JudikaturBVwG

W293 2297589-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
20. Juni 2025

Spruch

W293 2293408-1/15E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Dr. Monika ZWERENZ, LL.M. über die Beschwerde von XXXX geb. XXXX ), StA. Syrien, vertreten durch: die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, Leopold-Moses-Gasse 4, 1020 Wien, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Oberösterreich, vom 04.04.2024, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein syrischer Staatsangehöriger, reiste illegal in Österreich ein und stellte am 30.12.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz. Bei seiner Erstbefragung am selben Tag gab er zu seinen Fluchtgründen befragt an, in seinem Land herrsche Bürgerkrieg und er müsse zum Militär. Da er keine Waffe tragen möchte, habe er Syrien verlassen. Das seien alle seine Fluchtgründe. Bei einer Rückkehr in seine Heimat befürchte er das Militär.

2. Am 05.02.2024 erfolgte eine niederschriftliche Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: Bundesamt). Dort gab er an, er hätte den Militärdienst leisten müssen, was er nicht gewollt habe. Weitere Gründe, weshalb er Syrien verlassen habe, gäbe es nicht. Im Fall einer Rückkehr würde ihn die Regierung zum Tod verurteilen.

3. Mit dem verfahrensgegenständlichen Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 30.12.2022 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen (Spruchpunkt I). Ihm wurde gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 erteilt (Spruchpunkte II. und III.). Inhaltlich führte das Bundesamt im Wesentlichen aus, dass der Beschwerdeführer den Militärdienst nicht abgeleistet habe. Er weise keine glaubhaft verinnerlichte Überzeugung gegen den Dienst an der Waffe an sich auf. Ihm stehe nach syrischem Wehrrecht die legale Möglichkeit offen, eine gesetzlich vorgesehene Befreiungsgebühr zu leisten. Er habe zudem keine als oppositionell anzusehenden Handlungen gesetzt, die ihn mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit glaubhaft ins Blickfeld des syrischen Regimes gebracht hätten.

4. Gegen Spruchpunkt I. des Bescheides erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde.

5. Die gegenständliche Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt wurden dem Bundesamt vorgelegt und sind am 11.06.2024 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt.

6. Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesverwaltungsgerichts wurde die Rechtssache der ursprünglich zuständigen Gerichtsabteilung abgenommen und mit Wirkung vom 18.12.2024 der nunmehr zuständigen Gerichtsabteilung neu zugewiesen.

7. Am 07.03.2025 führte das Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in der der Beschwerdeführer im Beisein seines Rechtsvertreters und unter Zuhilfenahme eines Dolmetschers für die arabische Sprache eingehend zu seinen Fluchtgründen befragt wurde.

8. Mit Schreiben vom 08.04.2025 gewährte das Bundesverwaltungsgericht – wie bereits in der mündlichen Verhandlung angekündigt (vgl. Verhandlungsprotokoll vom 07.03.2024, S. 13) – den Parteien ein Parteiengehör zu neueren Länderberichten. Mit Schreiben vom 12.05.2025 wurden den Parteien die kurz zuvor erschienenen aktualisierten Länderinformationen der Staatendokumentation zur allfälligen Stellungnahme übermittelt. Weiters wurden die Parteien aufgefordert bekanntzugeben, ob sie die Durchführung einer weiteren mündlichen Verhandlung zur Besprechung der angeführten Länderberichte beantragen. Es langten in der Folge keine Stellungnahmen ein.

9. In der Folge führte das Bundesverwaltungsgericht am 18.06.2025 eine neuerliche öffentliche mündliche Verhandlung durch. Die belangte Behörde gab vorab bekannt, dass kein:e informierte:r Vertreter:in an der Verhandlung teilnehmen werde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer führt den im Spruch genannten Namen und ist an dem im Spruch genannten Datum geboren. Seine Identität steht fest. Er ist syrischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Araber an und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam.

Er wurde in XXXX , in Deir ez-Zor geboren, ist dort aufgewachsen und lebte dort bis zu seiner Ausreise aus Syrien.

Der Beschwerdeführer ist verheiratet und hat keine Kinder. Seine Familie, konkret seine Ehefrau, seine Eltern und Geschwister, leben weiterhin in XXXX . Die Familie verfügt dort über Liegenschaftsvermögen.

Der Herkunftsort des Beschwerdeführers, konkret XXXX , befindet sich aktuell unter Herrschaft der syrischen Übergangsregierung. Bis November 2024 stand dieses Gebiet unter Kontrolle des syrischen Assad-Regimes.

Der Beschwerdeführer ist gesund und leidet an keiner lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden physischen oder psychischen Erkrankung.

Er ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

Der Beschwerdeführer verließ Syrien im Jahr 2022, reiste illegal in Österreich ein und stellte am 30.12.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz.

1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer verließ Syrien 2022 aufgrund der dortigen prekären Sicherheits- und Wirtschaftslage.

Er hat den bis zur Übernahme verpflichtenden Wehrdienst der damaligen syrischen Armee unter der Regierung von Bashar al Assad nicht abgeleistet.

Für männliche syrische Staatsbürger war bis zum Sturz des Assad-Regimes im Alter zwischen 18 und 42 Jahren die Ableistung eines Wehrdienstes von zwei Jahren in der syrisch-arabischen Armee des syrischen Regimes gesetzlich verpflichtend. Auch geflüchtete Syrer, die nach Syrien zurückkehrten, mussten mit Zwangsrekrutierungen rechnen. Junge Männer im Alter von 17 Jahren waren dazu aufgerufen, sich einer medizinischen Untersuchung zu unterziehen und ihr Wehrdienstbuch abzuholen. Mit 18 Jahren wurde man grundsätzlich einberufen, um den Wehrdienst abzuleisten, sofern kein Ausnahmegrund, wie etwa ein Studium oder eine medizinische Gegenindikation, vorlag. Nach Ableistung des Pflichtwehrdienstes blieb ein syrischer Mann Reservist und konnte bis zum Alter von 42 Jahren in den aktiven Dienst einberufen werden. Eine Durchsetzung der Wehrpflicht durch Zwangsrekrutierung war dem syrischen Regime im Wesentlichen nur im eigenen Herrschaftsgebiet möglich.

Anders als die frühere Regierung und die Syrian Democratic Forces (SDF) erlegten sonstige bewaffnete oppositionelle Gruppen wie die Syrian National Army (SNA) sowie HTS (Hay’at Tashir ash-Sham) Zivilisten in den von ihnen kontrollierten Gebieten keine Wehrdienstpflicht auf. Es kam zu keinen Zwangsrekrutierungen. In den von beiden Gruppierungen kontrollierten Gebieten in Nordsyrien herrschte kein Mangel an Männern, die bereit waren, sich ihnen anzuschließen. Vielmehr waren wirtschaftliche Gründe der Hauptgrund, deren Einheiten beizutreten. Ein weiterer Anreiz war für junge Männer die islamische Ideologie, sich dieser Gruppe anzuschließen.

Nach dem Sturz der Regierung von Bashar al Assad wurde eine Übergangsverwaltung geschaffen. Die HTS übernahm die Kontrolle über die staatlichen Institutionen. Die nunmehr machtausübenden Akteure haben insgesamt eine Neuordnung des syrischen Staates in Aussicht gestellt, der diesbezügliche Zeitplan beinhaltet die Installation einer neuen Verfassung in drei Jahren und die Abhaltung von Wahlen in vier Jahren. Die Soldaten der von Assad befehligten Syrischen Arabischen Armee wurden vom Armeekommando außer Dienst gestellt. Die Syrische Arabische Armee wurde am 08.12.2024 per Befehl aufgelöst. Für alle Wehrpflichtigen, die in der Syrischen Arabischen Armee gedient haben, wurde von den führenden Oppositionskräften eine Generalamnestie erlasen. Aktuell existiert in Syrien keine staatliche Wehrpflicht. Der Beschwerdeführer gab selbst an, dass derzeit keine Rekrutierungen seitens des Regimes stattfinden.

Es kann daher nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in seinem Herkunftsort XXXX , der unter der Kontrolle der Übergangsregierung steht, aktuell Gefahr liefe, durch das (nicht mehr existierende) syrische Regime zum Militärdienst rekrutiert bzw. wegen dessen Verweigerung oder aus sonstigen Gründen bestraft zu werden. Auch besteht nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr einer Rekrutierung durch andere Kräfte, etwa durch die aktuelle Übergangsregierung in Syrien.

Der Beschwerdeführer war in Syrien nicht politisch aktiv und ist auch in Österreich nicht politisch tätig. Auch seine Familie war politisch nicht aktiv. Der Beschwerdeführer hatte in Syrien keine Probleme mit Behörden, hatte keine Probleme aufgrund seines Religionsbekenntnisses bzw. aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit. Er hat nie an bewaffneten oder gewalttätigen Auseinandersetzungen oder Demonstrationen in Syrien teilgenommen, hatte keine Kontakte zu Islamisten oder anderen extremistischen Gruppierungen. Auch seine Familie hatte keine Probleme mit den syrischen Behörden.

Dem Beschwerdeführer droht aktuell in Syrien mit hinreichender Wahrscheinlichkeit keine Verfolgung aufgrund seiner ethnischen, religiösen, staatsbürgerlichen oder Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Gesinnung. Er ist zudem wegen seines Aufenthalts bzw. seiner Asylantragstellung in Österreich in Syrien keinen entsprechenden Eingriffen ausgesetzt.

Er war in Syrien nie einer individuellen konkreten Verfolgung oder Bedrohung ausgesetzt.

1.3. Zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat:

Die Länderfeststellungen zur Lage in Syrien basieren insbesondere auf nachstehenden Quellen:

Länderinformationen der Staatendokumentation, Syrien, Version 12, Stand: 08.05.2025

Länderinformationen der Staatendokumentation, Syrien, Version 11, Stand: 27.03.2024

EUAA, Syria: Country Focus, März 2025

ecoi.net: Syrien, Arabische Republik – Informationssammlung zu Entwicklungen rund um den Sturz von Präsident Assad, abgerufen am 07.04.2024

ACCORD, Anfragebeantwortung zu Syrien: Rekrutierungspraxis der Übergangsregierung, Rekrutierung durch andere bewaffnete Gruppen, Zwangsrekrutierungen, 21.03.2025

sämtliche UNHCR-Flash Updates zu Syrien, zuletzt Nr. 31 vom 22.05.2025

ACCORD: Anfragebeantwortung zu Syrien: Änderungen des Gesetzes zur Selbstverteidigungspflicht in der Demokratischen Autonomieverwaltung Nord- und Ostsyrien (DAANES) aufgrund der Kämpfe zwischen den Syrischen Demokratischen Kräften (SDF) und der Syrischen Nationalarmee (SNA); Änderung der Strafen; Durchsetzung des Gesetzes zur Selbstverteidigungspflicht im kurdisch kontrollierten Gebiet von Deir-ez Zor, auch gegenüber Arabern; Intensivierung von Rekrutierungsbemühungen; Mobilisierung von Selbstverteidigungs-Einheiten und Heranziehung von Wehrpflichtigen zu Kampfeinsätzen; Aktueller Meinungsstand zur Verweigerung der Selbstverteidigungspflicht der Araber; 24.02.2025

UNHCR: Position of Returns to Syria, 16.12.2024

BAMF Briefing Notes, Syrien: 27.01.2025 sowie 03.03.2025

Etana, Syria Update, 19, 22.02.2025

Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Syrien: Zwangsrekrutierungen durch HTS, u.a. vom 27.10.2023

Anmesty Report 2024/2025: Zur Lage der Menschenrechte weltweit, Syrien 2024, 29.04.2025

Bericht der unabhängigen Untersuchungskommission für die Syrische Republik Syrien, 14.03.2025

Online Artikel von ORF.at, Einigung auf Ende der Syrien Sanktionen, veröffentlicht am 20.05.2025

Auszüge aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Version 12 (Stand 08.05.2025)

Politische Lage - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024)

Am 8.12.2024 erklärten die Oppositionskräfte in Syrien die 24-jährige Herrschaft von Präsident Bashar al-Assad für beendet. Zuvor waren Kämpfer in die Hauptstadt eingedrungen, nachdem Oppositionsgruppierungen am 27.11.2024 eine Offensive gegen das Regime gestartet und innerhalb weniger Tage die Städte Aleppo, Hama und große Teile des Südens eingenommen hatten. Al-Assad war aus Damaskus geflohen. Ihm und seiner Familie wurde Asyl in Russland gewährt. Er hatte das Land seit 2000 regiert, nachdem er die Macht von seinem Vater Hafez al-Assad übernommen hatte, der zuvor 29 Jahre regiert hatte. Er kam mit der Baath-Partei an die Macht, die in Syrien seit den 1960er-Jahren Regierungspartei war. Bashar al-Assad hatte friedliche Proteste gegen sein Regime im Jahr 2011 gewaltsam unterdrückt, was zu einem Bürgerkrieg führte. Mehr als eine halbe Million Menschen wurden getötet, sechs Millionen weitere wurden zu Flüchtlingen. Die Offensive gegen al-Assad wurde von der Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) angeführt. Die HTS wurde ursprünglich 2012 unter dem Namen Jabhat an-Nusra (an-Nusra Front) gegründet, änderte ihren Namen aber 2016 nach dem Abbruch der Verbindungen zur al-Qaida in Hay'at Tahrir ash-Sham. Sie festigte ihre Macht in den Provinzen Idlib und Aleppo, wo sie ihre Rivalen, darunter Zellen von al-Qaida und des Islamischen Staates (IS), zerschlug. Sie setzte die sogenannte Syrische Heilsregierung (Syrian Salvation Government - SSG) ein, um das Gebiet nach islamischem Recht zu verwalten. Die HTS wurde durch die von der Türkei unterstützte Syrische Nationale Armee (Syrian National Army - SNA), lokale Kämpfer im Süden und andere Gruppierungen unterstützt. Auch andere Rebellengruppierungen erhoben sich, etwa solche im Norden, Kurdenmilizen im Nordosten, sowie Zellen der Terrormiliz IS. Im Süden trugen verschiedene bewaffnete Gruppierungen dazu bei, die Regierungstruppen aus dem Gebiet zu vertreiben. Lokale Milizen nahmen den größten Teil der Provinz Dara'a sowie die überwiegend drusische Provinz Suweida ein. Die Abteilung für Militärische Operationen (Department for Military Operations - DMO) dem auch die HTS angehört, kontrollierte mit Stand 11.12.2024 70 % des syrischen Territoriums.

In der ersten Woche nach der Flucht al-Assads aus dem Land gelang es Syrien, ein vollständiges Chaos, zivile Gewalt und den Zusammenbruch des Staates abzuwenden. Ehemalige Regimeoffiziere sollen viele Regierungsgebäude niedergebrannt haben, um Beweise für ihre Verbrechen zu verstecken, nachdem sie nach dem Sturz des Regimes von Präsident Bashar al-Assad aus dem Innenministerium geflohen waren. Die neuen de-facto-Führer Syriens bemühten sich um Sicherheit, Stabilität und Kontinuität. Obwohl es Berichte über Plünderungen in der Zentralbank und über Menschen gab, die den persönlichen Wohnsitz al-Assads und die Botschaft des Iran, seines Hauptunterstützers, durchwühlten, standen am 9.12.2024 Rebellenkämpfer vor Regierungsgebäuden in der gesamten Hauptstadt Wache. Die neuen Behörden verbreiteten auch Bilder von Sicherheitspersonal, das durch die Straßen von Damaskus patrouillierte, in den sozialen Medien.

Der HTS-Anführer Mohammed al-Joulani, der mittlerweile anstelle seines Kampfnamens seinen bürgerlichen Namen Ahmad ash-Shara' verwendet, traf sich am 9.12.2024 mit dem ehemaligen Ministerpräsidenten und Vizepräsidenten von al-Assad, um die Modalitäten für eine Machtübergabe zu besprechen. Bis zu ihrer Übergabe blieben die staatlichen Einrichtungen Syriens unter seiner Aufsicht. Die Macht des Assad-Regimes wurde auf ein Übergangsgremium übertragen, das vom Premierminister der SSG, Mohammed al-Bashir, geleitet wurde. Al-Bashir kündigte am ersten Tag seiner Ernennung an, dass die Prioritäten seiner Regierung folgende seien: Gewährleistung von Sicherheit, Bereitstellung von Dienstleistungen und Aufrechterhaltung der staatlichen Institutionen. Am 29.1.2025 wurde de-facto-Herrscher Ahmed ash-Shara' zum Übergangspräsidenten ernannt.

Die Übergangsregierung ließ laut Medienberichten die Verwaltungsbeamten auf ihren Posten. Eine diplomatische Quelle eines europäischen Staates wiederum berichtet von einer Beurlaubung aller Staatsbeamten: Durch die Beurlaubung aller Staatsbeamter gibt es in Syrien zwar nun (interimistische) Minister, aber kaum Beamte, soll heißen, keine funktionierende Verwaltung. Mit ganz wenigen Ausnahmen stehen die Ministerien leer. Die einzigen Ordnungskräfte sind diejenigen Gruppen, die aus Idlib mitgekommen sind und die sich – personell überlastet – um ein Minimum an Ordnung in den Städten bemühen. Die kommunale Versorgung ist nicht vorhanden bzw. derzeit auf Privatinitiativen reduziert. In Damaskus und anderen Orten kam es häufig zu Gewaltausbrüchen, weil Polizei und Armee nicht über genügend Personal verfügen, um die Ordnung aufrechtzuerhalten. Die Straßen sind oft mit Müll übersät, und anstelle der Polizei leiten Teenager den Verkehr. Syrienexperte Daniel Gerlach sagte, dass die leitende Beamtenebene im Land fehlt, die zwischen politischen Entscheidungsträgern und der Verwaltung – die ihre Arbeit wieder aufgenommen hat – steht. Es fehlen diejenigen, die mit den Verwaltungsträgern in Kontakt sind und die Politik umsetzen. Diejenigen, die in Syrien politische Entscheidungen träfen, seien ungefähr 15 bis 16 Personen, schätzt Gerlach. Alle Minister der Übergangsregierung waren aus dem 7. Kabinett der SSG, das im Februar 2024 ernannt worden war. Ash-Shara' und der Interims-Premierminister haben Loyalisten zu Gouverneuren in mehreren Provinzen und zu Ministern in der Übergangsregierung ernannt. Al-Bashir hat gegenüber Al Jazeera erklärt, dass die Minister der SSG vorerst die nationalen Ministerämter übernehmen werden. Ash-Shara', sagte, dass in den ersten 100 Tagen keine internen und externen Parteien berücksichtigt werden. Er hat allen seinen Kameraden, die der HTS oder anderen Gruppierungen angehören, sehr deutlich gemacht, dass er diese Phase nur Leuten anvertraut, die sein persönliches Vertrauen haben. Er hat seine Partner und Freunde gebeten, ihm in dieser Phase beizustehen und sich darauf vorzubereiten, die Form einer neuen Regierung zu diskutieren. Die HTS, die in der neuen Regierung erheblichen Einfluss hat, verfügt einem Bericht des Atlantic Council zufolge nicht über ausreichende technokratische Fachkenntnisse, um eine so komplexe Nation wie Syrien zu verwalten.

Die Regierung hat keinen Zeitplan für die Durchführung von Wahlen festgelegt. Ash-Shara' stellte am 16.12.2024 fest, dass Syrien nicht bereit für Wahlen sei. Die Amtszeit der Übergangsregierung wurde bis März 2025 festgesetzt. Am 29.3.2025 ernannte der Präsident die neue syrische Regierung. Diese besteht aus Technokraten, ethnischen Minderheiten und mehreren engen Vertrauten ash-Shara's. Fast die Hälfte der Ernannten steht in keiner Verbindung zur HTS. Unter den Ernannten ist eine Frau, ein Angehöriger der drusischen Minderheit, ein Kurde und ein Alawit. Das einzige weibliche Kabinettsmitglied ist katholische Christin. Keiner davon erhielt ein wichtiges Ressort. Syrien-Experte Fabrice Balanche erklärte, dass wichtige Ressorts an „ehemalige Mitstreiter vergeben wurden, die bereits Teil der Syrischen Heilsregierung in der Provinz Idlib“ im Nordwesten Syriens waren. Der Verteidigungsminister und der Außenminister der Übergangsregierung behielten ihre Ämter. Innenminister Khattab war zuvor Leiter des Geheimdienstes. Auch Außenminister ash-Shaibani behielt sein Amt. Mehrere der neuen Minister waren unter dem Assad-Regime tätig. Zu den ehemaligen Assad-Beamten gehören Yarab Badr, der neue Verkehrsminister, und Nidal ash-Sha'r, der zum Wirtschaftsminister ernannt wurde. Die Mitglieder sind für fünf Jahre bestellt. Das Kabinett hat keinen Premierminister, da gemäß der vorläufigen Verfassung die Regierung einen Generalsekretär haben wird. Ein neues Gremium, das Ende März per Dekret bekannt gegeben wurde, das Generalsekretariat für politische Angelegenheiten, gewährte ash-Shara's Stellvertreter, Außenminister ash-Shaibani, weitreichende Befugnisse über die Führung von Ministerien und Regierungsbehörden – ähnlich der Rolle eines Premierministers.

Die Kurden im Nordosten Syriens stellen sich gegen die neu vorgestellte syrische Regierung. Das Kabinett spiegele nicht die Vielfalt des Landes wider, teilte die Demokratische Autonome Verwaltung Nord- und Ostsyriens (DAANES) mit. Man sehe sich daher nicht an die Entscheidungen der neuen Regierung gebunden. Obwohl der neuen Regierung mit Bildungsminister Mohammad Turko ein Kurde angehört, sind keine Vertreter der DAANES ins neue Kabinett berufen worden. Einige Kritiker weisen auf die Diskrepanz zwischen ash-Shara's Rhetorik bei Treffen mit internationalen Vertretern und dem vermeintlichen Fehlen eines integrativen Diskurses mit einheimischen Akteuren hin. In den ersten fünfzig Tagen der neuen Regierung wurden in den Regierungsinstitutionen eine Reihe von Ernennungen vorgenommen, darunter neben den Ministern auch die meisten Gouverneure und Direktoren der wichtigsten Regierungsbehörden und Abteilungen, die eine hoheitliche Dimension haben, wie der Geheimdienst, die Zentralbank und der Kassationshof. Die Problematik besteht darin, dass der Kreis der Entscheidungsträger – zumindest derzeit - ein besonders kleiner, ausschließlich aus engsten Vertrauten aus Idlib bestehender ist, d. h. ein in sich geschlossener Kreis. Hinzu kommen bereits interne Unstimmigkeiten: So mancher militärischen Gruppierung und manchem Weggefährten aus Idlib geht der moderate Zugang der Übergangsbehörden bereits zu weit. War man in den ersten euphorischen Wochen nach der Machtübernahme noch zuversichtlich-optimistisch bzw. vielmehr überzeugt, die Erfahrungen aus dem Modell Idlib auf das ganze Land übertragen zu können (die Argumentation dabei: Idlib als erfolgreicher Mikrokosmos Gesamtsyriens, da ja bewaffnete Gruppen aus dem ganzen Land nach Idlib transferiert worden waren), so hat 50 Tage nach dem Fall des Regimes Assad die Realität die neuen Machthaber eingeholt. Das katastrophale administrative Erbe, die schlechte Wirtschaftslage, die schiere Größe und Vielfalt des Landes, sowie der Mangel an allem, auch an eigenem Fachwissen und Erfahrung. Die Verwaltung eines Stadtstaates (Idlib) hat eine ganz andere Dimension als die eines komlpexen, zerstörten Landes.

Die Übergangsregierung kündigte an, dass eine umfassende nationale Dialogkonferenz, eine vorläufige Verfassungserklärung abgeben, einen Ausschuss zur Ausarbeitung einer neuen Verfassung bilden und eine Übergangsregierung bestätigen wird, die die Macht von al-Bashirs Regierung übernehmen wird. Am 12.2.2025 bestätigten Quellen gegenüber Al Jazeera, dass die syrische Präsidentschaft das Vorbereitungskomitee für die Nationale Konferenz gebildet hat bestehend aus fünf Männern und zwei Frauen. Zur Vorbereitung der Konferenz hat das siebenköpfige Vorbereitungskomitee Anhörungen in den Gouvernements organisiert und manchmal mehrere zweistündige Sitzungen pro Tag abgehalten, um die 14 Provinzen Syriens in einer Woche abzudecken. Fünf Mitglieder des Komitees gehörten der HTS an oder stehen ihr nahe. Vertreter der Drusen oder Alawiten, zwei der großen Minderheiten in Syrien, waren nicht dabei. Mit 12.2.2025 nahm dieses Komitee seine Arbeit auf, um die nationale Konferenz vorzubereiten und die Einladungen an die Teilnehmer zu verschicken. Die sieben Mitglieder des Vorbereitungskomitees haben etwa 4.000 Menschen in ganz Syrien konsultiert, um Meinungen einzuholen, die bei der Ausarbeitung einer Verfassungserklärung, eines neuen Wirtschaftsrahmens und eines Plans für institutionelle Reformen helfen sollen, teilte das Komitee am 23.2.2025 Reportern mit. Am 25.2.2025 fand die Konferenz zum Nationalen Dialog in Damaskus statt. Hunderte von Vertretern verschiedener gesellschaftlicher Gruppen waren anwesend, aber viele andere Persönlichkeiten und Gruppierungen waren nicht anwesend. Ca. 400 Vertreter der Zivilgesellschaft, der Glaubensgemeinschaften, der Opposition und der Künstler nahmen teil. Laut BBC waren es sogar 600 Teilnehmer. Die Kurdische Autonomieverwaltung (Demokratische Autonome Administration von Nord- und Ostsyrien - DAANES) und ihr militärischer Arm, die SDF, haben keine Einladung zur Teilnahme an der Konferenz erhalten. Die Organisatoren hatten zuvor mitgeteilt, dass keine militärischen Einheiten oder Formationen, die noch ihre Waffen behalten, eingeladen wurden. Nach der Eröffnung der Konferenz wurden die Teilnehmer in sechs Workshops eingeteilt, die sich mit zentralen Themen befassten, darunter „persönliche Freiheiten“, „Verfassungsaufbau“ und „Übergangsjustiz“. In der Abschlusserklärung der Konferenz wurde die rasche Bildung des provisorischen Legislativrats gefordert, der die Aufgaben der Legislative nach „Kriterien der Kompetenz und der gerechten Vertretung“ übernehmen soll. Das Komitee der Dialogkonferenz gibt Empfehlungen heraus und erlässt keine Entscheidungen. Diese Empfehlungen sollen in die Verfassungserklärung und den Plan für institutionelle Reformen einfließen, versichert der Sprecher des Komitees. Auf der Konferenz wurden mehrere Erklärungen abgegeben, darunter die Bildung eines Legislativrats, ein Bekenntnis zur Übergangsjustiz, zu den Menschenrechten und zur Gewährleistung der Meinungsfreiheit. Eine am Ende der eintägigen Konferenz veröffentlichte Erklärung – die nur wenige Tage zuvor angekündigt wurde und vielen potenziellen Teilnehmern nur wenig Vorbereitungszeit ließ – ebnete den Weg für die Bildung eines siebenköpfigen Ausschusses, der mit der Ausarbeitung einer Übergangserklärung zur Verfassung beauftragt wurde. Am 2.3.2025 gab die neue Regierung die Bildung dieses siebenköpfigen Ausschusses bekannt. Der Ausschuss besteht aus einem Expertenkomitee, dem auch zwei Frauen angehören und dessen Aufgabe es ist, die Verfassungserklärung, die die Übergangsphase regelt, in Syrien zu entwerfen. Das Komitee werde „seine Vorschläge dem Präsidenten vorlegen“, hieß es in einer Erklärung, ohne einen Zeitrahmen anzugeben. Weniger als zwei Stunden nach dieser Entscheidung wurden die Texte der Artikel, die in diese Erklärung aufgenommen werden sollen, bekannt, was bei den Syrern sowohl Bestürzung als auch Spott hervorrief, zumal die Informationen von arabischen Satellitenkanälen und nicht von lokalen Sendern stammten. Der Ausschuss stellte fest, dass die Verfassungserklärung die allgemeinen Grundlagen des Regierungssystems festlegen wird, um Flexibilität und Effizienz bei der Verwaltung des Staates in dieser sensiblen Zeit zu gewährleisten, um die politische und soziale Einheit und die territoriale Integrität des Landes zu bewahren. Die Ideen aus den nationalen Dialogen und Diskussionen, die in den Workshops zur Verfassungsgebung während der Nationalen Dialogkonferenz stattgefunden haben, sollen vom Ausschuss berücksichtigt werden.

Am 13.3.2025 unterzeichnete ash-Shara' die angekündigte Verfassungserklärung. Das vorläufige Dokument besteht aus vier Kapiteln und 53 Artikeln. Es sieht eine fünfjährige Übergangsphase vor. Nach dieser Übergangsphase soll eine dauerhafte Verfassung verabschiedet und Wahlen für den Präsidenten abgehalten werden. Die Erklärung legt fest, dass der syrische Präsident Muslim sein muss, wie es schon in der vorherigen Verfassung geschrieben stand. Anders als in der Verfassung von 2012, schreibt diese Verfassungserklärung die islamische Rechtslegung als wichtigste Quelle der Gesetzgebung fest. Daneben werden die Gewaltenteilung und die Unabhängigkeit der Justiz verankert sowie die Rechte der Frauen garantiert. Der Präsident ist jedoch allein für die Ernennung der Richter des neuen Verfassungsgerichts Syriens verantwortlich. Die Richter müssen unparteiisch sein. Für die Rechenschaftspflicht des Präsidenten wird in der Verfassung keine Möglichkeit eingeräumt. Der Erklärung zufolge wird ash-Shara' neben dem Präsidenten der Republik die folgenden Ämter bekleiden: Premierminister, Oberbefehlshaber der Armee und der Streitkräfte und Vorsitzender des Nationalen Sicherheitsrates. In Artikel 41 räumt die Verfassungserklärung dem Präsidenten die Möglichkeit ein, mit Zustimmung des Nationalen Sicherheitsrates, dessen Mitglieder er selbst auswählt, den Ausnahmezustand auszurufen. Der neu gebildete Nationale Sicherheitsrat setzt sich aus Shara'-Getreuen zusammen, darunter Verteidigungsminister Murhaf Abu Qasra, Innenminister Ali Keddah, Außenminister As'ad ash-Shaibani und Geheimdienstchef Anas Khattab. Der Meinung des Syrienexperten Fabrice Balanche nach ist der Nationale Sicherheitsrat „die eigentliche Regierung“. Die Erklärung garantiert Meinungs-, Ausdrucks-, Informations-, Veröffentlichungs- und Pressefreiheit. Allerdings können alle Rechte, einschließlich der Religionsfreiheit, eingeschränkt werden, wenn sie unter anderem als Verstoß gegen die nationale Sicherheit oder die öffentliche Ordnung angesehen werden. Die Verpflichtung zur Gewährleistung der Meinungs-, Ausdrucks-, Informations-, Veröffentlichungs- und Pressefreiheit ist mit einigen Ausnahmen verbunden, darunter die Verherrlichung des Assad-Regimes. Auch die Symbole des Assad-Regimes sind unter Strafe gestellt sowie seine Verbrechen zu leugnen, zu loben, zu rechtfertigen oder zu verharmlosen. Die Verfassungserklärung garantiert Frauen das Recht auf Bildung und Arbeit und fügt hinzu, dass sie volle soziale, wirtschaftliche und politische Rechte haben werden. Aussagen eines Mitglieds des Ausschusses für die Verfassungserklärung zufolge werde eine neue Volksversammlung die volle Verantwortung für die Gesetzgebung tragen. Zwei Drittel ihrer Mitglieder würden von einem vom Präsidenten ausgewählten Ausschuss ernannt, ein Drittel vom Präsidenten selbst. Außerdem werde ein Ausschuss gebildet, der eine neue dauerhafte Verfassung ausarbeiten solle. Diese temporäre Verfassung konzentriert viel Macht in den Händen des Präsidenten. So werden dem Präsidenten die Exekutivgewalt und die Befugnis, den Ausnahmezustand zu erklären, gewährt. Das Parlament ist nicht befugt, den Präsidenten anzuklagen, Minister zu ernennen oder zu entlassen oder die Exekutive zu kontrollieren. Immerhin spricht die Verfassungserklärung dem Präsidenten die Befugnis ab, allgemeine Amnestiegesetze zu erlassen, die al-Assad zuvor für sich monopolisiert hatte. In der Verfassung ist Syrien als „arabische“ Republik definiert mit Arabisch als einziger Amtssprache. Sie löste innerhalb Syriens viele Diskussionen aus. Umstritten sind insbesondere jene Passagen, die dem Präsidenten ein Machtmonopol einräumen. Der Syrische Demokratische Rat, der politische Arm der kurdisch geführten Kräfte, die den Nordosten Syriens kontrollieren, erklärte, das neue Dokument sei „eine neue Form des Autoritarismus“ und kritisierte die seiner Meinung nach unkontrollierten Exekutivbefugnisse. Das International Centre for Dialogue Initiatives schreibt, dass diese Reformen einseitig von einem ebenfalls vom Präsidenten ernannten Verfassungsausschuss ausgearbeitet wurden, der dann behauptete, ihre Legitimität stamme aus einem Dialogprozess. Die sogenannte Nationale Dialogkonferenz wurde so zu einem politischen Deckmantel für vorab festgelegte Verfassungsänderungen, die unter dem Deckmantel der Reform die autoritäre Herrschaft festigten. Trotz der weitverbreiteten Kritik an der aktuellen Verfassung ist keine kurzfristige Überarbeitung vorgesehen. Die vorliegende Fassung ist das Ergebnis eines beschleunigten Verfahrens, das unmittelbar nach der Nationalen Dialogkonferenz im Februar 2025 in Gang gesetzt wurde. Ein siebenköpfiges Gremium erarbeitete die Verfassung in kürzester Zeit und wird in ihrer aktuellen Form noch nicht ihren Ansprüchen für einen pluralistischen, freien und gerechten Staat gerecht.

Als Reaktion auf die neue Verfassung gründeten 34 verschiedene syrische Parteien und Organisationen am 22.3.2025 eine Allianz, die Allianz für gleiche Staatsbürgerschaft in Syrien (Syrian Equal Citizenship Alliance bzw. Tamasuk). Zu den Organisationen der Allianz gehört der Syrische Demokratische Rat, die Partei des Volkswillens, die Demokratische Ba'ath-Partei und die Kommunistische Arbeiterpartei sowie andere kurdische, christliche und drusische Gruppierungen. Das Bündnis bezeichnet sich selbst nicht als Opposition und verlangt eine dezentrale Machtverteilung.

Die Verfassung und das Parlament wurden während der dreimonatigen Übergangszeit ausgesetzt, so die interimistischen Behörden. Laut Leaks wird der Übergangspräsident die Volksversammlung innerhalb von 60 Tagen nach der Veröffentlichung der Verfassungserklärung ernennen. Die Volksversammlung wird 100 Mitglieder umfassen, wobei eine gerechte Vertretung der Komponenten und Kompetenzen berücksichtigt wird, und wird vom Präsidenten der Republik durch ein republikanisches Dekret für eine Amtszeit von zwei Jahren ernannt. Am 29.12.2024 sagte ash-Shara' in einem Interview, dass die Durchführung legitimer Wahlen eine umfassende Volkszählung benötige. In einem Interview gab er an, dass es damit in Syrien freie, faire und integre Wahlen abgehalten werden können, einer Volkszählung, der Rückkehr der im Ausland lebenden Menschen, der Öffnung der Botschaften und der Wiederherstellung des legalen Kontakts mit der Bevölkerung bedarf. Darüber hinaus sind viele der Menschen, die innerhalb des Landes vertrieben wurden oder in Lagern in den Nachbarländern leben, nicht bei den Flüchtlingskommissionen registriert usw. Abgesehen von der wiederholten Aussage, dass Ausschüsse gebildet und Fachleute hinzugezogen würden, gab al-Shara nicht viel Aufschluss darüber, wie der Wahlprozess aussehen würde. Ash-Shara' hatte angemerkt, dass die Einrichtung dieser Ausschüsse in naher Zukunft unwahrscheinlich sei. Er teilte der BBC am 18.12.2024 mit, dass ein syrisches Komitee von Rechtsexperten zusammentreten werde, um eine Verfassung zu verfassen und über eine Reihe nicht näher bezeichneter rechtlicher Fragen, darunter den Alkoholkonsum, zu entscheiden. Es ist unklar, auf welche Rechtsexperten sich ash-Shara' bezieht und ob diese Experten repräsentativ für die multiethnische, sektiererische und religiöse Bevölkerung Syriens sind oder ob es sich um HTS-nahe sunnitische Gelehrte handelt.

Am 29.1.2025 versammelten sich die Führer der militärischen Gruppierungen, die an der militärischen Kampagne zum Sturz Assads beteiligt waren, zu einer Zeremonie im Präsidentenpalast, um den Sieg zu erklären. In der Siegeserklärung kündigten sie neun Schritte an, die in drei Hauptthemen unterteilt sind, wie beispielsweise: 1. Füllen des Machtvakuums durch die Annullierung der Verfassung von 2012, die Aussetzung aller Ausnahmegesetze, die Auflösung der während der Zeit des vorherigen Regimes gebildeten Volksversammlung und aller aus ihr hervorgegangenen Komitees und die Ernennung des Befehlshabers des militärischen Operationskommandos, Ahmed ash-Shara', zum Präsidenten des Landes während der Übergangszeit. Bei der Zeremonie wurde die Auflösung von vier Institutionen, welche die Säulen der Herrschaft und Kontrolle des früheren Regimes darstellten und die Schaffung eines neuen Regimes behindern, angekündigt, nämlich: die Armee, die Sicherheitsdienste mit ihren verschiedenen Zweigen und alle damit verbundenen Milizen, die Arabische Sozialistische Ba'ath-Partei, die Parteien der Nationalen Progressiven Front und die ihnen angeschlossenen Organisationen, Institutionen und Komitees und das Verbot ihrer Wiedererrichtung auch unter einem anderen Namen und Rückgabe ihrer Vermögenswerte an den syrischen Staat. Die Ba'ath-Partei des gestürzten syrischen Machthabers Bashar al-Assad stellte nach eigenen Angaben mit 12.12.2024 sämtliche Aktivitäten ein. Dies gelte bis auf Weiteres, hieß es in einer auf der Website der Parteizeitung veröffentlichten Erklärung. Die Vermögenswerte und die Gelder der Partei würden unter die Aufsicht des Finanzministeriums gestellt, Fahrzeuge und Waffen sollen nach Parteiangaben an das Innenministerium übergeben werden. Die Ba'ath-Partei war seit 1963 in Syrien an der Macht. Viele Mitglieder der Parteiführung sind untergetaucht und einige aus dem Land geflohen. In einem symbolischen Akt haben die neuen Machthaber Syriens das ehemalige Hauptquartier der Partei in Damaskus in ein Zentrum umgewandelt, in dem ehemalige Mitglieder der Armee und der Sicherheitskräfte Schlange stehen, um sich registrieren zu lassen und ihre Waffen abzugeben. Am 11.2.2025 gab das Präsidialamt bekannt, dass die wichtigsten Oppositionsgremien Syriens, die im Exil tätig waren, Damaskus die von ihnen bearbeiteten Akten übergeben haben, als Teil der Bemühungen, die während des Konflikts gebildeten Institutionen „aufzulösen“. Dieser Schritt kommt der Abschaffung der wichtigsten unbewaffneten Oppositionsgruppen Syriens gleich und erinnert an ash-Shara's Versuch, alle bewaffneten Gruppen aufzulösen und in die Armee zu integrieren. Für die in den Kriegsjahren im und aus dem Ausland tätige Opposition hat man nur Geringschätzung.

Während ash-Shara' ein gewisses Maß an Pragmatismus gezeigt hat, insbesondere im Umgang mit lokalen Gemeinschaften, sind die Strukturen der Übergangsregierung nach wie vor zentralisiert und hierarchisch, wobei die Macht in einem kleinen Führungskreis konzentriert ist. Dies schränkt die Möglichkeiten für eine integrative Entscheidungsfindung ein und verstärkt die Wahrnehmung der Ausgrenzung von Minderheiten und Frauen. HTS hat in Idlib einerseits bemerkenswerte Zugeständnisse an die lokale Bevölkerung gemacht. So erlaubte sie beispielsweise Christen, Gottesdienste abzuhalten und Frauen, Universitäten zu besuchen und Autos zu fahren – Maßnahmen, die angesichts der radikalen dschihadistischen Vergangenheit der Gruppe bemerkenswert sind. Darüber hinaus hat HTS Zivilisten in seine Regierungsverwaltung integriert und einen technokratischen Regierungsstil eingeführt, selbst in sensiblen ideologischen Bereichen wie Bildung und Religion, in denen die Gruppe ursprünglich ausschließlich eigenes Personal ernennen wollte. Andererseits ist die mangelnde Bereitschaft, politische Opposition zuzulassen, nach wie vor besorgniserregend. In Idlib hat HTS nach und nach die Macht monopolisiert und agierte praktisch als Einparteienstaat. Politische Opposition und zivilgesellschaftlicher Aktivismus wurden unterdrückt. Zu den ersten Entscheidungen der Übergangsregierung unter al-Bashir gehörten die Entsendung von Polizeikräften in Großstädte und das Verbot von Rauchen und Alkoholkonsum. Der HTS wurden unter anderem von Human Rights Watch, immer wieder schwere Menschenrechtsverletzungen gegen Oppositionelle, Frauen und religiöse Minderheiten vorgeworfen. Es kam auch zu groß angelegten Protesten gegen die HTS und ihren Anführer, ash-Shara'. Laut Terrorismusexperte Peter Neumann haben die Kämpfer der HTS für ein islamistisches Regime gekämpft. Er hält es für möglich, dass es zu einer Opposition in der eigenen Bewegung kommen könnte. Auch Terrorismusexperte Hans-Jakob Schindler spricht von Videos von Personen aus dem Umfeld der HTS, die ein Kalifat aufbauen wollen. Alberto M. Fernandez, Vizepräsident des Middle East Media Research Institutes, wiederum sieht nicht so sehr die Gefahr, dass Syrien nun ein islamischer Staat sein wird, sondern dass es ein gescheiterter Staat sein wird. Die Gefahr besteht eher darin, dass die Anarchie die Oberhand gewinnt und nicht das Scharia-Recht. Dennoch sehen auch sie, al-Shara', seine Organisation die HTS und viele ihrer Verbündeten als Hardcore-Islamisten. Der beste Vergleich sind nicht der Islamische Staat (IS) und al-Qaida, sondern die Taliban und die Hamas, politische Projekte, die sowohl islamistisch als auch nationalistisch sind. Etwa 70 % der syrischen Bevölkerung sind sunnitische Muslime, darunter auch Kurden, die etwa 10 % der Bevölkerung ausmachen. Die arabischen Sunniten sind sich jedoch in ihren Zielen nicht einig, und viele wünschen sich für die Zukunft Syriens keinen islamischen Staat.

Trotz der Kritik ergab eine im März 2025 im Auftrag von „The Economist“ durchgeführte Umfrage, an der 1.500 Syrer aus allen Provinzen und konfessionellen Gruppen des Landes teilnahmen, dass 81 % die Herrschaft von ash-Shara' befürworten. Nur 22 % sind der Meinung, dass seine Vergangenheit als al-Qaida-Führer ihn für eine Führungsrolle disqualifiziert. Eine große Zahl der Befragten gibt an, dass sie seine neue Ordnung als sicherer, freier und weniger konfessionell geprägt empfinden als das Regime von al-Assad. Etwa 70 % sind optimistisch, was die allgemeine Richtung des Landes angeht. Die zufriedenste Provinz ist Idlib, ash-Shara's ehemaliges Machtgebiet, wo 99 der 100 Befragten sich optimistisch äußern. Tartus, wo Anfang März 2025 mehrere Massaker an der alawitschen Minderheit stattgefunden haben, ist die pessimistischste Provinz. Selbst dort gaben 49 % an, optimistisch zu sein, während 23 % sich pessimistisch äußerten.

Anfänglich drängten die Vereinten Nationen (VN) auf eine Rückkehr zum lange stagnierenden politischen Übergang auf der Grundlage der Resolution 2254. Die 2015 verabschiedete Resolution 2254 des Sicherheitsrates, die einen politischen Übergang in Syrien durch Verhandlungen zwischen der Regierung des gestürzten Regimes und der Opposition forderte, ist inzwischen gegenstandslos geworden, da das Regime, mit dem verhandelt werden sollte, gestürzt ist. Ash-Shara' sieht keine Notwendigkeit mehr für den Arbeitsmechanismus der Vereinten Nationen in Syrien und macht keinen Hehl aus seiner mangelnden Bewunderung für den UN-Gesandten Geir Pedersen. Die neue Regierung hat kein Interesse mehr an der Resolution 2254 und ihren Bestimmungen. Ash-Shara' sagte, dass die vergangenen Jahre die Ineffektivität der VN gezeigt hätten, weshalb er die Resolution mit dem Sturz des Regimes als hinfällig betrachte.

Syrien steht auf der US-amerikanischen Liste der Länder, die den Terrorismus unterstützen und HTS wird von der Europäischen Union, der Türkei und den USA als ausländische terroristische Organisation eingestuft. HTS wurde im Mai 2014 auf die Terrorliste der UN gesetzt, als der Sicherheitsausschuss zu dem Schluss kam, dass es sich um eine terroristische Organisation mit Verbindungen zur al-Qaida handelt. Sie unterliegen drei Sanktionsmaßnahmen: Einfrieren von Vermögenswerten, Reiseverbot und Waffenembargo. Das bedeutet, dass international von allen Mitgliedstaaten erwartet wird, dass sie diese Maßnahmen einhalten. Um HTS nicht mehr als Terrororganisation zu listen, müsste ein Mitgliedstaat die Streichung von der Liste vorschlagen, und dieser Vorschlag würde dann an den zuständigen Ausschuss des Sicherheitsrats weitergeleitet. Der Ausschuss, der sich aus Vertretern aller 15 Länder zusammensetzt, die den Sicherheitsrat bilden, müsste dann einstimmig beschließen, den Vorschlag zu genehmigen. Die internationale Gemeinschaft akzeptierte in bilateralen und multilateralen Formaten, dass HTS, trotz ihrer Einstufung als terroristische Vereinigung, einen Platz am Verhandlungstisch benötigt.

Das Präsidium der syrischen Übergangsregierung hat einen Beschluss zur Einrichtung einer Allgemeinen Behörde für Land- und Seehäfen gefasst, die verwaltungstechnisch und finanziell unabhängig und direkt mit dem Premierminister verbunden ist. Die Behörde für Land- und Seehäfen wird die Generalgesellschaft des Hafens von Tartus, die Generalgesellschaft des Hafens von Latakia, die Generaldirektion der Häfen und andere umfassen, erklärte das Präsidium in einer separaten Entscheidung und ernannte Qutaiba Ahmad Badawi zum Leiter der Behörde. Die neue Behörde wird die Ein- und Ausfahrt von Passagieren und Fracht und alles, was diese Aufgabe erleichtert, überwachen und organisieren, sagte sie. Die Behörde wird auch die Seeschifffahrt, die kommerziellen maritimen Angelegenheiten, die Häfen und den Seeverkehr beaufsichtigen und die für ihre Arbeit notwendigen kommerziellen Schiffe und Immobilien besitzen und leasen.

Ash-Shara's Regierung kontrolliert begrenzte Teile Syriens, darunter die meisten westlichen Städte und Teile des ländlichen Raums Nordostsyrien wird von einer Kombination aus den kurdisch geführten Syrischen Demokratischen Kräften (Syrian Democratic Focres - SDF) und arabischen Stammeskräften regiert. Die SDF führen Gespräche mit ash-Shara', bleiben aber vorsichtig, was seine Absichten angeht. Nord-Aleppo wird von der von der Türkei unterstützten Syrischen Übergangsregierung kontrolliert. Die von der Türkei unterstützten Rebellengruppierungen innerhalb der SNA kontrollieren Teile Nordsyriens nahe der türkischen Grenze, darunter 'Afrin, Suluk und Ra's al-'Ain. Diese Gebiete hat die SNA 2018 und 2019 von den kurdisch geführten Syrischen Demokratischen Kräften (Syrian Democratic Forces - SDF) erobert. Am 29.1.2025 zwang die Türkei den Anführer dieser Gruppe, Sayf Abu Bakr, nach Damaskus zu reisen und dem neuen Präsidenten persönlich zu gratulieren, aber dies ist das einzige Zugeständnis, das er ash-Shara' bisher gemacht hat. Die beiden Anführer haben eine lange Geschichte gegenseitiger Feindseligkeit, insbesondere da viele Kämpfer der Syrischen Nationalarmee Veteranen des blutigen Krieges sind, den HTS 2017–2020 um die Kontrolle über die Provinz Idlib führte. Südsyrien wird von einer halbunabhängigen Struktur in Suweida zusammen mit ehemaligen Oppositionsgruppen in Dara'a kontrolliert. Im Euphrat-Tal ist die Loyalität der sunnitischen Stämme gegenüber HTS weniger sicher, während in Dara'a die vom ehemaligen Rebellen Ahmad al-'Awda und anderen südlichen Fraktionen kontrollierten Truppen sich der Integration in die neue syrische Armee widersetzen. Anfang Jänner 2025 hinderten lokale Gruppierungen, die in der Provinz Suweida operieren, einen Militärkonvoi der DMO an der Einfahrt in die südsyrische Provinz. Quellen erklärten gegenüber Al Jazeera, dass die Entscheidung auf Anweisung des geistlichen Oberhaupts der monotheistischen Gemeinschaft der Drusen, Hikmat al-Hijri, getroffen wurde, der betonte, dass keine militärische Präsenz von außerhalb der Provinz erlaubt sei. Die Quellen erklärten, dass der Militärkonvoi in die mehrheitlich drusische Provinz Suweida kam, ohne sich vorher mit den lokalen Gruppierungen in der Provinz abzustimmen. Etana zufolge soll die HTS zunehmend versucht haben, ihre Macht und militärische Reichweite in der gesamten Provinz Dara'a und im weiteren Süden Syriens auszunutzen, was zu Spannungen mit Ahmad al-'Awda führte. In intensiven Verhandlungen im Gebäude des Gouvernements Dara'a wurde die Auflösung sowohl des 5. Korps als auch der Gruppen von Ahmad al-'Awda (die einst die 8. Brigade des 5. Korps bildeten) sowie anderer ehemaliger Oppositionsgruppen aus der Stadt Dara'a und at-Tafas angestrebt. Während HTS die Integration aller ehemaligen Oppositionsgruppen unter einem neuen Verteidigungsministerium nach al-Assad anstrebt, wuchs der Druck auf al-'Awda, der sich unter den bisherigen Bedingungen gegen die Auflösung gewehrt hatte. Am 13.4.2025 gab die Gruppierung dem politischen und militärischen Druck schließlich nach und ihre Auflösung bekannt. Die Waffen werden an die Regierung übergeben, schwere Waffen wurden von den Sicherheitskräften der Regierung beschlagnahmt. Ash-Shara's politisches Projekt eines zentralisierten Syriens steht im Widerspruch zur aktuellen Realität vor Ort. Er glaubt, dass der Föderalismus die „Nation“ spalten könnte – eine Auffassung, die zum Teil auf der antiisraelischen Stimmung in der syrischen Bevölkerung beruht.

Ahmed ash-Shara' wurde 1982 als Ahmed Hussein ash-Shara' in Saudi-Arabien als Kind syrischer Expatriates geboren. Ende der 1980er-Jahre zog seine Familie zurück nach Syrien. Als junger Mann radikalisierte er sich während der blutigen zweiten Intifada, als die israelische Regierung auf palästinensische Selbstmordattentate mit brutaler Gewalt antwortete. Auch der 11.9.2001 prägte ihn. Er ging 2003 in den Irak, um sich al-Qaida anzuschließen und gegen die US-Besatzung zu kämpfen. Arabischen Medienberichten und US-Beamten zufolge verbrachte er mehrere Jahre in einem amerikanischen Gefängnis im Irak. Zu Beginn des Bürgerkriegs tauchte er in Syrien auf und gründete die Jabhat an-Nusra, aus der sich schließlich Hay'at Tahrir ash-Sham entstand. 2003 nahm er den Kriegsnamen Abu Mohammad al-Jolani an. In einem vor einigen Jahren mit dem US-amerikanischen Sender PBS geführten Interview gab ash-Shara' zu, dass er bei seiner Rückkehr nach Syrien finanzielle Unterstützung durch den sogenannten Islamischen Staat (IS) erhielt, der zu diesem Zeitpunkt weite Teile des Iraks und Syriens besetzt hielt. Im Januar 2017 gründete er mit der HTS ein neues Bündnis verschiedener islamistischer Milizen, das sich dezidiert von der dschihadistischen al-Qaida und ihrem Ziel eines globalen Dschihads gegen den Westen lossagte. Seit dem Bruch mit al-Qaida haben er und seine Gruppierung versucht, internationale Legitimität zu erlangen, indem sie globale dschihadistische Ambitionen ablehnten und sich auf eine organisierte Regierungsführung in Syrien konzentrierten. 2013 setzten die USA ihn auf ihre Terrorliste und lobten später sogar ein Kopfgeld in Höhe von zehn Millionen für Hinweise zu seiner Ergreifung aus. 2018 wurde dann auch die HTS von den Vereinigten Staaten als terroristische Vereinigung eingestuft, die Vereinten Nationen folgten.

Als Teil des Übergangs von der Revolution zum Staatsaufbau arbeitet die neue syrische Regierung daran, diesen Aufbau zu stärken und zu konsolidieren, indem sie eine nationale Armee aufbaut, die alle militärischen Formationen und Gruppierungen umfasst, die sich aufgrund bestimmter Umstände und Fakten während der syrischen Revolution gebildet haben.

Sicherheitslage - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024)

Trotz des Sturzes der 54-jährigen Diktatur der Familie al-Assad ist der Bürgerkrieg noch lange nicht vorbei. Trotz der Bemühungen der neuen syrischen Regierung bleibt die Sicherheitslage fragil, und die Zukunft Syriens ist von zahlreichen Unsicherheiten geprägt. Der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen, Grandi, beschreibt die Lage vor Ort als "fluid". Sie könne sich nach derzeitigem Stand in alle Richtungen entwickeln. Die neue syrische Übergangsregierung ist nicht in der Lage, das gesamte syrische Staatsgebiet zu. Seit Jahresbeginn 2025 hat sich die Sicherheitslage in Syrien nach dem Sturz von Bashar al-Assad weiterhin als instabil erwiesen. Die neuen Machthaber, dominiert von islamistischen Gruppierungen, bemühen sich um die Etablierung von Ordnung und Sicherheit, stoßen jedoch auf erhebliche Herausforderungen. Außenminister ash-Shaybani gibt Sicherheitsprobleme in Teilen Syriens zu, bezeichnete sie aber als Einzelvorfälle: Offenbar hat die Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS), die offiziell aufgelöst wurde, Schwierigkeiten, ihre teils sehr radikalen islamistischen Untergruppen in den Griff zu bekommen. Zwischen Verfolgung von Regimestraftätern und Racheakten vor allem gegen die Volksgruppe der Alawiten, aus der die al-Assads stammen, ist nicht immer leicht zu unterscheiden. Die Sicherheitskräfte der Übergangsregierung sind bei ihrem Versuch, das Land zu stabilisieren, mit zunehmenden Bedrohungen konfrontiert, darunter gewalttätige Überreste des Regimes, sektiererische Gewalt und Entführungen. Im Nordosten sind die Syrischen Demokratischen Kräfte (Syrian Democratic Forces - SDF) gezielten Angriffen von Zellen des Islamischen Staates (IS) und anhaltenden Feindseligkeiten mit der von der Türkei unterstützten Syrischen Nationalen Armee (Syrian National Army - SNA) ausgesetzt. Die fragile Sicherheitslage bedroht weiterhin den politischen Fortschritt, warnte der Sondergesandte des Generalsekretärs der Vereinten Nationen für Syrien, Geir Pedersen, und verwies auf die anhaltenden Feindseligkeiten im Nordosten, einschließlich täglicher Zusammenstöße, Artilleriebeschuss und Luftangriffe, die Zivilisten und die Infrastruktur treffen.

In den Gouvernements Syriens kam es weiterhin zu einer Zunahme von Entführungen. Die Civil Peace Group dokumentierte seit dem Sturz des Regimes 64 Entführungsfälle – 19 Opfer wurden später hingerichtet aufgefunden, nur drei führten zu Lösegeldforderungen. Auch Vorfälle sektiererischer Gewalt, die sich hauptsächlich gegen schiitische und alawitische Gemeinschaften richten, sind weit verbreitet. Das Middle East Institute berichtet auch von eindeutig sektiererischen Verstößen, wie die Zerstörung eines Schreins im ländlichen Hama durch zwei sunnitische Zivilisten und Fälle von Schikanen an Kontrollpunkten, konstatiert aber, dass die meisten Verstöße, die von Sicherheitskräften in ganz Syrien begangen wurden, sich gegen bestimmte Anhänger des ehemaligen Regimes zu richten scheinen. Eines der drängendsten Probleme sind nicht sektiererisch motivierte Angriffe, sondern vielmehr der undurchsichtige Prozess der gezielten Verfolgung von Männern, die in den Streitkräften des Regimes gedient haben (von denen die meisten aufgrund der Natur des Regimes Alawiten sind). Die Kriminalität ist dramatisch gestiegen, nicht zuletzt auch aufgrund der Freilassung nicht nur politischer Gefangener aus den Gefängnissen. Kriminelle Banden und Einzelpersonen suchen weiterhin nach Sicherheits- und Autoritätslücken, die sie in dieser neuen Ära ausnutzen können. Die schwereren Verbrechen ereignen sich in der Regel auf dem Land, wo die Sicherheitspräsenz geringer ist und sich eine höhere Konzentration von Ex-Shabiha befindet.

Seit islamistische Rebellen im Dezember den langjährigen repressiven Machthaber Bashar al-Assad stürzten, kam es in mehreren Gebieten zu Zusammenstößen und Schießereien, wobei Sicherheitsbeamte bewaffnete Anhänger der vorherigen Regierung beschuldigten. In mehreren Gebieten in Syrien kommt es weiterhin zu Zwischenfällen mit verirrten Kugeln. Im Februar sind bei solchen Vorfällen 18 Menschen, darunter drei Frauen und vier Kinder, getötet und vier weitere, darunter zwei Kinder, verwundet worden. Die Opfer verteilen sich auf die von der Regierung in Damaskus, der Demokratischen Autonomen Administration von Nord- und Ostsyrien (DAANES) und der Syrischen Nationalen Armee (SNA) kontrollierten Gebiete. Diese Zwischenfälle werden durch die Verbreitung von Waffen unter der Zivilbevölkerung verschärft. Sicherheitskräfte sind immer noch dabei, Überbleibsel des Regimes im ganzen Land auszuheben, die häufig Mitglieder der Allgemeinen Sicherheit und Checkpoints ins Visier genommen haben. ETANA verzeichnete Angriffe von Pro-Regime-Gruppen auf Mitglieder der Allgemeinen Sicherheit in Rif Dimashq, Ost-Dara'a und West-Homs. Auch in Hama und Jableh, in der Nähe der Hmeimim-Basis, kam es zu Zusammenstößen. Sicherheitskräfte haben in ehemaligen Regimegebieten von Deir ez-Zour mehrere Operationen durchgeführt. Während Zehntausende auf die Initiative der Versöhnungsprozesse eingingen, lehnten bewaffnete Gruppierungen von Regimeüberbleibseln sie ab, vor allem an der syrischen Küste, wo hohe Offiziere des Assad-Regimes stationiert waren. Im Laufe der Zeit flohen diese Gruppierungen in die Bergregionen und begannen, Spannungen zu schüren, die Lage zu destabilisieren und sporadische Angriffe auf die Regierungstruppen zu verüben. Bis Anfang März 2025 beschränkten sich solche Übergriffe auf kleine Ausbrüche von willkürlicher Selbstjustiz und waren nicht Teil von groß angelegter, organisierter Gewalt. Am 6.3.2025 jedoch überfielen Aufständische des Assad-Regimes die Sicherheitskräfte der Übergangsregierung in der westlichen Küstenstadt Jableh im Gouvernement Latakia und töteten 30 von ihnen (viele wurden später verbrannt oder in flachen Massengräbern aufgefunden). Die Anhänger des gestürzten Assad-Regimes riefen zu einem Aufstand auf. Ungefähr zur Zeit der ersten Angriffe gab eine Gruppierung, die sich selbst als "Militärrat für die Befreiung Syriens" bezeichnet, eine Erklärung ab, in der sie schwor, die Regierung zu stürzen. Unmittelbar nach dem Hinterhalt riefen die syrischen Sicherheitskräfte zu einer allgemeinen Mobilisierung über die bereits in der Küstenregion stationierten Einheiten hinaus auf und zur Ausrottung ehemaliger Regimegegner. Sicherheitskräfte, die durch Verstärkung unterstützt wurden, begannen, gegen die Loyalisten des Assad-Regimes zu kämpfen und sie aus den Dörfern an der Küste Syriens zurückzudrängen. Die Loyalisten zogen sich aufs Land zurück, wobei sie Staatseigentum niederbrannten und mordeten. Als syrische Regierungstruppen und bewaffnete Zivilisten begannen, in alawitische Dörfer im Nordwesten Syriens einzudringen, tauchten Videos von Misshandlungen auf. Zivilisten berichteten von Massenmorden durch Sicherheitskräfte, was von Menschenrechtsgruppen bestätigt wurde. Laut dem Leiter der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte (Syrian Observatory for Human Rights - SOHR) war es ein Fehler, dass die Regierung in Damaskus in den Moschen zur Mobilisierung aufgerufen hatte. Dies habe zu einem Zustrom von Kämpfern von außerhalb der Region geführt, um Alawiten zu massakrieren. Laut einem Freiwilligen der Nichtregierungsorganisation Weißhelme kamen Menschen aus allen Städten Syriens, um Rache zu üben. Die überwiegende Mehrheit der rechtswidrigen Tötungen von Zivilisten und Gefangenen durch syrische Sicherheitskräfte wurde laut dem Syrian Network for Human Rights (SNHR) von zwei bestimmten Fraktionen sowie von Personen begangen, die sich Militärkonvois angeschlossen hatten. Konkret waren die beiden Fraktionen, die für die meisten Tötungen von Zivilisten verantwortlich sind, die Suleiman Shah Division [auch: Abu Amsha-Division oder Amsha-Division] und die Hamza-Division. Beide Fraktionen und ihre Anführer stehen wegen mutmaßlicher schwerer Menschenrechtsverletzungen, darunter Vergewaltigung und Folter, unter US-Sanktionen. Laut Washington Institute for Near Eeast Policiy umfasste die Mobilisierung drei von den USA sanktionierte Milizen der von der Türkei unterstützten SNA: Jaysh ash-Sharqiya, Sultan Suleiman Shah Division und die Hamza-Division. Sie wurden zuvor wegen Menschenrechtsverletzungen an Kurden im Nordwesten Syriens angeklagt. An den Kämpfen waren auch ausländische Dschihad-Kämpfer der von den USA gelisteten Gruppierung Ansar at-Tawhid und lokale syrische Zivilisten beteiligt, die die Kriegsverbrechen des Regimes rächen wollten. Die Gruppierungen stehen nominell unter der Schirmherrschaft des neuen Staates, wobei Abu Amsha zum Leiter der Militärbrigade der Provinz Hama ernannt wurde. In Wirklichkeit übt der Staat jedoch nur begrenzte Kontrolle über sie aus. Die Bewaffneten, die die Massaker verübten, seien keine Bewohner der syrischen Küste, sondern stammten aus anderen Gouvernements und seien teilweise ausländischer Herkunft wie Usbeken, Tschetschenen und zentralasiatische Kämpfer. Am 9.3.2025 gab eine syrische Sicherheitsquelle an, dass sich die Kämpfe in der Umgebung der Städte Latakia, Jabla und Baniyas etwas beruhigt hätten, während die Streitkräfte die umliegenden Berggebiete durchsuchten, in denen sich schätzungsweise 5.000 pro-Assad-Aufständische versteckt hielten. Der Sprecher des Verteidigungsministeriums gab am 10.3.2025 das Ende der Militäroperation gegen die Überreste des Regimes in den Küstengebieten bekannt. Er betonte, dass die öffentlichen Einrichtungen ihre Arbeit wieder aufnehmen können, um die Rückkehr zum normalen Leben vorzubereiten, und dass die Sicherheitskräfte weiter daran arbeiten werden, die Stabilität und die Sicherheit der Bevölkerung zu gewährleisten. Der Gouverneur von Tartus betonte am 9.3.2025, dass die Provinz nach dem Sieg über die Überreste des untergegangenen Regimes eine allmähliche Rückkehr ins öffentliche Leben erlebt. In den meisten Vierteln der Stadt Latakia hat am 10.3.2025 das normale Leben wieder begonnen, nachdem die Angriffe der Überreste des ehemaligen Regimes vereitelt und die Sicherheit in der Stadt wiederhergestellt wurde. Nach der Ankündigung der Regierung in Damaskus über den Abschluss der Sicherheitskampagne an der syrischen Küste stürmten Gruppen von bewaffneten Männern, die dem Verteidigungsministerium angehören, die Stadt Harison in der Umgebung von Baniyas, wo sie Häuser und Eigentum von Zivilisten plünderten und in Brand setzten. Die Lage in den Städten mag stabiler sein, aber in ländlicheren Gegenden finden abseits der Medien eklatante Rechtsverletzungen statt. Die Zwangsumsiedlungen gehen weiter.

Die Zahl der Todesopfer der Kämpfe variierte stark. Laut dem Syrian Network for Human Rights (SNHR), das umfassende Dokumentationsstandards anwendet und als unabhängig gilt, haben Anhänger des Assad-Regimes 383 Menschen getötet, darunter 211 Zivilisten und 172 syrische Sicherheitskräfte, während syrische Sicherheitskräfte 396 Menschen getötet haben, darunter Zivilisten und entwaffnete Kämpfer. Syrische Sicherheitsquellen gaben an, dass mehr als 300 ihrer Mitglieder bei Zusammenstößen mit Angehörigen der ehemaligen Syrischen Arabischen Armee, bei koordinierten Angriffen und Hinterhalten auf ihre Streitkräfte getötet wurden. Es wurden Massengräber mit Dutzenden von toten Mitgliedern gefunden. Die syrischen Sicherheitskräfte töteten 700 ehemalige Soldaten und bewaffnete Männer, die dem ehemaligen Präsidenten Bashar al-Assad treu ergeben waren, oder sogenannte Regimeüberreste. Dem Leiter der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte zufolge wurden 745 alawitische Zivilisten aus konfessionellen Gründen getötet, wobei er betonte, dass sie nicht an den Kämpfen beteiligt waren oder mit dem Regime in Verbindung standen. Darüber hinaus wurden 125 Mitglieder der Sicherheitskräfte und 150 alawitische Kämpfer getötet. Die meisten der von Regierungstruppen getöteten Zivilisten waren Alawiten, aber auch einige Christen wurden als tot bestätigt. Unter den getöteten Aufständischen des ehemaligen Regimes befanden sich Sunniten, Alawiten und Christen. Laut der Vereinten Nationen kam es zu Tötungen ganzer Familien. Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte (SOHR) zog am 11.3.2025 Bilanz und verzeichnete eine Gesamtzahl von 1.093 Todesopfern vom Eintreffen bewaffneter Männer zur Unterstützung der Sicherheitskräfte bis zum 11.3.2025. Insgesamt wurden 44 Massaker verübt. Eine nicht näher genannte Beobachtungsgruppe verzeichnete der BBC zufolge mehr als 1.500 Todesopfer, darunter 1.068 Zivilisten. Laut Aussage des Leiters von SOHR wurden Zehntausende Häuser geplündert und niedergebrannt. Ein Freiwilliger der syrischen NGO Weißhelme (White Helmets) berichtete, dass seine Organisation am 5.3.2025 auf mehr als 40 Brände im Küstengebiet reagieren musste, bevor in der darauffolgenden Nacht die Schießerei begonnen hatte. Es wurde auch einer der Krankenwagen der Weißhelme angegriffen, ebenso das Krankenhaus und Kontrollpunkte.

Diese Eskalation war nicht auf Latakia im Westen Syriens beschränkt, denn auch in anderen Gebieten am Rande der Hauptstadt Damaskus und in Dara'a kam es zu bewaffneten Zusammenstößen. Unbekannte bewaffnete Männer in einem Auto warfen am 10.3.2025 Granaten und eröffneten das Feuer mit Maschinengewehren auf das Hauptquartier der allgemeinen Sicherheitskräfte im Stadtteil al-Mezzeh in Damaskus. Es kam zu Zusammenstößen zwischen den Angreifern und den Sicherheitskräften.

Übergangspräsident ash-Shara' richtete einen dreißigtägigen Untersuchungsausschuss, der die tatsächlichen Geschehnisse untersuchen soll, ein. Im Gegensatz zu den früheren Ernennungen der Übergangsregierung für Ausschüsse, Ministerien und Provinzämter sind die sieben Mitglieder dieses neuen Ausschusses nicht mit HTS oder ihrer Verbündeten in Verbindung gebracht worden. Der Ausschuss soll seinen Bericht dem Chef der syrischen Übergangsregierung, Ahmad ash-Shara', spätestens 30 Tage nach der Entscheidung zur Bildung des Ausschusses vorlegen. Er hat zur Aufgabe, die Ursachen, Umstände und Bedingungen aufzudecken, die zu diesen Ereignissen geführt haben, die Verletzungen zu untersuchen, denen die Zivilbevölkerung ausgesetzt war, die Verantwortlichen zu identifizieren, die Angriffe auf öffentliche Einrichtungen und Mitarbeiter der Sicherheitskräfte und der Armee zu untersuchen, die Verantwortlichen zu identifizieren und diejenigen, die nachweislich an den Verbrechen und Verletzungen beteiligt waren, an die Justiz zu verweisen. Am 9.3.2025 begannen die Behörden, gegen diejenigen vorzugehen, die Gewalttaten gegen Zivilisten begangen hatten. Die syrische Übergangsregierung verhaftete sogenannte undisziplinierte Gruppen, die in den letzten Tagen während der Säuberungsaktionen Sabotageakte begangen hatten. Sie sollen strafrechtlich verfolgt werden, weil sie die Anweisungen des Kommandos missachteten.

Viele Beobachter sind sich einig, dass trotz der starken Präsenz interner Faktoren auch der externe regionale Faktor bei den Unruhen in der syrischen Küstenregion eine wichtige Rolle spielte. Syrische Sicherheitsquellen weisen darauf hin, dass Iran in die Ereignisse in der Region verwickelt war und dass er die Überreste des Regimes von Bashar al-Assad finanzierte und bewaffnete, die zwischen der Küste und der Provinz Homs unterwegs waren und aufgrund der instabilen Sicherheitslage in den Osten Syriens vordringen konnten. Israel drang nach dem Sturz des Assad-Regimes in Grenzdörfer in Syrien ein und bezeichnete dies als vorübergehende Maßnahme zum Schutz seiner eigenen Sicherheit. Während israelische Politiker seit Monaten deutlich machen, dass sie beabsichtigen, ihre Truppen in den Grenzregionen zu belassen, die eigentlich eine von internationalen Friedenstruppen überwachte Pufferzone sein sollte, stellen ihre Erklärungen über ein entmilitarisiertes Südsyrien eine Eskalation dar, die die Spannungen innerhalb Syriens verschärft hat. Israel hatte die Pufferzone auf dem syrischen Golan umgangen und das Rückzugsabkommen von 1974 verletzt, indem es in Quneitra und Dara'a eindrang und weiteres syrisches Gebiet besetzte, bis es den Berg Hermon erreichte. Israelische Streitkräfte führen weiterhin Angriffe in und jenseits des entmilitarisierten Grenzstreifens von 1974 zwischen den von Israel besetzten Golanhöhen und Quneitra durch. Versuche Israels, die Herzen und Köpfe der Menschen in Quneitra zu gewinnen, wurden wiederholt abgewiesen und fanden gleichzeitig mit Razzien, Schießereien und anderen Verstößen statt. Israel führte seit dem Sturz von al-Assad Hunderte von Luftangriffen in ganz Syrien durch, bei denen Luftwaffenstützpunkte, Munitionsdepots, militärische Ausrüstung und Stellungen von Kräften, die der neuen Regierung treu ergeben sind, angegriffen wurden. Am 1.3.2025 drohte der israelische Ministerpräsident Netanyahu und der Verteidigungsminister Katz der syrischen Übergangsregierung, in Syrien einzugreifen, um die Drusen zu beschützen. Berichten aus Syrien zufolge kam es zuvor im Rahmen einer Sicherheitskampagne in Jaramana, einem Vorort von Damaskus, zu Zusammenstößen zwischen den Behörden der neuen syrischen Regierung und örtlichen drusischen Kämpfern. Kräfte von außen, die gemeinsam mit Assad die Macht verloren haben – Iran und seine Vasallen wie die libanesische Hisbollah –, haben Interesse daran, dass das neue Syrien scheitert.

Nach dem Sturz des Assad-Regimes hat Russland begonnen, seine Streitkräfte aus der strategisch wichtigen Marinebasis Tartus abzuziehen. Dieser Rückzug könnte das Machtgleichgewicht in der Region beeinflussen und Auswirkungen auf die Sicherheitslage in Syrien haben.

Ende Dezember wurde, einer syrischen Sicherheitsquelle von Al Jazeera zufolge, durch die Abteilung für militärische Operationen eine landesweite Sicherheitsoperation gestartet, um Überreste des untergegangenen Regimes zu jagen und militärische Kontrollpunkte an der Straße zum russischen Militärstützpunkt Hmeimim in Tartus einzurichten.

Die Internationale Koalition hat zwölf Sicherheitsoperationen gegen Zellen des Islamischen Staates (IS) durchgeführt, einige mit Beteiligung der SDF in verschiedenen Gebieten Syriens, wo diese Operationen zur Tötung von 14 Mitgliedern des IS führten, darunter zwei Anführer, sowie die Verhaftung von neun Personen, die beschuldigt werden, dem IS anzugehören und mit ihm zu kooperieren, darunter ein Ölinvestor. Die von den USA geführten internationalen Koalitionstruppen haben in Zusammenarbeit mit den SDF ein intensives militärisches Training mit schweren Waffen auf der Basis des Ölfeldes al-'Omar im Osten der Provinz Deir ez-Zour im Osten Syriens durchgeführt. Die Übungen sind Teil einer Reihe von Militärmanövern, die die Koalitionstruppen auf ihren Militärstützpunkten in den Provinzen Deir ez-Zour und al-Hasaka im Nordosten des Landes durchführen, um die Kampfbereitschaft und die operative Koordination mit den lokalen Partnern zu verbessern.

Der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen, Grandi, sieht den Schlüssel, um die Voraussetzungen für ausreichende Lebensbedingungen und eine stabile Sicherheitslage zu schaffen, in der Elektrizität. Ohne diese gäbe es nicht nur extreme Unsicherheit. Die Lebensbedingungen, wie Kochen, Heizen, Transport usw. sind an Strom gekoppelt. Auch der Betrieb von Krankenhäusern und Schulen bedingt eine funktionierende Energieversorgung. Dauere der Zustand an, in dem nachts ganze Gegenden in völliger Dunkelheit lägen, sei ein "collapse of law and order" praktisch unvermeidlich. Die radikalen militanten Gruppierungen würden nur darauf warten, das Vakuum zu füllen.

Kampfmittelreste und Blindgänger

In mehr als 13 Jahren Krieg wurden im ganzen Land schätzungsweise mehr als zehn Millionen Sprengkörper eingesetzt. In der Regel explodieren bis zu 30 % der eingesetzten Munition nicht, was zu einer hohen Kontaminierung mit Blindgängern führt. Nicht explodierte Kampfmittelrückstände stellen eine große Gefahr für das Leben in Syrien dar. Sie werden hauptsächlich in zwei Kategorien unterteilt. Die Erste sind Blindgänger wie Streubomben, Mörsergranaten und Granaten. Diese sind in der Regel über der Erde und daher sichtbar. Die größere Herausforderung liegt in der zweiten Kategorie von Munition: Landminen. Ehemalige Regierungstruppen haben Hunderttausende davon in verschiedenen Gebieten in Syrien vergraben – hauptsächlich auf Ackerland. Die Bedrohung durch Blindgänger hat sich seit dem Sturz des Assad-Regimes am 8.12.2024 noch verschärft, weil in Homs, aber auch in Damaskus, viele Waffen, darunter auch Sprengwaffen, zurückgelassen wurden. Es ist ein starker Anstieg von Vorfällen mit Blindgängern und explosiven Kampfmittelrückständen zu verzeichnen, wobei fast täglich über zivile Opfer berichtet wird. Die Beseitigung von Landminen und anderen militärischen Trümmern ist dringender denn je. Während sich Millionen von Flüchtlingen auf ihre Rückkehr vorbereiten, sind viele ihrer Häuser oder das, was von ihnen übrig ist, mit nicht explodierten Mörser- und Artilleriegranaten, Raketen, Minen und Sprengfallen übersät. Für die Vertriebenen und diejenigen, die versuchen, nach Hause zurückzukehren, ist die Gefahr durch Blindgänger ständig und unvermeidlich. Syrien ist seit Jahren unter den drei Ländern mit der höchsten Blindgänger-Dichte. In allen Gebieten, in denen in den letzten Jahren Militäroperationen stattgefunden haben, sind nicht explodierte Kampfmittel weit verbreitet, sodass es riskant ist, nach Hause zurückzukehren und ein normales Leben wieder aufzunehmen. Trotz der dringenden Notwendigkeit, sie zu beseitigen, sind die Bemühungen nach wie vor unzureichend, weil die lokalen Behörden und humanitären Organisationen es verabsäumen, ernsthafte Schritte zum Schutz der Zivilbevölkerung zu unternehmen. Am stärksten betroffen sind die Gebiete unter der Kontrolle der neuen syrischen Regierung, gefolgt von der Demokratischen Autonomen Administration von Nord- und Ostsyrien (Democratic Autonomous Administration of North and East Syria - DAANES) und den Gebieten der durch die Türkei unterstützten SNA. Die Vorfälle ereignen sich in verschiedenen Gebieten des Landes. Dabei kommt es zu Explosionen auf landwirtschaftlichen Flächen, wo Zivilisten arbeiten, um Ernten zu sammeln oder nach Trüffeln zu suchen, zu Explosionen in Häusern oder während der Fahrt auf den Straßen. Nach Angaben des Halo Trust, einer internationalen Organisation, die auf die Räumung von Landminen und anderen Sprengkörpern spezialisiert ist, wurden allein seit dem Sturz al-Assads durch Landminen und andere explosive Hinterlassenschaften mindestens 400 Zivilisten getötet und verletzt, wobei die tatsächliche Zahl vermutlich viel höher liegt. In den letzten neun Jahren wurden mindestens 422.000 Vorfälle mit Blindgängern in 14 Gouvernements in ganz Syrien gemeldet, wobei schätzungsweise die Hälfte davon tragische Opfer unter Kindern forderte. Die Gefahr betrifft etwa fünf Millionen Kinder, die in Gebieten leben, die mit den tödlichen Sprengkörpern verseucht sind. Für Kinder sind die Auswirkungen solcher Vorfälle verheerend. Wenn sie die Explosion überleben, sind lebensverändernde Verletzungen und Behinderungen die Folge, welche oft bedeuten, dass sie nicht mehr zur Schule gehen können oder dass es für sie schwieriger ist, Zugang zu angemessener Gesundheitsversorgung zu erhalten. Laut Syrischer Beobachtungsstelle für Menschenrechte sind von Anfang 2025 bis 13.2.2025 169 Menschen durch Kampfmittelüberreste getötet worden, darunter 31 Kinder und sechs Frauen. 205 Personen wurden verletzt. Darunter 88 Kinder und Frauen. UNOCHA zählte bei 198 Vorfällen von Dezember 2024 bis 12.2.2025 141 Getötete, darunter 24 Kinder und eine Frau, sowie 265 Verletzte, darunter 114 Kinder und 16 Frauen. Von den 136 Vorfällen im Jänner und Februar ereigneten sich 90 während Bauern ihr Land bestellten oder Tiere weideten, was zum Tod von 61 Bauern und Hirten und 93 weiteren Verletzten führte. Seit Dezember wurden in Idlib, Aleppo, Hama, Deir ez-Zour und Lattakia insgesamt 138 Minenfelder und Minenpräsenzpunkte identifiziert. Viele der Getöteten sind den syrischen "Weißhelmen" zufolge Bauern und Landbesitzer, die versuchten auf ihr Land zurückzukehren. Großstädte wie Idlib, ar-Raqqa, Aleppo, Hama, Homs und Ost-Ghouta, ein Vorort von Damaskus, wurden durch Bombardierungen verwüstet und sind deswegen mit Blindgängern übersät. Genau das sind die am meisten bewohnten Gegenden. Dort lebten teils Hunderttausende. Die Minenfelder und nicht explodierte Sprengkörper wie Bombenreste sind übers ganze Land verteilt. Al Jazeera zufolge sind Provinzen wie Aleppo, Idlib, Hama, Homs, ar-Raqqa, Deir ez-Zour und al-Hasaka und in geringerem Maße Damaskus, Dara'a und Suweida mit Streumunition und Minen verseucht.

Wehr- und Reservedienst - Entwicklungen seit dem Sturz des Assad-Regimes (seit 8.12.2024)

Die Syrische Arabische Armee wurde noch von al-Assad vor seiner Flucht nach Mitternacht am 8.12.2024 per Befehl aufgelöst. Die Soldaten sollten ihre Militäruniformen gegen Zivilkleidung tauschen und die Militäreinheiten und Kasernen verlassen. Aktivisten des Syrian Observatory for Human Rights (SOHR) in Damaskus haben berichtet, dass Hunderte von Regimesoldaten ihre Militäruniformen ausgezogen haben, nachdem sie darüber informiert wurden, dass sie entlassen wurden, da das Assad-Regime gestürzt war. Ca. 2.000 syrische Soldaten sind in den Irak geflohen. Einem Beamten aus dem Irak zufolge sollen 2.150 syrische Militärangehörige, darunter auch hochrangige Offiziere, wie Brigadegeneräle und Zollangestellte, in einem Lager in der Provinz al-Anbar untergebracht sein. Die Mehrheit soll nach Syrien zurückkehren wollen. Syrischen Medien zufolge verhandelte die syrische Übergangsregierung mit der irakischen Regierung über die Rückführung dieser Soldaten. Am 19.12.2024 begannen die irakischen Behörden damit, die syrischen Soldaten nach Syrien auszuliefern. Die Mehrheit der führenden Soldaten und Sicherheitskräften des Assad-Regimes sollen sich noch auf syrischem Territorium befinden, jedoch außerhalb von Damaskus (Stand 13.12.2024). Nach der Auflösung der ehemaligen Sicherheits- und Militärinstitutionen verloren Hunderttausende ihren Arbeitsplatz und ihr Einkommen – vor allem in den Küstenregionen. Zehntausende wurden auch aus staatlichen und zivilen Einrichtungen entlassen, ohne alternative Einkommens- oder Arbeitsmöglichkeiten. Darüber hinaus wurden Mitgliedern der aufgelösten Armee, Polizei und Sicherheitsdienste Umsiedlungsmaßnahmen aufgezwungen, was zu wachsender Unzufriedenheit und Wut in den Reihen dieser Männer führte.

Nach dem Umsturz in Syrien hat die von Islamisten angeführte Rebellenallianz eine Generalamnestie für alle Wehrpflichtigen verkündet. Ihnen werde Sicherheit garantiert und jegliche Übergriffe auf sie seien untersagt, teilte die Allianz auf Telegram mit. HTS-Anführer ash-Shara' kündigte in einem Facebook-Post an, dass die Wehrpflicht der Armee abgeschafft wird, außer für einige Spezialeinheiten und "für kurze Zeiträume". Des Weiteren kündigte er an, dass alle Gruppierungen aufgelöst werden sollen und über Waffen nur mehr der Staat verfügen soll. Unklar ist, wie eine Freiwilligenarmee finanziert werden soll. Auch die Auflösung der Sicherheitskräfte kündigte ash-Shara' an. In einem Interview am 10.2.2025 wiederholte ash-Shara', dass er sich für eine freiwillige Rekrutierung entschieden habe und gegen eine Wehrpflicht. Bereits Tausende von Freiwilligen hätten sich der neuen Armee angeschlossen. Wehrpflichtigen der Syrischen Arabischen Armee (Syrian Arab Army - SAA) wurde eine Amnestie gewährt. Ahmed ash-Shara' hat versprochen, dass die neue Führung die höchsten Ränge des ehemaligen Militärs und der Sicherheitskräfte wegen Kriegsverbrechen strafrechtlich verfolgen wird. Was dies jedoch für die Fußsoldaten des ehemaligen Regimes bedeuten könnte oder wo die diesbezüglichen Grenzen gezogen werden, bleibt unklar. Die neue Übergangsregierung Syriens hat sogenannte "Versöhnungszentren" eingerichtet, sagte Abu Qasra, neuer syrischer Verteidigungsminister. Diese wurden bereits gut genutzt, auch von hochrangigen Personen, und die Nutzer erhielten vorübergehende Niederlassungskarten. Eine beträchtliche Anzahl habe auch ihre Waffen abgegeben. Der Hauptsitz des Geheimdienstes in Damaskus ist jetzt ein "Versöhnungszentrum", wo die neuen syrischen Behörden diejenigen, die dort gedient haben, auffordern, sich zu stellen und ihre Waffen im Geheimdienstgebäude abzugeben. Im Innenhof warten Menschenschlangen darauf, Zettel zu erhalten, die besagen, dass sie sich offiziell ergeben und mit der neuen Regierung versöhnt haben, während ehemalige Aufständische in neuen Uniformen im Militärstil die abgegebenen Pistolen, Gewehre und Munition untersuchen. Ehemalige Offiziere, die sich für die neue Regierung Syriens als nützlich erweisen könnten, beispielsweise, weil sie Informationen über Personen haben, die international gesucht werden, haben wenig zu befürchten, solange sie kooperieren. In diesen "Versöhnungszentren" erhielten die Soldaten einen Ausweis mit dem Vermerk "desertiert". Ihnen wurde mitgeteilt, dass man sie bezüglich ihrer Wiedereingliederung kontaktieren würde. Die Rolle der übergelaufenen syrischen Armeeoffiziere in der neuen Militärstruktur ist unklar. Während ihr Fachwissen beim Aufbau einer Berufsarmee von unschätzbarem Wert sein könnte, bestehen weiterhin Bedenken hinsichtlich ihrer Marginalisierung innerhalb der neuen Machtstruktur. Unter al-Assad war die Einberufung in die Armee für erwachsene Männer obligatorisch. Wehrpflichtige mussten ihren zivilen Ausweis abgeben und erhielten stattdessen einen Militärausweis. Ohne einen zivilen Ausweis ist es schwierig, einen Job zu finden oder sich frei im Land zu bewegen, was zum Teil erklärt, warum Zehntausende in den "Versöhnungszentren" in verschiedenen Städten aufgetaucht sind. Ehemalige Soldaten und Geheimdienstmitarbeiter des Assad-Regimes, ca. 4.000 bis 5.000 Männer in Latakia und Tartus, haben sich diesen "Versöhnungsprozessen" entzogen. Einige von ihnen wurden im Rahmen einer landesweiten Kampagne mit täglichen Suchaktionen und gezielten Razzien gefasst, andere jedoch haben sich zu bewaffnetem Widerstand gegen die Übergangsregierung entschlossen.

Der Übergangspräsident Ahmed ash-Shara' hat die Vision einer neuen „Nationalen Armee“ geäußert, die alle ehemaligen Oppositionsgruppen einbezieht. Diese Vision beinhaltet einen Prozess der Entwaffnung, Demobilisierung und Wiedereingliederung, bei dem Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) angeblich die Führung übernehmen soll. Der syrische Verteidigungsminister Abu Qasra kündigte am 6.1.2025 den Beginn von Sitzungen mit militärischen Gruppierungen an, um Schritte zu deren Integration in das Verteidigungsministerium zu entwickeln. Hochrangige Beamte des neuen Regimes führten Gespräche über die Eingliederung von Milizen in das Verteidigungsministerium und die Umstrukturierung der syrischen Armee mit Vertretern unterschiedlicher bewaffneter Gruppierungen, wie Fraktionen der von der Türkei unterstützten Syrischen Nationalen Armee (Syrian National Army - SNA). Die Behörden gaben Vereinbarungen mit bewaffneten Rebellengruppen bekannt, diese aufzulösen und in die vereinte syrische Nationalarmee zu integrieren. Die einzige Möglichkeit, eine kohärente militärische Institution aufzubauen, besteht laut Abu Qasra darin, die Gruppierungen vollständig in das Verteidigungsministerium unter einer einheitlichen Struktur zu integrieren. Die Grundlage für diese Institution muss die Rechtsstaatlichkeit sein. Es bleibt abzuwarten, wie die neue Armee Syriens aussehen wird und ob sie auf einer anderen Struktur als die Armee des Assad-Regimes basieren wird. Dazu gehören Fragen in Bezug auf Brigaden, Divisionen und kleine Formationen sowie Fragen in Bezug auf die Art der Bewaffnung, ihre Form und die Art der Mission.

Die Umstrukturierung des syrischen Militärs hat gerade erst begonnen. Der neue de-facto-Führer hat versprochen, die neue Armee in eine professionelle, auf Freiwilligen basierende Truppe umzuwandeln, um die Professionalität in den Reihen zu fördern und sich von der Wehrpflichtpolitik zu entfernen, die das zusammengebrochene Assad-Regime charakterisierte. Medienberichten zufolge wurden mehrere ausländische islamistische Kämpfer in hohe militärische Positionen berufen. Ash-Shara' hatte Berichten zufolge außerdem vorgeschlagen, ausländischen Kämpfern und ihren Familien aufgrund ihrer Rolle im Kampf gegen al-Assad die Staatsbürgerschaft zu verleihen.

Syrische Medien berichten, dass die neue Regierung aktiv Personen für die Armee und die Polizei rekrutiert. Damit soll der dringende Bedarf an Kräften gedeckt werden. Neue Soldaten, Unteroffiziere und Offiziere werden Berichten zufolge durch intensive Programme rekrutiert, die von den traditionellen akademischen und Ausbildungsstandards abweichen. Der Prozess der Vorbereitung von Militär- und Sicherheitskadern wird beschleunigt, um den Bedürfnissen des neuen Staates gerecht zu werden. Am 10.2.2025 gab Übergangspräsident ash-Shara' an, dass sich Tausende von Freiwilligen der neuen Armee angeschlossen haben. Viele junge Männer ließen sich einem Bericht des syrischen Fernsehsenders Syria TV zufolge für die neue Armee rekrutieren. Insbesondere seien junge Männer in Idlib in dieser Hinsicht engagiert. Die Rekrutierungsabteilung der neuen syrischen Verwaltung in der Provinz Deir ez-Zour gab bekannt, dass wenige Wochen nach der Übernahme der Kontrolle über die Provinz durch den Staat etwa 1.200 neue Rekruten in ihre Reihen aufgenommen wurden. In den den ländlichen Gebieten von Damaskus treten junge Männer vor allem der Kriminalpolizei bei. Die Rekrutierungsabteilung von Aleppo teilte am 12.2.2025 mit, dass bis zum 15.2.2025 eine Rekrutierung in die Reihen des Verteidigungsministeriums läuft. Dort ist die Aufnahmebedingung für junge Männer, dass sie zwischen 18 und 22 Jahre alt, ledig und frei von chronischen Krankheiten und Verletzungen sein müssen. Das syrische Verteidigungsministerium hat am 17.3.2025 mehrere Rekrutierungszentren im Gouvernement Dara'a in Südsyrien eröffnet. Das Innenministerium hat seitdem Rekrutierungszentren in allen von der Regierung kontrollierten Gebieten eröffnet. Berichten zufolge verlangt die neue Regierung von neuen Rekruten eine 21-tägige Scharia-Ausbildung.

Ende Februar 2025 verbreiteten Facebook-Seiten die Behauptung, die Allgemeine Sicherheit habe in Jableh, Banyas und Qardaha Checkpoints eingerichtet, um jeden zu verhaften, der eine Siedlungskarte besitzt. Die Seiten behaupten, dass die Allgemeine Sicherheit die Verhafteten nach Südsyrien verlegt, wo es zu einer Eskalation durch die israelische Besatzung kommt. Die syrische Regierung dementierte die Durchführung von Rekrutierungskampagnen in den Provinzen Latakia und Tartus. Die Rekrutierung basiere weiterhin auf Freiwilligkeit.

Auszüge aus der Informationssammlung zu Entwicklungen rund um den Sturz von Präsident Assad

Am 27. November 2024 startete die militante islamistische Gruppe Hayat Tahrir al-Scham (HTS), deren Kontrolle sich bis dahin auf Teile der Provinzen Aleppo und Idlib beschränkt hatte, mit verbündeten Rebellenfraktionen eine Großoffensive im Nordwesten Syriens. Die Rebellen eroberten zunächst Aleppo, die zweitgrößte Stadt des Landes. Am 5. Dezember fiel die Stadt Hama und zwei Tage darauf die drittgrößte Stadt Syriens, Homs. Unterdessen rückten Rebellenkräfte aus dem Süden Syriens in die Stadt Daraa vor, die eine zentrale Rolle im Aufstand von 2011 spielte, und erlangten die Kontrolle über mehr als 90 Prozent der Provinz, während sich die Regierungstruppen sukzessive zurückzogen. In Sweida übernahmen drusische Fraktionen die Verwaltung der Region und festigten damit die oppositionellen Strukturen im Süden des Landes. Diese Gruppen formierten die „Southern Operations Room“, um den Aufstand zu koordinieren, und waren die ersten, die in Damaskus eintrafen. Nach dem Eintreffen von HTS in der Hauptstadt zogen sie sich jedoch nach Daraa zurück. Am 8. Dezember 2024 erklärten die Rebellen den Sieg in Damaskus. Der syrische Präsident Baschar al-Assad verließ noch am selben Tag das Land und beantragte Asyl in Russland, wo ihm Aufnahme gewährt wurde.

Die syrischen Gruppen, die Al-Assad gestürzt und die Hauptstadt Damaskus eingenommen haben, sind heterogen mit teils gegensätzlichen Ideologien und langfristigen Zielen. Die mächtigste Gruppe in Syrien, die den Vormarsch der Rebellen anführte, ist die islamistische Gruppe Hayat Tahrir al-Scham. Sie begann als offizieller al-Qaida-Ableger in Syrien unter dem Namen Nusra-Front und verübte bereits zu Beginn des Aufstands gegen Assad Angriffe in Damaskus. Die Gruppe durchlief mehrere Namensänderungen und gründete schließlich als die HTS eine Regierung in der Provinz Idlib, im Nordwesten Syriens. Die USA, Türkei und andere stuften die HTS und ihren Anführer, Ahmed al-Scharaa (auch Abu Mohammed al-Dscholani genannt), als Terroristen ein.

Die Syrische Nationalarmee (SNA) ist eine zersplitterte Koalition unterschiedlicher bewaffneter Gruppen, die mit direkter türkischer Militärunterstützung einen Gebietsabschnitt entlang der syrisch-türkischen Grenze halten. Trotz interner Spaltungen pflegen viele SNA-Fraktionen enge Bindungen zur Türkei, wie die Sultan-Suleiman-Schah-Brigade, die al-Hamza-Division und die Sultan-Murad-Brigade. Andere Fraktionen der Gruppe versuchen trotz ihrer Zusammenarbeit mit der Türkei ihre eigenen Prioritäten durchzusetzen. Als die HTS und verbündete Gruppen aus dem Nordwesten Anfang Dezember auf von Assads Regierung kontrolliertes Gebiet vorrückten, schloss sich ihnen auch die SNA an und kämpfte im Nordosten gegen Regierungstruppen wie auch kurdisch geführte Kräfte.

Der Vormarsch der Rebellen gegen Assads Regierungstruppen wurde Berichten zufolge von der Türkei mit unterstützt.

Die Syrischen Demokratischen Kräften (SDF) sind ein Bündnis kurdischer und arabischer Milizen, das von den USA und ihren Verbündeten unterstützt wird. Die SDF kontrollieren den größten Teil Syriens östlich des Euphrat, sowie einige Gebiete westlich des Flusses. Mit der aktuellen Offensive kam es auch zu Kämpfen zwischen den SDF und der SNA. Mit 11. Dezember verloren die SDF die Kontrolle über die Stadt Manbidsch.

Neben den genannten Gruppen gibt es in Syrien eine Vielzahl lokaler Gruppierungen, die sich gegen al-Assad gestellt haben. Diese vertreten ein breites Spektrum islamistischer und nationalistischer Ideologien. Im Norden schlossen sich einige von ihnen dem Militäroperationskommando der HTS an. Im Süden dominierende Gruppen erhoben sich in der aktuellen Situation und nahmen den Südwesten Syriens ein. Die in den südlichen Provinzen aktiven Gruppen gründeten zu diesem Zweck die Koalition „Southern Operations Room“.

Neueste Entwicklungen

Politische Entwicklungen

Mohammed Al-Baschir, der bis zum Sturz Baschar Al-Assads die mit Hay'at Tahrir al-Sham (HTS) verbundene Syrischen Heilsregierung im Nordwesten Syriens geleitet hatte, wurde am 10. Dezember 2024 als Interimspremierminister mit der Leitung der Übergangsregierung des Landes bis zum 1. März 2025 beauftragt. Die Minister der Syrischen Heilsregierung übernahmen vorerst die nationalen Ministerposten. Laut dem Congressional Research Service (CRS) seien einige Regierungsbeamt·innen und Staatsangestellte der ehemaligen Regierung weiterhin im Regierungsapparat beschäftigt. Am 21. Dezember ernannte die Übergangsregierung Asaad Hassan Al-Schibani zum Außenminister und Murhaf Abu Qasra zum Verteidigungsminister. Beide seien Verbündete des HTS-Anührers Ahmed Al-Scharaa. Am 29. Dezember legte Al-Scharaa in einem Interview mit dem saudischen Fernsehsender Al-Arabiyya dar, dass es bis zu vier Jahren dauern könne, bis Wahlen stattfinden werden, da die verschiedenen Kräfte Syriens einen politischen Dialog führen und eine neue Verfassung schreiben müssten.

Am 29. Jänner 2025 wurde Ahmed Al-Scharaa, der seit dem Sturz von Baschar Al-Assad faktisch das Land geleitet hatte, zum Übergangspräsidenten in Syrien ernannt. Gleichzeitig wurde die Verfassung von 2012 außer Kraft gesetzt und das alte Parlament aufgelöst.

Bereits am 17. Dezember erklärte Al-Scharaa, dass alle Rebellenfraktionen aufgelöst und in die Reihen des Verteidigungsministeriums integriert würden. AFP berichtete am 8. Jänner, dass laut einem Sprecher des Southern Operations Room die Kämpfer Südsyriens nicht mit einer Auflösung ihrer Gruppen einverstanden seien. Sie könnten sich jedoch eine Integration in das Verteidigungsministerium in ihrer momentanen Form vorstellen. Am 18. Februar stimmten die Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) zu, ihre Streitkräfte und zivile Institutionen in die neue syrische Regierung zu integrieren.

Am 29. Dezember wurde eine Liste mit 49 Personen, die zu Kommandeuren der neuen syrischen Armee ernannt wurden, veröffentlicht. Unter den Namen seien einige Mitglieder der HTS, sowie ehemalige Armeeoffiziere, die zu Beginn des syrischen Bürgerkriegs desertierten. Laut Haid Haid, beratender Mitarbeiter beim britischen Think Tank Chatham Haus, wurden die sieben höchsten Ränge von HTS-Mitgliedern besetzt. Laut einem weiteren Experten seien auch mindestens sechs Nicht-Syrer unter den neuen Kommandeuren.

Die neue Führung hatte sich seit ihrer Machtübernahme verpflichtet, die Rechte der Minderheiten zu wahren. Anfang Jänner kündigte das Bildungsministerium der Übergangsregierung auf seiner Facebook-Seite einen neuen Lehrplan für alle Altersgruppen an, der eine stärker islamische Perspektive widerspiegelt und alle Bezüge zur Assad-Ära aus allen Fächern entfernt. Zu den vorgeschlagenen Änderungen gehörte unter anderem die Streichung der Evolutionstheorie und der Urknalltheorie aus dem naturwissenschaftlichen Unterricht. Aktivist·innen zeigten sich besorgt über die Reformen.

Al-Scharaa kündigte weiters Pläne für eine Nationale Dialogkonferenz an, die darauf abzielen sollte, Versöhnung und Inklusion zu fördern. Die ursprünglich für Anfang Jänner 2025 angesetzte Konferenz wurde jedoch verschoben, um ein erweitertes Vorbereitungskomitee einzurichten, das eine umfassende Repräsentation aller gesellschaftlichen Gruppen in Syrien gewährleisten soll. Die Konferenz fand schließlich am 25. Februar statt und brachte 600 Konferenzteilnehmer·innen aus unterschiedlichen syrischen Gemeinschaften zusammen. Verschiedene syrisch-kurdische Gruppen behaupteten, sie seien entweder nicht eingeladen worden oder hätten sich gegen eine Teilnahme entschieden. Einige Teilnehmer·innen hätten auf den Mangel an Transparenz hinsichtlich der Kriterien für die Auswahl der Teilnehmer·innen hingewiesen und kritisiert, dass Teilnehmer·innen ihre Einladung lediglich einen Tag vor der Tagung erhalten hätten. Die Konferenz selbst habe nur einen Tag gedauert. Am Ende der Konferenz wurde eine Erklärung vorbereitet, in der unter anderem die Ablehnung jeglicher Form von Diskriminierung, die Achtung der Menschenrechte und das Prinzip der friedlichen Koexistenz betont wurden, Al-Scharaa kündigte am 2. März die Bildung eines Ausschusses an, der eine Verfassungserklärung für die Übergangsphase des Landes ausarbeiten soll.

Am 7. und 8. März kam es laut der in Großbritannien ansässigen Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte (SOHR) zu 30 „Massakern“ an Alawit·innen an der Westküste Syriens, bei denen in etwa 746 Zivilist·innen getötet wurden. Zusammen mit der Zahl der getöteten Kämpfer, die sich sowohl aus Pro-Assad-Kämpfern, wie auch aus Kämpfern der neuen Regierung zusammensetzte, stieg die Gesamtzahl der Toten auf über 1.000 Personen. Präsident Al-Scharaa rief zu Frieden und Einheit auf und versprach, die Verantwortlichen vor Gericht zu stellen. Er ging jedoch nicht direkt auf die Vorwürfe ein, dass seine Anhänger an den Morden an Zivilist·innen beteiligt waren.

Kontrolle der Demokratischen Autonomen Verwaltung Nord- und Ostsyriens (DAANES) und der Syrischen Demokratischen Kräften (SDF)

Die von der Türkei unterstütze Syrische Nationalarmee (SNA) führte ihre Offensive gegen die Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) und das Gebiet der Demokratischen Autonomen Verwaltung Nord- und Ostsyriens (DAANES) fort. Die SNA nahm in den vergangenen Tagen Gebiete der nordwestlichen Region Shahba sowie die Stadt Manbidsch ein. Mit 10. Dezember griffen SNA-Kämpfer den strategisch wichtigen, kurdisch-kontrollierten Tischreen-Staudamm in der Provinz Aleppo an, und rückten auf die Stadt Kobane vor. Am 11. Dezember kam es nach Vermittlungen der US-Behörden zu einem Waffenstillstand in der Stadt Manbidsch. Das Abkommen sieht den Abzug der (mit den SDF verbundenen) „Manbij Military Council Forces“ vor. Am 17. Dezember wurde dieser Waffenstillstand bis zum Ende derselben Woche verlängert. Am 18. Dezember trat ein Waffenstillstandsabkommen in der Region Ain Al-Arab (auch Kobani) in Kraft. Die SDF warfen der Türkei und ihren Verbündeten vor, sich nicht an das Waffenstillstandsabkommen zu halten und ihre Angriffe südlich von Kobani fortzusetzen. Zur gleichen Zeit gingen Einwohnerinnen der nordostsyrischen Stadt Qamischli auf die Straße, um den Widerstand der SDF gegen die Angriffe protürkischer Kämpfer in der Region zu unterstützen. Am 21. Dezember wurden laut SDF fünf ihrer Kämpfer bei Angriffen von der Türkei unterstützten Streitkräften auf die Stadt Manbidsch getötet. Das Pentagon erklärte am 30. Dezember, dass der Waffenstillstand zwischen der Türkei und den von den USA unterstützten SDF rund um die Stadt Manbidsch anhält. Am selben Tag behauptete die SDF, dass die Türkei zwei Militärstützpunkte in der Nähe von Manbidsch aufbaut und mehrere Militärfahrzeuge und Radarsysteme von den SDF zerstört wurden. Zur gleichen Zeit kam es zu erneuten Schusswechseln zwischen von der Türkei unterstützen Streitkräften und den SDF. Laut der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte (SOHR) griffen türkische Streitkräfte und mit ihnen verbündete bewaffnete Gruppen das Dorf al-Terwaziyah südlich von Slouk im ländlichen Raqqa mit schwerer Artillerie und Maschinengewehren an, was anschließend zu gewaltsamen Auseinandersetzungen führte. Spezialeinheiten der SDF drangen in Stellungen der von der Türkei unterstützen Fraktionen im Dorf Al-Reyhaniyah in der Nähe von Tel Tamer in der Provinz Hasaka ein. Anfang Jänner kamen bei Zusammenstößen in mehreren Dörfern rund um die Stadt Manbidsch über hundert Menschen ums Leben. Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte berichtete von heftigen Kämpfen in der Region von Manbidsch zwischen der SNA und der SDF und steigenden Opferzahlen.

Human Rights Watch beschuldigt die Koalition der Türkei und SNA, am 18. Jänner ein Kriegsverbrechen begangen zu haben, nachdem eine Drohne einen Krankenwagen des kurdischen Roten Halbmonds traf.

Mit 21. Jänner kommt es zu weiteren Zusammenstößen zwischen SNA und SDF. SOHR schätzt, dass zwischen 12. Dezember und 18. Jänner mindestens 423 Menschen im SNA-SDF-Konflikt getötet wurden; 41 davon Zivilist·innen, 308 SNA-Kämpfer·innen und 74 SDF-Kämpfer·innen. Die Kämpfe setzten sich im Februar und bis Anfang März fort.

Am 11. Dezember übernahm die Koalition ehemaliger oppositioneller Kräfte unter der Führung der HTS die vollständige Kontrolle über die ostsyrische Stadt Deir ez-Zor. Im Osten der Provinz Deir ez-Zor kam es zu Demonstrationen und der Forderung, die von HTS geführten Streitkräfte sollten die Kontrolle über das Gebiet übernehmen. Einige Kommandanten der SDF seien in Folge desertiert.

Ende Februar begannen die kurdisch geführten Behörden im Nordosten Syriens, Öl aus den von ihnen verwalteten lokalen Feldern an die Zentralregierung in Damaskus zu liefern.

Weiteres

Am 18. Dezember startete der erste kommerzielle Flug seit dem Sturz von Baschar Al-Assad, ein Inlandsflug nach Aleppo, vom Flughafen Damaskus.

Anfang Jänner erteilten die USA eine sechsmonatige Ausnahme von den Sanktionen, eine sogenannte Generallizenz, um humanitäre Hilfe nach dem Ende der Herrschaft von Bashar al-Assad in Syrien zu ermöglichen. Die Ausnahme, die bis zum 7. Juli gültig ist, erlaubt bestimmte Transaktionen mit Regierungsinstitutionen, darunter Krankenhäuser, Schulen und Versorgungsunternehmen auf Bundes-, Regional- und lokaler Ebene sowie mit mit den HTS verbundenen Einrichtungen in ganz Syrien. Zwar wurden keine Sanktionen aufgehoben, die Lizenz erlaubt jedoch auch Transaktionen im Zusammenhang mit dem Verkauf, der Lieferung, der Speicherung oder der Spende von Energie, einschließlich Erdöl und Strom, nach oder innerhalb Syriens. Darüber hinaus erlaubt sie persönliche Überweisungen und bestimmte energiebezogene Aktivitäten zur Unterstützung der Wiederaufbaubemühungen. Nach der Ausnahme von den Sanktionen kündigte Katar eine Hilfe bei der Finanzierung einer 400-prozentigen Erhöhung der Gehälter im öffentlichen Sektor an, die die syrische Übergangsregierung zugesagt hatte.

Auszüge aus ACCORD, Anfragebeantwortung zu Syrien: Rekrutierungspraxis der Übergangsregierung, Rekrutierungen durch andere bewaffnete Gruppen, Zwangsrekrutierungen:

Mehrere Quellen berichten im Februar 2025, dass der Präsident der syrischen Übergangsregierung, Ahmed Al-Scharaa, erklärt habe, dass er die Wehrdienstpflicht abgeschafft habe und stattdessen auf freiwillige Rekrutierung setze. Anfang Februar 2025 wurde berichtet, dass sich Scharaa zufolge tausende Freiwillige der neuen Armee anschließen würden. Dem Online-Begleittext eines Videobeitrags des schwedischen Fernsehprogramms Svtnyheter von Jänner 2025 zufolge hätte die Hayat Tahrir Al-Scham (HTS) aktiv mit intensiven Rekrutierungen für die Reihen der Polizei und des Militärs begonnen. In einem undatierten arabischsprachigen Artikel bezieht sich das Swedish Center for Information (SCI) auf den genannten Videobeitrag. Laut dem SCI-Artikel würden Berichten zufolge Soldaten, Unteroffiziere und Offiziere mittels intensiver Programme rekrutiert, die von traditionellen akademischen Standards und Trainingsstandards abweichen würden. Dies habe den Zweck, die Ausbildung der Militär- und Sicherheitskräfte zu beschleunigen, um den Bedarf des neuen Staates zu decken.

In einem arabischsprachigen Artikel von Februar 2025 berichtet Enab Baladi, die Rekrutierungsabteilung in Aleppo habe verkündet, dass die Anmeldungen für eine Militärausbildung begonnen hätten. Die Bedingungen für den Eintritt in die Reihen des Verteidigungsministeriums der Übergangsregierung seien festgelegt worden. Interessierte könnten sich bis 15. Februar 2025 in der Rekrutierungsabteilung in Aleppo im Viertel Al-Furqan anmelden. Voraussetzung sei, dass Bewerber ledig, zwischen 18 und 22 Jahre alt seien, keine chronischen Erkrankungen hätten und nicht verletzt seien. Für eine Anmeldung seien zwei Fotos, eine Kopie des Personalausweises sowie, sofern vorhanden, eine Kopie des Nachweises über einen akademischen Abschluss vorzulegen. Ähnliche Informationen finden sich in den nachfolgend beschriebenen zwei Facebook-Beiträgen. In einem arabischsprachigen Facebook-Beitrag vom 12. Februar 2025 auf der Facebook-Seite „Al Arabiya Syria“ wird berichtet, dass das Gouvernement Aleppo verkündet habe, dass die Anmeldungen für die Aufnahme in die Reihen der Armee eröffnet seien. Die Anmeldungen würden im Offiziersclub im Viertel Al-Furqan entgegengenommen. Bewerber hätten ledig sowie zwischen 18 und 22 Jahre alt und gesund zu sein. Auf der Facebook-Seite „Nachrichten des freien Syrien“ („Achbar Suriya al-Hurra“) findet sich ein Beitrag vom 6. Februar 2025, der eine Rekrutierungsanzeige der Rekrutierungsabteilung in Idlib veröffentlicht. Die Anmeldung zur Teilnahme am Militärkurs für jene, die unter dem Verteidigungsministerium dienen möchten, sei eröffnet. Interessierten sei es möglich, sich zwischen dem 9. Februar 2025 und dem 15. Februar 2025 in der Rekrutierungsabteilung in Idlib anzumelden. Bewerber hätten ledig und zwischen 18 und 22 Jahre alt zu sein. Sie dürften nicht chronisch krank oder verletzt sein. Vorzulegen seien ein Foto, eine Kopie des Personalausweises und eine Kopie des akademischen Nachweises, wenn vorhanden.

Syria TV, ein syrischer Fernsehsender mit Sitz in Instanbul, der im Besitz eines katarischen Mediennetzwerks ist und sich in Opposition zur Assad-Regierung positioniert hatte, berichtet in einem arabischsprachigen Artikel vom Februar 2025, dass sich der Rekrutierungsprozess für die neuen syrischen Militär- und Sicherheitsinstitutionen, wie die Polizei sowie Kriminal- und Geheimdienste, von Gouvernement zu Gouvernement unterscheide.

Rekrutierungen durch die SDF und SDF-nahe Kräfte

Mitte März 2025 berichten Quellen von einer zwischen Ahmad Scharaa und Mazloum Abdi, dem Leiter der SDF, getroffenen Einigung, die Ende 2025 umgesetzt werden solle. Die Vereinbarung sehe vor, alle „zivilen und militärischen Einrichtungen“ in Nordost-Syrien der Verwaltung dessyrischen Staates zu unterstellen. Der von CNN dazu interviewten Wissenschaftlerin am Center for Strategic and International Studies Natasha Hall zufolge sei zu dem Zeitpunkt unklar, wie die Integrierung der SDF in die Institutionen des syrischen Staates aussehen werde. Zum Zeitpunkt der Berichterstattung sei es der SDF erlaubt, ihre Struktur und ihre Waffen zu behalten. In einem arabischsprachigen Artikel von März 2025 von Al Jazeera wird ein Mann zitiert, der an den zu der Zeit bestehenden Protesten in Deir ez-Zor teilgenommen habe. Er habe unter anderem darauf hingewiesen, dass SDF-Kräfte Verhaftungskampagnen in den von der SDF kontrollierten Gebieten durchgeführt hätten, in deren Rahmen Dutzende junge Männer unter dem Vorwurf der Gruppe Islamischer Staat (IS) beitreten zu wollen, verhaftet und zwangsrekrutiert worden seien. In einem arabischsprachigen Artikel von Jänner 2025 zitiert Al Jazeera den Wissenschaftler Amir Al-Mithqal, dem zufolge die Demokratischen Kräfte Syriens (Syrian Democratic Forces, SDF) aufgrund eines Mangels an kurdischen Kräften ethnische Araber zwangsrekrutiert hätten. Ende Jänner 2025 berichtet Syria TV, dass seit dem Sturz der Assad-Regierung über 5.000 Männer die SDF verlassen hätten, indem sie übergelaufen oder geflohen seien. Einer der SDF nahestehenden Quelle zufolge bestehe ein Mangel an Kräften in den Reihen der SDF und diese sei nicht imstande neue Rekrutierungskampagnen in der Region zu starten. Es würden nur begrenzt Rekrutierungsoperationen durchgeführt, und zwar hauptsächlich im Gouvernement Hasaka. Der Quelle zufolge prüfe die SDF sämtliche Optionen, um ihre Militär- und Sicherheitskräfte zu stärken, unter anderem durch den Aufbau neuer Kräfte. Mitte Jänner habe die SDF die Demobilisierung von Wehrpflichtigen, die ihre Wehrpflicht bereits abgeleistet hätten, aufgrund des bedeutenden Anstiegs an Desertionen und Überläufen in ihren Kreisen gestoppt. Die SDF sehe für jeden Mann, der das Alter von 18 Jahren erreicht habe und zwischen 1998 und 2006 geboren sei, eine einjährige Wehrpflicht vor. Ein von der SDF zwangsrekrutierter Mann habe Syria TV erzählt, dass er seinen Wehrdienst vor zwei Monaten erfüllt habe und die SDF sich ohne Angabe von Gründen weigern würde, ihn aus der Pflicht zu entlassen. Davon seien hunderte andere Personen betroffen.

Auszüge aus EUAA, Syria: Country Focus, März 2025

2. Armed actors

2.1.1. Hay’at Tahrir al-Sham (HTS) and allied groups HTS was the largest component of the operation ‘Deterrence of Aggression’ with an estimated 30 000 fighters. A Syrian economist gave a lower figure of 10 000 for the number of HTS fighters. HTS was reportedly divided into six brigades, special forces and an elite force known as the ‘Red Bands’. The International Crisis Group assessed HTS forces to be stretched thin following their offensive to overthrow the government, being in urgent need of more personnel and resources. A notable allied faction joining the offensive was the Türkiye-backed National Liberation Front (NLF), a component of the SNA. For more information on the SNA, see section 2.1.2. Jaish Al-Izza, an opposition group present in northern Hama and parts of Latakia, with 2 000 to 5 000 fighters according to 2019 estimates, also reportedly joined the push into government territory. The pan-Arab daily Al-Quds AlArabi estimated the overall size of HTS and its allied factions to be about 43 000, with more than half of those troops maintaining their presence in their original areas of operation after pushing the government troops out, especially in northern Hama countryside, southern Idlib countryside, and western and southern Aleppo countryside. HTS and its allied factions, who had previously coordinated in Idlib under the Fateh Al-Mubin Operations room, formed the Military Operations Administration (MOA) in light of operation Deterrence of Aggression. It is made up of high-ranking members of the SSG that previously operated in Idlib. Following the overthrow of Bashar Al-Assad, troops comprising the MOA became the primary military force on the ground. On 24 December 2024, the MOA announced the dissolution of all military factions and their integration under the Ministry of Defence. HTS itself announced that it would lead by example, dissolve as an armed group and integrate into the armed forces. Among the first steps of establishing a new army was to promote some leaders of the individual factions as well as some defected officers into certain military ranks. Among those promoted were purportedly several foreign Islamist fighters of Albanian, Tajik and Uyghur origin. Following the ouster of Bashar Al-Assad, most soldiers as well as policemen either fled or were suspended. HTS has relied on its General Security units formerly active under its administration in Idlib as well as units under the MOA to support and supplement local police forces. Furthermore, recruitment centres were opened in provinces formerly under Assad’s control to rebuild the police force. As of January 2025, the HTS-led coalition was in control of most areas previously held by the Assad government until early December 2024, amounting to just over 60% of Syrian territory. During its December offensive, the HTS further took control of the city of Deir EzZor previously held by the SDF. At the end of January 2025, the MOA seized a strategically important area near Zamla oil field south of Raqqa in the Syrian desert, a deployment that was assessed to aim at containing ISIL activity while also putting pressure on SDF troops stationed on the southwestern bank of Lake Assad. In the country’s south, the MOA as of mid-January was still in talks with the former Fifth Corps and specifically its Eighth Brigade regarding their dissolution, but managed to deploy its own troops in Jadal, Mseika, Mismiyeh and Lajat. In Afrin city in northern Aleppo governorate, troops from the Syrian Transitional Administration at the beginning of February 2025 arrived to take over control from the SNA. Since the fall of Assad, HTS has relied on its own units and close allies to secure governorates predominantly populated by minorities. Thus, unlike in other areas such as Homs, the SNA has been largely absent from coastal areas with Alawite populations where support for Assad has reportedly been strong. Etana noted that Idlib’s security landscape in particular had considerably changed following Assad’s fall, with much of the military presence relocated to key strategic areas in Aleppo, Homs, Damascus, Latakia and Tartous. During operation ‘Deterrence of Aggression’, HTS reportedly took over weapon depots and armoured vehicles from the Syrian Arab Army. Following Al-Asad’s ouster, hundreds of Israeli airstrikes reportedly resulted in the destruction of the country’s military stocks and defence infrastructure, as well as most of its missile systems and tanks. The newly appointed interim Defence Minister Murhaf Abu Qasra in an interview recounted how HTS had established its own military industry in Idlib, building drones for reconnaissance, drones armed with explosives and suicide drones as well as manufacturing armoured vehicles. They further developed their own artillery systems. During its offensive, HTS reportedly made efforts to avoid harming the civilian population. Furthermore, some areas that were previously held by the SDF were taken over based on agreements. Even so, six students were killed by rockets fired by the rebels which landed on a student dormitory in Aleppo city. Following its takeover of power, there were several reports of abuse being committed by HTS forces during security operations in Alawite areas, such as individuals killed in raids and detainees being held incommunicado. Especially foreign fighter groups under the MOA as well as the HTS elite forces ‘Red Bands’ were accused of committing violations during raids such as harassment and intimidation and in a few instances killings.

2.1.2. Syrian National Army (SNA)

Statements regarding the troop size of the SNA vary, with Middle East Eye (MEE) estimating a range between 30 000 and 80 000, while the Turkish Foreign Minister puts them at over 80 000. According to MEE, the SNA played a ‘decisive role’ in the HTS-led rebel offensive, for example when fighters from the SNA faction Levant Front (Jabhat Al-Shamiya) advanced 200 km south from their areas of control in A’zaz in northern Aleppo countryside. The National Liberation Front (NLF), the result of a 2018 merger of 11 rebel groups, in turn merged with the SNA in 2019 and consists of various armed groups, such as Faylaq al-Sham, Ahrar al-Sham, the Free Idlib Army and Harakat Nour Al-Din Al-Zenki, mostly fighting under the Free Syrian Army label. The NLF altogether was estimated to comprise about 25 000 fighters. Of those, Ahrar Al-Sham, a group that as of 2015 estimates had about 15 000 fighters, was mostly active an Aleppo and Idlib governorates. As of mid-January 2025, the NLF was largely in charge of securing control in Idlib. On 30 November 2024, shortly after HTS and allied SNA factions had made significant territorial gains in Aleppo countryside and eastern Idlib, the SNA announced the launch of operation ‘Dawn of Freedom’, capturing areas around Al-Bab east of Aleppo city. The stated aim of the operation was to liberate the area from Assad troops and Iranian militias. The MOA reportedly sent reinforcements to support the SNA in their operations against the SDF in eastern Aleppo. Meanwhile, tensions between the SNA and the MOA were reported following a demand made by the latter for the SNA factions to disband and surrender their arms, with some factions rejecting and others voicing acceptance of the order. Turkish Foreign Minister Hakan Fidan at the end of January 2025 called on the SNA to integrate into the forces of the new Transitional Administration. On 29 January 2025, the Transitional Administration announced the dissolution of former rebel groups, among which the SNA. However, several sources indicated that this dissolution had not yet been fully implemented as some SNA groups appeared to have been integrated in name only, continuing to fight the SDF along the Euphrates river and operating as SNA in northwest Syria where they were only gradually handing over tasks to the MOA. Some SNA faction leaders reportedly showed reluctance to integrate into the Ministry of Defence, fearing they might be held accountable for past human rights abuses or losing their political clout. The advances by the SNA in the north of the country reportedly caused fear among the Kurdish population, with an estimated 120 000 people fleeing from areas in northern Aleppo captured by the SNA at the start of December. The SNA reportedly employed indiscriminate shelling of civilian areas. Human Rights Watch (HRW) reported on an SNA drone strike that hit a Kurdish Red Crescent ambulance transporting a wounded civilian near Tishreen Dam on 18 January. The organisation further mentioned attacks carried out by the SNA with support from Türkiye on protesters gathering near the dam, leading to deaths and injuries according to the SDF.

2.1.3. Other armed groups

[…]

(b) Syrian Free Army The small US-supported rebel faction at Al-Tanf near the Iraqi border remained deployed there, reportedly waiting for developments on the US political scene before deciding on a merger with the MOA. At the end of January 2025, the group’s commander reportedly attended a meeting with Al-Sharaa to discuss merging into the security forces. According to Aaron Zelin, expert on Syrian armed groups, the group had joined the Defence Ministry by mid-February 2025. With the fall of the Assad government, the faction expanded its areas of operation, reaching 40 kilometres west and northwest to Palmyra, filling the security vacuum left by the retreating Assad army.

[…]

(d) Assad-aligned militias Since the takeover by the transitional administration, remnant pro-Assad groups have conducted small-scale, targeted hit-and-run attacks against its forces across Syria. At the beginning of February 2025, a former commander of the Republican Guard announced the formation of a group named the Coastal Shield Brigade in the mountains of Latakia, threatening attacks on forces of the Transitional Administration in retaliation for alleged attacks on members of the Alawite community. A video published on 23 February signalled the inception of another new armed group loyal to the former government, calling itself the Special Units Company and aligning itself with the Coastal Shield Brigade. In early March, a new armed group called Military Council for the Liberation of Syria and led by former military officers of the Assad regime claimed responsibility for large scale attacks against General Security forces in Latakia governorate. It further announced as its objective the ‘full liberation of Syrian territory from all occupying and terrorist forces’. These insurgent groups have been linked to the clashes with the government’s security forces which took place in early March, particularly in the coastal areas. However, ISW assessed that it is unlikely that a single, cohesive insurgent organisation has emerged to coordinate and execute the majority of targeted attacks against government forces.

Auszug aus den Länderinformationen der Staatendokumentation, Version 11, 27.03.2024

Nicht-staatliche bewaffnete Gruppierungen (regierungsfreundlich und regierungsfeindlich) Letzte Änderung 2024-03-13 15:02 Manche Quellen berichten, dass die Rekrutierung durch regierungsfreundliche Milizen im Allgemeinen auf freiwilliger Basis geschieht. Personen schließen sich häufig auch aus finanziellen Gründen den National Defense Forces (NDF) oder anderen regierungstreuen Gruppierungen an (FIS 14.12.2018). Andere Quellen berichten von der Zwangsrekrutierung von Kindern im Alter von sechs Jahren durch Milizen, die für die Regierung kämpfen, wie die Hizbollah und die NDF (auch als „shabiha“ bekannt) (USDOS 29.7.2022). In vielen Fällen sind bewaffnete regierungstreue Gruppen lokal organisiert, wobei Werte der Gemeinschaft wie Ehre und Verteidigung der Gemeinschaft eine zentrale Bedeutung haben. Dieser soziale Druck basiert häufig auf der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religionsgemeinschaft (FIS 14.12.2018). Oft werden die Kämpfer mit dem Versprechen, dass sie in der Nähe ihrer lokalen Gemeinde ihren Einsatz verrichten können und nicht in Gebieten mit direkten Kampfhandlungen und damit die Wehrpflicht umgehen könnten, angeworben. In der Realität werden diese Milizen aber trotzdem an die Front geschickt, wenn die SAA Verstärkung braucht bzw. müssen die Männer oft nach erfolgtem Einsatz in einer Miliz trotzdem noch ihrer offiziellen Wehrpflicht nachkommen (EUAA 10.2023). In manchen Fällen aber führte der Einsatz bei einer Miliz tatsächlich dazu, der offiziellen Wehrpflicht zu entgehen, bzw. profitierten einige Kämpfer in regierungsnahen Milizen von den letzten Amnestien, sodass sie nach ihrem Einsatz in der Miliz nur mehr die sechsmonatige Grundausbildung absolvieren mussten um ihrer offiziellen Wehrpflicht nachzugehen, berichtet eine vertrauliche Quelle des niederländischen Außenministeriums (NMFA 8.2023). Anders als die Regierung und die Syrian Democratic Forces (SDF), erlegen bewaffnete oppositionelle Gruppen wie die SNA (Syrian National Army) und HTS (Hay’at Tahrir ash-Sham) Zivilisten in von ihnen kontrollierten Gebieten keine Wehrdienstpflicht auf (NMFA 5.2022; vgl. DIS 12.2022). Quellen des niederländischen Außenministeriums berichten, dass es keine Zwangsrekrutierungen durch die SNA und die HTS gibt (NMFA 8.2023). In den von den beiden Gruppierungen kontrollierten Gebieten in Nordsyrien herrscht kein Mangel an Männern, die bereit sind, sich ihnen anzuschließen. Wirtschaftliche Anreize sind der Hauptgrund, den Einheiten der SNA oder HTS beizutreten. Die islamische Ideologie der HTS ist ein weiterer Anreiz für junge Männer, sich dieser Gruppe anzuschließen. Im Jahr 2022 erwähnt der Danish Immigration Service (DIS) Berichte über Zwangsrekrutierungen der beiden Gruppierungen unter bestimmten Umständen im Verlauf des Konfliktes. Während weder die SNA noch HTS institutionalisierte Rekrutierungsverfahren anwenden, weist die Rekrutierungspraxis der HTS einen höheren Organisationsgrad auf 155 als die SNA (DIS 12.2022). Im Mai 2021 kündigte HTS an, künftig in ldlib Freiwilligenmeldungen anzuerkennen, um scheinbar Vorarbeit für den Aufbau einer „regulären Armee“ zu leisten. Der Grund dieses Schrittes dürfte aber eher darin gelegen sein, dass man in weiterer Zukunft mit einer regelrechten „HTS-Wehrpflicht“ in ldlib liebäugelte, damit dem „Staatsvolk“ von ldlib eine „staatliche“ Legitimation der Gruppierung präsentiert werden könnte (BMLV 12.10.2022). Die HTS rekrutiert auch gezielt Kinder, bildet sie religiös und militärisch aus und sendet sie an die Front (SNHR 20.11.2023).

2. Beweiswürdigung:

Die Beweiswürdigung stützt sich auf die Aussagen des Beschwerdeführers vor der Polizei (siehe Erstbefragung vom 30.12.2022) und dem Bundesamt (siehe Einvernahme durch das Bundesamt vom 05.02.2024), auf die Beschwerde, die in das Verfahren eingebrachten Länderinformationen sowie auf die Aussagen des Beschwerdeführers in den mündlichen Verhandlungen (siehe Verhandlungsprotokoll vom 07.03.2025 bzw. vom 18.06.2025). Im Anschluss an die erste Verhandlung wurde dem Beschwerdeführer, wie bereits in der mündlichen Verhandlung besprochen, zu weiteren Länderinformationen, die ein näheres Bild zur aktuellen Lage in Syrien geben, insbesondere zu den neuen Länderinformationen der Staatendokumentation, die Möglichkeit zur Einbringung einer Stellungnahme gewährt und dieser ersucht, bekannt zu geben, ob er eine neuerliche Verhandlung beantrage. Es langte diesbezüglich jedoch keine Stellungnahme ein, sodass eine neuerliche mündliche Verhandlung anberaumt wurde.

2.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers (Name und Geburtsdatum) ergeben sich aus dem Akteninhalt. Der Beschwerdeführer legte dem Bundesamt einen syrischen Personalausweis vor. Die vom Bundesamt beauftragte Dokumentenuntersuchung ergab, dass es sich nach derzeitigem Wissensstand um ein Originaldokument handle (siehe AS 75).

Die Feststellungen zur Staats-, Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, zum Herkunftsort und zum bisherigen Lebensgang des Beschwerdeführers, zu seinem Familienstand, zum Aufenthalt seiner Familienangehörigen sowie zu den Vermögensverhältnissen gründen auf seinen diesbezüglichen glaubhaften und stets gleichbleibenden Angaben im Laufe des Verfahrens. In der mündlichen Verhandlung bestätigte der Beschwerdeführer, dass seine Familie in Syrien ein Grundstück samt Haus besitze und weiterhin dort wohne (vgl. Verhandlungsprotokoll vom 07.03.2025, S. 8 f.). Zuvor hatte er beim Bundesamt angegeben, dass die Familie ein Haus, 7 Dunam Landwirtschaft sowie 20 Schafe habe (vgl. Einvernahme durch das Bundesamt, S. 3 f.)

Die Feststellungen zur aktuellen Kontrolle über seine Herkunftsregion ergeben sich aus einer in der mündlichen Verhandlung vorgenommenen Nachschau unter https://syria.liveuamap.com bzw. unter https://www.cartercenter.org./news/multimedia.map/exploring-historical-control-in-syria.html (siehe dazu die Screenshots, abgedruckt im Verhandlungsprotokoll vom 07.03.2025 auf S. 9 f. bzw. im Protokoll vom 18.06.2025 auf S. 7 f.), jene zur früheren Lage aus den Länderinformationen bzw. aus dem Verwaltungsakt. An den aktuellen Herrschaftsverhältnissen hat sich auch bis zum Zeitpunkt der Entscheidung nichts geändert. Dabei konnte auch festgestellt werden, dass es im Zeitraum zwischen den beiden mündlichen Verhandlungen zu keiner Änderung der Machtverhältnisse in der Herkunfts

Die strafrechtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus einem aktuellen Auszug aus dem Strafregister.

Dass der Beschwerdeführer gesund ist und an keiner schwerwiegenden Erkrankung leidet, kann aus seinen diesbezüglichen Angaben im Laufe des Verfahrens gefolgert werden (siehe Einvernahme durch das Bundesamt, S. 3; Verhandlungsprotokoll vom 07.03.2025, S. 6 f.).

Den Ausreisezeitpunkt gab der Beschwerdeführer übereinstimmend im gesamten Verfahren übereinstimmend an. Die illegale Einreise in Österreich bestätigte er vor dem Bundesverwaltungsgericht (vgl. Verhandlungsprotokoll vom 07.03.2025, S. 10). Der Zeitpunkt der Asylantragstellung kann dem Verfahrensakt, insbesondere dem verfahrensgegenständlichen Bescheid entnommen werden.

2.2. Zu den Feststellungen zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Dass der Beschwerdeführer Syrien aufgrund des vorherrschenden Bürgerkriegs verlassen hat, ergibt sich aus seinen Aussagen im gesamten Verfahren. So gab er bei seiner Erstbefragung an, in Syrien herrsche Bürgerkrieg (vgl. Erstbefragung, S. 5). Vor dem Bundesverwaltungsgericht gab er zur aktuellen Lage in Syrien an, dass für ihn eine Rückkehr dorthin nicht möglich sei, weil das Land nach wie vor unsicher sei und es keinen Strom, kein Wasser und kein Leben gäbe (vgl. Verhandlungsprotokoll vom 07.03.2025, S. 12).

Bei seiner Erstbefragung gab der Beschwerdeführer als Fluchtgrund den Militärdienst an (siehe Erstbefragung, S. 5). Vor dem Bundesamt nannte er den Militärdienst als seinen einzigen Fluchtgrund (siehe Einvernahme durch das Bundesamt, S. 6). Vor dem Bundesverwaltungsgericht gab der Beschwerdeführer ebenfalls die Angst vor einer Einberufung zum Militärdienst als damaligen Fluchtgrund an, räumte auf die Frage nach aktuellen Rekrutierungsbefürchtungen jedoch ein, dass es momentan keine Zwangsrekrutierung seitens des Regimes gäbe. Ansonsten könne man das Verhalten der HTS nicht einschätzen. Man wisse nicht, was dann passiere, wenn man nach Syrien zurückkehre (vgl. Verhandlungsprotokoll vom 07.03.2025, S. 12). Bei seiner Einvernahme durch das Bundesverwaltungsgericht am 18.06.2025 gab er zur geänderten Situation an, es sei in Syrien nicht sicher. Zudem äußerte er seine Sorgen aufgrund verbliebener Überreste des Krieges wie Minen. Ein Cousin sei dadurch vor kurzer Zeit getötet, ein weiterer verletzt worden (vgl. Verhandlungsprotokoll vom 18.06.2025, S. 5).

Die Feststellungen zum verpflichtenden Wehrdienst vor dem Sturz der Regierung von Assad ergeben sich u.a. aus den Länderinformationen der Staatendokumentation. Diesen ist ebenso zu entnehmen, wie eine Wehrdienstverweigerung vom syrischen Regime angesehen wurde (vgl LIB, Version 11, S. 117 ff.).

Die Feststellungen zu aktuellen Rekrutierungsmaßnahmen in Syrien ergeben sich aus der ACCORD-Anfragebeantwortung zu Syrien vom 21.03.2025, Rekrutierungspraxis der Übergangsregierung, Rekrutierung durch andere bewaffnete Gruppen, Zwangsrekrutierungen, die auszugsweise unter Punkt II. 1. 3. dieses Erkenntnisses abgedruckt ist, sowie den Länderinformationen der Staatendokumentation. In Zusammenschau mit den anderen, in das Verfahren eingebrachten Länderberichten ergibt sich, dass dem Beschwerdeführer aktuell in Syrien keine Zwangsrekrutierung, durch welche Einheit auch immer, droht. Die Syrische Arabische Armee wurde noch von Assad von seiner Flucht mittels Befehl am 08.12.2024 aufgelöst. Nach dem Umsturz in Syrien hat die von Islamisten angeführte Rebellenallianz eine Generalamnestie für alle Wehrpflichtigen verkündet. In einem Interview am 10.2.2025 wiederholte al-Shara, dass er sich für eine freiwillige Rekrutierung entschieden habe und gegen eine Wehrpflicht. Wehrpflichtigen der Syrischen Arabischen Armee wurde eine Amnestie gewährt. Die Umstrukturierung des syrischen Militärs hat gerade erst begonnen. Der neue de facto-Führer hat versprochen, die neue Armee in eine professionelle, auf Freiwilligen basierende Truppe umzuwandeln, um die Professionalität in den Reihen zu fördern und sich von der Wehrpflichtpolitik zu entfernen, die das zusammengebrochene Assad-Regime charakterisierte (siehe LIB, Version 12, S 139 ff.). Die mit 29.03.2025 ernannte syrische Regierung rekrutiert nicht zwangsweise. In seinem Herkunftsgebiet haben die Kurden keine Möglichkeit zur Rekrutierung. Kein Glauben geschenkt werden kann somit insofern den vom Beschwerdeführer geäußerten potentiellen Befürchtungen einer Rekrutierung. Auch aus dem Vorbringen, die Brüder des Beschwerdeführers seien unter Zeiten des Regimes verhaftet worden und hätten in der Folge den Militärdienst ableisten müssen (vgl. Verhandlungsprotokoll vom 07.03.2025, S. 11), lässt sich bei der aktuellen Situation keine Gefährdung des Beschwerdeführers ableiten.

Dass der Beschwerdeführer keine Probleme mit syrischen Behörden hatte, nicht politisch tätig und kein Mitglied einer Partei war, gab er genauso vor dem Bundesamt an, wie dass er keine Probleme wegen seines Religionsbekenntnisses bzw. seiner Volksgruppenzugehörigkeit hatte. Dort gab er weiters an, keine gröberen Probleme mit Privatpersonen gehabt zu haben, nie an bewaffneten oder gewalttätigen Auseinandersetzungen in Syrien aktiv teilgenommen zu haben. Er gab zudem an, nie Kontakt zu Islamisten oder anderen extremistischen Gruppierungen gehabt zu haben (vgl. Einvernahme durch das Bundesamt, S. 5). Auch aus seinem nur in der Beschwerde vorgebrachten Fluchtgrund, er sei in einer regimekritischen Familie groß geworden, lässt sich insofern keine Gefährdung ableiten, als der Beschwerdeführer selbst davon abweichend angab, dass seine Familie keine Probleme mit den syrischen Behörden gehabt habe (vgl. Einvernahme durch das Bundesamt, S. 6). Vor dem Bundesverwaltungsgericht gab er an, nie an Demonstrationen teilgenommen zu haben, weiters sei seine Familie nie politisch tätig gewesen (vgl. Verhandlungsprotokoll vom 07.03.2025, S. 10 f.).

Zur Asylantragstellung im Ausland ist festzuhalten, dass diese nur dann maßgebliche Bedeutung entfalten kann, wenn davon auszugehen ist, dass diese zu einer unverhältnismäßigen Verfolgung in Syrien führen könnte, was ganz allgemein nur der Fall sein kann, wenn Syrien von dieser Antragstellung im Ausland erfährt. Dies ist im gegenständlichen Fall jedoch nicht anzunehmen, weil den syrischen Behörden die Asylantragstellung des Beschwerdeführers in Österreich nicht bekannt ist und es den österreichischen Behörden verboten ist, entsprechende personenbezogene Daten an die syrischen Behörden weiterzugeben, wie dem Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung auch mitgeteilt wurde (siehe Verhandlungsprotokoll vom 07.03.2025, S. 4 bzw. vom 18.06.2025, S. 3). Im Übrigen ist den aktuellen Länderberichten in keiner Weise zu entnehmen, dass eine Asylantragstellung im Ausland oder eine illegale Ausreise in Syrien aktuell Konsequenzen nach sich ziehen würde. Auch aus der Tatsache, dass der Beschwerdeführer ein sunnitischer Araber aus einer ehemaligen Oppositionshochburg ist, lässt sich aus den Länderberichten bei aktueller Lage keine Gefährdung ableiten. Letzteres Vorbringen findet sich im Übrigen nur in der Beschwerde, wurde vom Beschwerdeführer jedoch selbst nie erwähnt, insbesondere auch nicht vor dem Bundesverwaltungsgericht, als er abschließend seine Fluchtgründe schilderte, ohne derartige Befürchtungen aufgrund seiner Herkunft zu äußern (vgl. Verhandlungsprotokoll vom 07.03.2025, S. 11 f.).

Insgesamt vermochte der Beschwerdeführer somit nicht glaubhaft darzutun, dass er bei einer Rückkehr nach Syrien einer aktuellen Verfolgung ausgesetzt wäre.

2.3. Zu den Feststellungen zur maßgeblichen Situation im Herkunftsland:

Die zur Situation in Syrien getroffenen Feststellungen beruhen auf den zwischenzeitig nach dem Umbruch im Dezember 2024 wieder zahlreichen, oben angeführten Berichten, insbesondere den aktualisierten Länderinformationen der Staatendokumentation. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche bilden, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der herangezogenen Länderinformationen zu zweifeln.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Zur Abweisung der Beschwerde

3.1. Gemäß § 3 AsylG 2005 ist Asylwerbern auf Antrag der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft gemacht wurde, dass diesen im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht und dem Fremden keine innerstaatliche Fluchtalternative gemäß § 11 AsylG 2005 offen steht und dieser auch keinen Asylausschlussgrund gemäß § 6 AsylG 2005 gesetzt hat.

Es ist daher zu prüfen, ob dem Beschwerdeführer in Syrien vor seiner Ausreise Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK gedroht hat oder im Falle einer Rückkehr drohen würde (vgl. VwGH 13.11.2014, Ra 2014/18/0011 bis 0016).

3.2. Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht einer Person, die sich aus wohlbegründeter Furcht aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb des Herkunftsstaates befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; ebenso droht entsprechende Verfolgung einer Person, die staatenlos ist und sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes ihres gewöhnlichen Aufenthalts befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in den Herkunftsstaat zurückzukehren. Es ist auszuführen, dass § 3 Abs. 1 AsylG 2005 auf den Flüchtlingsbegriff (drohende Verfolgung im Herkunftsstaat) im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK verweist. Danach ist entscheidend, ob glaubhaft ist, dass dem Fremden in seinem Herkunftsstaat Verfolgung droht. Dies ist dann der Fall, wenn sich eine mit Vernunft begabte Person in der konkreten Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat fürchten würde (VwGH 24.06.2010, 2007/01/1199). Weiters setzt die Annahme einer begründeten Furcht vor Verfolgung nicht voraus, dass der Asylwerber vor seiner Ausreise eine individuell gegen ihn gerichtete Verfolgungshandlung bereits erlitten haben müsste oder ihm zumindest eine solche bereits konkret angedroht worden wäre; eine derartige Befürchtung ist auch dann gerechtfertigt, wenn die Verhältnisse im Heimatland des Asylwerbers dergestalt sind, dass die Angst vor der vorgebrachten, drohenden Verfolgung objektiv nachvollziehbar ist (siehe VwGH 25.01.1996, 95/19/0008, wenn auch zum AsylG 1991, jedoch unter Bezugnahme auf den Flüchtlingsbegriff der GFK).

Für die Asylgewährung kommt es auf die Flüchtlingseigenschaft im Sinn der GFK zum Zeitpunkt der Entscheidung an. Es ist demnach für die Zuerkennung des Asylstatus zum einen nicht zwingend erforderlich, dass bereits in der Vergangenheit Verfolgung stattgefunden hat, zum anderen ist eine solche „Vorverfolgung“ für sich genommen auch nicht hinreichend. Entscheidend ist, ob die betroffene Person vor dem Hintergrund der zu treffenden aktuellen Länderfeststellungen im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts bei Rückkehr in ihren Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit mit Verfolgungshandlungen rechnen müsste (vgl. VwGH 04.07.2023, Ra 2023/18/0108, mwN).

3.3. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 liegt es am Beschwerdeführer, entsprechend glaubhaft zu machen, dass ihm im Herkunftsstaat eine Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist der Begriff der „Glaubhaftmachung“ im AVG oder in den Verwaltungsvorschriften iSd Zivilprozessordnung (ZPO) zu verstehen. Es genügt daher diesfalls, wenn der Beschwerdeführer die Behörde von der (überwiegenden) Wahrscheinlichkeit des Vorliegens der zu bescheinigenden Tatsachen überzeugt. Diesen trifft die Obliegenheit zu einer erhöhten Mitwirkung, der Beschwerdeführer hat zu diesem Zweck initiativ alles vorzubringen, was für seine Behauptung spricht (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG, § 45 Rz 3 [Stand 1.7.2005, rdb.at]). Die „Glaubhaftmachung“ wohlbegründeter Furcht setzt positiv getroffene Feststellungen seitens der Behörde voraus und somit die Glaubwürdigkeit der „hierzu geeigneten Beweismittel“, insbesondere des diesen Feststellungen zugrundeliegenden Vorbringens des Asylwerbers (vgl. VwGH 19.03.1997, 95/01/0466).

Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein (vgl. VwGH 09.03.1999, 98/01/0318). Für die Asylgewährung kommt es auf die Flüchtlingseigenschaft im Sinne der GFK zum Zeitpunkt der Entscheidung an.

3.4. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs stellt die Furcht vor der Ableistung des Militärdienstes bzw. der bei seiner Verweigerung drohenden Bestrafung im Allgemeinen keine asylrechtlich relevante Verfolgung dar, sondern könnte nur bei Vorliegen eines Konventionsgrundes Asyl rechtfertigen. Wie der Verwaltungsgerichtshof zur möglichen Asylrelevanz von Wehrdienstverweigerung näher ausgeführt hat, kann auch der Gefahr einer allen Wehrdienstverweigerern bzw. Deserteuren im Herkunftsstaat gleichermaßen drohenden Bestrafung asylrechtliche Bedeutung zukommen, wenn das Verhalten des Betroffenen auf politischen oder religiösen Überzeugungen beruht oder dem Betroffenen wegen dieses Verhaltens vom Staat eine oppositionelle Gesinnung unterstellt wird und den Sanktionen – wie etwa der Anwendung von Folter – jede Verhältnismäßigkeit fehlt. Unter dem Gesichtspunkt des Zwanges zu völkerrechtswidrigen Militäraktionen kann auch eine „bloße“ Gefängnisstrafe asylrelevante Verfolgung sein (VwGH 21.05.2021, Ro 2020/19/0001 mwN; 04.07.2023, Ra 2023/18/0108).

Zu den Gründen, die es rechtfertigen, den Wehrdienst zu verweigern, wird unter anderem gezählt, dass der Militärdienst in einem Konflikt Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des Art. 12 Abs. 2 der Statusrichtlinie fallen, also etwa Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen werden. Eine Strafverfolgung oder Bestrafung kann in diesem Fall nach Art. 9 Abs. 2 lit. e Statusrichtlinie als Verfolgung gelten. Der Europäische Gerichtshof hat in seinem Urteil vom 26.02.2015 in der Rechtssache Shepherd gegen Bundesrepublik Deutschland, C-472/13, klargestellt, dass sich auf den Flüchtlingsschutz nicht nur derjenige berufen kann, der den Wehrdienst verweigert, weil er persönlich solche Verbrechen begehen müsste. Es reicht vielmehr aus, dass der Betroffene an solchen Verbrechen nur indirekt beteiligt wäre, etwa weil er nicht zu den Kampftruppen gehört, sondern z.B. einer logistischen oder unterstützenden Einheit zugeteilt ist. Allerdings ist nach den Darlegungen des Europäischen Gerichtshofs erforderlich, dass es bei vernünftiger Betrachtung plausibel erscheint, dass der Betroffene sich bei der Ausübung seiner Funktionen in hinreichend unmittelbarer Weise an solchen Handlungen beteiligen müsste (VwGH 23.01.2018, Ra 2017/18/0330).

3.5. Eine aktuelle und wahrscheinliche Verfolgungsgefahr durch das nicht mehr existierende Assad-Regime, konkret insbesondere eine Zwangsrekrutierung für die mittlerweile aufgelöste Syrische Arabische Armee, ist – wie beweiswürdigend dargestellt – aktuell nicht gegeben.

Eine drohende Verfolgung durch die nunmehr in Syrien regierende Regierung, die auch die Kontrolle über die Herkunftsregion des Beschwerdeführers hat, ist, wie ebenfalls beweiswürdigend festgehalten, aktuell nicht gegeben. Es finden von Seiten der Regierung keine Zwangsrekrutierungen statt. Die vom Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung angestellten Spekulationen über eine unter Umständen zukünftig drohende Zwangsrekrutierung durch die HTS weisen kein hinreichendes sachliches Fundament auf.

Die HTS hat, wie dem letztaktuellen LIB zu entnehmen ist, auch vor dem Umsturz keine Zwangsrekrutierungen vorgenommen und ist auch den neueren Länderberichten des Jahres 2025 zu entnehmen, dass aktuell insbesondere in der Herkunftsregion des Beschwerdeführers keine Zwangsrekrutierungen stattfinden. In einer Gesamtschau der vorliegenden Länderberichte, die auf unterschiedlichen Quellen basieren und diesbezüglich ein einheitliches Bild abgeben, ist nicht ableitbar, dass dem Beschwerdeführer aktuell mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine Zwangsrekrutierung in Syrien drohen würde.

Nach ständiger höchstgerichtliche Rechtsprechung ist die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung nicht für deren nach § 3 Abs. 1 AsylG 2005 erforderliche Glaubhaftmachung im Sinne der zum Entscheidungszeitpunkt anzustellenden Prognose ausreichend. Für die Gewährung von Asyl ist somit nicht ausreichend, derselben eine bloß theoretisch denkbare Möglichkeit eines Verfolgungsszenarios zugrunde zu legen (vgl. u.a. VwGH 24.04.2024, Ra 2024/20/0111 mwN).

3.6. Dem Bundesverwaltungsgericht ist bewusst, dass die Lage in Syrien aktuell volatil ist, wie der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung auch mehrfach vorbrachte. Die teils unsichere Lage, Probleme mit der Strom- und Wasserversorgung und fehlende Arbeitsmöglichkeiten stellen jedoch keinen Asylgrund dar. Die vom Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung mehrfach vorgebrachten Spekulationen über eine etwaige, aktuell nicht vorhersehbare Verschlechterung der Situation vermögen eine Asylgewährung nicht zu rechtfertigen. Das Bundesverwaltungsgericht hat seine Entscheidung aufgrund der aktuellen Lage vorzunehmen und kann diese nicht auf etwaige, nicht vorhersehbare Änderungen stützen. Eine potentiell mögliche Änderung der Lage zum Schlechteren für einen konkreten Beschwerdeführer kann nicht zu einer Gewährung von Asyl führen. Sollte sich die Lage in Syrien dergestalt ändern, dass dem Beschwerdeführer in Syrien (konkret absehbare) asylrelevante Verfolgung droht, steht ihm die Möglichkeit eines Folgeantrags offen.

3.7. Weitere Anknüpfungspunkte zu einer Verfolgung aus Konventionsgründen haben sich im gesamten Verfahren nicht ergeben.

Das Bundesverwaltungsgericht verkennt nicht die weiterhin bestehende Gefährdung durch Kampfmittelreste und Blindgänger. Diesbezüglich schilderte der Beschwerdeführer einen Vorfall seiner Cousins, bei dem ein Cousin getötet, der andere verletzt wurde. Dies deckt sich auch mit den Länderberichten (siehe u.a. LIB, Version 12, S. 50 f.).

Die alleinige Gefahr, durch Bürgerkriegshandlungen zu Schaden zu kommen, stellt jedoch, ohne das Hinzutreten weiterer, hier nicht zu sehender Umstände (wie etwa ein Krieg mit dem Zweck eines Völkermordes) keine asylrelevante Verfolgung dar (VwGH 17.06.1993, 92/07/1007). Die prekäre Sicherheits- und Wirtschaftslage in Syrien allein erweist sich in Bezug auf den Beschwerdeführer ebenfalls nicht als asylrelevant.

Auch das zuletzt mehrfach geäußerte Vorbringen, er benötige Asyl, weil er hier in Österreich arbeite und dafür ordentliche Papiere benötige, stellen kein asylrelevantes Vorbringen dar.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden und die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlichen Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen (siehe dazu insbesondere die unter A) zitierte Judikatur). Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem erkennenden Gericht hervorgekommen, zumal im vorliegenden Fall vornehmlich die Klärung von Sachverhaltsfragen Grundlage für die zu treffende Entscheidung war.

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zum Teil zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich weitestgehend gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

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