JudikaturVwGH

Ra 2024/11/0108 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
01. Juli 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Samm und den Hofrat Dr. Faber sowie die Hofrätin Dr. in Oswald als Richterin und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Janitsch, über die Revision des F Ö in B, vertreten durch Dr. Johann Postlmayr, Rechtsanwalt in 5230 Mattighofen, Stadtplatz 6, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom 28. Mai 2024, Zl. LVwG 653132/12/MZ, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung und begleitende Maßnahmen nach dem FSG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 27. März 2024 wurde der Revisionswerber für schuldig befunden, sich am 25. Februar 2024 zu einem näher genannten Zeitpunkt an einem näher genannten Ort nach Aufforderung durch ein besonders geschultes Organ der Bundespolizei geweigert zu haben, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen, wobei vermutet habe werden können, dass er ein nach Kennzeichen bestimmtes Kraftfahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt habe. Dadurch habe er § 99 Abs. 1 lit. b der Straßenverkehrsordnung 1960 StVO 1960 übertreten, weshalb über ihn eine Geldstrafe samt Ersatzfreiheitsstrafe verhängt wurde.

2 Mit Bescheid vom 16. April 2024 entzog die belangte Behörde gestützt auf u.a. § 24 Abs. 1 Z 1 und § 26 Abs. 2 Z 1 des Führerscheingesetzes FSG die Lenkberechtigung des Revisionswerbers für die Dauer von 6 Monaten, gerechnet ab dem 25. Februar 2024 (Tag der vorläufigen Abnahme des Führerscheins). Eine allfällige ausländische Nicht EWR Lenkberechtigung sowie ein allfälliger EWR Führerschein wurden für die Dauer der Entziehung ebenfalls entzogen. Unter einem ordnete die belangte Behörde an, dass sich der Revisionswerber innerhalb der Entziehungszeit einer Nachschulung zu unterziehen und ein von einem Amtsarzt erstelltes Gutachten über seine gesundheitliche Eignung sowie eine verkehrspsychologische Stellungnahme beizubringen habe.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich die vom Revisionswerber gegen das Straferkenntnis vom 27. März 2024 und gegen den Entziehungsbescheid vom 16. April 2024 erhobenen Beschwerden unter einem ab und verpflichtete den Revisionswerber zur Leistung eines näher bezifferten Beitrages zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens (offenkundig im Hinblick auf die Beschwerde gegen das Straferkenntnis vom 27. März 2024). Weiters sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.

4 Das Verwaltungsgericht stellte soweit im vorliegenden Revisionsverfahren von Interesse fest, der Revisionswerber habe am 25. Februar 2024 gegen 19:22 Uhr am Parkplatz des „Kirchenwirtes“ in B. einen PKW gelenkt. Zwei Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes hätten eine Lenker und Fahrzeugkontrolle durchgeführt, bei der der Revisionswerber angegeben habe, „ein paar Spritzer“ getrunken zu haben. Er sei von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes aufgefordert worden, einen „Alkotest“ abzulegen und darüber belehrt worden, dass innerhalb einer 15 minütigen Wartezeit nicht geraucht, nicht getrunken und auch sonst nichts konsumiert werden dürfe. Zudem sei er aufgefordert worden, einen Kaugummi, den er gekaut habe, auszuspucken, weil auch der Konsum eines Kaugummis während der Wartezeit nicht erlaubt sei. Ein sodann durchgeführter Vortest habe einen Messwert von 0,35 mg/l ergeben. Um 19:45 Uhr habe eines der anwesenden Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes wahrgenommen, wie der Revisionswerber erneut einen Kaugummi in den Mund steckte. Der Revisionswerber habe den Kaugummi auf Aufforderung wieder ausgespuckt. Die Beamten hätten dieses Verhalten als „Verweigerung des Alkotests“ gewertet und dem Revisionswerber vorläufig den Führerschein abgenommen. Der Revisionswerber habe sich daraufhin in das Krankenhaus B. begeben und dort um 21:08 Uhr eine Blutabnahme vornehmen lassen. Die Blutprobe sei jedoch an keine Polizeidienststelle und sohin auch nicht an ein Institut für gerichtliche Medizin oder eine gleichwertige Einrichtung gelangt, was allerdings nicht dem Revisionswerber zuzurechnen sei. Das Krankenhauslabor habe beim Revisionswerber einen Blutalkoholspiegel von 0,78 Promille festgestellt. Die Blutprobe sei nicht mehr vorhanden.

5 Weiters legte das Verwaltungsgericht seiner Entscheidung zu Grunde, zum Lenkzeitpunkt habe beim Revisionswerber eine Alkoholisierung von „knapp 1, jedenfalls aber über 0,8 Promille“ bestanden.

6 Zu diesem Ausmaß der Alkoholisierung des Revisionswerbers im Lenkzeitpunkt gelangte es durch eine überschlagsmäßige Rückrechnung auf den Lenkzeitpunkt um 19:22 Uhr. Diese ergebe ausgehend vom Zeitpunkt der Blutabnahme um 21:08 Uhr und unter der Annahme eines durchschnittlichen stündlichen Verbrennungswertes des Alkohols im Blut von 0,10 bis 0,12 Promille einen Wert von „knapp 1, jedenfalls aber über 0,8 Promille“.

7 Rechtlich folgerte das Verwaltungsgericht im Hinblick auf die Entziehung der Lenkberechtigung, der Revisionswerber habe versucht, die aufgrund der Weigerung, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen, anzunehmende Alkoholisierung zu widerlegen. Es sei ihm auch zuzugestehen, dass „der Fehler im Bereich der Polizei gelegen“ sein dürfte. Dennoch sei das Misslingen des Gegenbeweises vom Revisionswerber zu vertreten. Selbst bei Heranziehung des vom Krankenhaus erlangten Laborergebnisses von 0,78 Promille ergebe sich aber rückgerechnet auf den Lenkzeitpunkt eine Alkoholisierung von jedenfalls 0,8 Promille. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Hinweis auf VwGH 21.11.2013, 2013/11/0175) müsse jedoch der einwandfreie Nachweis erbracht werden, dass der Lenker nicht im Sinne des § 5 Abs. 1 StVO 1960 durch Alkohol beeinträchtigt war, um von einer Entziehung der Lenkberechtigung abzusehen.

8 Gegen dieses Erkenntnis ausdrücklich jedoch nur insoweit, als damit die Beschwerde des Revisionswerbers gegen den Entziehungsbescheid der belangten Behörde vom 16. April 2024 abgewiesen wurde richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

9 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

10 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

11 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

12 In der demnach für die Zulässigkeit der Revision allein maßgeblichen Zulässigkeitsbegründung wird vorgebracht, das Verwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, derzufolge im Fall der Verweigerung der Untersuchung der Atemluft auf Alkoholgehalt ein positiver Nachweis, nicht durch Alkohol beeinträchtigt gewesen zu sein, von Bedeutung sei, weil diesfalls nicht auf eine die Annahme der Verkehrsunzuverlässigkeit rechtfertigende Sinnesart im Sinn des § 7 Abs. 1 FSG geschlossen werden könne (Hinweis auf u.a. VwGH 24.6.2003, 2003/11/0142). Die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtes, das Misslingen des Gegenbeweises sei fallgegenständlich vom Revisionswerber zu vertreten, obwohl der Fehler bei der Polizei gelegen sei, sei unzutreffend. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Hinweis auf VwGH 24.10.2000, 2000/11/0106, und VwGH 11.7.2001, 2000/03/0250) wären zumindest Ermittlungen über den Verbleib der Blutprobe anzustellen gewesen. In diesem Zusammenhang werden auch Feststellungsmängel betreffend die Vorgänge nach der Blutabnahme in der Krankenanstalt geltend gemacht.

13 Mit diesem Vorbringen wird eine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht dargelegt:

14 Im Revisionsfall wurde der Revisionswerber mit dem insoweit ausdrücklich nicht in Revision gezogenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes vom 28. Mai 2024 rechtskräftig der Verwaltungsübertretung des § 99 Abs. 1 lit. b StVO 1960 schuldig erkannt.

15 Die Revision bringt in Übereinstimmung mit den Feststellungen im angefochtenen Erkenntnis selbst vor, die vom Revisionswerber in einer Krankenanstalt erbrachte (zum Entscheidungszeitpunkt aber nicht mehr verfügbare) Blutprobe habe im Abnahmezeitpunkt einen Blutalkoholgehalt von 0,78 Promille ergeben. Die vom Verwaltungsgericht vorgenommene nachvollziehbare Rückrechnung, wonach dies für den etwas weniger als zwei Stunden vor der Blutabnahme liegenden Lenkzeitpunkt einen Blutalkoholgehalt von jedenfalls über 0,8 Promille ergebe, wurde weder im Beschwerdeverfahren noch in der Revision in Frage gestellt.

16 Bei einem solchen Blutalkoholgehalt befand sich der Revisionswerber nach der Legalfiktion des § 5 Abs. 1 StVO 1960 aber im Lenkzeitpunkt in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand. Anderes hat der Revisionswerber auch nicht behauptet.

17 In Anbetracht dessen gelingt es der Revision auch nicht, die Relevanz der geltend gemachten Feststellungsmängel in Bezug auf die Vorgänge nach der Blutabnahme in der Krankenanstalt für den Verfahrensausgang darzutun (zur Notwendigkeit der Relevanzdarlegung bei Verfahrensmängeln siehe etwa VwGH 17. März 2021, Ra 2021/11/0040, mwN).

18 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 1. Juli 2025

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