Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pfiel sowie den Hofrat Dr. Pürgy und die Hofrätin Mag. Dr. Pieler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Kittinger, LL.M., über die Revision des J M, vertreten durch Dr. Gregor Klammer, Rechtsanwalt in Wien, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. Jänner 2025, W257 22933591/7E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), zu Recht erkannt:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
1 Der Revisionswerber, ein aus Syrien stammender staatenloser Palästinenser, stellte am 30. September 2023 einen Antrag auf internationalen Schutz, den er im Wesentlichen damit begründete, wegen des Krieges und aus Angst vor der syrischen Regierung geflohen zu sein. Er sei als staatenloser Palästinenser bei UNRWA registriert.
2 Mit Bescheid vom 23. April 2024 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag des Revisionswerbers hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ab, erkannte ihm jedoch den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu und erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die gegen die Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten erhobene Beschwerde des Revisionswerbers nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.
4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Durchführung eines Vorverfahrens eine Revisionsbeantwortung wurde nicht erstattetin einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
5 Die Revision bringt zur Begründung ihrer Zulässigkeit vor, das BVwG weiche von näher genannter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum ipso facto Schutz von staatenlosen Palästinensern ab. Das BVwG habe sich nicht mit der entscheidungswesentlichen Frage, ob unter Berücksichtigung des Umstandes der rechtskräftigen Gewährung subsidiären Schutzes durch das BFA der Schutz oder Beistand von UNRWA als weggefallen anzusehen sei, befasst.
6 Die Revision erweist sich als zulässig und aus nachstehenden Erwägungen auch als berechtigt.
7Der Verwaltungsgerichtshof hat auf Grundlage der Bestimmungen des § 3 AsylG 2005, der GFK und der Richtlinie 2011/95/EU bereits geklärt, dass Voraussetzungen für den „ipsofacto Schutz“ lediglich die Stellung eines Asylantrags sowie die Prüfung durch die Asylbehörden sind, ob der Beistand von UNRWA tatsächlich in Anspruch genommen wurde, dieser nicht länger gewährt wird und keiner der Ausschlussgründe nach Art. 12 Abs. 1 lit. b oder Abs. 2 und 3 der Richtlinie 2011/95/EU vorliegt (vgl. VwGH 3.5.2023, Ra 2022/19/0226).
8Der Verwaltungsgerichtshof hat sich zudem im Erkenntnis vom 1. Februar 2024, Ra 2023/18/0286, grundlegend mit der Frage befasst, wann der Schutz von UNRWA als weggefallen anzusehen ist. Auf die dort dargelegten Gründe wird gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen.
9In Zusammenhang mit der Gewährung subsidiären Schutzes an einen unter dem Schutz oder Beistand von UNRWA stehenden staatenlosen Palästinenser sprach der Verwaltungsgerichtshof schließlich aus, dass die rechtskräftige Gewährung von subsidiärem Schutz und damit die Bejahung der Voraussetzungen für die Zuerkennung dieses Schutzstatus durch das BFA auch vom BVwG im Beschwerdeverfahren betreffend den Status eines Asylberechtigten zu beachten sind. Sie stehen der Annahme, der Revisionswerber könne weiterhin den Schutz durch UNRWA genießen, entgegen. Eine Durchbrechung dieser Rechtskraftwirkung wäre nur dann gerechtfertigt, wenn sich nach Erlassung der Entscheidung des BFA der Sachverhalt oder die Rechtsvorschriften wesentlich geändert hätten, also eine neue Sache vorgelegen wäre, für die die Rechtskraftwirkung der ursprünglichen Entscheidung nicht mehr gelten würde (vgl. VwGH 23.1.2018, Ra 2017/18/0274, auch unter Verweis auf VfGH 22.9. 2017, E 1965/2017).
10 Im vorliegenden Fall erstattete der Revisionswerber in seiner Beschwerde ein umfassendes Vorbringen, dass er bei UNRWA registriert sei, es ihm aber nicht möglich sei, sich unter den Schutz bzw. Beistand von UNRWA zu stellen.
11 Das BVwG führte fallbezogen lediglich aus, dass der Revisionswerber bei UNRWA registriert sei und die Hilfe von UNRWA in Syrien auch tatsächlich in Anspruch genommen habe. Er sei nicht dazu gezwungen gewesen, das Einsatzgebiet der UNRWA wegen einer existenziellen Bedrohung zu verlassen. Er habe dies „aus freien Stücken“ getan.
12 Entgegen der oben wiedergegebenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat sich das BVwG hier nicht mit dem Umstand auseinandergesetzt, dass dem Revisionswerber vom BFA (rechtskräftig) subsidiärer Schutz gewährt worden ist und damit die Voraussetzungen für die Zuerkennung dieses Schutzstatus auch im Beschwerdeverfahren betreffend den Status eines Asylberechtigten zu beachten sind.
13Ausgehend davon war das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
14 Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 und 5 VwGG abgesehen werden.
15Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 16. September 2025
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