JudikaturVwGH

Ra 2024/20/0079 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
22. Februar 2024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pfiel, den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Herrmann Preschnofsky, in der Rechtssache der Revision des I I in W, vertreten durch Mag. Hubert Wagner, Rechtsanwalt in 1130 Wien, Wattmanngasse 8/6, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts [Spruchpunkt A) I.] vom 19. Dezember 2023, W144 2281107 1/5E, betreffend Abweisung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Der Revisionswerber, ein russischer Staatsangehöriger, stellte am 18. September 2023 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005).

2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies diesen Antrag mit Bescheid vom 24. Oktober 2023 gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurück, stellte fest, dass für die Behandlung des Antrages nach der Dublin III Verordnung Kroatien zuständig sei, erließ gegen den Revisionswerber gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) eine Anordnung zur Außerlandesbringung und stellte fest, dass „demzufolge“ nach § 61 Abs. 2 FPG seine Abschiebung nach Kroatien zulässig sei. Dieser Bescheid wurde vom Revisionswerber am 25. Oktober 2023 persönlich übernommen und somit an diesem Tag zugestellt.

3 Gegen diesen Bescheid erhob der in der Folge rechtsanwaltlich vertretene Revisionswerber Beschwerde, die vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt wurde. Nachdem das Bundesverwaltungsgericht dem Revisionswerber vorgehalten hatte, dass die Beschwerde nicht innerhalb der Beschwerdefrist eingebracht worden sei, stellte der Revisionswerber einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung dieser Frist.

4 Mit den Beschlüssen je vom 19. Dezember 2023 wies das Bundesverwaltungsgericht den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand als unbegründet ab sowie die Beschwerde als verspätet zurück. Unter einem sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die Erhebung einer Revision jeweils nach Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B VG).

6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8 Zunächst in festzuhalten, dass sich der Revisionswerber mit der von ihm erhobenen Revision sowohl dem angeführten (tauglichen) Revisionspunkt als auch dem Inhalt der Begründung für die Zulässigkeit der Revision zufolge allein gegen jenen Beschluss wendet, mit dem der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgewiesen wurde.

9 Zur Zulässigkeit der Revision wird vorgebracht, dass der Onkel des Revisionswerbers für ihn gegenüber seinem bevollmächtigten Vertreter übersetzt habe. Der Onkel habe irrtümlich den 27. Oktober 2023 als Zustelldatum genannt. Da die Angaben des Onkels des Revisionswerbers nicht widersprüchlich gewesen seien, habe sich der Rechtsvertreter auf die Richtigkeit der Angaben verlassen dürfen. Die Angaben sowohl des Revisionswerbers als auch des Onkels seien „überhaupt nicht mehrdeutig“ gewesen, sondern es hätten beide „ganz klar den 27.11.2023 als Zustellzeitpunkt“ angegeben. Sowohl der Revisionswerber als auch der Onkel hätten „ganz dem Rechtsvertreter eindeutig den 27.11.2023 als Tag der Zustellung genannt“ und sie seien „sich dessen auf die explizite Nachfrage des Rechtsvertreters auch ganz sicher“ gewesen. Es liege somit bloß ein minderer Grad des Verschuldens vor, der die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht hindere.

10 Gemäß § 33 Abs. 1 VwGVG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat eine Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

11 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der Begriff des minderen Grades des Versehens als leichte Fahrlässigkeit im Sinn des § 1332 ABGB zu verstehen. Der Wiedereinsetzungswerber darf daher nicht auffallend sorglos gehandelt haben, somit die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt nicht in besonders nachlässiger Weise außer Acht gelassen haben. An berufliche rechtskundige Parteienvertreter ist dabei ein strengerer Maßstab anzulegen als an rechtsunkundige Personen (vgl. etwa VwGH 2.3.2022, Ra 2021/20/0393, mwN). Die Einhaltung der Rechtsmittelfristen erfordert von der Partei oder ihrem Vertreter größtmögliche Sorgfalt (vgl. VwGH 27.9.2023, Ra 2021/01/0195, mwN). Das Verschulden des die Partei vertretenden Rechtsanwaltes ist der Partei zuzurechnen (vgl. VwGH 24.10.2023, Ra 2023/18/0280, mwN).

12 Der für den Revisionswerber einschreitende Rechtsanwalt hat sich seinem eigenen Vorbringen zufolge für die Bestimmung des Zeitpunktes der Zustellung des beim Bundesverwaltungsgericht angefochtenen Bescheides und somit für die Berechnung des Beginns und Endes der Frist für die Erhebung der Beschwerde allein auf die Auskunft des nicht Deutsch sprechenden und sich der Bedeutung des Zustellzeitpunktes nicht bewusst gewesenen Revisionswerbers sowie des für ihn übersetzenden aber gleichfalls die deutsche Sprache nur schlecht beherrschenden Onkels verlassen.

13 Vor diesem Hintergrund stellt sich die anhand der Umstände des Einzelfalls vom Bundesverwaltungsgericht vorgenommene Beurteilung, der Rechtsvertreter wäre fallbezogen angesichts der Wichtigkeit für die Berechnung und Einhaltung der Beschwerdefrist (vgl. dazu, dass ein solcher für die Beachtung einer Rechtsmittelfrist grundsätzlich selbst verantwortlich ist, VwGH 23.2.2005, 2001/14/0021) gehalten gewesen, durch weitere Erkundigungen den Zeitpunkt der Zustellung so zu verifizieren, dass vernünftigerweise kein Raum für Zweifel an dessen Richtigkeit geblieben wäre, und das Unterlassen derartiger Überprüfungen sei nicht mehr als minderer Grad des Versehens zu werten, aus revisionsrechtlicher Sicht nicht als korrekturbedürftig dar (vgl. etwa zu einem Fall, in dem sich der einschreitende Rechtsanwalt bloß mit der telefonischen Bekanntgabe des Zustelldatums begnügt und keine Maßnahmen zur Kontrolle der Richtigkeit des Zustelldatums gesetzt hat, nochmals VwGH 2001/14/0021).

14 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war somit gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 22. Februar 2024

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