JudikaturVwGH

Ra 2024/11/0131 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
21. August 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Samm und den Hofrat Dr. Faber sowie die Hofrätin Dr. in Oswald als Richterin und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Kreil, über die Revision der Dr. C L, vertreten durch Urbanek Rudolph, Rechtsanwälte in St. Pölten, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 23. Jänner 2024, Zl. LVwG AV 1929/001 2021, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in einer Angelegenheit nach dem ÄrzteG 1998 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Verwaltungsausschuss des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Niederösterreich), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Die Revisionswerberin beantragte mit Schreiben vom 10. Februar 2021, eingebracht bei der belangten Behörde am 12. Februar 2021, die Gewährung von Altersversorgung aus dem Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Niederösterreich ab 1. Jänner 2020.

2 Mit Bescheid der belangten Behörde vom 6. Mai 2021 wurde der Revisionswerberin die Altersversorgung in näher genannter Höhe ab 1. Februar 2021 gewährt (Spruchpunkt 1.), ihr Antrag auf Gewährung der Altersversorgung jedoch für den Zeitraum von 1. Jänner 2020 bis 31. Jänner 2021 als verspätet zurückgewiesen (Spruchpunkt 2.). Unter einem wurde festgestellt, dass per 31. Jänner 2021 ein Beitragsrückstand in näher genannter Höhe bestanden habe, der von der gewährten Leistung in Abzug gebracht werde (Spruchpunkt 3.).

3 Zu Spruchpunkt 2. führte die belangte Behörde begründend aus, gemäß § 64 Abs. 3 der Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Niederösterreich habe die Antragstellung innerhalb von drei Monaten ab dem beantragten Stichtag zu erfolgen. Andernfalls sei die Versorgungsleistung ab dem Monat der Antragstellung zu gewähren. Da der Antrag der Revisionswerberin am 12. Februar 2021 eingebracht worden sei, sei ihr Antrag daher, soweit er sich auf den Zeitraum 1. Jänner 2020 bis 31. Jänner 2021 beziehe, zurückzuweisen.

4 Mit Schriftsatz vom 21. Mai 2021 beantragte die Revisionswerberin die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist für die Gewährung von Leistungen aus der Altersversorgung ab dem 1. Jänner 2020. Sie begründete den Antrag auf das Wesentliche zusammengefasst damit, dass sie wegen eines (unverschuldeten) Rechtsirrtums an der Einhaltung der Frist zur Beantragung der Alterspension ab 1. Jänner 2020 gehindert gewesen sei. Sie habe im März 2019 ein Informationsschreiben der Behörde zur Alterspension samt einem Antragsformular erhalten, dieses aber nicht ausgefüllt, weil damals noch Regelungen betreffend die „Deckelung“ der Alterspension gegolten hätten. Sie sei von der Behörde nicht darauf hingewiesen worden, dass ab 1. Jänner 2020 eine wesentliche Änderung der Pensionsregelungen gelte und sie sohin eine ungeschmälerte Altersversorgung bei gleichzeitiger Fortsetzung ihrer Ordinationstätigkeit beantragen könne. Sie habe infolge regelmäßiger Informationsschreiben der Ärztekammer und aufgrund eines Gesprächs mit einem Mitarbeiter der Ärztekammer darauf vertraut, dass sie rechtzeitig ein weiteres Informationsschreiben bzw. eine Anleitung betreffend die Beantragung der Alterspension ab 1. Jänner 2020 „ohne Anwendung der Regelungen betreffend die Deckelung“ erhalten werde.

5 Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 23. Juni 2021 als unzulässig zurückgewiesen. Die belangte Behörde führte dazu mit näherer Begründung aus, dass es sich bei der Regelung des § 64 Abs. 3 der Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Niederösterreich, wonach Versorgungsleistungen ab dem beantragten Stichtag gewährt werden, wenn die Antragstellung spätestens innerhalb von drei Monaten ab dem Stichtag erfolge, um eine materiell-rechtliche, nicht jedoch um eine verfahrensrechtliche Frist handle. Daher komme eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht in Betracht. Überdies sei ohnehin nicht nur von einem bloß minderen Grad des Versehens an der Fristversäumung auszugehen, zumal der Revisionswerberin als Ärztin und Kammermitglied die betreffenden einschlägigen Bestimmungen hätten bekannt sein müssen.

6 Eine von der Revisionswerberin gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 6. Mai 2021 betreffend die Gewährung von Altersversorgung gerichtete Beschwerde wurde vom Landesverwaltungsgericht Niederösterreich mit Erkenntnis vom 23. Jänner 2024 als unbegründet abgewiesen. Die dagegen von der Revisionswerberin erhobene, zu Ra 2024/11/0132 protokollierte Revision wurde mit h.g. Beschluss vom heutigen Tag zurückgewiesen.

7 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich die gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 23. Juni 2021 betreffend die Zurückweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung erhobene Beschwerde als unbegründet ab.

8 Das Verwaltungsgericht stellte fest, die Revisionswerberin habe aufgrund eines Telefonats mit einem Mitarbeiter der Ärztekammer für Niederösterreich am 5. Jänner 2021 Kenntnis davon erlangt, dass seit 1. Jänner 2020 eine abschlagsfreie Alterspension bei gleichzeitiger Fortsetzung der Ordinationstätigkeit möglich gewesen wäre. Mit Schreiben vom 10. Februar 2021 habe sie die Gewährung der Altersversorgung ab 1. Jänner 2020 beantragt. Am 18. März 2021 habe sie von einem Mitarbeiter des Verwaltungsausschusses der Ärztekammer für Niederösterreich die Information erhalten, dass beschlossen worden sei, ihr die Altersversorgung erst ab Februar 2021 zuzusprechen. Die Revisionswerberin habe darum ersucht, aufgrund einer Ortsabwesenheit den Bescheid erst ab Mitte April zuzustellen.

9 In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht aus, dass nach § 64 Abs. 3 der Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Niederösterreich Versorgungsleistungen ab dem beantragten Stichtag gewährt werden, wenn die Antragstellung spätestens innerhalb von drei Monaten ab dem Stichtag erfolge. Werde ein Antrag nach dieser Frist eingebracht, werde die Leistung erst ab dem Monat der Antragstellung gewährt.

10 Das Verwaltungsgericht ging mit näherer Begründung davon aus, dass diese Satzungsbestimmung eine materiell rechtliche Frist vorsehe, weshalb eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht zulässig sei.

11 Abgesehen davon sei der verfahrensgegenständliche Wiedereinsetzungsantrag aber auch verspätet. Gemäß § 71 Abs. 2 AVG müsse der Wiedereinsetzungsantrag binnen zwei Wochen ab Wegfall des Hindernisses gestellt werden. Nach den Ausführungen im Wiedereinsetzungsantrag sei der Grund für die nicht fristgerecht erfolgte Beantragung der Altersversorgung die Unkenntnis über die neu geschaffene Möglichkeit der abschlagsfreien Altersversorgung bei gleichzeitiger Fortsetzung der Ordinationstätigkeit gewesen. Die Revisionswerberin habe aber bereits aufgrund eines Telefonates mit einem Mitarbeiter der Ärztekammer am 5. Jänner 2021 Kenntnis davon erlangt, dass seit 1. Jänner 2020 eine Rechtsänderung eingetreten sei. Zu diesem Zeitpunkt sei das Hindernis weggefallen und der am 21. Mai 2021 eingebrachte Wiedereinsetzungsantrag daher verspätet. Zum selben Ergebnis gelange man auch, wenn man den Wegfall des Hindernisses mit dem Zeitpunkt der Beantragung der Gewährung der Altersversorgung mit Schreiben vom 10. Februar 2021 oder mit dem Zeitpunkt der am 18. März 2021 erfolgten Auskunft, dass beabsichtigt sei, die Altersversorgung erst ab Februar 2021 zuzusprechen, annehme.

12 Dagegen erhob die Revisionswerberin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der die Behandlung derselben mit Beschluss vom 10. Juni 2024, E 836/2024 6, ablehnte und sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat, woraufhin die Revisionswerberin die vorliegende außerordentliche Revision erhob.

13 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

14 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

15 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

16 In der demnach für die Zulässigkeit der Revision allein maßgeblichen Zulässigkeitsbegründung wird vorgebracht, das Verwaltungsgericht sei von näher genannter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, der zufolge der Gesetzgeber die Wertung als materiell-rechtliche Frist ausdrücklich zum Ausdruck bringen müsse, widrigenfalls im Zweifel von einer verfahrensrechtlichen Frist auszugehen sei. Die in § 64 Abs. 3 der Satzung der Ärztekammer für Niederösterreich normierte Frist sei so die Argumentation in der Zulässigkeitsbegründung der Revision als verfahrensrechtliche Frist zu qualifizieren und sohin einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zugänglich.

17 Das Verwaltungsgericht hat die Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrages allerdings abgesehen von der rechtlichen Qualifikation der in Rede stehenden Frist als materiell-rechtliche in einer Alternativbegründung auch darauf gestützt, der Wiedereinsetzungsantrag sei verspätet eingebracht worden. Die Revision tritt insbesondere der auf einer nachvollziehbaren, auf den Akteninhalt gestützten Beweiswürdigung beruhenden Annahme des Verwaltungsgerichtes, der von der Revisionswerberin in ihrem Wiedereinsetzungsantrag genannte Rechtsirrtum darüber, dass mit 1. Jänner 2020 eine abschlagsfreie Gewährung von Altersversorgung auch bei gleichzeitiger Fortsetzung der Ordinationstätigkeit möglich sei, sei bereits zu dem Zeitpunkt weggefallen, zu dem der Antrag auf Gewährung der Altersversorgung ab 1. Jänner 2020 eingebracht worden sei (12. Februar 2021), nicht entgegen. In Anbetracht dessen kann die Revision mit der in ihrer Zulässigkeitsbegründung aufgeworfenen Rechtsfrage, ob die in § 64 Abs. 3 der Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Niederösterreich normierte Frist eine verfahrensrechtliche oder eine materiell-rechtliche darstellt, die Zulässigkeit der Revision nicht darlegen (vgl. zur Unzulässigkeit einer Revision bei einer tragfähigen Alternativbegründung etwa VwGH 8.10.2024, Ra 2023/11/0144, mwN).

18 Soweit die Revision (in der Sachverhaltsdarstellung) behauptet, die Revisionswerberin habe erst mit Zustellung des ihren Antrag teilweise zurückweisenden Bescheids am 7. Mai 2021 erfahren, dass ein fristgerechter Antrag innerhalb von drei Monaten ab dem Stichtag einzubringen gewesen wäre, übersieht sie, dass als Wiedereinsetzungsgrund nicht ein Rechtsirrtum darüber, dass § 64 Abs. 3 der Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Niederösterreich die genannte Antragsfrist normiere, vorgebracht wurde. Vielmehr nannte die Revisionswerberin in ihrem Wiedereinsetzungsantrag einen Rechtsirrtum über die Möglichkeit der Gewährung einer abschlagsfreien Altersversorgung trotz aufrechter Ordinationstätigkeit als Wiedereinsetzungsgrund. Die Behauptungen des Wiedereinsetzungswerbers innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist stecken allerdings den Rahmen für die Untersuchung der Frage ab, ob ein Wiedereinsetzungsgrund gegeben ist (vgl. etwa VwGH 24.1.2023, Ra 2022/11/0197, mwN). Das auf einen Rechtsirrtum betreffend die in Rede stehende Antragsfrist bezogene Vorbringen begründet somit auch keine Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs. 4 B VG.

19 Die Revision rügt in der Zulässigkeitsbegründung weiters die Nichtdurchführung der in der Beschwerde an das Verwaltungsgericht beantragten mündlichen Verhandlung.

20 Nach § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG kann die Verhandlung unter anderem dann entfallen, wenn der einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist. Trotz Erfüllung des Tatbestandes des § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG kann jedoch in Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens des Verwaltungsgerichtes die Durchführung einer Verhandlung geboten sein (vgl. etwa VwGH 26.2.2025, Ra 2024/08/0054, mwN).

21 Ausgehend davon, dass das Verwaltungsgericht die Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrages u.a. aber für sich tragfähig auf den im Verfahren nicht bestrittenen Umstand stützte, dass der Revisionswerberin zum Zeitpunkt der Beantragung der Gewährung der Altersversorgung am 12. Februar 2021 bewusst gewesen sei, dass eine abschlagsfreie Altersversorgung trotz Fortführung der Ordinationstätigkeit möglich sei, ist nicht zu sehen, dass in Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens des Verwaltungsgerichtes die Durchführung einer Verhandlung dennoch geboten gewesen wäre.

22 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 21. August 2025

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