Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Posch und die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin sowie die Hofräte Mag. Stickler, Mag. Cede und Mag. Tolar als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Kittinger, LL.M., über die Revision des Arbeitsmarktservice Wien Jugendliche I, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. Oktober 2024, W269 2273601-1/15E, betreffend Verlust des Anspruchs auf Arbeitslosengeld nach § 49 AlVG (mitbeteiligte Partei: D Z, vertreten durch Dr. Thomas Majoros, Rechtsanwalt in Wien), zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben und das angefochtene Erkenntnis dahin abgeändert, dass sein Spruch zu lauten hat:
„Der Beschwerde wird teilweise stattgegeben. Der Beschwerdeführer hat gemäß § 49 Abs. 2 AlVG seinen Anspruch auf Arbeitslosengeld für den Zeitraum 7. April bis 11. April 2023 verloren. Im Zeitraum 30. März 2023 bis 6. April 2023 ist kein Anspruchsverlust eingetreten.“
1Zur Vorgeschichte wird auf das Erkenntnis VwGH 23.7.2024, Ra 2023/08/0103, verwiesen.
2Hervorzuheben ist, dass die revisionswerbende regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice (in der Folge: AMS) mit Bescheid vom 9. Mai 2023 ausgesprochen hat, dass der Mitbeteiligte im Zeitraum 30. März 2023 bis 11. April 2023 gemäß § 49 AlVG kein Arbeitslosengeld erhalte. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat das AMS mit Beschwerdevorentscheidung vom 30. Mai 2023 als unbegründet abgewiesen. Begründend führte das AMS aus, der Mitbeteiligte habe beginnend mit der Versäumung des ihm wirksam vorgeschriebenen Kontrollmeldetermins vom 30. März 2023 bis zu seiner neuerlichen Vorsprache beim AMS am 12. April 2023 den Anspruch auf Arbeitslosengeld verloren. Der Mitbeteiligte stellte einen Vorlageantrag.
3 Mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis änderte das Bundesverwaltungsgericht im 2. Rechtsgang nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung die Beschwerdevorentscheidung des AMS dahingehend ab, dass der Mitbeteiligte am 10. April und 11. April 2023 kein Arbeitslosengeld erhalte. Die Revision erklärte es für nicht zulässig.
4 Begründend stellte das Bundesverwaltungsgericht fest, der Mitbeteiligte habe ab 1. Februar 2023 Arbeitslosengeld bezogen. Er habe das AMS darüber in Kenntnis gesetzt, dass er eine Berufsausbildung zum Sozialpädagogen absolviere.
5Das AMS habe dem Mitbeteiligten schriftlich einen Kontrollmeldetermin am 30. März 2023 vorgeschrieben und den Mitbeteiligten im Sinn von § 49 Abs. 2 AlVG über die Folgen der Versäumung dieses Termins belehrt. Der Mitbeteiligte habe am 27. März 2023 telefonisch bei der Serviceline des Arbeitsmarktservice bekannt gegeben, dass er am 30. März 2023 in seiner Ausbildung als Sozialpädagoge eine Prüfung absolvieren müsse und den Kontrollmeldetermin daher nicht wahrnehmen könne. Der Mitarbeiter der Serviceline habe den Mitbeteiligten darauf aufgefordert, dem AMS sein Anliegen per E Mail bekanntzugeben, und darüber belehrt, dass der Mitbeteiligte auch bei Nichteinhaltung des Kontrollmeldetermins bei der zuständigen regionalen Geschäftsstelle vorsprechen müsse.
6 Mit E-Mail vom 27. März 2023 habe der Mitbeteiligte das AMS daraufhin schriftlich darüber in Kenntnis gesetzt, dass er den Kontrollmeldetermin vom 30. März 2023 aufgrund der Absolvierung einer Prüfung im Rahmen seiner Ausbildung nicht wahrnehmen könne und dazu um „Einverständnis und Bestätigung“ ersucht. Das AMS habe vom Kontrollmeldetermin nicht Abstand genommen. Am 30. März 2023 habe das AMS den Mitbeteiligten per E-Mail darüber in Kenntnis gesetzt, dass er nach Versäumung eines Kontrollmeldetermins verpflichtet sei, beim AMS vorzusprechen.
7 Der Mitbeteiligte habe wie angekündigt die Prüfung absolviert und sei daher nicht zum Kontrollmeldetermin beim AMS erschienen. Es sei ihm bewusst gewesen, dass das AMS vom Kontrollmeldetermin nicht Abstand genommen habe. Erst am 12. April 2023 sei der Mitbeteiligte wieder beim AMS zur Vorsprache erschienen. Am 17. April 2023 habe der Mitbeteiligte eine Arbeitsstelle angenommen und damit seine Arbeitslosigkeit beendet. Der Abschluss seiner Ausbildung als Sozialpädagoge habe in der Folge auch zu einer höheren Verwendung des Mitbeteiligten an seiner Arbeitsstelle geführt.
8In rechtlicher Hinsicht folgerte das Bundesverwaltungsgericht, dem Mitbeteiligten sei vom AMS wirksam ein Kontrollmeldetermin vorgeschrieben worden. Das AMS habe auch nicht auf die Einhaltung dieses Termins verzichtet. Zu prüfen sei jedoch, ob der Mitbeteiligte sich im Sinn von § 49 Abs. 2 AlVG aus einem triftigen Grund entschuldigt habe. Das sei zu bejahen, weil das Fernbleiben vom Kontrollmeldetermin der Ablegung einer Prüfung in der Ausbildung zum Sozialpädagogen gedient habe und der Mitbeteiligte mit dieser Ausbildung eine einschlägige Qualifikation erlangt habe.
9Zu beachten sei jedoch, dass sich ein Arbeitsloser, der an der Wahrnehmung eines Kontrollmeldetermins gehindert gewesen sei, im Sinn von § 49 Abs. 1 erster Satz AlVG nach Wegfall des triftigen Verhinderungsgrundes aus eigenem - somit ohne Vorschreibung eines weiteren Kontrollmeldetermins - bei der regionalen Geschäftsstelle mindestens wöchentlich zu melden habe. Der Mitbeteiligte sei daher verpflichtet gewesen, spätestens am letzten Tag der auf den versäumten Termin folgenden Kalenderwoche beim AMS vorzusprechen. Der letzte Tag der auf den versäumten Termin folgenden Kalenderwoche sei der 9. April 2023, ein Sonntag, gewesen. Ausgehend davon, dass der Mitbeteiligte sich erst am 12. April 2023 beim AMS gemeldet habe, sei ein Anspruchsverlust am 10. und am 11. April 2023 eingetreten.
10 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision des AMS. Im vom Verwaltungsgerichtshof durchgeführten Vorverfahren hat der Mitbeteiligte eine Revisionsbeantwortung erstattet und beantragt, die Revision zurückzuweisen, in eventu abzuweisen.
11 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
12Die Revision macht zur Begründung ihrer Zulässigkeit geltend, der Verwaltungsgerichtshof habe im Vorerkenntnis Ra 2023/08/0103 festgehalten, dass im Sinn von § 49 Abs. 1 erster Satz AlVG nach Versäumung eines Kontrollmeldetermins eine erneute Meldung spätestens am letzten Tag der folgenden Kalenderwoche vorzunehmen sei, widrigenfalls ab dem Tag der insoweit versäumten Kontrollmeldung der Anspruchsverlust eintrete. Ausgehend davon treffe es nicht zu, dass der Anspruchsverlust erst ab 10. April 2023 dem Montag der nächstfolgenden Woche eingetreten wäre. Das AMS beantragt, einen Anspruchsverlust des Mitbeteiligten im Zeitraum 7. bis 11. April 2023 auszusprechen.
13 Die Revision ist in diesem Sinn zulässig und berechtigt.
14§ 49 AlVG (in der Fassung BGBl. I Nr. 106/2015) lautet auszugsweise:
„§ 49 (1) Zur Sicherung des Anspruches auf den Bezug von Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe hat sich der Arbeitslose wöchentlich mindestens einmal bei der nach seinem Wohnort zuständigen regionalen Geschäftsstelle persönlich zu melden. Je nach der Situation auf dem Arbeitsmarkt kann die regionale Geschäftsstelle die Einhaltung von Kontrollmeldungen gänzlich nachsehen, die Zahl der einzuhaltenden Kontrollmeldungen herabsetzen oder öftere Kontrollmeldungen vorschreiben. [...]
(2) Ein Arbeitsloser, der trotz Belehrung über die Rechtsfolgen eine Kontrollmeldung unterläßt, ohne sich mit triftigen Gründen zu entschuldigen, verliert vom Tage der versäumten Kontrollmeldung an bis zur Geltendmachung des Fortbezuges den Anspruch auf Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe. [...]“
15Vom AMS wird im Revisionsverfahren nicht mehr in Abrede gestellt, dass der Mitbeteiligte den ihm vorgeschriebenen Kontrollmeldetermin am 30. März 2023 aus einem triftigen Grund im Sinn von § 49 Abs. 2 erster Satz AlVG versäumt hat. Strittig ist jedoch, ob bzw. für welchen Zeitraum der Mitbeteiligte seinen Anspruch auf Arbeitslosengeld dadurch verloren hat, dass er sich nach Wegfall des triftigen Grundes der Absolvierung der Prüfung am Tag des vorgeschriebenen Kontrollmeldetermins vom 30. März 2023 erst wieder am 12. April 2020 beim AMS gemeldet hat.
16Bereits im Vorerkenntnis Ra 2023/08/0103 hat der Verwaltungsgerichtshof insoweit auf seine Judikatur verwiesen, wonach ein Arbeitsloser, dessen Unterlassung einer Kontrollmeldung aus triftigem Grund entschuldigt ist, nicht einfach zuwarten darf, ohne sich bei der regionalen Geschäftsstelle zu melden. Er ist vielmehr gemäß § 49 Abs. 1 erster Satz AlVG von Gesetzes wegen zur wöchentlichen Meldung verpflichtet, es sei denn die regionale Geschäftsstelle hat einen von dieser gesetzlichen Grundverpflichtung abweichenden Kontrollmeldetermin festgesetzt. Ohne die Vorschreibung eines konkreten Kontrollmeldetermins besteht daher eine Verpflichtung, sich spätestens mit Ablauf der Kalenderwoche, die auf den versäumten Kontrollmeldetermin bzw. auf den Wegfall des triftigen Grundes folgt, gemäß § 49 Abs. 1 erster Satz AlVG persönlich erneut zu melden (Vorerkenntnis Ra 2023/08/0103, Rn. 22; vgl. auch VwGH 17.2.2020, Ra 2019/08/0175; 19.9.2007, 2006/08/0272). Unterlässt es der Arbeitslose in einem solchen Fall ohne triftigen Grund, spätestens mit Ablauf der folgenden Kalenderwoche eine Meldung nach § 49 Abs. 1 erster Satz AlVG vorzunehmen, tritt ab dem Tag der insoweit versäumten Meldung ein Anspruchsverlust ein (Vorerkenntnis Ra 2023/08/0103, Rn. 23; vgl. idS etwa auch VwGH 22.2.2012, 2010/08/0223).
17 Dabei ist zu beachten, dass ein Kontrollmeldetermin der Betreuung des Arbeitslosen durch das AMS dient und dessen persönliches Erscheinen erforderlich ist. Es bedarf somit grundsätzlich einer Kontaktaufnahme des Arbeitslosen mit einem AMSBetreuer (vgl. näher VwGH 4.6.2020, Ro 2019/08/0002, mwN). Um sich im Sinn von § 49 Abs. 1 erster Satz AlVG wöchentlich bei der nach seinem Wohnort zuständigen regionalen Geschäftsstelle persönlich zu melden, ist somit ein Erscheinen des Arbeitslosen während der (kundgemachten) Öffnungszeiten der zuständigen regionalen Geschäftsstelle erforderlich. Da somit eine Meldung erst am Wochenende ausscheidet, muss der Arbeitslose spätestens am Freitag bei der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des AMS vorsprechen.
18 Im vorliegenden Fall fiel der vom Mitbeteiligten aus triftigem Grund versäumte Kontrollmeldetermin vom 30. März 2023 in die 13. Kalenderwoche des Jahres 2023. Der Mitbeteiligte hatte sich im Sinn der oben dargestellten Grundsätze spätestens in der 14. Kalenderwoche erneut beim AMS während der Öffnungszeiten zu melden. Letzter möglicher Tag der rechtzeitigen Meldung war daher der Freitag dieser Woche, somit der 7. April 2023.
19Die Revision ist damit im Recht, dass ab dem Tag der insoweit versäumten Meldung ein Anspruchsverlust nach § 49 Abs. 2 erster Satz AlVG eingetreten ist. Mit der neuerlichen Vorsprache beim AMS, somit mit 12. April 2024, stand dem Mitbeteiligten erneut Arbeitslosengeld zu.
20Der Revision war daher Folge zu geben. Da die Voraussetzungen des § 42 Abs. 4 VwGG vorliegen, konnte eine Entscheidung in der Sache getroffen und das angefochtene Erkenntnis entsprechend abgeändert werden.
Wien, am 15. Oktober 2025