JudikaturVwGH

Ra 2025/08/0070 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
11. August 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Lehofer und die Hofräte Mag. Stickler und Mag. Tolar als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Sasshofer, über die Revision der C M, vertreten durch Dr. Michael Celar, Rechtsanwalt in Wien, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. Mai 2025, W218 2311135 1/6E, betreffend Widerruf und Rückforderung von Notstandshilfe (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Arbeitsmarktservice Wien Wagramer Straße), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Mit dem in Revision gezogenen in Bestätigung einer Beschwerdevorentscheidung der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice (AMS) ergangenenErkenntnis widerrief das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 38 iVm § 24 Abs. 2 AlVG den Bezug der Notstandshilfe durch die Revisionswerberin in näher genannten Zeiträumen in den Monaten Juli bis Dezember 2024 und verpflichtete die Revisionswerberin gemäß § 38 iVm § 25 Abs. 1 AlVG zur Rückzahlung der unberechtigt empfangenen Leistung in Höhe von insgesamt € 6.397,87. Die Revision erklärte das Bundesverwaltungsgericht für nicht zulässig.

2 Das Bundesverwaltungsgericht stellte begründend fest, die Revisionswerberin habe infolge des Ablebens ihres Ehegatten für die Zeit ab 19. Mai 2024 eine Witwenpension in der Höhe von monatlich netto € 2.177 erhalten. Dass ihr diese Leistung zustehe, sei der Revisionswerberin von der Pensionsversicherungsanstalt mit Schreiben vom 16. Juni 2024 mitgeteilt worden. Dennoch habe sie dem AMS den Bezug nicht gemeldet. Die Revisionswerberin sei bereits im Zuge ihrer Antragstellungen zunächst auf Arbeitslosengeld und dann auf Notstandshilfeüber ihre Meldepflichten nach § 50 Abs. 1 AlVG informiert worden.

3Die Witwenpension sei auf die Notstandshilfe anzurechnen. Infolgedessen sei die Leistung in den verfahrensgegenständlichen Zeiträumen ab 1. Juli 2024 nicht zugestanden. Die Revisionswerberin sei nach § 50 AlVG verpflichtet gewesen, dem AMS den Bezug der Witwenpension zu melden. Das habe sie unstrittig unterlassen. Es sei daher der zweite Rückforderungstatbestand nach § 25 Abs. 1 erster Satz („Verschweigung maßgebender Tatsachen“) erfüllt. Im Sinn der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs komme es nicht darauf an, ob die Revisionswerberin zuvor das Ableben ihres Ehegatten gegenüber ihrer AMS Betreuerin erwähnt habe bzw. das AMS daher den Bezug der Witwenpension selbst hätte feststellen können. Ein allfälliges Mitverschulden der Behörde am entstandenen Überbezug sei nämlich nicht maßgeblich. Auch sei nicht relevant, aus welchen Motiven die Revisionswerberin die Meldung unterlassen habe. Der entscheidungswesentliche Sachverhalt sei somit nicht strittig, sodass keine Fragen der Beweiswürdigung zu klären seien. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung habe somit unterbleiben können.

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

6Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7 Die Revision macht zu ihrer Zulässigkeit geltend, dass Bundesverwaltungsgericht hätte eine mündliche Verhandlung durchführen müssen. Wie bereits in der Beschwerde gegen den Bescheid des AMS vorgebracht, habe die Revisionswerberin sich nach dem Tod ihres Ehemannes „in einer Ausnahmesituation“ befunden. Die dadurch verursachte Unterlassung der Meldung des Bezugs der Witwenpension sei eine Unachtsamkeit gewesen, nicht aber als vorsätzlich zu qualifizieren. Im Übrigen hätte berücksichtigt werden müssen, dass die Revisionswerberin ihrer AMS Betreuerin zwar nicht den Pensionsbezug, aber doch zumindest den Tod ihres Ehemannes mitgeteilt habe.

8Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegenstehen.

9Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes lassen die Akten dann im Sinn des § 24 Abs. 4 VwGVG erkennen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, wenn von vornherein absehbar ist, dass die mündliche Erörterung nichts zur Ermittlung der materiellen Wahrheit beitragen kann. Dies ist der Fall, wenn in der Beschwerde kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet wurde und auch keine Rechtsfragen aufgeworfen werden, deren Erörterung in einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht erforderlich wäre. Ein bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhalts kann außer Betracht bleiben (vgl. etwa VwGH 25.10.2023, Ra 2023/08/0034, mwN).

10Der Zweck des § 50 Abs. 1 AlVG ist es, die Behörde in die Lage zu versetzen, jede Änderung in den Verhältnissen des Arbeitslosen, die zu einer Änderung des Leistungsanspruches führen könnte, daraufhin zu prüfen, ob die Leistung einzustellen oder zu ändern ist. Die Verletzung der Meldepflicht des § 50 Abs. 1 AlVG rechtfertigt in der Regel die Annahme einer Verschweigung maßgebender Tatsachen im Sinn des § 25 Abs. 1 AlVG und somit die Rückforderung des unberechtigt Empfangenen (vgl. VwGH 30.1.2018, Ra 2017/08/0125, mwN).

11Es trifft zwar zu, dass die Erfüllung des Rückforderungstatbestandes der Herbeiführung des Bezugs durch Verschweigung maßgebender Tatsachen, auf den das Bundesverwaltungsgericht sich gestützt hat, das Vorliegen eines bedingten Vorsatzes voraussetzt (vgl. etwa VwGH 20.12.2022, Ra 2021/08/0144, mwN). Der Verwaltungsgerichtshof hat aber klargestellt, dass sich der Vorsatz nur auf die Verletzung der Meldepflicht und nicht auch darauf beziehen muss, dass das AMS tatsächlich keine Kenntnis von den meldepflichtigen Tatsachen erlangt, wobei es ausreicht, dass die Meldepflichtverletzung billigend in Kauf genommen wird (vgl. VwGH 30.1.2018, Ra 2017/08/0125, mwN).

12Im vorliegenden Fall war nicht strittig, dass die Revisionswerberin darüber in Kenntnis war, dass im Sinn des § 50 Abs. 1 AlVG maßgebende Änderungen der wirtschaftlichen Verhältnisse dem AMS zu melden sind, wobei nicht zweifelhaft war, dass der Bezug einer Witwenpension eine solche zu meldende Tatsache darstellte. Die Revisionswerberin hat im Beschwerdeverfahren auch nicht behauptet, dass Umstände vorgelegen wären, die eine solche Meldung tatsächlich verunmöglicht hätten. Davon ausgehend waren die Voraussetzungen des Rückforderungstatbestandes der Herbeiführung des Bezugs durch Verschweigung maßgebender Tatsachen nach § 25 Abs. 1 AlVG erfüllt.

13 Dass die Revisionswerberin der Meldung an das AMS im Zuge der Trauer um ihren Ehegatten allenfalls eine geringere Priorität eingeräumt hat, ist nicht von Bedeutung. Den insoweit in der Sphäre der meldepflichtigen Person liegenden Motiven bzw. Gründen, aus denen die Meldung unterblieben ist, kommt nämlich keine Relevanz zu (vgl. VwGH 16.6.2004, 2001/08/0112, mwN).

14 Ebenso ist wie ebenfalls vom Bundesverwaltungsgericht bereits zutreffend dargelegtfür die Erfüllung des Rückforderungstatbestandes der Verschweigung maßgebender Tatsachen im Sinn des § 25 Abs. 1 AlVG nicht von Bedeutung, ob das AMS aufgrund einer Mitteilung der Revisionswerberin gegenüber ihrer Betreuerin über das Ableben ihres Ehegatten selbst den Bezug einer Witwenpension durch die Revisionswerberin hätte ermitteln können. Voraussetzung für die Rückforderung eines Überbezugs ist nämlich lediglich der Umstand der Verschweigung einer maßgebenden Tatsache im bereits aufgezeigten Sinn. Werden maßgebende Tatsachen gemäß § 25 Abs. 1 erster Satz AlVG verschwiegen, so kommt es nicht darauf an, dass ein die Leistung aus der Arbeitslosenversicherung beeinflussender Umstand zu einem früheren Zeitpunkt bereits aktenkundig wurde oder vom AMS leicht hätte festgestellt werden können, so wie überhaupt ein „Mitverschulden“ der Behörde am Überbezug im Falle des Verschweigens von maßgebenden Tatsachen oder unwahrer Angaben ohne Belang ist (vgl. VwGH 28.9.2022, Ra 2018/08/0255, mwN).

15Ausgehend davon ist die Beurteilung des Bundesverwaltungsgerichts aber zumindest vertretbar, wonach der für die Beurteilung relevante Sachverhalt unstrittig gewesen sei und auch keine Rechtsfragen aufgeworfen habe, deren Erörterung in einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht erforderlich hätte, sodass nach § 24 Abs. 4 VwGVG von einer Verhandlung habe abgesehen werden können.

16 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 BVG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 11. August 2025