Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr. in Sporrer und die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen sowie den Hofrat Mag. Berger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Sasshofer, über die Revision des Arbeitsmarktservice Tulln in 3430 Tulln, Nibelungenplatz 1, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 6. November 2018, W141 2202798 1/7E, betreffend Berichtigung der Bemessung und Rückforderung von Notstandshilfe (mitbeteiligte Partei: S M, vertreten durch MMag. Dr. Stephan Vesco, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Museumstraße 5/19), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird im Umfang seines Spruchpunktes A)II. wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.
1 1.1. Unstrittig ist, dass die Ehe der Mitbeteiligten, die seit vielen Jahren Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung bezieht, am 17. November 2014 im Einvernehmen gemäß § 55a EheG geschieden wurde. Die Mitbeteiligte meldete die Ehescheidung der Revisionswerberin (im Folgenden: AMS) am 3. Dezember 2014.
Am 19. Jänner 2015 langte eine (von der Mitbeteiligten übermittelte) Ausfertigung des Scheidungsbeschlusses beim AMS ein. Darin ist unter anderem festgehalten, dass die Mitbeteiligte und ihr geschiedener Ehemann eine schriftliche Vereinbarung im Sinn des § 55a Abs. 2 EheG (im Folgenden: Scheidungsvergleich) geschlossen haben.
Die Mitbeteiligte legte den Scheidungsvergleich am 28. April 2018 dem AMS vor. Im Scheidungsvergleich verpflichtete sich der geschiedene Ehemann, ab Dezember 2014 einen monatlichen Unterhalt von € 600, an die Mitbeteiligte zu zahlen. Zudem verpflichtete sich die Mitbeteiligte, einen monatlichen Unterhalt von € 480, für ihre drei 2000, 2004 und 2008 geborenen, unter gemeinsamer Obsorge stehenden Kinder zu leisten.
1.2. Wie aus den Akten hervorgeht und im Verfahren nicht strittig ist, beantragte die Mitbeteiligte vor der Ehescheidung zuletzt mit 27. September 2014 Notstandshilfe. Sie kreuzte dabei im Antragsformular bei der Erklärung „Ich habe ein eigenes Einkommen [...] (z.B. Pensionen, Renten, Unterhaltsleistungen [...])“ „nein“ an. Dieselbe Erklärung gab sie auch nach der Ehescheidung (samt Abschluss des Scheidungsvergleichs) in ihren mit 18. Oktober 2015 und mit 15. Oktober 2017 gestellten Anträgen auf Notstandshilfe ab. In einem weiteren mit 16. Oktober 2016 gestellten Antrag fügte sie bei der betreffenden Erklärung „geringfügig“ und zur Höhe des Einkommens € „396, “ ein, wobei sie weder „ja“ noch „nein“ ankreuzte.
Im Antragsformular findet sich jeweils unter der Überschrift „Welche Verpflichtungen muss ich erfüllen?“ folgende Belehrung: „Nach den Bestimmungen des § 50 Abs. 1 des Arbeitslosenversicherungsgesetzes sind Sie verpflichtet uns sofort mitzuteilen (...) spätestens innerhalb einer Woche nach Eintritt des Ereignisses insbesondere jede Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse (...)“. An anderer Stelle heißt es: „Ich bestätige mit meiner Unterschrift, die Wahrheit der auf diesem Formular gemachten Angaben und nehme zur Kenntnis, 1) dass falsche Angaben oder das Verschweigen maßgebender Tatsachen (...) die Einstellung und Rückforderung der bezogenen Leistung bewirken können (...) 3) dass alle Änderungen der auf diesem Formular gemachten Angaben unverzüglich zu melden sind (...)“.
1.3. In einer beim AMS am 5. April 2018 aufgenommenen Niederschrift gab die Mitbeteiligte unter anderem an, der vom geschiedenen Ehemann aufgrund des Scheidungsvergleichs an sie gezahlte Unterhalt werde mit dem von ihr gezahlten Unterhalt für die Kinder „gegengerechnet“. Sie habe „den Unterhalt bei den Notstandshilfeanträgen bis dato nicht angeführt“, weil ihr „nicht bewusst“ gewesen sei, „dass das als eigenes Einkommen zählt“.
2 2.1. Mit Bescheid vom 23. April 2018 sprach das AMS gegenüber der Mitbeteiligten aus, dass die Bemessung der Notstandshilfe aufgrund der Nichtmeldung des vom geschiedenen Ehemann bezogenen Unterhalts für den Zeitraum von 1. April 2015 bis 28. Februar 2018 gemäß § 24 Abs. 2 iVm § 38 AlVG rückwirkend berichtigt werde und die Mitbeteiligte zur Rückzahlung der unberechtigt empfangenen Notstandshilfe von € 20.549,66 gemäß § 25 Abs. 1 iVm § 38 AlVG verpflichtet werde.
2.2. Die Mitbeteiligte erhob gegen den Bescheid Beschwerde mit dem Vorbringen, sie erhalte zwar einen Unterhalt von monatlich € 600, , habe aber auch einen solchen von € 480, zu leisten. Der tatsächliche Unterhalt belaufe sich daher auf lediglich € 120, und habe keinen Einfluss auf die Berechnung der Notstandshilfe. Das sei dem AMS auch „seit dem ersten Antrag“ bekannt gewesen, zumal die Scheidungsunterlagen samt Scheidungsvergleich beigebracht werden müssten, was geschehen sei. Die rückwirkende Berichtigung sei daher nicht rechtskonform.
2.3. Mit Beschwerdevorentscheidung vom 12. Juli 2018 sprach das AMS aus, dass gemäß § 24 Abs. 2 iVm § 38 AlVG die Bemessung der Notstandshilfe für die Zeit von 1. bis 10. April 2015, von 13. April bis 26. Juni 2015 und von 11. Juli bis 31. Dezember 2015 von täglich € 27,77 auf € 8,05, für die Zeit von 1. Jänner bis 23. Februar 2016 von täglich € 28,10 auf € 8,43, für die Zeit von 24. Februar bis 31. Dezember 2016 von täglich € 28,37 auf € 8,70, für die Zeit von 1. Jänner bis 21. Oktober 2017 und von 26. Oktober bis 31. Dezember 2017 von täglich € 28,37 auf € 8,65 sowie für die Zeit von 1. Jänner bis 28. Februar 2018 von täglich € 28,37 auf € 8,65 berichtigt werde, und dass gemäß § 25 Abs. 1 iVm § 38 AlVG der durch die Berichtigung entstandene Übergenuss von € 20.549,66 zurückgefordert werde.
Das AMS führte begründend aus, die Mitbeteiligte habe nicht gemeldet, dass ihr ein Unterhalt zustehe. Sie habe den Scheidungsvergleich nicht (gemeint: vor dem 28. April 2018) vorgelegt und auch in ihren Anträgen auf Notstandshilfe ein Einkommen verneint. Die Notstandshilfe sei daher gemäß § 24 Abs. 2 iVm § 38 AlVG für die im Spruch genannten Zeiträume unterbrochen nur durch den Bezug von Krankengeld in dem genannten Umfang zu berichtigen gewesen. Der hierdurch entstandene Übergenuss von € 20.549,66 sei gemäß § 25 Abs. 1 iVm § 38 AlVG zurückzufordern gewesen.
Die Mitbeteiligte habe so das AMS weiter die Meldepflicht durch Verschweigung maßgebender Tatsachen verletzt. Soweit sie behaupte, nicht gewusst zu haben, dass der Unterhalt als Einkommen zähle, hätte sie sich entsprechend informieren müssen. Ferner habe sie obwohl sie nach eigenem Einkommen gefragt worden sei den Unterhalt auch in ihren Anträgen auf Notstandshilfe nicht angeführt. Da eine Berichtigung und Rückforderung für drei Jahre möglich sei, sei diese ab 1. April 2015 auszusprechen gewesen.
2.4. Die Mitbeteiligte stellte einen Vorlageantrag.
3 3.1. Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis bestätigte das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung die Beschwerdevorentscheidung insoweit, als damit die Berichtigung der Bemessung der Notstandshilfe gemäß § 24 Abs. 2 iVm § 38 AlVG ausgesprochen wurde (Spruchpunkt A)I.). Im Übrigen gab es der Beschwerde Folge und hob die Beschwerdevorentscheidung, soweit damit die Verpflichtung zur Rückzahlung des entstandenen Übergenusses von € 20.549,66 gemäß § 25 Abs. 1 iVm § 38 AlVG ausgesprochen wurde, ersatzlos auf und sprach ferner aus, dass der Übergenuss nicht zurückgezahlt werden müsse (Spruchpunkt A)II.).
3.2. Das Bundesverwaltungsgericht traf Feststellungen im Sinn des oben wiedergegebenen unstrittigen Sachverhalts (vgl. vor allem Punkte 1.1. und 1.3.) sowie des dargestellten Verfahrensverlaufs (vgl. vor allem Punkte 2.1. und 2.3.).
In der Beweiswürdigung stellte das Bundesverwaltungsgericht ergänzend fest, dem AMS sei bereits aufgrund der Vorlage des Scheidungsbeschlusses am 19. Jänner 2015 erkennbar gewesen, dass ein Scheidungsvergleich abgeschlossen worden sei. Nach den Angaben der Zeugin Z werde in einem solchen Fall vom AMS die Nachreichung des Scheidungsvergleichs vom Antragsteller verlangt, was hier „wohl übersehen“ worden sei. Das AMS hätte daher die Mitbeteiligte auffordern müssen, den Scheidungsvergleich vorzulegen, um den Anspruch auf Notstandshilfe prüfen zu können.
3.3. In der rechtlichen Beurteilung führte das Bundesverwaltungsgericht nach umfangreicher Darstellung der Gesetzeslage im Wesentlichen aus, was die rückwirkende Berichtigung der Bemessung der Notstandshilfe betreffe, so sehe § 24 Abs. 2 iVm § 38 AlVG eine solche (unter anderem) dann vor, wenn die Bemessung fehlerhaft gewesen sei. Dies sei hier der Fall, habe doch die Mitbeteiligte aufgrund des Scheidungsvergleichs einen Unterhaltsanspruch von monatlich € 600, , der als Einkommen bei der Bemessung der Notstandshilfe zu berücksichtigen sei. Bei Anrechnung des Unterhalts verringere sich die gebührende Notstandshilfe im wie bereits in der Beschwerdevorentscheidung näher dargelegten Umfang.
Was die Rückforderung des entstandenen Übergenusses anbelange, so sei gemäß § 25 Abs. 1 iVm § 38 AlVG bei Berichtigung einer Leistung der Empfänger zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn er den Bezug (unter anderem) durch unwahre Angaben oder durch Verschweigung maßgebender Tatsachen herbeigeführt habe. Vorliegend sei „nicht festgestellt“ worden, dass die Mitbeteiligte unwahre Angaben gegenüber dem AMS getätigt habe. Indes sehe das AMS den Rückforderungstatbestand der Verschweigung maßgeblicher Tatsachen als verwirklicht an, weil die Mitbeteiligte ihren Unterhaltsanspruch nicht bekannt gegeben habe. Es verkenne dabei freilich, dass die Mitbeteiligte die Ehescheidung bereits am 3. Dezember 2014 dem AMS gemeldet und am 19. Jänner 2015 auch den Scheidungsbeschluss vorgelegt habe, aus dem hervorgehe, dass ein Vergleich abgeschlossen worden sei. Für das AMS sei daher erkennbar gewesen, dass etwaige Regelungen betreffend Unterhalt bestünden, sodass es die Mitbeteiligte aufzufordern gehabt hätte, auch den Scheidungsvergleich vorzulegen. Der Mitbeteiligten könne somit weder ein Herbeiführen des Bezugs durch unwahre Angaben noch durch Verschweigung maßgebender Tatsachen vorgeworfen werden.
3.4. Das Bundesverwaltungsgericht sprach ferner aus, dass die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.
4 4.1. Gegen dieses Erkenntnis inhaltlich freilich nur gegen das Unterbleiben der Verpflichtung zum Rückersatz (die Berichtigung der Bemessung blieb demnach unbekämpft) wendet sich die Rechtswidrigkeit des Inhalts geltend machende außerordentliche Revision. Das AMS führt darin im Wesentlichen aus, das Bundesverwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abgewichen, indem es die Voraussetzungen des § 25 Abs. 1 AlVG als nicht erfüllt erachtete. Die Mitbeteiligte habe ihren Unterhaltsanspruch von monatlich € 600, ab Dezember 2014 dem AMS nicht gemeldet und auch den Scheidungsvergleich erst im Jahr 2018 vorgelegt. Sie habe daher ihre Meldepflicht gemäß § 50 AlVG verletzt und folglich eine Verschweigung maßgebender Tatsachen zu verantworten. Soweit sie sich darauf berufe, nicht gewusst zu haben, dass der Unterhalt anzugeben sei, übersehe sie, dass das Risiko eines Rechtsirrtums vom Antragsteller zu tragen sei. Ferner habe sie den Unterhalt auch in den der Ehescheidung nachfolgenden Anträgen nicht angeführt, obwohl ein Einkommen anzugeben gewesen wäre.
4.2. Die Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag, die Revision zurückzuweisen bzw. hilfsweise abzuweisen.
5 5. Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 2 Z 1 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Die Revision ist zulässig, weil das Bundesverwaltungsgericht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu § 25 Abs. 1 AlVG abgewichen ist. Die Revision ist aus dem Grund auch berechtigt.
6 6.1. Gemäß § 25 Abs. 1 erster Satz AlVG (iVm § 38 AlVG) ist bei Einstellung, Herabsetzung, Widerruf oder Berichtigung der Empfänger des Arbeitslosengelds (der Notstandshilfe) zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn er den Bezug durch unwahre Angaben oder durch Verschweigung maßgebender Tatsachen herbeigeführt hat oder wenn er erkennen musste, dass die Leistung nicht oder nicht in dieser Höhe gebührte.
6.2. Vorliegend ist hinsichtlich der Rückforderung für die Zeit bis zur neuerlichen Antragstellung nach der Ehescheidung (mit 18. Oktober 2015) der Tatbestand der Verschweigung maßgebender Tatsachen (vgl. näher Punkt 7.), für die Zeit ab dieser Antragstellung hingegen der Rückforderungstatbestand unwahrer Angaben verwirklicht (vgl. näher Punkt 8.).
7 7.1. Wer Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung bezieht, ist gemäß § 50 Abs. 1 AlVG verpflichtet, neben der Aufnahme einer Tätigkeit gemäß § 12 Abs. 3 AlVG auch jede andere für das Fortbestehen und das Ausmaß des Anspruchs maßgebende Änderung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse dem Arbeitsmarktservice ohne Verzug spätestens jedoch binnen einer Woche anzuzeigen (vgl. VwGH 23.5.2012, 2010/08/0119).
Der Zweck des § 50 Abs. 1 AlVG ist es, die Behörde in die Lage zu versetzen, jede Änderung in den Verhältnissen des Arbeitslosen, die zu einer Änderung des Leistungsanspruchs führen könnte, daraufhin zu prüfen, ob die Leistung einzustellen oder zu ändern ist. Für die Meldepflicht kommt es weder darauf an, ob ein Umstand unmittelbar Auswirkungen auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Arbeitslosen hat, noch ob der Arbeitslose sich in einem Rechtsirrtum über die Relevanz des zu meldenden Umstands befindet (vgl. VwGH 20.9.2006, 2005/08/0146; 7.9.2020, Ra 2016/08/0062). Der Arbeitslose hat also eine Änderung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse auch dann zu melden, wenn diese seiner Auffassung nach den Anspruch auf eine Leistung nicht zu beeinflussen vermag (vgl. VwGH 3.10.2002, 97/08/0611).
7.2. Vorliegend vereinbarte die Mitbeteiligte im Scheidungsvergleich vom 17. November 2014 mit ihrem geschiedenen Ehemann, dass ihr dieser ab 1. Dezember 2014 einen monatlichen Unterhalt von € 600, zu zahlen habe. Durch diesen Unterhaltsanspruch ist eine Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Mitbeteiligten eingetreten, die dem AMS ohne Verzug spätestens jedoch innerhalb einer Woche zu melden gewesen wäre. Nach dem vom Bundesverwaltungsgericht festgestellten, im Revisionsverfahren nicht mehr strittigen Sachverhalt unterließ die Mitbeteiligte eine solche rechtzeitige Meldung. Sie teilte zwar dem AMS am 3. Dezember 2014 die einvernehmliche Ehescheidung mit und legte am 19. Jänner 2015 auch den Scheidungsbeschluss vor. Den Scheidungsvergleich vom 17. November 2014 aus dem sich erst der Unterhaltsanspruch ergibt übermittelte sie allerdings erst im Jahr 2018. Sie gab dem AMS auch auf keine andere Weise bekannt, dass ihr aus dem Scheidungsvergleich ein Unterhaltsanspruch zustehe. Im Hinblick darauf hat sie jedoch die Meldepflicht im Sinn des § 50 Abs. 1 AlVG verletzt.
Dabei kommt auch dem Einwand der Mitbeteiligten, es sei ihr nicht bewusst gewesen, dass der Unterhaltsanspruch als ein Einkommen gelte, sowie ihrer weiteren Argumentation, der Unterhaltsanspruch habe wegen „Gegenrechnung“ mit der Unterhaltspflicht für die Kinder nur monatlich € 120, betragen und daher keinen Einfluss auf die Bemessung der Leistung gehabt, keine Bedeutung zu. Nach der oben aufgezeigten Rechtsprechung sind nämlich die von der Mitbeteiligten behaupteten in ihrer Sphäre liegenden Gründe, aus denen die Meldung unterblieben ist, nicht maßgeblich, kommt es doch nicht darauf an, ob sich der Arbeitslose in einem Rechtsirrtum über die Meldepflicht und die Relevanz des zu meldenden Umstands für den Leistungsbezug befand.
7.3. Die Verletzung der Meldepflicht gemäß § 50 AlVG rechtfertigt in der Regel die Annahme einer Verschweigung maßgebender Tatsachen im Sinn des § 25 Abs. 1 AlVG und damit die Rückforderung des unberechtigt Empfangenen (vgl. VwGH 20.10.2004, 2002/08/0214).
Auch das vom soeben genannten Rückforderungstatbestand vorausgesetzte Verschulden zumindest bedingter Vorsatz (vgl. etwa VwGH 19.2.2003, 2000/08/0091) ist fallbezogen evident, wurde doch die Revisionswerberin bereits im vor der Ehescheidung mit 27. September 2014 gestellten Antrag darauf hingewiesen und dazu verpflichtet, jede maßgebende Änderung ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse wozu nach den Erläuterungen im Antragsformular jedenfalls auch das Entstehen eines Unterhaltsanspruchs zählt bis spätestens eine Woche nach Eintritt des Ereignisses bekannt zu geben. Sie hat daher die Verletzung ihrer diesbezüglichen Meldepflicht zumindest billigend in Kauf genommen (vgl. VwGH 30.1.2018, Ra 2017/08/0125). Umstände, die eine Meldung objektiv unmöglich gemacht hätten, wurden nicht behauptet (vgl. VwGH 23.4.2003, 2002/08/0284).
7.4. Voraussetzung für die Rückforderung eines Überbezugs ist lediglich der Umstand der Verschweigung einer maßgebenden Tatsache im bereits aufgezeigten Sinn. Werden maßgebende Tatsachen gemäß § 25 Abs. 1 erster Satz AlVG verschwiegen, so kommt es nicht darauf an, dass ein die Leistung aus der Arbeitslosenversicherung beeinflussender Umstand zu einem früheren Zeitpunkt bereits aktenkundig wurde oder von der Behörde leicht hätte festgestellt werden können, so wie überhaupt ein „Mitverschulden“ der Behörde am Überbezug im Falle des Verschweigens von maßgebenden Tatsachen oder unwahrer Angaben ohne Belang ist (vgl. VwGH 18.2.2004, 2002/08/0137).
Vorliegend kommt es daher auch nicht darauf an, dass dem AMS bereits aufgrund des am 19. Jänner 2015 vorgelegten Scheidungsbeschlusses der Abschluss eines Scheidungsvergleichs erkennbar war und ob das AMS aus dem Grund die Mitbeteiligte was nach den vom Verwaltungsgericht getroffenen Feststellungen regelmäßig der Fall ist zur Nachreichung des Scheidungsvergleichs hätte auffordern müssen und dadurch früher vom Unterhaltsbezug hätte Kenntnis erlangen können.
8 8.1. Der Rückforderungstatbestand der Vornahme unwahrer Angaben gemäß § 25 Abs. 1 AlVG liegt jedenfalls dann vor, wenn die Behörde in einem Antragsformular eine rechtserhebliche Frage stellt und diese Frage vom Antragsteller unrichtig oder unvollständig beantwortet wird (vgl. VwGH 14.11.2012, 2010/08/0118). Die sich aus der in § 25 Abs. 1 AlVG vorgesehenen Sanktionierung ergebende Verpflichtung von Antragstellern, hinsichtlich maßgebender Tatsachen vollständige und wahrheitsgemäße Angaben zu machen, soll sicherstellen, dass der Behörde, die zahlreiche gleichartige Verfahren relativ rasch abzuwickeln hat, grundsätzlich die für den Leistungsanspruch maßgebenden Umstände vollständig und wahrheitsgemäß zur Kenntnis gelangen (vgl. VwGH 28.3.2012, 2010/08/0027).
Dabei ist das Risiko eines Rechtsirrtums, aus dem ein Arbeitsloser meint, die im Antragsformular gestellten Fragen nicht richtig oder vollständig beantworten zu müssen, von ihm zu tragen (vgl. VwGH 17.5.2006, 2005/08/0153; vgl. auch bereits Punkt 7.2.). Ebenso kommt es nicht darauf an, ob ein maßgebender Umstand schon früher aktenkundig wurde oder von der Behörde leicht hätte festgestellt werden können, ob also die Behörde ein „Mitverschulden“ trifft (vgl. bereits Punkt 7.4.). Maßgebend ist lediglich, ob der betreffende Umstand in Beantwortung der Fragen im Antragsformular richtig und vollständig einbekannt oder der Behörde gleichzeitig oder doch rechtzeitig vor Anweisung der Leistung in einer zumindest gleichwertigen Weise (etwa durch Vorlage einer schriftlichen Bestätigung) mitgeteilt wurde (vgl. VwGH 20.11.2002, 2002/08/0208; 22.12.2009, 2007/08/0228).
8.2. Vorliegend beantragte die Mitbeteiligte mit 18. Oktober 2015 erstmals nach der Ehescheidung samt Abschluss des Scheidungsvergleichs - Notstandshilfe und verneinte dabei ein Einkommen, obwohl im Antragsformular Unterhaltsleistungen als Einkommen ausdrücklich angeführt sind. Dieselbe Erklärung gab sie im mit 15. Oktober 2017 gestellten Antrag ab. In einem weiteren mit 16. Oktober 2016 gestellten Antrag fügte sie zwar bei der betreffenden Frage „geringfügig“ und zur Höhe des Einkommens € „396, “ ein, verneinte damit aber im Ergebnis ebenso ein (höheres) Einkommen aufgrund des Unterhaltsbezugs von monatlich € 600, .
Folglich machte die Mitbeteiligte in ihren Anträgen nach der Ehescheidung unrichtige Angaben, indem sie jeweils ein Einkommen aufgrund des Unterhaltsbezugs wahrheitswidrig verneinte. Sie gab auch nicht auf andere Weise etwa durch einen Hinweis im Antrag oder durch Vorlage einer schriftlichen Bestätigung bekannt, dass ihr aus dem Scheidungsvergleich ein Unterhaltsanspruch zustehe. Den Scheidungsvergleich legte sie dem AMS nach den im Revisionsverfahren nicht (mehr) strittigen Feststellungen erst im April 2018 vor. Im Hinblick darauf hat sie jedoch den Rückforderungstatbestand der Vornahme unwahrer Angaben in objektiver Hinsicht verwirklicht.
Das beim betreffenden Tatbestand vorausgesetzte Verschulden (zumindest bedingter) Vorsatz (vgl. VwGH 22.2.2012, 2009/08/0251) ist ebenso gegeben, zumal die Mitbeteiligte in ihren Anträgen jeweils den Bezug von Unterhaltszahlungen verneinte, obwohl diese als Einkommen ausdrücklich genannt sind. Es musste ihr daher jedenfalls bewusst sein, dass ihr Unterhaltsanspruch als ein Einkommen gilt und wahrheitsgemäß anzuführen ist. Sie hat sich demnach mit der Vornahme unrichtiger Angaben offenbar abgefunden bzw. diese billigend in Kauf genommen. Folglich ist von einem (zumindest bedingt) vorsätzlichen Handeln der Mitbeteiligten auszugehen.
8.3. Die Mitbeteiligte kann sich auch in Bezug auf ihre unrichtigen Angaben in den betreffenden Anträgen nicht auf einen Rechtsirrtum, aus dem sie die gestellten Fragen unrichtig beantwortete, berufen. Ebenso kommt es auf ein allfälliges „Mitverschulden“ des AMS nicht an. Entscheidend ist vielmehr lediglich, dass die Mitbeteiligte den Unterhaltsbezug in den Anträgen nicht wahrheitsgemäß einbekannte und dem AMS auch nicht auf andere Weise rechtzeitig Mitteilung machte.
9 9. Nach dem Vorgesagten sind daher die Rückforderungstatbestände der Verschweigung maßgebender Tatsachen und der Tätigung unwahrer Angaben im Sinn des § 25 Abs. 1 AlVG für die jeweils genannten Zeiträume erfüllt.
10 10. Soweit die Mitbeteiligte Verjährung einwendet, ist auf § 25 Abs. 6 AlVG in der Fassung BGBl. I Nr. 38/2017 hinzuweisen, wonach eine Verpflichtung zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen nur dann besteht, wenn eine solche innerhalb von drei Jahren nach dem jeweiligen Leistungszeitraum verfügt wird. Als Leistungszeitraum ist dabei zumal Geldleistungen nach dem AlVG grundsätzlich monatlich ausgezahlt werden der Kalendermonat (bzw. der jeweilige Teil eines Monats) zu verstehen (vgl. VwGH 14.11.2018, Ra 2018/08/0088).
Gegenständlich erstrecken sich die (nur durch den Bezug von Krankengeld unterbrochenen) Leistungszeiträume, auf die sich die Rückforderung der Notstandshilfe bezieht, von 1. April 2015 bis 28. Februar 2018. Die dreijährige Frist für die Rückforderung in Bezug auf den frühesten Leistungszeitraum, nämlich April 2015, läuft bis zum Ende des Monats April 2018. Da das AMS bereits mit Bescheid vom 23. April 2018 die Verpflichtung zum Rückersatz ausgesprochen hat, ist eine Überschreitung der dreijährigen Verjährungsfrist nicht erfolgt.
11. Insgesamt ist daher das soweit angefochtene Erkenntnis aus den dargelegten Erwägungen mit Rechtswidrigkeit seines Inhalts behaftet. Es war deshalb im Umfang seines Spruchpunktes A)II. gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Wien, am 28. September 2022