JudikaturVwGH

Ra 2024/20/0618 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
21. Oktober 2024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. a Nussbaumer Hinterauer, Hofrat Mag. Eder und Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Stüger, in der Rechtssache der Revision des S W, vertreten durch Dr. Eva Jana Messerschmidt, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Freyung 6/7/2, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 12. August 2024, I406 22918291/11E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger von Nigeria, stellte nach unrechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet am 11. Oktober 2023 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005.

2 Mit Bescheid vom 18. April 2024 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl diesen Antrag ab. Unter einem sprach die Behörde aus, dass dem Revisionswerber kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt werde, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass die Abschiebung des Revisionswerbers nach Nigeria zulässig sei, und gewährte ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

3 Am 9. Dezember 2023, somit kurz nach Asylantragstellung, hatte der Revisionswerber in Wien eine moldawische Staatsangehörige standesamtlich geheiratet.

4 Das Bundesverwaltungsgericht wies mit dem angefochtenen Erkenntnis die vom Revisionswerber gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl erhobene Beschwerde als unbegründet ab. Unter einem sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die Erhebung einer Revision nach Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

7Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision - gemäß § 28 Abs. 3 VwGG gesondert - vorgebrachten Gründe zu überprüfen.

8 Der Revisionswerber wendet sich zur Begründung der Zulässigkeit der von ihm erhobenen Revision ausschließlich gegen die im Rahmen der Erlassung einer Rückkehrentscheidung erfolgte Interessenabwägung nach § 9 BFA Verfahrensgesetz (BFA VG). Dazu macht er geltend, das Bundesverwaltungsgericht sei hinsichtlich der Annahme, eine Trennung von seiner in Österreich dauerhaft niedergelassenen Ehefrau, sei gerechtfertigt, von der ständigen Rechtsprechung abgewichen.

9Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalles in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel (vgl. VwGH 2.9.2024, Ra 2024/20/0283, mwN).

10Die Beurteilung, ob die Erlassung einer Rückkehrentscheidung einen unverhältnismäßigen Eingriff in die nach Art. 8 EMRK geschützten Rechte eines Fremden darstellt, hat nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles stattzufinden. Dabei muss eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA VG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs. 3 BFAVG ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorgenommen werden (vgl. VwGH 31.5.2024, Ra 2024/20/0286, mwN).

11Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Judikatur eine Trennung von Familienangehörigen, mit denen ein gemeinsames Familienleben im Herkunftsland nicht zumutbar ist, jedenfalls dann für gerechtfertigt erachtet, wenn dem öffentlichen Interesse an der Vornahme einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme insgesamt ein sehr großes Gewicht beizumessen ist, wie dies insbesondere bei Straffälligkeit des Fremden oder bei einer von Anfang an beabsichtigten Umgehung der Regeln über den Familiennachzug der Fall ist (vgl. etwaVwGH 28.7.2022, Ra 2022/20/0187; 2.2.2021, Ra 2021/14/0013, mwN).

12 Das Bundesverwaltungsgericht hat im vorliegenden Fall nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, in der es sich einen persönlichen Eindruck vom Revisionswerber verschaffte, alle - auch die in der Zulässigkeitsbegründung der Revision genannten - maßgeblichen Umstände berücksichtigt. Insbesondere hat das Verwaltungsgericht in seine Erwägungen die Heirat des Revisionswerbers mit einer moldawischen Staatsangehörigen, die über einen Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt-EU“ verfügt und die Lebensverhältnisse des Revisionswerbers in Österreich einbezogen. Das Bundesverwaltungsgericht hat aber auch zutreffend auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen, wonach es im Sinn des § 9 Abs. 2 Z 8 BFAVG maßgeblich relativierend ist, wenn integrationsbegründende Schritte - wie vorliegend - in einem Zeitraum gesetzt wurden, in dem sich der Fremde seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein musste (vgl. etwa VwGH 28.2.2019, Ro 2019/01/0003, mwN und näheren Ausführungen zur Bedeutung des Bewusstseins des unsicheren Aufenthalts).

13Das Bundesverwaltungsgericht ging davon aus, dass der unrechtmäßig in das Bundesgebiet eingereiste Revisionswerber den offenkundig unbegründeten Antrag auf internationalen Schutz gestellt habe, mit der gezielten Absicht, unter Umgehung der Bestimmungen des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG) ein Aufenthaltsrecht zu erlangen, um bei seiner Partnerin zu leben.

14 Vor dem Hintergrund des vom Verwaltungsgericht als unglaubwürdig beurteilten Fluchtvorbringens was im Übrigen auch von der Revision unbekämpft bliebist der vom Bundesverwaltungsgericht gezogene Schluss, der Revisionswerber habe durch die Stellung eines unbegründeten Antrages auf internationalen Schutz, basierend auf seinen unwahren Angaben, die Bestimmungen des NAG umgehen wollen, jedenfalls vertretbar. Auf die in der Revision thematisierten Fragen, ob und unter welchen Umständen der Ehefrau des Revisionswerbers in Nigeria überhaupt ein Aufenthaltsrecht zukäme, kommt es fallbezogen nicht entscheidungswesentlich an.

15 Insgesamt vermag die Revision nicht aufzuzeigen, dass die Beurteilung des Bundesverwaltungsgerichtes, wonach bei einer Gesamtbetrachtung das öffentliche Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung die gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Revisionswerbers an einem Verbleib im Inland überwiege, unvertretbar wäre.

16 In der Revision wird keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 BVG grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 21. Oktober 2024