JudikaturVwGH

Ra 2025/04/0163 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
06. August 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Pollak sowie die Hofräte Dr. Mayr und Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Strasser, über die Revision des W H, vertreten durch Dr. Tassilo Wallentin, Rechtsanwalt in Wien, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 2. Juni 2025, Zl. W292 2298457 1/17E, betreffend Übertretung der DSGVO (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Datenschutzbehörde; weitere Partei: Bundesministerin für Justiz), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 1. Mit Bescheid vom 7. April 2023 gab die belangte Behörde der gegen den Revisionswerber als Beschwerdegegner gerichteten Datenschutzbeschwerde einer Kundin des Revisionswerbers statt und stellte fest, dieser habe die Kundin in ihrem Recht auf Geheimhaltung verletzt, indem er ihren vollständigen Vor und Nachnamen im Rahmen einer Beantwortung einer Google Rezension veröffentlicht habe. Die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit Erkenntnis vom 13. Dezember 2023, Zl. W292 2273362 1/10E, ab. Die gegen dieses Erkenntnis eingebrachte Revision des Revisionswerbers wurde mit Beschluss vom heutigen Tag, Ra 2024/04/0309, zurückgewiesen.

2 2. Mit (dem hier verfahrensgegenständlichen) Straferkenntnis der belangten Behörde vom 9. Juli 2024 wurde über den Revisionswerber in der Folge wegen der Veröffentlichung des Namens der Kundin gestützt auf Art. 5 Abs. 1 sowie Art. 6 Abs. 1 iVm Art. 83 Abs. 5 lit. a DSGVO eine Geldstrafe von € 400, verhängt und ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens festgesetzt.

3 3. Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis wies das BVwG die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und verpflichtete ihn zur Zahlung eines Beitrags zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens. Die Revision wurde gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG für nicht zulässig erklärt.

4 3.1. Das BVwG stellte soweit für das Revisionsverfahren von Relevanz fest, die Kundin habe beim Revisionswerber ein (näher bezeichnetes) Produkt (einen Trauerkranz) bestellt, diese Bestellung aber im Anschluss an ein Telefonat mit dem Revisionswerber wieder storniert. Anschließend habe die Kundin eine Google Rezension veröffentlicht. Hierauf habe der Revisionswerber repliziert und dabei ihren vollständigen Vor und Nachnamen im Internet offengelegt. Gestützt auf die als glaubwürdig erachteten Angaben der Kundin sowie die vorgelegten Beweisurkunden (Screenshots) hielt das BVwG zudem fest, es habe nicht festgestellt werden können, dass die Kundin während des fraglichen Zeitraums ihr Google Konto derart eingestellt gehabt habe, dass ihr vollständiger Name bei der Veröffentlichung von Google Rezensionen für alle Internetnutzer ersichtlich gewesen sei.

5 3.2. In seiner rechtlichen Beurteilung trat das BVwG zunächst dem vom Revisionswerber erhobenen Einwand der Verjährung sowie dem geltend gemachten Verstoß gegen das Doppelbestrafungsverbot entgegen. Anschließend führte es aus, es sei unzweifelhaft, dass der Revisionswerber als Verantwortlicher im Sinn des Art. 4 Z 7 DSGVO zu qualifizieren und die vorgenommene Veröffentlichung als Verarbeitung personenbezogener Daten der Kundin im Sinn des Art. 4 Z 2 DSGVO zu werten sei.

6 Zur Datenschutzerklärung des Revisionswerbers hielt das BVwG (zusammengefasst) fest, eine Einwilligung liege gemäß Art. 4 Z 11 DSGVO nur dann vor, wenn eine freiwillige, in informierter Weise und unmissverständlich abgegebene Willenserklärung in Form einer Erklärung oder sonstigen eindeutigen bestätigenden Handlung vorliege, mit der die betroffene Person ihre Einwilligung in die Verarbeitung ihrer Daten zu verstehen gebe. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) müssten die klaren und umfassenden Informationen den Nutzer in die Lage versetzen, die Konsequenzen einer etwaigen von ihm erteilten Einwilligung leicht zu bestimmen und es müsse gewährleistet werden, dass die Einwilligung in voller Kenntnis der Sachlage erteilt werde. Dass die Kundin vorliegend bei der Bestellung eines Trauerkranzes über die Website des Unternehmens des Revisionswerbers bereits eine Einwilligung erteilt haben solle, die den Revisionswerber im (hypothetischen) Falle der Reaktion auf eine Google Rezension berechtige, den vollständigen Vor und Nachnamen der Kundin offenzulegen, könne bei verständiger Betrachtung aller Umstände nicht angenommen werden. Bereits vor diesem Hintergrund sei der gegenständliche Hinweis im Rahmen der Datenschutzinformationen rechtlich nicht geeignet, den Erlaubnistatbestand einer rechtskonformen Einwilligung im Sinn der Anforderungen der Art. 6 Abs. 1 lit. a iVm Art. 7 DSGVO zu bewirken.

7 Des Weiteren führte das BVwG aus, es sei nicht ersichtlich, in welchem Zusammenhang die verfahrensgegenständliche Veröffentlichung erforderlich gewesen sein sollte, um den zwischen den Parteien geschlossenen Kaufvertrag zu erfüllen oder vorvertragliche Leistungen zu erbringen. Die gegenständliche Veröffentlichung könne somit auch nicht auf den Erlaubnistatbestand des Art. 6 Abs. 1 lit. b DSGVO gestützt werden.

8 Hinsichtlich des Erlaubnistatbestandes des Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO hielt das BVwG fest, die Offenlegung des Vor und Nachnamens der Kundin bei der Beantwortung ihrer Google Rezension sei auch nicht zur Wahrung eines allfälligen ideellen oder wirtschaftlichen Interesses des Revisionswerbers erforderlich gewesen. Der Kundin sei zudem ein legitimes Interesse daran zuzubilligen, eine wenn auch für den Verantwortlichen unerfreuliche Google Bewertung betreffend die von ihr gemachten Erfahrungen zu veröffentlichen und dabei ihre Identität nicht offenzulegen. Der Inhalt der von der Kundin veröffentlichten Bewertung stelle sich weder als unsachlich noch als Wertungsexzess dar. Die Datenverarbeitung sei daher von keinem Erlaubnistatbestand des Art. 6 Abs. 1 DSGVO gedeckt. Zudem liege auch ein Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtmäßigkeit der Verarbeitung nach Art. 5 Abs. 1 lit. a DSGVO vor. Dadurch habe der Revisionswerber die objektive Tatseite der Strafbestimmung des Art. 83 Abs. 5 lit. a DSGVO verwirklicht.

9 Abschließend traf das BVwG nähere Ausführungen zum Verschulden des Revisionswerbers und zur Strafbemessung.

10 4. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

11 5. Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

12 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

13 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG vom Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

14 6.1. Der Revisionswerber bringt zunächst vor, die Kundin habe durch den Mausklick auf der Website des Revisionswerbers in die Datenverarbeitung eingewilligt. Die Einwilligung habe den gesetzlichen Anforderungen entsprochen, weshalb der Revisionswerber nicht hätte bestraft werden dürfen.

15 Ob eine Einwilligung in eine Datenverarbeitung den rechtlichen Anordnungen des Art. 6 Abs. 1 lit. a in Verbindung mit Art. 7 DSGVO entspricht, ist anhand der für den Einzelfall maßgeblichen Umstände zu prüfen. Eine im Einzelfall vorgenommene rechtliche Beurteilung kann nur dann die Zulässigkeit einer Revision begründen, wenn dies wegen einer krassen Fehlbeurteilung der einzelfallbezogenen Umstände durch das Verwaltungsgericht aus Gründen der Rechtssicherheit geboten ist (vgl. dort im Zusammenhang mit Art. 7 Abs. 3 DSGVO - VwGH 16.1.2025, Ra 2024/04/0424, Rn. 18).

16 Davon kann im vorliegenden Fall angesichts der (oben in Rn. 6 dargestellten) eingehenden Begründung des BVwG im angefochtenen Erkenntnis keine Rede sein, zumal der Revisionswerber in diesem Zusammenhang nur pauschal darauf verweist, die Einwilligung habe den „gesetzlichen Anforderungen“ entsprochen, ohne den diesbezüglichen Ausführungen des BVwG konkret entgegenzutreten. Eine krasse Fehlbeurteilung im Sinn der dargestellten Rechtsprechung wird vom Revisionswerber daher schon insoweit nicht aufgezeigt.

17 6.2. Dem weiteren Zulässigkeitsvorbringen, das BVwG habe mit dem angefochtenen Erkenntnis gegen das Doppelbestrafungsverbot nach Art. 4 des 7. ZPEMRK verstoßen, weil bereits in der Entscheidung W292 2273362 1/10E über den identen Sachverhalt abgesprochen worden sei, ist zu entgegnen, dass in dem dort zugrundeliegenden Verfahren (siehe insoweit die Darstellung in Rn. 1) lediglich die Feststellung einer datenschutzrechtlichen Rechtsverletzung gegenständlich war (vgl. allgemein zum Feststellungsanspruch einer in ihren Rechten verletzten Person VwGH 14.12.2021, Ro 2020/04/0032, Rn. 38) und dort kein Schuld oder Strafausspruch getroffen wurde (vgl. dazu auch dort im Zusammenhang mit einem Feststellungsbescheid nach dem Altlastensanierungsgesetz VwGH 24.1.2013, 2010/07/0218). Schon aus diesem Grund ist der Vorwurf einer Doppelbestrafung verfehlt.

18 6.3. Der Revisionswerber macht unter Bezugnahme auf Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO zur Begründung der Zulässigkeit der Revision weiters geltend, er sei dazu berechtigt, zur Wahrung seiner berechtigten Interessen (nämlich zur Abwehr von kreditschädigenden Behauptungen) die „anwerfende Person namentlich anzuschreiben.“ Die Interessen der Kundin hätten fallbezogen nicht überwogen, zumal es ihre alleinige Entscheidung gewesen sei, den Schritt in die Öffentlichkeit zu gehen.

19 Zu diesem Vorbringen ist auf das oben (in Rn. 1) dargestellte, in Rechtskraft erwachsene Erkenntnis des BVwG vom 13. Dezember 2023 zu verweisen, in dem die auch hier gegenständliche Datenverarbeitung als nicht gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO rechtmäßig erachtet worden ist. Die dafür vorgenommene Interessenabwägung wurde mit dem ebenfalls in Rn. 1 zitierten Beschluss vom heutigen Tag, VwGH Ra 2024/04/0309, nicht als unvertretbar angesehen. Auch im vorliegenden Fall wird in der Zulässigkeitsbegründung nicht aufgezeigt, aus welchem Grund die Offenlegung des Vor und Nachnamens der Kundin zur Wahrung eines berechtigten Interesses im Sinn des Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO erforderlich gewesen sei.

20 6.4. Soweit der Revisionswerber in einem Satz ohne nähere Begründung den Eintritt der Strafbarkeits und Verfolgungsverjährung behauptet, wird diesbezüglich weder dargelegt, von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das BVwG abgewichen wäre, noch, welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof (erstmals) zu lösen hätte (vgl. in diesem Sinn auch VwGH 4.4.2024, Ra 2023/01/0259, Rn. 13, mwN). Zudem hat sich das BVwG mit diesem Einwand bereits auseinandergesetzt und diesen Ausführungen wird in der Revision nichts entgegengesetzt.

21 6.5. Zum Vorbringen des Revisionswerbers, das BVwG habe es unterlassen, ein Vorabentscheidungsersuchen zum Thema „provozierte Datenschutzverletzung“ an den EuGH zu stellen, genügt es wiederum, gemäß § 43 Abs. 2 und 9 VwGG auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes im Beschluss Ra 2024/04/0309 zu verweisen (hier Rn. 15 ff). Auch im vorliegenden Verfahren lässt sich dem Zulässigkeitsvorbringen keine grundsätzliche Rechtsfrage des Unionsrechts entnehmen, die zur Zulassung der Revision führe könnte.

22 6.6. Der Revisionswerber bringt darüber hinaus mit weitwendigen Ausführungen vor, die Kundin habe im Rahmen ihrer Google Rezension ihren Vor- und Nachnamen selbst angeführt. Dies hätte sich aus den „Protokolldateien“ ergeben, welche von Google herbeigeschafft werden hätten können. Das BVwG habe mehrere Verfahrensvorschriften verletzt, sich über Parteivorbringen hinweggesetzt, unzureichende Ermittlungen durchgeführt und keine umfassende Akteneinsicht gewährt. Zudem sei die diesbezügliche Beweiswürdigung unvertretbar und ein diesbezüglicher Beweisantrag sei übergangen worden.

23 Zu diesem (im Wesentlichen mit demjenigen in der zu Ra 2024/04/0309 protokollierten Revision inhaltsgleichen) Vorbringen kann auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes im Beschluss Ra 2024/04/0309 verwiesen werden (hier Rn. 19 ff). Auch im vorliegenden Fall wird weder eine Relevanz der behaupteten Verfahrensmängel noch eine Unvertretbarkeit der Beweiswürdigung bzw. der Beurteilung der Notwendigkeit einer Beweisaufnahme aufgezeigt. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass ein Vorbringen, soweit es aus einer Aneinanderreihung von Rechtssätzen des Verwaltungsgerichtshofes besteht, ohne dass ein konkreter Fallbezug hergestellt wird, den hg. Anforderungen an die Zulässigkeitsbegründung nicht entspricht (vgl. in diesem Sinn etwa VwGH 26.6.2024, Ra 2024/17/0042 bis 0046, Pkt. 6.2, mwN).

24 6.7. Soweit der Revisionswerber schließlich auf mehrere Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes und des EGMR verweist und damit die Verletzung näher genannter Grundrechte behauptet, genügt es festzuhalten, dass der Verwaltungsgerichtshof zur Prüfung der Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten nicht berufen ist, weil dies in die Prüfungsbefugnis des Verfassungsgerichtshofes gehört (vgl. etwa VwGH 10.4.2025, Ra 2024/03/0122, Rn. 17, mwN).

25 7. In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

26 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

27 Eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes über den Antrag des Revisionswerbers, der Revision aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, erübrigt sich somit.

28 Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.

Wien, am 6. August 2025

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