Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler und die Hofrätin Dr. in Oswald sowie den Hofrat Mag. Pichler als Richterin und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Wagner, über die Revision des P O, vertreten durch Mag. Robert Morianz, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. März 2025, I407 2291976 1/48E, betreffend Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Nebenaussprüchen und eines befristeten Einreiseverbots (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Der Revisionswerber ist ein 1972 geborener nigerianischer Staatsangehöriger, der sich seit dem Jahr 2003 im Bundesgebiet aufhält und über einen unbefristeten Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt EU“ verfügt. Im Bundesgebiet leben auch die Ehegattin des Revisionswerbers und seine vier zwischen Oktober 2008 und Juli 2019 geborenen Kinder. Die Ehegattin und das jüngste Kind verfügen über einen befristeten Aufenthaltstitel „Rot Weiß Rot Karte plus“, die anderen drei Kinder verfügen über einen unbefristeten Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt EU“.
2Der Revisionswerber wurde im Laufe seines Aufenthalts in Österreich mehrfach straffällig und wurde zwischen April 2008 und Februar 2010 viermal rechtskräftig wegen teils versuchten, teils vollendeten Vermögensdelikten (schwerer Betrug gemäß §§ 146, 147 Abs. 1 Z 1 1. und 2. Fall StGB und Unterschlagung gemäß § 134 Abs. 1 StGB), gefährlicher Drohung (§ 107 Abs. 1 StGB), Körperverletzung (§ 83 Abs. 1 StGB) und dem Gebrauch fremder Ausweise (§ 231 Abs. 1 StGB) zu einer Geldstrafe sowie zu bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafen in der Dauer zwischen zwei und neun Monaten verurteilt.
3 Beginnend mit dem Jahr 2016 beging der Revisionswerber weitere Straftaten.
4Er wurde zunächst mit Urteil des Bezirksgerichtes Neumarkt bei Salzburg vom 31. Oktober 2019 wegen Diebstahls gemäß § 127 StGB zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen à € 4,00 verurteilt. Dieser Verurteilung lag zu Grunde, der Revisionswerber habe im Mai 2019 bei einem Flohmarkt 2 Säcke mit Altkleidung unrechtmäßig mitgenommen.
5Zuletzt wurde über den Revisionswerber mit im Rechtsmittelweg ergangenem Urteil des Oberlandesgerichtes Linz vom 6. Februar 2024 wegen grenzüberschreitenden Prostitutionshandels gemäß § 217 Abs. 2 StGB, Schlepperei gemäß § 114 Abs. 1 FPG, versuchter Erpressung gemäß §§ 15 Abs. 1, 144 StGB und Zuhälterei gemäß § 216 Abs. 1 und Abs. 2 StGB eine unbedingte Zusatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 3 Jahren, 5 Monaten und 15 Tagen verhängt. Diesem Urteil lag zu Grunde, der Revisionsweber habe im Jahr 2016 im Zusammenwirken mit einer Mittäterin zwei weibliche nigerianische Staatsangehörige, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht in Österreich hatten, unter dem Vorwand, dass diese im Bundesgebiet einer ordentlichen Beschäftigung nachgehen und die Reisekosten leicht abzuarbeiten seien, dazu veranlasst, nach Österreich zu kommen, wobei der Revisionswerber von Beginn an beabsichtigt habe, dass die beiden Frauen in Österreich der Prostitution nachgehen sollten. Der Revisionswerber habe auch die Reise der beiden Opfer über die Mittelmeerroute und Italien nach Österreich organisiert. Danach habe er die beiden nigerianischen Staatsangehörigen zumindest einen Monat lang in seiner Wohnung beherbergt. Nach ihrer Ankunft in Österreich habe er den beiden Frauen mitgeteilt, dass sie die Kosten ihrer Schleppung in Höhe von € 40.000 durch die Ausübung von Prostitution erwirtschaften und bezahlen sollten. Im Jahr 2018 habe der Revisionswerber eine der beiden Frauen zu nötigen versucht, indem er sie aufgefordert habe, sie möge ihm die geforderten € 40.000 endlich übergeben, ansonsten würde er ihre Familie in Nigeria verhaften lassen. Außerdem habe der Revisionswerber von August 2016 bis in das Jahr 2019 die zweite Frau ausgenutzt und eingeschüchtert und ihr einen wesentlichen Teil ihrer Einkünfte aus der Prostitution in Höhe von € 15.000 bis € 20.000 abgenommen, indem er gedroht habe, ihrer Familie in Nigeria Probleme zu bereiten, wenn sie ihm das Geld nicht aushändige. Der Revisionswerber habe beabsichtigt, sich durch die Prostitutionsausübung seiner Opfer eine fortlaufende Einnahmequelle zu verschaffen.
6Mit Bescheid vom 18. April 2024 erließ das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) mit Bezug auf die genannten Verurteilungen und die ihnen zu Grunde liegenden Straftaten gegen den Revisionswerber gemäß § 52 Abs. 5 FPG iVm § 9 BFAVG eine Rückkehrentscheidung und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig sei. Einer Beschwerde gegen diese Entscheidung erkannte das BFA gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFAVG die aufschiebende Wirkung ab und gewährte dem Revisionswerber somit keine Frist für die freiwillige Ausreise. Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 5 FPG erließ das BFA gegen den Revisionswerber überdies ein auf die Dauer von sieben Jahren befristetes Einreiseverbot.
7Der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde gab das Bundesverwaltungsgericht (BVwG), nachdem es der Beschwerde zuvor mit „Beschluss“ vom 22. Mai 2024 (richtig: Teilerkenntnis VwGH 19.9.2019, Ra 2019/21/0224, Rn. 9) gemäß § 18 Abs. 5 BFA VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt hatte, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung insoweit statt, als es die Dauer des Einreiseverbotes auf vier Jahre herabsetzte und dem Revisionswerber eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Entscheidung für die freiwillige Ausreise einräumte. Im Übrigen wies das BVwG die Beschwerde als unbegründet ab.
8 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die sich unter dem Gesichtspunkt des Art. 133 Abs. 4 B VG als unzulässig erweist.
9 Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
10An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision unter dem genannten Gesichtspunkt nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a erster Satz VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).
11 In der Zulässigkeitsbegründung der Revision, die sich in erster Linie gegen die vom BVwG durchgeführte Interessenabwägung wendet, wird vorgebracht, das BVwG habe die lange Aufenthaltsdauer des Revisionswerbers im Bundesgebiet, die Beziehung zu seinen vier im Bundesgebiet befindlichen und rechtmäßig aufhältigen minderjährigen Kindern und zur in Österreich lebenden Ehegattin, eine Tätigkeit des Revisionswerbers in einem Verein, der christliche Werte vermittle, und die fehlenden Anknüpfungspunkte in seinem Herkunftsstaat nicht ausreichend berücksichtigt.
12 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die bei Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung vorgenommene Interessenabwägung im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel iSd Art. 133 Abs. 4 BVG (VwGH 8.5.2025, Ra 2024/21/0107-0112, Rn. 12, mwN).
13 Es ist nicht zu erkennen, dass die vom BVwG im angefochtenen Erkenntnis vorgenommene Interessenabwägung unvertretbar und somit mit einer vom Verwaltungsgerichtshof wahrzunehmenden Rechtswidrigkeit belastet ist. Das BVwG ist nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, in der es sich einen persönlichen Eindruck vom Revisionswerber verschaffte, zum Ergebnis gelangt, dass die Interessen des Revisionswerbers an einem Verbleib im Bundesgebiet die berührten öffentlichen Interessen, insbesondere die Vermeidung einer Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch das strafgesetzwidrige Verhalten des Revisionswerbers, nicht überwiegen. Im Zuge der durchgeführten Interessenabwägung hat das BVwG sowohl den langjährigen Aufenthalt des Revisionswerbers im Bundesgebiet, die möglichen Auswirkungen einer Trennung von den vier minderjährigen Kindern auf deren Wohl sowie die Trennung von seiner Ehegattin berücksichtigt und diesen Aspekten entsprechendes Gewicht eingeräumt. Ebenso hat das Verwaltungsgericht darauf Bedacht genommen, dass der Revisionswerber seit seiner Einreise nach Österreich nur zweimal zuletzt 2019 in Nigeria gewesen ist und zwar keinen Kontakt zu eigenen in Nigeria lebenden Familienangehörigen, sehr wohl aber Kontakt zu den in seinem Herkunftsstaat lebenden Eltern seiner Ehegattin hat. Das BVwG hat all diesen Gesichtspunkten nicht zuletzt auch dadurch Rechnung getragen, dass es das Einreiseverbot auf eine Dauer von vier Jahren herabsetzte. Im Übrigen durfte das BVwG jedoch auch berücksichtigen, dass der Revisionswerber im Februar 2024 wegen gerichtlich strafbarer Handlungen zu einer mehrjährigen unbedingten Freiheitsstrafe verurteilt wurde, deren Verhinderung gerade mit Blick auf ein geordnetes Fremdenwesen besondere Bedeutung zukommt, nämlich insbesondere des Verbrechens des grenzüberschreitenden Prostitutionshandels und des Vergehens der Schlepperei. Angesichts dieser Verurteilung und der ihr zu Grunde liegendenschwer wiegenden strafbaren Handlungen, deren Durchführung eine hohe kriminelle Energie erfordert hat, sind allerdings die weitgehende Verunmöglichung der (persönlichen) Kontakte zu seinen Kindern und seiner Ehegattin für die Dauer des Einreiseverbots im Hinblick auf die vom Revisionswerber ausgehende Gefährdung der öffentlichen Interessen ebenso wie mögliche Schwierigkeiten des Revisionswerbers bei seiner Wiedereingliederung in Nigeria hinzunehmen.
14Dass dem Revisionswerber im Fall seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat eine Verletzung von Art. 2 oder Art. 3 EMRK drohen könnte, ist den unsubstantiierten Ausführungen in der Zulässigkeitsbegründung der Revision nicht konkret zu entnehmen, sodass auch das gegen die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung gemäß § 52 Abs. 9 FPG gerichtete Vorbringen keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufzuzeigen vermag.
15 Die Revision war daher mangels Vorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 BVG gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
Wien, am 2. September 2025