wie möglich in Wien stattzufinden.
(2) Das Abkommen tritt am sechzigsten Tage nach dem Austausch der Ratifikationsurkunden in Kraft.
Artikel 14
Art. 14
Jeder der Vertragsstaaten kann dieses Abkommen durch schriftliche, an den anderen Staat zu richtende Notifikation aufkündigen. Die Aufkündigung wird ein Jahr nach dem Zeitpunkt, an dem sie notifiziert wurde, wirksam.
Artikel 15
Art. 15
Jede Streitigkeit hinsichtlich der Auslegung oder der Anwendung des vorliegenden Abkommens, die zwischen den Vertragsstaaten entstehen könnte, ist auf diplomatischem Wege beizulegen.
ZU URKUND DESSEN haben die Bevollmächtigten der beiden Staaten dieses Abkommen unterschrieben und mit ihren Siegeln versehen.
GESCHEHEN zu Brüssel, am 17. VII. 1969, in dreifacher Ausfertigung, in deutscher, französischer und niederländischer Sprache, wobei die drei Texte gleichermaßen authentisch sind.
Zusatzprotokoll zum Abkommen vom 16. 7. 1969 zwischen der Republik Österreich und dem Königreich Belgien über Konkurs, Ausgleich und Zahlungsaufschub
Anl. 1
Die Vertragstaaten des am 16. Juli 1969 in Brüssel unterzeichneten Abkommens zwischen der Republik Österreich und dem Königreich Belgien über Konkurs, Ausgleich und Zahlungsaufschub, nachstehend als „das Abkommen“ bezeichnet, haben folgendes vereinbart:
Artikel I
Anl. 1
Die Bestimmungen des Abkommens sind auf den Konkurs und den Ausgleich von Versicherungsgesellschaften sowie den solchen Gesellschaften eingeräumten Zahlungsaufschub nicht anzuwenden.
Artikel II
Anl. 1
Dieses Protokoll bildet einen integrierenden Teil des Abkommens.
ZU URKUND DESSEN haben die hiezu ordnungsgemäß Bevollmächtigten dieses Protokoll unterschrieben und mit ihren Siegeln versehen.
GESCHEHEN zu Brüssel, am 13. Juni 1973, in zwei Urschriften in deutscher, französischer und niederländischer Sprache, wobei die drei Texte gleichermaßen verbindlich sind.