JudikaturVwGH

Ra 2023/14/0240 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
13. Dezember 2023

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Grünstäudl sowie die Hofrätinnen Mag. Rossmeisel und Dr. in Sembacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Prendinger, in der Revisionssache des M T, vertreten durch Mag. Florian Kreiner, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Friedrich Schmidt Platz 7/14, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. Mai 2023, W277 2232581 1/34E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Dem Revisionswerber, einem aus Tschetschenien stammenden Staatsangehörigen der Russischen Föderation, wurde mit Berufungsbescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 8. Oktober 2004 Asyl durch Erstreckung gemäß § 11 Abs. 1 Asylgesetz 1997 abgeleitet von seiner Mutter gewährt.

2 Der Revisionswerber wurde in der Folge mehrfach straffällig und zunächst am 28. August 2013 vom Bezirksgericht Floridsdorf wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe verurteilt.

3 Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 13. Juli 2016 wurde der Revisionswerber wegen der Verbrechen der terroristischen Vereinigung gem. § 278b Abs. 2 StGB, der terroristischen Straftaten gem. § 278c Abs. 1 Z 4 (schwere Nötigung nach § 106 StGB) und Abs. 2 StGB sowie der kriminellen Organisation gem. § 278a StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zehn Jahren verurteilt. Der dagegen erhobenen Berufung gab das Oberlandesgericht Graz mit Urteil vom 9. Februar 2018 Folge und setzte die Freiheitsstrafe auf achteinhalb Jahre herab.

4 In der Folge leitete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) ein Aberkennungsverfahren ein.

5 Mit Bescheid vom 14. April 2020 sprach das BFA aus, dass dem Revisionswerber der Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) aberkannt und festgestellt werde, dass ihm gemäß § 7 Abs. 4 AsylG 2005 die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukomme. Die Behörde erkannte ihm den Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zu, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung in die Russische Föderation zulässig sei, legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest und erließ ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Einreiseverbot.

6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung die dagegen erhobene Beschwerde als unbegründet ab und sprach aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.

7 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 18. September 2023, E 2854/2023 5, ablehnte und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. In der Folge brachte der Revisionswerber die vorliegende außerordentliche Revision ein.

8 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

11 Da der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 34 Abs. la zweiter Satz VwGG die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG nur im Rahmen der dafür in der Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG gesondert vorgebrachten Gründe zu überprüfen hat, ist er weder verpflichtet, solche anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit der Revision hätten führen können, aufzugreifen. Dementsprechend erfolgt nach der Rechtsprechung die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision durch den Verwaltungsgerichtshof ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulassungsbegründung. In der gesonderten Zulässigkeitsbegründung ist konkret darzulegen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat. Lediglich pauschale Behauptungen erfüllen diese Voraussetzungen nicht (vgl. VwGH 17.4.2023, Ra 2023/14/0031, mwN).

12 Soweit die Revision sich zur Begründung ihrer Zulässigkeit auf Verfahrensmängel einerseits betreffend fehlende Erhebungen zum Schutz des Revisionswerbers durch dessen Onkel und andererseits hinsichtlich der Gefährdungsprognose stützt sowie die Unterlassung von Ermittlungen zur Deradikalisierung des Revisionswerbers und der Einholung eines Sachverständigengutachtens rügt, ist ihr Folgendes entgegenzuhalten:

Werden Verfahrensmängel wie hier Feststellungs und Ermittlungsmängel als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden, Dies setzt (in Bezug auf Feststellungsmängel) voraus, dass auf das Wesentliche zusammengefasst jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des behaupteten Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten (vgl. VwGH 25.1.2022, Ra 2021/14/0397 bis 0405, mwN). Eine solche konkrete und fallbezogene Relevanzdarstellung lässt die Revision mit ihrem pauschal gehaltenen Vorbringen vermissen. Insbesondere verabsäumt sie es, konkret auszuführen, welche Feststellungen zu treffen gewesen wären und aufgrund welcher Umstände diese zu einer anderen Entscheidung hätten führen können.

13 Wenn die Revision in diesem Zusammenhang weiters geltend macht, das BVwG habe den Bruder und die Frau des Revisionswerbers trotz eines entsprechenden Antrages zur Frage der Rückkehrgefährdung nicht einvernommen, ist darauf zu verweisen, dass im Fall einer unterbliebenen Vernehmung um die Relevanz des behaupteten Verfahrensfehlers darzulegen in der Revision konkret darzulegen ist, was die betreffende Person im Fall ihrer Vernehmung hätte aussagen können und welche anderen oder zusätzlichen Feststellungen auf Grund dessen zu treffen gewesen wären (vgl. VwGH 6.4.2023, Ra 2023/14/0099, mwN). Auch diesen Anforderungen wird die Revision nicht gerecht.

14 Schließlich rügt die Revision die vom BVwG im Rahmen der Rückkehrentscheidung vorgenommene Interessenabwägung. Insoweit ist die Revision auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach die bei Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung vorgenommene Interessenabwägung im Sinne des Art. 8 EMRK im Allgemeinen wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgt und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen worden ist nicht revisibel ist (vgl. VwGH 5.4.2022, Ra 2022/14/0001, mwN). Eine vom Verwaltungsgerichtshof wahrzunehmende Unvertretbarkeit der Abwägung zeigt die Revision, die im Rahmen ihrer Zulässigkeitsbegründung nichts Näheres dazu ausführt, nicht auf.

15 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 13. Dezember 2023

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