JudikaturVwGH

Ra 2024/14/0516 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
20. September 2024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr. in Sporrer sowie die Hofrätinnen Dr. in Sembacher und Mag. Bayer als Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Kreil, MA, in der Revisionssache des S H, vertreten durch Mag. a Margit Sagel, Rechtsanwältin in 1030 Wien, Landstraßer Hauptstraße 60/18, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. Juli 2024, W163 21754852/9E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am 24. April 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005).

2Mit Erkenntnis vom 12. Mai 2020 erkannte das Bundesverwaltungsgericht im Beschwerdeverfahren dem Revisionswerber den Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 zu und stellte gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 fest, dass ihm kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukomme.

3Mit Urteil des Landesgerichts K vom 31. August 2021 wurde der Revisionswerber wegen des Verbrechens der absichtlich schweren Körperverletzung nach § 87 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Die dagegen erhobene Nichtigkeitsbeschwerde wurde vom Obersten Gerichtshof mit Beschluss vom 18. Jänner 2022 zurückgewiesen; der ebenso erhobenen Berufung an das Oberlandesgericht Wien wurde mit Urteil vom 16. März 2022 nicht Folge gegeben.

4Mit Bescheid vom 5. Juli 2022 erkannte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) dem Revisionswerber den Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ab und stellte gemäß § 7 Abs. 4 AsylG 2005 fest, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft nicht mehr zukomme (I.). Es wies seinen Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 3a iVm § 9 Abs. 2 AsylG 2005 ab (II.) und erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 (III.). Zudem erließ es gegen den Revisionswerber eine Rückkehrentscheidung (IV.) und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan nicht zulässig sei (V.). Für die freiwillige Ausreise bestimmte das BFA eine Frist von zwei Wochen ab der Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (VI.). Weiters verhängte es gegen ihn ein unbefristetes Einreiseverbot (VII.).

5Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde des Revisionswerbers gegen Spruchpunkt (SP) I. mit der Maßgabe ab, dass dem Revisionswerber der mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. Mai 2020, zuerkannte Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 iVm § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 aberkannt und gemäß § 7 Abs. 4 AsylG 2005 festgestellt werde, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukomme. Zudem wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde gegen SP II. mit der Maßgabe ab, dass dem Revisionswerber gemäß § 8 Abs. 3a iVm § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 der Status eines subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt und festgestellt werde, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Afghanistan unzulässig sei, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Die SP III. bis VII. behob es in Erledigung der Beschwerde. Weiters sprach es aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.

6 In der Folge wurde die gegenständliche Revision eingebracht, die zu ihrer Zulässigkeit vorbringt, das Bundesverwaltungsgericht habe automatisch von der Schwere des Delikts auf die Gefährlichkeit geschlossen, obwohl der Gerichtshof der Europäischen Union im Urteil vom 6. Juli 2023, C 402/22, von der Selbständigkeit der beiden Kriterien ausgegangen sei. Der Unterschied sei deshalb wesentlich, „weil die Variante, dass ein schweres Delikt vorliegt, aber keine Gefährlichkeit gegeben ist, ausgeschlossen wird.“

7 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

9Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10Da der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 34 Abs. la zweiter Satz VwGG die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Sinn des Art. 133 Abs. 4 BVG nur im Rahmen der dafür in der Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG gesondert vorgebrachten Gründe zu überprüfen hat, ist er weder verpflichtet, solche anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit der Revision hätten führen können, aufzugreifen. Dementsprechend erfolgt nach der Rechtsprechung die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision durch den Verwaltungsgerichtshof ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulassungsbegründung. In der gesonderten Zulässigkeitsbegründung ist konkret darzulegen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat. Lediglich pauschale Behauptungen erfüllen diese Voraussetzungen nicht (vgl. VwGH 13.12.2023, Ra 2023/14/0240, mwN). Schon diesen Anforderungen entspricht die vorliegende Revision nicht.

11Im Übrigen setzte sich das Bundesverwaltungsgericht, das eine mündliche Verhandlung durchführte und sich einen persönlichen Eindruck vom Revisionswerber verschaffte, mit den Tatumständen, der mangelnden Schuldeinsicht und der Gefährlichkeit des Revisionswerbers im Einzelnen sowie seinen Lebensumständen seit seiner Haftentlassung im Februar 2024 auseinander. Ausgehend davon ist auch die unsubstantiierte Behauptung der Revision, das Bundesverwaltungsgericht habe automatisch von der Verurteilung auf die Gefährlichkeit des Revisionswerbers geschlossen, nicht nachzuvollziehen (vgl. zum Asylausschluss gemäß § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 ausführlich VwGH 25.7.2023, Ra 2021/20/0246, mwN).

12Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 20. September 2024