JudikaturVwGH

Ro 2025/07/0004 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
Umweltrecht
10. Juli 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler und den Hofrat Mag. Haunold als Richter sowie die Hofrätin Dr. Holzinger als Richterin, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Kreil, über die Revision 1. des W in W und 2. des Ö in W, beide vertreten durch Mag. Wolfram Schachinger, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Hafengasse 16/4 5, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 6. November 2024, Zl. W104 2269054 2/130E, betreffend Genehmigung nach dem UVP G 2000 für ein Wasserkraftwerk (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Tiroler Landesregierung; mitbeteiligte Partei: T AG in I, vertreten durch die Schönherr Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Schottenring 19), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Revisionswerber haben dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 jeweils binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

1 Mit Bescheid der Tiroler Landesregierung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht) vom 14. Februar 2023 wurde der mitbeteiligten Partei unter Mitanwendung materienrechtlicher Genehmigungsbestimmungen die Bewilligung für die Errichtung und den Betrieb des Vorhabens „I“ nach dem Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 (UVP G 2000) erteilt.

2 Aufgrund mehrerer, unter anderem von den erst und zweitrevisionswerbenden Parteien erhobener Beschwerden wurden mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol (im Folgenden: Verwaltungsgericht) einige Nebenbestimmungen des Bescheides abgeändert (Spruchpunkt A.I.), im Übrigen wurden die Beschwerden abgewiesen (Spruchpunkt A.II.).

Die Revision wurde für zulässig erklärt (Spruchpunkt B.), wobei das Verwaltungsgericht begründend auf die Frage der Abgrenzung des Vorhabens gegenüber einer Verbindungsleitung vom Übergabepunkt an das öffentliche Netz zur existierenden überregionalen Übertragungsleitung, wofür jedoch weder ein Genehmigungsantrag noch ein Projekt bestehe, verwies.

3 Gegen das angefochtene Erkenntnis richtet sich die in einem gemeinsamen Schriftsatz eingebrachte Revision der erst und zweitrevisionswerbenden Parteien.

4 Sowohl die belangte Behörde als auch die mitbeteiligte Partei beantragen in ihrer jeweiligen Revisionsbeantwortung die Zurückweisung, in eventu die Abweisung der Revision sowie Kostenersatz.

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Gemäß § 34 Abs. 3 VwGG ist ein Beschluss nach Abs. 1 in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.

7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.

8 Auch in der ordentlichen Revision hat der Revisionswerber von sich aus die unter dem Gesichtspunkt einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung maßgeblichen Gründe der Zulässigkeit der Revision darzulegen, sofern er der Ansicht ist, dass die Begründung des Verwaltungsgerichtes für die Zulässigkeit der Revision nicht ausreicht oder er andere Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung für relevant erachtet. Der Verwaltungsgerichtshof hat weder Gründe für die Zulässigkeit der Revision anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen noch ist er berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit der Revision führen könnten, aufzugreifen (vgl. zum Ganzen etwa VwGH 27.6.2024, Ro 2024/07/0003, mwN).

9 In der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden Revision wird einleitend erwähnt, das Verwaltungsgericht habe eine ordentliche Revision „im Hinblick auf die Abgrenzung des Vorhabens“ mit der Begründung zugelassen, dass die ersichtliche Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der Vorhabensabgrenzung für die Klärung des hier behandelten Falles nicht anwendbar sei.

10 Selbst wenn man davon ausgeht, dass sich die Revisionswerber mit diesen Ausführungen der vom Verwaltungsgericht für die Zulässigkeit der Revision dargelegten Rechtsfrage betreffend die Vorhabensabgrenzung anschließen, ist zu beachten, dass sie darauf in den weiteren Revisionsausführungen nicht mehr zurückkommen. Die Revision erweist sich damit nicht bereits aufgrund der vom Verwaltungsgericht formulierten Rechtsfrage als zulässig (vgl. erneut VwGH 27.6.2024, Ro 2024/07/0003, mwN; vgl. ferner VwGH 9.9.2020, Ro 2020/07/0008, mwN).

11 Die Revisionswerber erstatten zur Frage der Zulässigkeit der Revision jedoch weitere Vorbringen.

12 Zunächst führen sie aus, das angefochtene Erkenntnis weiche von der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu dem Genehmigungskriterium „wirksame Umweltvorsorge“ nach § 17 Abs. 2 UVP G 2000 ab. Demgemäß sei die Immissionsbelastung zu schützender Güter möglichst gering zu halten (beispielhafter Verweis auf VwGH 21.12.2023, Ro 2020/04/0018). Bei der Prüfung der hinreichenden Dimensionierung des Schwallausgleichsbeckens so die Revisionswerber weiter hätte das Verwaltungsgericht neben § 12a WRG 1959 somit auch dieses Genehmigungskriterium zusätzlich berücksichtigen müssen. Die in § 17 Abs. 2 UVP G 2000 verankerten Genehmigungsvoraussetzungen gälten in Hinblick auf eine wirksame Umweltvorsorge zusätzlich, soweit die Anforderungen nicht schon in den anzuwendenden Verwaltungsvorschriften vorgesehen seien.

13 Wird eine Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geltend gemacht, hat der Revisionswerber konkret darzulegen, dass der der gegenständlich angefochtenen Entscheidung zu Grunde liegende Sachverhalt jenem der von ihm ins Treffen geführten hg. Entscheidungen gleicht, das Verwaltungsgericht im gegenständlichen Fall dennoch anders entschieden hat und es damit von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen ist. Dabei reicht es nicht aus, bloß Rechtssätze zu verschiedenen hg. Erkenntnissen wiederzugeben oder hg. Entscheidungen nach Datum und Geschäftszahl zu nennen, ohne auf konkrete Abweichungen von dieser Rechtsprechung hinzuweisen (vgl. VwGH 9.7.2024, Ra 2024/07/0162, mwN).

14 Diesen Begründungserfordernissen wird mit dem erwähnten, allgemein gehaltenen Vorbringen und der beispielhaften Zitierung einer hg. Entscheidung (in der sich im Übrigen der Verwaltungsgerichtshof im Zusammenhang mit einem Windpark mit der von ihm verneinten Frage befasste, ob § 17 Abs. 2 Z 2 lit. b UVP G 2000 auf Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes Anwendung findet), ohne auf diese Entscheidung und auf das angefochtene Erkenntnis in der in der hg. Judikatur beschriebenen vergleichenden Weise konkret einzugehen, nicht entsprochen.

15 Die Zulässigkeitsbegründung der Revision zeigt aber auch nicht die Relevanz des von ihr geltend gemachten Begründungsmangels auf, weil sie nicht darlegt, zu welchem konkreten anderen Beurteilungsergebnis das Verwaltungsgericht bei Vermeidung des in der Revision behaupteten Begründungsmangels gekommen wäre (vgl. zu diesem Erfordernis etwa VwGH 14.5.2024, Ra 2024/07/0139 bis 0141, mwN).

16 Ferner erheben die Revisionswerber den Vorwurf, das Verwaltungsgericht habe gegen tragende Grundsätze des Verfahrensrechts bzw. der Beweiswürdigung verstoßen. Das Verwaltungsgericht habe „die eindeutigen vorliegenden gutachterlichen Aussagen der Gewässerökologen (auch jene des vom Gericht selbst bestellten Gewässerökologen) und des Hydrogeologen nicht berücksichtigt“, sondern es sei davon ausgegangen, dass „die einen gänzlich anderen Regelungsinhalt betreffenden Aussagen des wasserbautechnischen Gerichtsgutachters alleine entscheidungsrelevant“ seien. Warum das Gericht, wenn es diese Ansicht vertrete, einen Gewässerökologen und einen Hydrogeologen hinzugezogen habe, sei unergründlich und im angefochtenen Erkenntnis nicht dargelegt worden. Somit widerspreche das angefochtene Erkenntnis auch der Judikatur, wonach es im Rahmen des in der Entscheidungsbegründung näher anzuführenden Beweiswürdigung in nachvollziehbarer Weise die Gedankengänge darzulegen habe, die es dazu veranlasst haben (Verweis auf VwGH 30.10.1991, 91/09/0047; 27.9.1994, 92/07/0076).

Das angefochtene Erkenntnis weiche von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zum Stand der Technik ab, „soweit er wie in § 12a WRG (gleichlautend in § 2 Abs 8 AWG 1990) den Stand der Technik mit ‚Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen‘ definiert“ (Hinweis auf VwGH 10.6.1999, 98/07/0101).

17 Nach der ständigen hg. Rechtsprechung ist der Verwaltungsgerichtshof als Rechtsinstanz zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. etwa VwGH 9.7.2024, Ra 2023/07/0150, mwN).

18 Eine solche Unvertretbarkeit der verwaltungsgerichtlichen Beweiswürdigung wird mit dem in Rede stehenden Vorbringen allerdings bereits deshalb nicht aufgezeigt, weil die Revisionswerber in keiner Weise darlegen, welche konkreten gutachterlichen Ausführungen von Sachverständigen das Verwaltungsgericht nicht berücksichtigt habe.

19 Sollten die Revisionswerber (worauf auch spätere Ausführungen in der Revisionsbegründung schließen lassen) mit ihrem Zulässigkeitsvorbringen die Feststellungen und beweiswürdigenden Überlegungen des Verwaltungsgerichts unter Pkt. 1.3.3.4. sowie entsprechend dem dort vorhandenen Verweis die rechtliche Beurteilung unter Pkt. 2.6.3. des angefochtenen Erkenntnisses zum Stand der Technik (erneut) hinsichtlich eines Schwallausgleichsbeckens vor Augen haben, so würde auch damit die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan. Das Verwaltungsgericht hat ausführlich erläutert, weshalb es in diesem Zusammenhang vor dem Hintergrund der von ihm beschriebenen, anzuwendenden Rechtslage den aus seiner Sicht schlüssigen und nachvollziehbaren Darlegungen des wasserbautechnischen Gerichts Sachverständigen (und nicht etwa dem gewässerökologischen Gerichtsgutachten oder dem hydrogeologischen Sachverständigen) folgte und die Genehmigungsvoraussetzungen der §§ 12a, 13 Abs. 1, 30a Abs. 1, 104a Abs. 1 und 105 Abs. 1 WRG 1959 sowie des § 17 Abs. 2 Z 2 lit. b UVP G 2000 als erfüllt beurteilte. Mit ihrem Zulässigkeitsvorbringen treten die Revisionswerber der diesbezüglichen Beweiswürdigung und rechtlichen Beurteilung des Verwaltungsgerichts inhaltlich nicht ansatzweise entgegen. Auch der Vorwurf der „Nichtberücksichtigung“ der gutachterlichen Aussagen der Gewässerökologen und des Hydrogeologen durch das Verwaltungsgericht trifft nach dem Gesagten nicht zu.

20 Das Vorbringen allein, das Verwaltungsgericht habe einen Gewässerökologen und einen Hydrogeologen hinzugezogen, sei dann aber den Ausführungen des wasserbautechnischen Gerichtgutachters gefolgt, ist angesichts der bereits erwähnten Darlegungen des Verwaltungsgerichts nicht geeignet, einen zur Zulässigkeit der Revision führenden Verfahrensmangel aufzuzeigen.

21 Darüber hinaus entspricht auch das in Rede stehende Zulässigkeitsvorbringen nicht den in der hg. Rechtsprechung dargelegten Anforderungen, wonach dann, wenn Verfahrensmängel als Zulassungsgründe ins Treffen geführt werden, auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden muss. Dies setzt voraus, dass auf das Wesentliche zusammengefasst jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten (vgl. etwa VwGH 12.5.2025, Ra 2024/07/0157 bis 0158, mwN).

22 Schließlich vermag auch der erhobene Vorwurf, das Verwaltungsgericht sei von der hg. Judikatur zum Stand der Technik abgewichen, für sich allein die Zulässigkeit der Revision nicht zu begründen, zumal die Revisionswerber im Rahmen dieser Zulässigkeitsausführungen keinen konkreten Bezug zum gegenständlichen Vorhaben und der dazu erfolgten verwaltungsgerichtlichen Beurteilung herstellen.

23 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

24 Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff, insbesondere § 51 VwGG in Verbindung mit der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 10. Juli 2025