JudikaturVwGH

Ra 2024/06/0194 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
09. Januar 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kleiser sowie die Hofrätinnen Mag. Rehak und Mag. Bayer als Richter und Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, in der Revisionssache der C K in F, vertreten durch die Rechtsanwälte Mandl GmbH in 6800 Feldkirch, Churerstraße 3/II, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 16. September 2024, W193 2284884 1/9E, betreffend Zurückweisung von Feststellungsanträgen in einer Angelegenheit nach dem UVP G 2000 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Vorarlberger Landesregierung; mitbeteiligte Parteien: 1. Land Vorarlberg, 2. Stadt Feldkirch und 3. V GmbH in B, vertreten durch die Fellner Wratzfeld Partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Schottenring 12), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Antrag der mitbeteiligten Parteien auf Zuerkennung von Aufwandersatz wird abgewiesen.

1 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

3Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4 Mit Schreiben vom 21. August 2023 beantragte die Revisionswerberin bei der belangten Behörde die Feststellung, dass die Bauarbeiten zum mit näher bezeichneten Entscheidungen der belangten Behörde „und“ des Bundesverwaltungsgerichtes genehmigten Stadttunnel F. erst dann erfolgen dürften, wenn alle dinglichen Rechte für das Gesamtprojekt vorlägen, in eventu, dass der Revisionswerberin das Recht zustehe, dass mit den Bauarbeiten zum mit näher bezeichneten Entscheidungen der belangten Behörde „und“ des Bundesverwaltungsgerichtes genehmigten Stadttunnel F. erst dann begonnen werden dürfe und diese erst dann fortgesetzt werden dürften, wenn alle dinglichen Rechte für das Gesamtprojekt vorlägen.

5 Mit Bescheid der belangten Behörde vom 29. November 2023 wurden die Anträge der Revisionswerberin vom 21. August 2023 als unzulässig zurückgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass mit näher bezeichneter Entscheidung der belangten Behörde die Genehmigung für die Errichtung des Stadttunnels F., der S. straße und einer 110 kV Erdkabelleitung unter dem Vorbehalt des Erwerbes der für das Vorhaben notwendigen dinglichen Rechte gemäß § 17 Abs. 1 Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 (UVP G 2000) erteilt worden sei. Zudem sei gemäß Auflage AA) vorgeschrieben worden, dass vor Baubeginn die für die Realisierung des Vorhabens erforderlichen Eigentums- bzw. Bauberechtigungsnachweise vorzulegen seien. Das Vorhaben Stadttunnel F., welches gemäß dem Bewilligungsbescheid in zwei Bauphasen errichtet werden solle, bestehe aus fünf Vorhabensteilen, die abgrenzbare Teile des Vorhabens darstellten; eine Teilung der Bauausführung sei daher grundsätzlich möglich und es sei dem im gegenständlichen UVP-Bescheid Rechnung getragen worden, in welchem eine abschnittsweise Umsetzung des Vorhabens sowie die Möglichkeit zur Teilinbetriebnahme von Vorhabensteilen explizit vorgesehen und bewilligt worden sei. Im vorliegenden Straßenbauvorhaben sei die rechtzeitige Einholung der erforderlichen dinglichen Rechte nur insoweit verpflichtend, als diese für die jeweilige Bauphase erforderlich seien. Die Revisionswerberin habe keinen Dienstbarkeitsvertrag unterzeichnet, weshalb mit den Bauarbeiten auf ihrem Grundstück erst begonnen werden könne, wenn die notwendigen Zwangsrechte erteilt worden seien. Ein Feststellungsinteresse der Revisionswerberin sei darüber hinaus zu verneinen, weil die betreffende Frage in einem anderen Verfahren, nämlich einem Verfahren gemäß § 50 Abs. 1 lit. b Straßengesetz, releviert werden könne. Zudem begehre die Revisionswerberin im Wesentlichen die Auslegung eines rechtskräftigen Bescheides, weshalb sich ihr Antrag auch aus diesem Grund als unzulässig erweise.

6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes wurde die dagegen erhobene Beschwerde der Revisionswerberin als unbegründet abgewiesen. Gleichzeitig wurde ausgesprochen, dass gegen dieses Erkenntnis eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.

7 Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht im Wesentlichen aus, dass keine ausdrückliche gesetzliche Regelung zur Erlassung des beantragten Feststellungsbescheides existiere, weshalb ein Anspruch der Revisionswerberin nur bestehe, wenn der Erlass des Bescheides ein notwendiges Mittel der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung darstelle und insofern ein rechtliches Interesse ihrerseits bejaht werden könne. Nach näher zitierter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes scheitere die Zulässigkeit der Erlassung des beantragten Feststellungsbescheides bereits daran, dass die begehrte Feststellung nicht zulässigerweise in den Spruch eines Feststellungsbescheides aufgenommen werden könne. Die begehrte Feststellung würde nichts anderes bedeuten, als die Auslegung des nunmehr rechtskräftigen Genehmigungsbescheides und im weiteren Sinn der dem Bescheid zugrunde liegenden gesetzlichen Bestimmungen sowie eine Klarstellung der Rechtsfolgen, die sich daraus nach Ansicht der Behörde für den konkreten Fall ergäben. Eine Konkretisierung oder Klarstellung der Genehmigungsmodalitäten würde auf eine Auslegung der rechtskräftigen Genehmigungsentscheidung hinauslaufen. In einem solchen Fall bestehe an der Erlassung eines Feststellungsbescheides weder ein öffentliches Interesse noch ein Interesse der Partei. Die Zurückweisung des gegenständlichen Antrages durch die belangte Behörde sei daher rechtmäßig erfolgt. Gleiches gelte für den Eventualantrag, für welchen ebenfalls keine gesetzliche Grundlage existiere, welche die Erlassung des beantragten Feststellungsbescheides ermögliche. Die begehrte Feststellung könne nicht zulässigerweise in den Spruch eines Feststellungsbescheides aufgenommen werden. Mit der begehrten Feststellung werde darauf abgezielt, sich den Gehalt oder Umfang eines Rechtes, das durch eine (andere) Entscheidung begründet worden sei, durch einen Feststellungsbescheid (näher) klären zu lassen und würde darüber hinaus unzulässiger Weise auf die Auslegung der dem Genehmigungsvorbehalt zugrunde liegenden Normen hinauslaufen und losgelöst vom Einzelfall einem Rechtsgutachten gleichkommen.

8In ihrer Begründung für die Zulässigkeit der vorliegenden Revision bringt die Revisionswerberin vor, im Revisionsfall lägen entgegen der Rechtsauffassung des Bundesverwaltungsgerichtes, die im Widerspruch zur auch im angefochtenen Erkenntnis zitierten ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stehe, beide Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Erlassung eines Feststellungsbescheides (Hinweis auf VwGH 1.3.2017, Ra 2016/03/0096), nämlich sowohl das erforderliche Interesse der Revisionswerberin als auch ein öffentliches Interesse vor. Die Erlassung des begehrten Feststellungsbescheides stelle für die Revisionswerberin auch ein notwendiges, da letztes und einziges Mittel zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung dar, da für sie allein auf diesem Weg die sie treffende Rechtsgefährdung durch die bereits begonnenen Bauarbeiten beseitigt werden könne (Hinweis auf VwGH 26.6.2000, 96/17/0242). Es gehe hier gerade nicht um die bloße Auslegung des rechtskräftigen Genehmigungsbescheides, welcher unstrittig unter dem Vorbehalt erteilt worden sei, dass alle für das Vorhaben notwendigen dinglichen Rechte vorliegen. Die belangte Behörde weigere sich aber beharrlich, die daraus folgenden erforderlichen Schritte zu setzen, weshalb ausgehend von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Hinweis auf VwGH 16.6.1992, 88/05/0181) ein Feststellungsinteresse der Revisionswerberin begründet sei. Im Sinn dieser Judikatur sei es der Revisionswerberin auch nicht zumutbar, schon jetzt und damit zu einem Zeitpunkt, in dem die zwangsweise Einräumung einer Dienstbarkeit hinsichtlich ihrer Liegenschaft noch keinesfalls sicher sei, ihre Liegenschaft zu veräußern und sich an einem anderen Ort wieder ein Haus errichten zu lassen. Daraus ergebe sich für die Revisionswerberin eine aktuelle Rechtsgefährdung, die nur mittels des von ihr beantragten Feststellungsbescheides beseitigt werden könne.

9 Darüber hinaus fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes zur Frage, ob eine betroffene Grundeigentümerin eine sich aus der Missachtung der Vorgaben im Genehmigungsbescheid resultierende Rechtsgefährdung in Ermangelung anderer Rechtsbehelfe im Wege eines an die UVP Behörde gerichteten Feststellungsantrages beseitigen lassen könne.

Mit diesem Vorbringen wird keine Rechtsfrage dargetan, der grundsätzliche Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG zukäme.

10Zunächst ist festzuhalten, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in den gemäß § 28 Abs. 3 VwGG gesondert vorzubringenden Gründen konkret auf die vorliegende Rechtssache bezogen aufzuzeigen ist, welche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung der Verwaltungsgerichtshof in einer Entscheidung über die Revision zu lösen hätte und in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch nicht beantwortet hat. Dabei hat der Revisionswerber konkret darzulegen, dass der der gegenständlich angefochtenen Entscheidung zu Grunde liegende Sachverhalt einem der von ihm ins Treffen geführten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes gleicht, das Verwaltungsgericht im gegenständlichen Fall dennoch anders entschieden habe und es damit von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen sei, wobei die bloße Wiedergabe von Rechtssätzen zu verschiedenen Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofes nicht ausreicht. Ebenso reicht auch die bloße Nennung von Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes nach Datum und Geschäftszahl, ohne auf konkrete Unterschiede in dieser Rechtsprechung hinzuweisen, nicht aus (vgl. etwa VwGH 2.4.2024, Ra 2024/06/0045, mwN).

11 Diesen Anforderungen wird die Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden Revision nicht gerecht, zumal die Revisionswerberin nicht konkret darlegt, dass der der angefochtenen Entscheidung zu Grunde liegende Sachverhalt einem der von ihr angeführten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes gleicht, das Verwaltungsgericht im Revisionsfall dennoch anders entschieden habe.

12 Im Übrigen betrifft die Frage, ob an der im Revisionsfall konkret begehrten Feststellung ein rechtliches Interesse der Revisionswerberin bestehe oder nicht, grundsätzlich nur den Einzelfall und es stellt diese nur dann eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 BVG dar, wenn vom Verwaltungsgericht diesbezüglich ein unvertretbares und die Rechtssicherheit beeinträchtigendes Auslegungsergebnis erzielt wurde (vgl. idS VwGH 8.11.2023, Ra 2023/06/0197, mwN).

13 Derartiges legt die Revisionswerberin in ihrer Zulässigkeitsbegründung nicht dar, zumal sie sich mit den Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichtes, wonach mit den beantragten Feststellungen die Auslegung des Bewilligungsbescheides begehrt werde und an der Erlassung eines solchen Feststellungsbescheides nach der näher zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes weder ein öffentliches Interesse noch ein Interesse einer Partei bestehe, nicht auseinandersetzt. Im Übrigen wird zum Vorbringen der Revisionswerberin, wonach sie gezwungen sei, sich bereits vor einer zur Erlangung der erforderlichen dinglichen Rechte allenfalls notwendigen Enteignung ihrer Liegenschaft an einem anderen Ort ein neues Einfamilienhaus errichten zu lassen, bemerkt, dass damit lediglich wirtschaftliche Interessen geltend gemacht werden, aber keine durch die beantragte Feststellungsentscheidung allenfalls beseitigbare Rechtsgefährdung aufgezeigt wird (vgl. etwa VwGH 26.2.2008, 2005/11/0106, und VwGH 23.1.2008, 2007/12/0013, wonach ein wirtschaftliches Interesse die Erlassung eines Feststellungsbescheides nicht rechtfertigt). Bereits aus diesem Grund ist auch dem auf dieser Prämisse beruhenden Vorbringen zum Fehlen von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Boden entzogen.

Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

14Über die Revision wurde kein Vorverfahren eingeleitet, sodass eine Aufforderung des Verwaltungsgerichtshofes zur Einbringung einer Revisionsbeantwortung an die Parteien nicht ergangen ist (vgl. dazu § 36 Abs. 1 VwGG). Der in der von den mitbeteiligten Parteien unaufgefordert eingebrachten Revisionsbeantwortung begehrte Aufwandersatz war daher nicht zuzuerkennen (vgl. VwGH 11.7.2024, Ra 2021/06/0051, mwN).

Wien, am 9. Jänner 2025