JudikaturVwGH

Ra 2025/08/0086 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
15. Oktober 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Posch und die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin sowie die Hofräte Mag. Stickler, Mag. Cede und Mag. Tolar als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Kittinger, LL.M., über die Revision des Arbeitsmarktservice Wien Favoritenstraße gegen das am 19. Mai 2025 mündlich verkündete und am 4. Juli 2025 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts W237 2292930 1/10E, betreffend Berichtigung und Rückforderung von Notstandshilfe (mitbeteiligte Partei: F M), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

1 Mit Bescheid vom 30. Jänner 2024 sprach die revisionswerbende regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice (AMS) aus, dass der Bezug der Notstandshilfe der Mitbeteiligten gemäß § 38 iVm § 24 Abs. 2 AlVG für die Zeit von 1. Februar 2023 bis 31. Dezember 2023 „widerrufen bzw. die Bemessung rückwirkend berichtigt“ werde und die Mitbeteiligte gemäß § 38 iVm § 25 Abs. 1 AlVG zur Rückzahlung der unberechtigt empfangenen Leistung in Höhe von € 4.117,29 verpflichtet werde. Die Mitbeteiligte habe die Leistung im genannten Zeitraum in nicht gerechtfertigter Höhe bezogen, da sie eine anzurechnende Witwenpension über der Geringfügigkeitsgrenze erhalten habe.

2 Die Mitbeteiligte erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde. Sie brachte vor, dass sie seit Oktober 2021 eine türkische und eine österreichische Witwenpension beziehe. Die türkische Witwenpension habe zu Beginn ca. € 150, betragen, die österreichische Witwenpension ca. € 300, , jedenfalls weniger als die Geringfügigkeitsgrenze. Auf Grund der enormen Inflation in der Türkei sei die türkische Witwenpension ab dem Jahr 2023 deutlich erhöht worden. Dadurch sei es erstmals zur Überschreitung der Geringfügigkeitsgrenze gekommen. Sie habe sowohl die österreichische als auch die türkische Pension sofort gemeldet und somit keine Meldepflicht verletzt. Die Voraussetzungen für eine Rückforderung lägen daher nicht vor.

3 Mit Beschwerdevorentscheidung vom 25. April 2024 gab das AMS der Beschwerde teilweise statt. Es änderte den Erstbescheid dahingehend ab, dass die Höhe der Notstandshilfe für die Zeit von 1. Februar 2023 bis 14. Juni 2023 und von 5. Juli 2023 bis 20. Juli 2023 rückwirkend von € 23,77 täglich auf € 2,50 täglich und von 30. August 2023 bis 31. Jänner 2024 rückwirkend von € 23,77 täglich auf € 3,62 täglich berichtigt werde. Die zu Unrecht bezogene Notstandshilfe in den Zeiträumen 1. Februar 2023 bis 14. Juni 2023 und 5. Juli 2023 bis 20. Juli 2023 in der Höhe von € 3.190,50 werde nicht rückgefordert. Die zu Unrecht bezogene Notstandshilfe in den Zeiträumen 30. August 2023 bis Jänner 2024 werde gemäß § 25 Abs. 1 AlVG in der Höhe von € 1.346,75 zum Rückersatz vorgeschrieben.

4 Das AMS stellte fest, dass die Mitbeteiligte ab Jänner 2023 bis 30. Juni 2023 ein laufendes Einkommen aus dem Titel der Witwenpension in Höhe von € 365,12 netto (Bruttobetrag abzüglich Sozialversicherungsbeiträge) von der Pensionsversicherungsanstalt und € 281,75 netto aus der Türkei (5.636 türkische Lira, Umrechnungskurs auf Euro vom 2. Jänner 2023) bezogen habe. Ab 1. Juli 2023 sei die Witwenpension aus der Türkei auf € 247,87 (7.045 türkische Lira, Umrechnungskurs auf Euro vom 3. Juli 2023) geändert worden.

5 Das monatliche Gesamteinkommen im Jahr 2023 habe die geltende Geringfügigkeitsgrenze in Höhe von € 500,91 überstiegen, weshalb eine Anrechnung auf die Notstandshilfe vorzunehmen sei.

6 Auf Grund der Vorlage der Unterlagen über die österreichische Witwenpension und der Nachweise über die türkische Pension mit 8. Februar 2023 werde die Differenz für den Zeitraum von 1. Februar 2023 bis 14. Juni 2023 und von 5. Juli 2023 bis 20. Juli 2023 nicht rückgefordert, da das AMS die Eingabe der Anrechnung auf den Leistungsbezug verabsäumt habe. Die Mitbeteiligte habe auch nicht erkennen müssen, dass ihr die Leistung nicht in diesem Ausmaß gebührt habe.

7 Die Erhöhung der türkischen Witwenpension ab 1. Juli 2023 sei von der Mitbeteiligten aber nicht gemeldet worden. Somit habe sie dem AMS nicht die Gelegenheit gegeben, den Leistungsbezug rechtzeitig zu korrigieren.

8 Der Gesamtbetrag der zur Rückzahlung vorgeschriebenen Notstandshilfe betrage wie im Spruch angegeben € 1.346,75 und setze sich aus der Differenz zwischen der ausbezahlten Leistung und der zustehenden Leistung für den Zeitraum von 30. August 2023 bis 31. Jänner 2024 zusammen.

9 Die Mitbeteiligte stellte einen Vorlageantrag.

10 Das Bundesverwaltungsgericht führte eine mündliche Verhandlung durch, in deren Rahmen die Revisionswerberin ihre Beschwerde auf den Zeitraum 30. August 2023 bis 31. Jänner 2024 einschränkte.

11 Mit dem angefochtenen Erkenntnis sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Höhe der Notstandshilfe der Mitbeteiligten gemäß § 24 Abs. 2 iVm § 38 AlVG für die Zeit von 30. bis 31. August 2023 rückwirkend auf € 3,70 täglich, von 1. bis 30. September 2023 auf € 3,47 täglich, von 1. bis 30. November 2023 auf € 3,70 täglich und von 1. bis 31. Dezember 2023 auf € 4,17 täglich berichtigt werde. Eine Verpflichtung zum Ersatz der in diesen Zeiträumen ungebührlich empfangenen Notstandshilfe bestehe nicht.

12 Das Bundesverwaltungsgericht stellte die Höhe der türkischen Witwenpension in den Monaten Jänner bis Dezember 2023 in türkischen Lira (5.636,16 von Jänner bis Juni 2023, 7.045,20 seit Juli 2023) und den Wert in Euro zum jeweiligen Buchungstag (€ 274,67 im Jänner, € 280,09 im Februar, € 274,61 im März, € 264,39 im April, € 263,41 im Mai, € 204,76 im Juni, € 236,65 im Juli, € 245,77 im August, € 244,45 im September, € 236,91 im Oktober, € 223,09 im November, € 218,50 im Dezember) fest. Aus diesen Eurobeträgen und der österreichischen Witwenpension (abzüglich der Krankenversicherungsbeiträge auch für die ausländische Leistung) errechnete das Bundesverwaltungsgericht das monatliche Gesamteinkommen der Mitbeteiligten, das jeweils über der Geringfügigkeitsgrenze lag. Die Monatsbeträge teilte das Bundesverwaltungsgericht jeweils durch 30, woraus sich die täglichen Anrechnungsbeträge auf die Notstandshilfe ergaben.

13 Die Notstandshilfe sei, so das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der rechtlichen Beurteilung, dementsprechend zu berichtigen gewesen. Mit der Berichtigung auch für Jänner 2024 habe das AMS in der Beschwerdevorentscheidung allerdings die durch den Ausgangsbescheid abgegrenzte Sache des Beschwerdeverfahrens überschritten.

14 Zur Rückforderung führte das Bundesverwaltungsgericht aus, dass es nicht die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verkenne, wonach eine Leistungsbezieherin dem AMS eine Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse selbst dann zu melden habe, wenn diese ihrer Auffassung nach den Anspruch auf eine Leistung aus der Arbeitslosenversicherung nicht zu beeinflussen vermöge. Ebenso werde nicht übersehen, dass es nicht darauf ankomme, dass ein die Geldleistung beeinflussender Umstand zu einem früheren Zeitpunkt bereits aktenkundig geworden sei oder vom AMS leicht hätte festgestellt werden können, so wie überhaupt ein Mitverschulden der Behörde am Überbezug im Fall des Verschweigens von maßgeblichen Tatsachen oder unwahrer Angaben ohne Belang sei. Allerdings könne von einer Verschweigung nur dann gesprochen werden, wenn maßgebende Tatsachen nicht gemeldet würden. Ob der besonderen Umstände im vorliegenden Fall fehle es schon an einer maßgebenden Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Mitbeteiligten bzw. sei die Nichtmeldung der Änderung der Witwenpension aus der Türkei ab 1. Juli 2023 für den Überbezug nicht kausal gewesen.

15 Die Mitbeteiligte habe den Pensionsbezug aus der Türkei in Höhe von 5.636,16 türkischen Lira dem AMS unstrittig am 8. Februar 2023 gemeldet. Umgerechnet habe es sich zum 25. Jänner 2023 um € 274,67 und zum 16. Februar 2023 um € 280,09 gehandelt. Das AMS sei sogar für den gesamten Zeitraum von Jänner bis Juni 2023 von einer monatlichen Witwenpension aus der Türkei in der Höhe von € 281,75 (Umrechnungskurs vom 2. Jänner 2023) ausgegangen. Sohin sei dem AMS der Bezug der türkischen Witwenpension und damit die Überschreitung der Geringfügigkeitsgrenze jedenfalls ab 8. Februar 2023 bekannt gewesen. Das AMS habe in der Beschwerdevorentscheidung selbst eingeräumt, dass es die Anrechnung auf den Leistungsbezug verabsäumt und die Notstandshilfe trotz der am 8. Februar 2023 vorgelegten Unterlagen über die Witwenpension weiterhin in ungekürzter Höhe ausbezahlt habe.

16 Am 1. Juli 2023 sei die türkische Witwenpension der Mitbeteiligten von monatlich 5.636,16 auf 7.045,20 türkische Lira erhöht worden, jedoch habe sich auf Grund der starken Kursschwankungen nach einer Umrechnung auf Euro faktisch eine Herabsetzung ergeben. So habe die Mitbeteiligte tatsächlich am 25. Juli 2023 lediglich € 236,65 an türkischer Witwenpension erhalten, also deutlich weniger als in den Monaten Jänner bis Mai 2023. Ergänzend sei in diesem Zusammenhang festzuhalten, dass auch die vom AMS für den Zeitraum Juli bis Dezember 2023 angenommene monatliche Witwenpension aus der Türkei in der Höhe von € 247,87 (Umrechnungskurs vom 3. Juli 2023) geringer gewesen sei als die von der Mitbeteiligten am 8. Februar 2023 gemeldete Pensionsleistung.

17 Mit Blick auf das Erkenntnis VwGH 16.2.2011, 2007/08/0150, zu einem ähnlich gelagerten Fall sei festzuhalten, dass die Nichtmeldung der Änderung der Witwenpension aus der Türkei ab 1. Juli 2023 jedenfalls nur insoweit kausal für einen Überbezug der Mitbeteiligten gewesen sein könne, als sich deren Notstandshilfebezug auf Grund der Anrechnung der veränderten Witwenpension gegenüber jenem Bezug verringere, der sich unter Anrechnung der dem AMS zunächst am 8. Februar 2023 bekannt gegebenen türkischen Witwenpension ergeben hätte.

18 Damit fehle es gegenständlich an der Kausalität für den Überbezug der Mitbeteiligten, weil die ursprünglich am 8. Februar 2023 gemeldete Witwenpension aus der Türkei höher gewesen sei als jene, die nicht gemeldet worden sei. Durch die am 1. Juli 2023 geänderte, faktisch niedrigere Witwenpension wäre keine höhere Anrechnung auf die Notstandshilfe möglich gewesen. Folglich könne der Überbezug nicht auf die unterlassene Mitteilung der angepassten Witwenpension zurückgeführt werden.

19 Darüber hinaus liege der für den Tatbestand der Verschweigung erforderliche (bedingte) Vorsatz nicht vor, weil der Mitbeteiligten das Erfordernis der Meldung der faktischen Herabsetzung der türkischen Witwenpension nicht bekannt sein habe müssen. Es sei nicht ersichtlich, weshalb die Mitbeteiligte hätte annehmen müssen, dass eine faktisch geringere Witwenpension ab 1. Juli 2023 zu einer Änderung des Notstandshilfebezugs hätte führen können und daher zu melden gewesen wäre.

20 Auch den Rückforderungstatbestand des „Erkennenmüssens“ der Ungebührlichkeit der Leistung verneinte das Bundesverwaltungsgericht wie schon das AMS mit näherer Begründung.

21 Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.

22 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

23 Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG wendet sich das AMS gegen die Annahme des Bundesverwaltungsgerichts, dass bei einer gleichbleibenden türkischen Pension jeden Monat eine Neuberechnung der Notstandshilfe unter Berücksichtigung des jeweils aktuellen Wechselkurses zu erfolgen habe. Dies ergebe sich weder aus dem Gesetz noch könne sich das Bundesverwaltungsgericht dabei auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stützen.

24 Auch sei die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, nicht die Wechselkurse der Europäischen Zentralbank, sondern die von einem privaten Finanzdienstleister im Internet unter www.finanzen.at zur Verfügung gestellten Wechselkurse seinen Berechnungen zugrunde zu legen, nicht nachvollziehbar.

25 Die Frage, zu welchem Stichtag und mit welchem Wechselkurs Einkommen in Fremdwährungen zwecks Anrechnung auf die Notstandshilfe in Euro umzurechnen sei, stelle eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung dar, zu der bislang Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehle. Auch die Frage, ob bei nominal gleichbleibenden Auslandspensionen monatlich eine Neubemessung unter Zugrundelegung von aktuellen Wechselkursen zu erfolgen habe, stelle eine erhebliche Rechtsfrage für eine nicht unbedeutende Anzahl von Verfahren nach dem AlVG dar.

26 Die Revision sei auch deshalb zulässig, weil das angefochtene Erkenntnis mit dem Wortlaut des § 50 AlVG nicht vereinbar und in sich widersprüchlich sei. Eine Änderung der Pensionshöhe (gleich, ob sich die Pension erhöhe oder verringere) bewirke eine Änderung beim anzurechnenden Einkommen und sei damit für das Ausmaß der Notstandshilfe maßgeblich, sodass sie dem AMS jedenfalls zu melden sei. Wäre die Mitbeteiligte ihrer Meldepflicht nachgekommen, so hätte das AMS die Notstandshilfe bereits ab 30. August 2023 in der richtigen Höhe anweisen können. Die Kausalität der Meldepflichtverletzung liege bereits dann vor, wenn die rechtzeitige und korrekte Meldung die gesetzwidrige Auszahlung verhindern hätte können (Hinweis auf VwGH 28.8.2024, Ra 2024/08/0080).

27 Zudem irre das Bundesverwaltungsgericht, wenn es annehme, dass sich trotz Erhöhung der türkischen Pension ab 1. Juli 2023 von 5.636,16 auf 7.045,20 türkische Lira das faktische Einkommen der Mitbeteiligten in Euro vermindert habe. Diese Annahme stehe in einem unlösbaren Widerspruch zu der vom Bundesverwaltungsgericht getroffenen Feststellung, dass die türkische Pension im Juni 2023 umgerechnet € 204,76 und im Juli 2023 umgerechnet € 236,65 betragen habe.

28 Richtigerweise hätte die Mitbeteiligte die Erhöhung ihrer türkischen Pension ab dem 1. Juli 2023 gemäß § 50 Abs. 1 AlVG melden müssen, wodurch das AMS in die Lage versetzt worden wäre, die Notstandshilfe ab 30. August 2023 in richtiger Höhe anzuweisen. Da die Mitbeteiligte ihre Meldepflicht verletzt habe, könne die ab 30. August 2023 zu Unrecht bezogene Leistung zurückgefordert werden.

29 Die Revision ist zur Klärung der Rechtslage zulässig. Sie ist aber nicht berechtigt.

30 Gemäß § 24 Abs. 1 AlVG ist das Arbeitslosengeld neu zu bemessen, wenn sich eine für das Ausmaß des Arbeitslosengeldes maßgebende Voraussetzung ändert.

31 Gemäß § 24 Abs. 2 AlVG ist die Bemessung des Arbeitslosengeldes rückwirkend zu berichtigen, wenn die Bemessung fehlerhaft war.

32 Gemäß § 25 Abs. 1 erster Satz AlVG ist bei Einstellung, Herabsetzung, Widerruf oder Berichtigung einer Leistung der Empfänger des Arbeitslosengeldes zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn er den Bezug durch unwahre Angaben oder durch Verschweigung maßgebender Tatsachen herbeigeführt hat oder wenn er erkennen musste, dass die Leistung nicht oder nicht in dieser Höhe gebührte.

33 Gemäß § 38 AlVG sind diese Bestimmungen auf die Notstandshilfe sinngemäß anzuwenden.

34 Gemäß § 33 Abs. 2 AlVG ist Notstandshilfe nur unter der Voraussetzung zu gewähren, dass sich die arbeitslose Person in Notlage befindet.

35 Gemäß § 36 Abs. 2 AlVG sind bei der Beurteilung der Notlage die gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse des (der) Arbeitslosen zu berücksichtigen. Bei der Anrechnung von Einkommen (iSd § 36a AlVG) des (der) Arbeitslosen auf die Notstandshilfe ist gemäß § 36 Abs. 3 AlVG Folgendes zu beachten: Das in einem Kalendermonat erzielte und ohne Auswirkung auf den Leistungsanspruch in diesem Kalendermonat gebliebene Einkommen des Arbeitslosen ist im Folgemonat nach Abzug des zur Erzielung des Einkommens notwendigen Aufwandes auf die Notstandshilfe anzurechnen. Ausgenommen ist ein Einkommen aus einer Erwerbstätigkeit, das den der Geringfügigkeitsgrenze gemäß § 5 Abs. 2 ASVG für den Kalendermonat entsprechenden Betrag nicht übersteigt. Wiederkehrende Bezüge an gesetzlich unterhaltsberechtigte Personen (§ 29 Z 1 zweiter Teilstrich EStG 1988) sind nur insoweit anzurechnen, als sie den Betrag der monatlichen Geringfügigkeitsgrenze gemäß § 5 Abs. 2 ASVG übersteigen.

36 Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits klargestellt, dass auch eine Witwen/Witwerpension der Anrechnung unterliegt, wobei die Freigrenze nach § 36 Abs. 3 zweiter Satz AlVG zur Anwendung kommt (vgl. VwGH 25.10.2022, Ro 2021/08/0015).

37 Die Revision wendet sich in Bezug auf die Berichtigung der Notstandshilfe gegen die monatliche Neubewertung der türkischen Witwenpension der Mitbeteiligten, woraus sich monatlich unterschiedliche Anrechnungsbeträge ergaben, auch wenn sich der in türkischen Lira ausbezahlte Betrag nicht änderte.

38 Diese vom Bundesverwaltungsgericht gewählte Vorgangsweise entspricht aber § 36 Abs. 2 AlVG, wonach bei der Beurteilung der Notlage die gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse des (der) Arbeitslosen zu berücksichtigen sind. Für eine möglichst realitätsnahe Beurteilung der wirtschaftlichen Verhältnisse ist gerade bei stark schwankenden Wechselkursen eine monatliche Betrachtungsweise auf die das AlVG bei der Regelung der Einkommensanrechnung auch sonst abstellt geboten. Dabei ist der offiziell verlautbarte Umrechnungskurs an dem Tag heranzuziehen, an dem die ausländische Geldleistung angewiesen wird (vgl. in diesem Sinn zur Bewertung von Pensionen in anderen Währungen für die Zwecke des § 73a Abs. 1 ASVG VwGH 4.5.2017, Ro 2017/08/0002, wobei nach der genannten Bestimmung nicht auf den Tag der tatsächlichen Auszahlung, sondern auf den Tag abzustellen ist, an dem die ausländische Rente nach den gesetzlichen Bestimmungen auszuzahlen ist).

39 Das Bundesverwaltungsgericht hat sich zwar nicht explizit auf die von der Europäischen Zentralbank offiziell verlautbarten Umrechnungskurse gestützt, sondern den Währungsrechner der Homepage www.finanzen.at herangezogen. Das AMS das in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht ausdrücklich erklärte, dagegen keinen Einwand zu haben legt aber nicht dar und es ist auch nicht ersichtlich, dass im Ergebnis eine relevante Abweichung von einer Berechnung nach den Umrechnungskursen der Europäischen Zentralbank besteht.

40 Die Höhe der vom Bundesverwaltungsgericht angenommenen Berichtigungsbeträge begegnet daher insgesamt keinen Bedenken.

41 Was die Frage der Rückforderung der ungebührlich bezogenen Notstandshilfe betrifft, ist das AMS zwar damit im Recht, dass schon nach dem Wortlaut des § 50 Abs. 1 AlVG jede nominelle Änderung der von der Mitbeteiligten bezogenen türkischen Witwenpension als maßgebende Änderung ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse zu melden gewesen wäre, unabhängig davon, ob die Änderung zu einer Herabsetzung des Notstandshilfeanspruchs geführt hätte. Die Mitbeteiligte hat daher ihre Meldepflicht verletzt und damit im Sinn des § 25 Abs. 1 AlVG maßgebende Tatsachen verschwiegen.

42 Die unterlassene Meldung der nominellen Erhöhung der türkischen Pension mit 1. Juli 2023 hat aber, wie das Bundesverwaltungsgericht richtig ausgeführt hat, den entstandenen Überzug nicht als weitere Voraussetzung für die Rückforderung im Sinn des § 25 Abs. 1 AlVG herbeigeführt. Das AMS selbst nahm nämlich einen umgerechneten Wert der türkischen Pension von € 281,75 vor der nominellen Erhöhung und von € 247,87 nach der nominellen Erhöhung an. Ausgehend davon war nach der nominellen Erhöhung ein geringerer Betrag auf die Notstandshilfe anzurechnen, der Auszahlungsbetrag hätte sich also erhöhen müssen. Die Nichtmeldung der nominellen Erhöhung war somit nicht kausal für den Überbezug. Dieser ging vielmehr darauf zurück, dass das AMS wie es in der Beschwerdevorentscheidung selbst einräumte nach Meldung des Bezugs der türkischen Witwenpension im Februar 2023 die „Eingabe der Anrechnung auf den Leistungsbezug“ verabsäumt hatte. Es mag zwar sein, dass die Meldung der Erhöhung im Juli 2023 dazu geführt hätte, dass dem AMS dieser Fehler früher aufgefallen wäre. Eine zur Rückforderung nach § 25 Abs. 1 AlVG führende Kausalität der Meldepflichtverletzung liegt aber nur dann vor, wenn sich der Bezug auf Grund der Berücksichtigung des zu meldenden Umstands (das ist hier die Änderung der Höhe der Witwenpension und nicht der dem AMS auf Grund einer früheren Meldung bereits bekannte Bezug der Witwenpension dem Grunde nach) verringert hätte (vgl. in diesem Sinn auch das vom Bundesverwaltungsgericht zitierte Erkenntnis VwGH 16.2.2011, 2007/08/0150). Die Meldepflicht dient hingegen nicht dazu, dem AMS Tatsachen, die ohnedies bereits bekannt gegeben wurden, neuerlich in Erinnerung zu rufen. Dem in der Revision genannten Beschluss VwGH 28.8.2024, Ra 2024/08/0080, lag demgegenüber eine Konstellation zugrunde, in der sich der Betrug auf Grund der zu meldenden Beschäftigung wenn auch in Verbindung mit weiteren Ermittlungen des AMS als unbegründet herausgestellt hätte.

43 Die mangelnde Kausalität der Meldepflichtverletzung folgt aus den vom AMS selbst zugrunde gelegten Umrechnungsbeträgen vor und nach der zu meldenden Änderung. Darauf, ob sich auf Basis einer richtigerweise jeden Monat vorzunehmenden Umrechnung zum jeweils aktuellen Wechselkurs im Juli 2023 eine höhere Anrechnung als im Juni 2023 ergeben hätte, kommt es nicht an, da eine monatliche Neuberechnung eben nicht der Vorgangsweise des AMS entsprach und somit nicht der Beurteilung der Kausalität der Meldepflichtverletzung zugrunde gelegt werden konnte.

44 Das Bundesverwaltungsgericht ist demnach zu Recht davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen für eine Rückforderung der ungebührlich bezogenen Notstandshilfe nicht vorlagen.

45 Die Revision erweist sich somit, wie schon ihr Inhalt erkennen lässt, insgesamt als unbegründet, sodass sie gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren abgewiesen werden konnte.

Wien, am 15. Oktober 2025

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