Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Lehofer sowie die Hofräte Dr. Himberger und Dr. Chvosta als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision des Mag. Dr. K B in I, vertreten durch Dr. Anton Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Schottenfeldgasse 2 4/23, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 1. Februar 2024, Zl. W170 22407471/120E, betreffend Entziehung der Eigenschaft als allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger nach § 10 SDG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Präsident des Landesgerichtes Innsbruck), sowie den Wiedereinsetzungsantrag des Revisionswerbers vom 18. Oktober 2024, den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Revisionsfrist wird als unbegründet abgewiesen.
1 Mit Bescheid des Präsidenten des Landesgerichts Innsbruck vom 20. Jänner 2021 wurde dem Revisionswerber die Eigenschaft als allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger näher genannter Fachgebiete wegen Vertrauensunwürdigkeit gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 Sachverständigen- und Dolmetschergesetz entzogen.
2Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 1. Februar 2024 hat das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde des Revisionswerbers gegen diesen Bescheid im zweiten Rechtsgang als unbegründet abgewiesen und ausgesprochen, dass eine Revision dagegen nicht zulässig sei (zum ersten Rechtsgang vgl. VwGH 19.12.2022, Ra 2022/03/0178).
3 Dagegen hat der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof gemäß Art. 144 B VG erhoben. Dieser hat die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom 10. Juni 2024, E 985/20247, abgelehnt und diese über nachträglichen Antrag im Sinne des § 87 Abs. 3 VfGG mit Beschluss vom 8. August 2024, E 985/2024 10, gemäß Art. 144 Abs. 3 BVG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten. Dieser Beschluss wurde dem Vertreter des Revisionswerbers am 12. August 2024 im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs hinterlegt, sodass gemäß § 14a Abs. 3 VfGG iVm § 89d Abs. 2 GOG der 13. August 2024 als Zustellzeitpunkt gilt.
4 Am 25. September 2024 wurde beim Bundesverwaltungsgericht im elektronischen Rechtsverkehr die vorliegende außerordentliche Revision eingebracht.
5 Nach einem Verspätungsvorhalt des Verwaltungsgerichtshofes beantragte der Revisionswerber am 18. Oktober 2024 (offenbar irrtümlich datiert mit 4. Oktober 2024) die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Revisionsfrist.
1. Zur außerordentlichen Revision
6Die Frist zu Erhebung einer Revision beträgt gemäß § 26 Abs. 1 VwGG sechs Wochen und beginnt in einem Fall wie dem vorliegenden nach § 26 Abs. 4 VwGG mit der Zustellung des Beschlusses gemäß § 87 Abs. 3 VfGG zu laufen. Ausgehend vom unbestrittenen Zustellzeitpunkt gemäß § 14a Abs. 3 VfGG iVm § 89d Abs. 2 GOG am 13. August 2024 endete die Revisionsfrist daher am 24. September 2024. Die erst am 25. September 2024 beim zuständigen Bundesverwaltungsgericht eingebrachte Revision erweist sich damit als verspätet.
7Sie war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen Versäumung der Einbringungsfrist ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
2. Zum Wiedereinsetzungsantrag
8 Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags bringt der Revisionswerber auf das für das vorliegende Verfahren Wesentliche zusammengefasst vor, dem Einbringen der außerordentlichen Revision am 25. September 2024 anstelle des 24. September 2024 liege ein minderer Grad des Versehens einer Kanzleiangestellten und/oder seines rechtsfreundlichen Vertreters zugrunde.
9 Die Termin- und Fristenerfassung erfolge in der Kanzlei des als Einzelanwalt tätigen Parteienvertreters des Revisionswerbers jeweils durch eine Mitarbeiterin oder einen Mitarbeiter, die oder der auf einem bestimmten Arbeitsplatz tätig sei, wobei auf diesem Arbeitsplatz ausschließlich eine langjährige Kanzleimanagerin und drei speziell und unter Aufsicht im Termin und Fristenwesen eingearbeitete, in juristischer Universitätsausbildung befindliche Mitarbeiter bzw. Mitarbeiterinnen eingesetzt würden. Der Ausbildungsstand entspreche aus näher dargestellten Gründen allerhöchstem Niveau.
10 Zur Erfassung von Fristen, die sich aus Posteingangsstücken ergeben, begebe sich der jeweilige Mitarbeiter bzw. die jeweilige Mitarbeiterin mit dem Schriftstück (beispielsweise dem Ausdruck eines Beschlusses) zum physischen Handkalender in der Kanzlei und trage die Frist ein. Dabei werde bei im elektronischen Rechtsverkehr hinterlegten Schriftstücken die Frist ausgehend vom (auf dem Schriftstück aufgedruckten) Hinterlegungsdatum eingetragen. Weil kraft Rechtslage die Zustellung im elektronischen Rechtsverkehr erst an dem auf die Hinterlegung folgenden Tag erfolge, ergebe sich daraus, dass nach der eingetragenen Frist stets ein Tag („Puffertag“) liege und die Frist somit mit einem Tag „abgepuffert“ sei. Von einem solchen Puffertag werde Gebrauch gemacht, sofern dies aufgrund von Engpässen wegen der Auslastung des Rechtsanwaltes notwendig sei. Nach der Eintragung der Frist in den Handkalender in die Spalte für die Fristen mit Rotstift werde die Frist ebenfalls mit Rotstift auf den oberen rechten Rand des Ausdrucks geschrieben. Anschließend werde die Frist in die Kanzleisoftware digital eingetragen. Diese Software berechne die Frist, wodurch gegengecheckt werde, ob die bereits im Handkalender und am Schriftstück eingetragene Frist mit der vom Computer errechneten übereinstimme. Zur Bestätigung für die Eintragung der Frist werde der Vermerk am Schriftstück abgehakt und mit dem Kürzel des betreffenden Mitarbeiters bzw. der betreffenden Mitarbeiterin versehen. Bei Diskrepanzen zwischen der händisch und der von der Software berechneten Frist erfolge eine nochmalige Kontrolle und Berichtigung einer allenfalls fehlerhaften Eintragung. Durch diesen Vorgang der Überprüfung des von der verantwortlichen Person vorgenommenen Eintrags im Kanzleikalender durch die Kanzleisoftware und Rücküberprüfung der maschinellen Berechnung fänden zwei zusätzliche Prüfungsvorgänge der händischen Eintragung durch die verantwortliche Person statt, womit fehlerhafte Eintragungen von Fristen mit praktischer Gewissheit ausgeschlossen seien.
11 Der Parteienvertreter des Revisionswerbers als alleinverantwortlicher Rechtsanwalt, über dessen Tisch alles gehe, überprüfe die Termine und Fristenerfassung, insbesondere auch die Einhaltung der dargestellten Abläufe, stichprobenartig mehrfach monatlich. Zudem prüfe er beim Verfassen von Schriftsätzen stets nochmals die Richtigkeit der angegebenen Daten und eingetragenen Fristen. Das Verschieben von Fristen auf den Puffertag (insbesondere durch Änderung der Eintragung im Handkalender) erfolge ausschließlich in Absprache mit ihm und nach einer Kontrolle der Fristen durch ihn.
12 Zur im vorliegenden Fall relevanten Revisionsfrist enthält der Wiedereinsetzungsantrag zunächst eine Abbildung des betreffenden Posteingangsstückes (Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 8. August 2024) mit dem Aufdruck „Hinterlegt am 12.08.2024 19:30“ und dem handschriftlichen Vermerk „24.9.2024 VwGH - ao Revision“ (in rot und abgehakt mit Namenszeichen) sowie eine Abbildung der betreffenden Seite des Handkalenders, aus dem sich die ursprüngliche Eintragung der Frist für den 24. September 2024 und eine Verschiebung dieser Eintragung auf den 25. September 2024 ergibt.
13 Dazu wird im Wiedereinsetzungsantrag vorgebracht, es habe rekonstruiert werden können, dass eine Mitarbeiterin des Rechtsanwaltes beim „Postmachen“ am 13. August 2024 weisungswidrig zunächst die Frist in der Kanzleisoftware berechnet habe, welche ausgehend vom 13. August 2024 den 24. September 2024 als Ende der sechswöchigen Frist ermittelt habe. Dieses Fristende habe sie sodann auf das Schriftstück sowie in den Handkalender übertragen, anstelle wie vorgesehen eine zuvor berechnete und eingetragene Frist mit der Berechnung der Kanzleisoftware zu vergleichen. Weil sie dabei überdies nicht vom Tag der Hinterlegung ausgegangen sei, sei hinter dem berechneten Fristende kein Puffertag gelegen, wie es sonst ausnahmslos der Fall sei. Beide Fehlleistungen habe es noch nie gegeben. Aufgrund des dargestellten Sicherheitssystems habe es noch nie eine Fristversäumnis gegeben. Die betreffende Mitarbeiterin sei absolut zuverlässig und verlässlich. Ihre einmalige Fehlleistung minderen Grades könne nur mit einem „Blackout“ erklärt werden.
14 Hinzu komme ein einmaliges Versehen minderen Grades des Rechtsanwaltes: Die Woche der Einbringung der außerordentlichen Revision habe wie bereits die Woche davor eine (näher dargestellte) Konzentration und Dichte des Kanzleiprogramms von Terminen und Fristen aufgewiesen, wie es bisher noch nicht dagewesen sei. Insbesondere habe der Rechtsanwalt sowohl am 23. als auch am 25. September 2024 den Revisionsschriftsatz während der Rückfahrt von auswärtigen Gerichtsterminen bearbeitet. Am 18. und 24. September 2024 habe er jeweils den gesamten Tag in der Kanzlei und im Rahmen der ganztätig eingetragenen „störungsfreien Zeit“ an der eingebrachten außerordentlichen Revision gearbeitet. Er habe sich aufgrund des sehr engen Termin- und Fristenkorsetts so in einem „Tunnel“ befunden, um die außerordentliche Revision zu verfassen und rechtzeitig abzufertigen, dass er zum ersten Mal in seiner beruflichen Laufbahn die von seiner Mitarbeiterin eingetragene Frist nicht nochmals mit der notwendigen Aufmerksamkeit am 23. und 24. September 2024 überprüft habe.
15 Unter Zugrundelegung dieses Vorbringens liegen die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung nicht vor:
16Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
17 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes trifft das Verschulden des Parteienvertreters die von diesem vertretene Partei, wobei an berufliche und rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen ist als an rechtsunkundige und bisher noch nie an gerichtlichen Verfahren beteiligte Personen. Ein dem Vertreter widerfahrenes Ereignis stellt einen Wiedereinsetzungsgrund für die Partei nur dann dar, wenn dieses Ereignis für den Vertreter selbst unvorhergesehen oder unabwendbar war und es sich hiebei höchstens um einen minderen Grad des Versehens handelt. Das Verschulden von Kanzleikräften stellt für den Vertreter dann ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis im Sinne der obigen Ausführungen dar, wenn der Vertreter der ihm zumutbaren und nach der Sachlage gebotenen Überwachungspflicht gegenüber seinen Kanzleikräften nachgekommen ist. Dabei wird durch entsprechende Kontrollen dafür vorzusorgen sein, dass Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen aller Voraussicht nach auszuschließen sind. Der Vertreter verstößt demnach auch dann gegen die ihm obliegende Sorgfaltspflicht, wenn er weder im Allgemeinen noch im Besonderen (wirksame) Kontrollsysteme vorgesehen hat, die im Fall des Versagens einer Kanzleikraft Fristversäumungen auszuschließen geeignet sind.
Für die richtige Beachtung einer Rechtsmittel- oder Beschwerdefrist ist grundsätzlich immer der Parteienvertreter selbst verantwortlich, der die Frist festzusetzen, ihre Vormerkung anzuordnen und die richtige Eintragung im Kalender im Rahmen der ihm gegenüber seinen Angestellten gegebenen Aufsichtspflicht zu überwachen hat. Ein Parteienvertreter, der sich aus welchen Gründen immer auf die Richtigkeit der Fristvormerkungen von Angestellten verlässt, tut dies auf die Gefahr, dass das als ein die Wiedereinsetzung ausschließendes und der von ihm vertretenen Partei zuzurechnendes Verschulden qualifiziert wird. Wohl ist eine regelmäßige Kontrolle, ob eine erfahrene und zuverlässige Kanzleikraft rein manipulative Tätigkeiten auch tatsächlich ausführt, dem Rechtsanwalt nicht zuzumuten, will man nicht seine Sorgfaltspflicht überspannen. Um einen solchen rein manipulativen Vorgang handelt es sich jedoch nicht bei der kanzleimäßigen Bestimmung einer Rechtsmittelfrist. Wenn der Parteienvertreter die Rechtsmittelfrist damit nicht selbst kalendermäßig konkret bestimmt, sondern diese Bestimmung der Frist seinen Kanzleiangestellten überlässt, so obliegt es ihm im Rahmen der gebotenen Überwachungspflicht jedenfalls, diesen Vorgang bzw. die richtige Eintragung im Kalender zu kontrollieren. Dabei sind (selbst) stichprobenartige Überprüfungen im Allgemeinen nicht ausreichend (vgl. zu alldem etwa VwGH 24.1.2019, Ra 2019/09/0002 und 0003, Rn. 6 bis 8, und VwGH 23.5.2022, Ra 2022/14/0049, je mwN).
18 Im vorliegenden Fall hat der Parteienvertreter des Revisionswerbers seinen Kanzleibetrieb so organisiert, dass Fristen von seinen Angestellten - wenn auch unter Einhaltung von Kontroll- und Sicherheitsschritten im vorgesehenen Ablauf - grundsätzlich eigenverantwortlich berechnet und erfasst werden. Eine zeitnahe Überprüfung dieser Eintragungen durch den Rechtsanwalt erfolgt weder im Allgemeinen, noch fand sie im konkreten Fall statt, in dem nach dem Vorbringen die letztlich aus Überlastungsgründen unterbliebene Überprüfung erst am 23. und 24. September 2024 hätte erfolgen sollen bzw. nicht zum Erkennen der Fehleintragung geführt habe. Überdies legt der Wiedereinsetzungsantrag nicht dar, unter welchen Umständen die Verschiebung der (an sich richtig für den 24. September 2024 erfolgten) Fristeintragung auf den vermeintlichen „Puffertag“ am 25. September 2024 erfolgte, findet eine solche Verschiebung nach dem allgemeinen Vorbringen doch nur ausschließlich in Absprache mit dem Rechtsanwalt und nach einer Kontrolle der betreffenden Frist durch ihn statt.
19Da der einschreitende Parteienvertreter somit die Revisionsfrist nicht selbst berechnet hat und auch kein auf die Überprüfung der Berechnung und Erfassung von Fristen gerichtetes (ausreichendes) Kontrollsystem dargetan wurde, kann von einem minderen Grad des Versehens des dem Revisionswerber zuzurechnenden Parteienvertreters nicht gesprochen werden, weshalb der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 46 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Wien, am 11. Dezember 2024