JudikaturVwGH

Ra 2024/15/0005 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
Wirtschaftsrecht
18. August 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Novak, den Hofrat Dr. Sutter sowie die Hofrätin Dr. in Lachmayer als Richter und Richterin, unter Mitwirkung der Schriftführerin Löffler, LL.M., über die Revision der S GmbH, vertreten durch die KPMG Alpen Treuhand GmbH, Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft in Innsbruck, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 6. November 2023, Zl. RV/3100767/2018, betreffend Wiederaufnahme der Umsatz- und Körperschaftsteuerverfahren 2014 und 2015, Umsatz- und Körperschaftsteuer 2014 bis 2016, sowie Haftung für Kapitalertragsteuer für die Jahre 2014 bis 2017, den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Die Revisionswerberin wurde nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts (BFG) von S mit Erklärung vom 12. Dezember 2013 errichtet. Geschäftsgegenstand der GmbH ist die Produktion von Juwelen und der Großhandel mit Juwelen, Uhren und kunstgewerblichen Gegenständen im In- und Ausland. S ist Alleingesellschafter und geschäftsführer der Revisionswerberin. Ihr Sitz ist eine Liegenschaft in R, die wie auch das darauf im Streitzeitraum neu errichtete Gebäude im alleinigen Eigentum des S steht (vgl. hierzu auch Ra 2024/15/0005). Ab Jänner 2014 traf die Revisionswerberin administrative Vorbereitungen für eine gewerbliche Tätigkeit (Anträge auf Vergabe einer Steuer , UID und EORI Nummer). Bauverzögerungen infolge von Baumängeln und Mängeln der Alarmanlage führten jedoch dazu, dass die Revisionswerberin im Streitzeitraum keine operative Tätigkeit aufnehmen konnte.

2 Zwischen S und der Revisionswerberin bestand im Streitzeitraum kein Mietverhältnis. Ab Jänner 2014 wurden jedoch mittels Inseraten in zwei Lokalzeitungen Büroangestellte und Reinigungskräfte gesucht und ab März 2014 beschäftigte die Revisionswerberin Personal (durchschnittlich zwei bis drei Personen im Jahr mit wöchentlichen Arbeitszeiten zwischen 20 und 40 Stunden). Die Arbeitskräfte wurden als Hausmeister und Hausgehilfinnen zur Hausbetreuung (Reinigung) eingesetzt.

3 Mit 22. August 2018 ergingen aufgrund einer Außenprüfung Bescheide hinsichtlich Wiederaufnahme der Verfahren betreffend Umsatz- und Körperschaftsteuer 2014 und 2015 gemäß § 303 BAO sowie Aufhebungsbescheide betreffend Umsatz- und Körperschaftsteuer 2016 gemäß § 299 BAO. Weiters erließ das Finanzamt neue Sachbescheide und zog die Revisionswerberin zur Haftung für Kapitalertragsteuer für die Jahre 2014 bis 2017 heran.

4 Gegen diese Bescheide erhob die Revisionswerberin unter Verzicht auf die Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung Beschwerde.

5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis, in dem eine ordentliche Revision nicht zugelassen wurde, wies das BFG die Beschwerde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung gegen die Bescheide betreffend Wiederaufnahme der Umsatz- und Körperschaftsteuerverfahren 2014 und 2015 sowie Umsatz und Körperschaftsteuer 2014 bis 2016 ab und hob die Bescheide betreffend Haftung für Kapitalertragsteuer 2014, 2015, 2016 und 2017 auf. Begründend führte es soweit für das gegenständliche Verfahren von Bedeutung aus, dass Betriebsausgaben zwar grundsätzlich auch schon vor der Betriebseröffnung bzw. vor Erzielung der ersten Einnahmen anfallen könnten, soweit ein ausreichender Zusammenhang mit den künftigen Betriebseinnahmen und somit einer Einkunftsquelle bestehe. Ausgaben für die Gebäudebetreuung vor Beginn einer Vermietung seien allerdings üblicherweise vom Eigentümer zu tragen. Dass die Revisionswerberin als künftige Mieterin die Löhne der Hausmeister und Hausgehilfinnen (einschließlich der Kosten für Inserate und Lohnverrechnung) zur Zahlung übernommen habe, obwohl sie das Gebäude noch nicht habe nutzen können, sei nur durch das Naheverhältnis zu ihrem Gesellschafter zu erklären. Dasselbe gelte für die Übernahme von Kosten für Telefon, Telefax und Internet. Ein Zusammenhang dieser Ausgaben mit künftigen Betriebseinnahmen der Revisionswerberin sei nicht ersichtlich.

6 Eine Vereinbarung über einen „Vorteilsausgleich“ in der Form, dass einerseits die Gesellschaft Aufwendungen des Gesellschafters finanziere und andererseits der Gesellschafter auf einen Geschäftsführerbezug verzichte, sei nicht dokumentiert und würde auch einem Fremdvergleich nicht standhalten. In der Beschwerde sei ausgeführt worden, die Revisionswerberin sei auf das Knowhow und die Kontakte ihres Gesellschafters angewiesen. Dass ein angemessenes Entgelt für die Geschäftsführung dennoch nicht mehr als jenen Betrag ausgemacht hätte, den die GmbH monatlich für Telefon, Telefax und Internet bezahlt habe, sei nicht nachvollziehbar. Von einer (fremdüblichen) Leistungsbeziehung zwischen der Revisionswerberin und ihrem Gesellschaftergeschäftsführer könne somit keine Rede sein.

7 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zu ihrer Zulässigkeit vorbringt, es fehle Rechtsprechung zur Thematik, „unter welchen Voraussetzungen ein Mieter völlig kostenlos in den ihm zur Verfügung gestellten Geschäftsräumlichkeiten logieren“ könne. Laut Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes sei ein Mieter von Geschäftsräumlichkeiten nicht zur Mietzahlung verpflichtet, wenn er die Räumlichkeiten ohne eigenes Verschulden nicht nutzen könne bzw das Bestandobjekt für den Mieter nicht wie ursprünglich geplant brauchbar sei. Er habe sich jedoch gemäß dem ihm zukommenden Nutzen an den Betriebskosten zu beteiligen. Die Kosten würden daher dem eingeschränkten, aber vorhandenen Nutzen aus den (fremden) Geschäftsräumlichkeiten entsprechen.

8 Mit diesem Vorbringen wird eine Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.

9 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

10 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

11 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

12 Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes können vertragliche Vereinbarungen zwischen nahen Angehörigen für den Bereich des Steuerrechts nur als erwiesen angenommen werden und damit Anerkennung finden, wenn sie nach außen ausreichend zum Ausdruck kommen, einen eindeutigen, klaren und jeden Zweifel ausschließenden Inhalt haben und auch zwischen Familienfremden unter den gleichen Bedingungen abgeschlossen worden wären. Auch die Erfüllung der vertraglichen Vereinbarungen zwischen nahen Angehörigen muss diesen Anforderungen genügen (vgl. VwGH 28.5.2015, 2013/15/0135, mwN).

13 In abgabenrechtlichen Belangen sind an die Anerkennung von Vereinbarungen zwischen einem die GmbH beherrschenden Gesellschafter Geschäftsführer und der Gesellschaft ebenso strenge Maßstäbe anzulegen wie an die Anerkennung von Vereinbarungen zwischen nahen Angehörigen. Derartige Abmachungen müssen insbesondere von vornherein ausreichend klar sein und einem Fremdvergleich standhalten. Diese in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für die steuerliche Anerkennung von Verträgen aufgestellten Kriterien haben ihre Bedeutung im Rahmen der vom Verwaltungsgerichtshof nur auf ihre Schlüssigkeit zu prüfenden Beweiswürdigung und kommen daher in jenen Fällen zum Tragen, in denen berechtigte Zweifel am wahren wirtschaftlichen Gehalt einer behaupteten vertraglichen Gestaltung bestehen (vgl. VwGH 16.11.2006, 2005/14/0070 und 0071, mwN).

14 Dass solche klaren Vereinbarungen entgegen der Annahme des BFG im Revisionsfall vorgelegen seien, vermag die Revision nicht darzutun.

15 Wenn die Revision die Rechtsfrage aufwirft, „unter welchen Voraussetzungen ein Mieter völlig kostenlos in den ihm zur Verfügung gestellten Geschäftsräumlichkeiten logieren“ könne und ob er sich bei Nichtnutzbarkeit von gemieteten Geschäftsräumlichkeiten gemäß dem ihm zukommenden Nutzen an den Betriebskosten zu beteiligen habe und daraus betrieblich veranlasste Betriebsausgaben resultierten, so entfernt sie sich mit dieser Frage bereits vom festgestellten Sachverhalt des BFG, das explizit festgestellt hat, dass es im gegenständlichen Streitzeitraum kein Mietverhältnis zwischen der Revisionswerberin und S gab.

16 In diesem Zusammenhang ist auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach dieser als Rechtsinstanz zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen ist. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG liegt allerdings dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 24.4.2025, Ra 2024/15/0060, mwN).

17 Eine solche Unvertretbarkeit der Beweiswürdigung vermochte die Revision, die sich nicht gegen die Feststellungen des BFG richtet, nicht aufzuzeigen.

18 Es ist dem BFG daher vor dem Hintergrund seiner Feststellungen nicht entgegen zu treten, wenn es die streitgegenständlichen Ausgaben für die Gebäudebetreuung vor Beginn einer Vermietung dem Eigentümer zugeordnet und den Grund für die Übernahme dieser Ausgaben durch die Revisionswerberin auf das Naheverhältnis zu S zurückgeführt hat.

19 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 18. August 2025