JudikaturVwGH

Ra 2023/11/0133 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
12. Juni 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Samm und die Hofrätinnen MMag. Ginthör und Dr. Kronegger als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Janitsch, über die Revision der Bezirkshauptmannschaft Linz Land gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 11. Juli 2023, Zl. LVwG 652539/11/FP, betreffend eine Angelegenheit nach dem Führerscheingesetz (mitbeteiligte Partei: C F in A, vertreten durch die Dr. Roland Gabl Rechtsanwalts KG in 4020 Linz, Museumstraße 31a), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Bund hat der Mitbeteiligten Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

1 Mit Bescheid vom 26. Jänner 2023 ordnete die belangte Behörde (die nunmehrige Amtsrevisionswerberin) gegenüber der Mitbeteiligten gemäß § 4 Abs. 3 iVm Abs. 6 Z 2a Führerscheingesetz (FSG) eine Nachschulung an.

2 Gegen diesen Bescheid erhob die Mitbeteiligte Beschwerde.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Verwaltungsgericht der Beschwerde Folge und hob den Bescheid ersatzlos auf. Die ordentliche Revision erklärte das Verwaltungsgericht für unzulässig.

4 Dem legte das Verwaltungsgericht Folgendes zu Grunde:

5 Die Mitbeteiligte habe örtlich und zeitlich näher konkretisiert auf der Autobahn A7 bei stockendem Verkehr auf dem äußerst linken Fahrstreifen einen PKW gelenkt und dabei nach der Wahrnehmung des neben ihr in einem Streifenwagen fahrenden Zeugen W „ein Mobiltelefon in der rechten Hand gehalten und ca. 3 bis 5 Sekunden auf dieses geblickt“.

6 Dieser Zeuge habe „nicht wahrgenommen, dass der Bildschirm des Mobiltelefons aktiv“ gewesen sei. Die Mitbeteiligte bringe „im Ergebnis vor, dass sie keine Funktion des Mobiltelefons verwendet“ habe.

7 Beweiswürdigend führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen Folgendes aus:

8 Der Zeuge W habe „einen wahrheitsverbundenen und glaubwürdigen Eindruck“ gemacht, und seine Wahrnehmungen, seiner vorherigen Aussage entsprechend, lebensnah schildern können. Es bestehe kein Zweifel daran, dass er die Mitbeteiligte dabei wahrgenommen habe, dass sie ihr Mobiltelefon in der Hand gehalten und in dessen Richtung geblickt habe. Dabei müsse es sich bei letzterem um eine „nachvollziehbare Interpretation der Situation“ gehandelt haben, weil der Zeuge nur die Blickrichtung zum Schoß bzw. Handy wahrnehmen, aber „naturgemäß“ nicht wissen habe können, was tatsächlich angeschaut wurde.

9 Auch die Mitbeteiligte sei dem Verwaltungsgericht nicht unglaubwürdig erschienen. Ihre Darstellung, sie habe „ihr Handy nur umgelagert und dabei darauf geblickt“, erweise sich als denkbar und auch nicht lebensfremd. Selbst wenn das Halten oder Anblicken des Mobiltelefons ein Indiz für eine tatsächliche Verwendung sein möge, gebe es dafür nicht den geringsten Hinweis, zumal der Meldungsleger keine Wahrnehmungen zu einer Bedienung des Mobiltelefons gehabt habe, aber auch nicht zu einer „Aktivität des Bildschirms“, die ihm in dem als „eher dunkel beschriebenen Bereich“ (nach einem Tunnel) aber auffallen hätte müssen.

10 Eine über Halten und Anblicken hinausgehende Verwendung könne allein auf Vermutungen beruhen, solche habe die belangte Behörde zu Recht nicht angestellt.

11 Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung legte das Verwaltungsgericht zusammengefasst dar, § 102 Abs. 3 fünfter Satz Kraftfahrgesetz 1967 (KFG 1967) verbiete einem Lenker neben dem Telefonieren ohne Benützung einer Freisprecheinrichtung auch jegliche andere Verwendung des Mobiltelefons während des Fahrens (ausgenommen als im Wageninneren befestigtes Navigationssystem). Weder dem Wortlaut dieser Bestimmung noch (näher dargelegter) Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sei zu entnehmen, dass jedes „Hantieren“ oder jegliches Berühren oder Handhaben des Handys verboten sei. Ausgehend vom allgemeinen Sprachgebrauch (Verweis auf Definitionen im Duden) sei unter „Verwendung“ die Benützung, die Anwendung oder der Gebrauch eines Gegenstandes für einen bestimmten wohl bestimmungsgemäßen Zweck zu verstehen. Eine ausdehnende Auslegung sei auch wegen des diesbezüglich im Strafrecht geltenden Verbots unzulässig. Letztlich sei auch im Sinne einer verfassungskonformen Auslegung die Annahme, jegliches Halten des Mobiltelefons sei verboten, als unsachlich nicht tragfähig, zumal von einem nicht verwendeten Mobiltelefon keine größere ablenkende Wirkung als von anderen, etwa im Fahrzeug befindlichen Gegenständen ausgehe.

12 Fallbezogen folgerte das Verwaltungsgericht, das Beweisverfahren habe keinen hinreichenden Hinweis dahin ergeben, dass die Mitbeteiligte das Handy nicht nur gehalten, sondern auch verwendet habe. Weder das von ihr beschriebene „Umlagern des Telefons an der Kordel samt Blicken auf das inaktive Gerät noch das In Der Hand Halten samt Blick auf das Gerät“ stellten einen bestimmungsgemäßen Gebrauch dar; eine „Verwendung“ eines Mobiltelefons im Sinne des § 102 Abs. 3 fünfter Satz KFG 1967 sei daher nicht erfolgt. Da die Mitbeteiligte also einen schweren Verstoß im Sinne des § 4 Abs. 3 FSG nicht begangen habe, sei der behördliche Bescheid aufzuheben gewesen.

13 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision, zu der die Mitbeteiligte im vom Verwaltungsgerichtshof durchgeführten Vorverfahren eine Revisionsbeantwortung erstattet hat.

14 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

15 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

16 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

17 Die Zulässigkeitsbegründung der Revision macht zunächst geltend, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur mit der 32. KFG Novelle BGBl. I Nr. 40/2016 neu gefassten Bestimmung des § 102 Abs. 3 fünfter Satz KFG 1967. Auf Basis der neuen Rechtslage sei jegliche Nutzung technischer Funktionen eines Mobiltelefons, mit Ausnahme des Telefonierens unter Benützung einer Freisprecheinrichtung und der Nutzung als im Wageninneren befestigten Navigationssystems, verboten. Das „gegenständliche Hantieren, um auf die Uhr zu schauen“ sei auch als verbotswidriges Verwenden zu qualifizieren.

18 Damit wird die Zulässigkeit der Revision nicht aufgezeigt:

19 Die Frage, ob die Voraussetzung des Art. 133 Abs. 4 B VG, also eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt, ist im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zu beurteilen. Wurde die zu lösende Rechtsfrage daher in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nach Einbringung der Revision bereits geklärt, liegt keine Rechtsfrage (mehr) vor, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme (vgl. etwa VwGH 28.1.2025, Ra 2024/11/0041, mwN).

20 Eine solche Situation ist im vorliegenden Fall gegeben: Im Erkenntnis vom 29. August 2023, Ra 2023/11/0101, hat der Verwaltungsgerichtshof mit näherer Begründung, auf die gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, dargelegt, dass die Wortfolge in § 102 Abs. 3 fünfter Satz KFG 1967 „jegliche andere Verwendung des Mobiltelefons“ nur die mit Inanspruchnahme einer gerätespezifischen Funktion (etwa Surfen im Internet oder Lesen von Push Nachrichten), außer jener zu (bereits unter „Telefonieren“ zu subsumierenden) Fernsprechzwecken verbundene Handhabung eines Mobiltelefons erfasst. Ein bloßes Aufheben eines in den Fußraum des Fahrzeugs gefallenen Mobiltelefons und Zurückstellen in die Halterung stelle, auch wenn damit ein Blick des Lenkers auf das Mobiltelefon verbunden war, keine solche – unzulässige Verwendung dar.

21 Die im vorliegenden Revisionsfall angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichts steht mit diesem Erkenntnis im Einklang: Das allein festgestellte Halten bzw. „Umlagern“ des Mobiltelefons stellt keine iSd § 102 Abs. 3 fünfter Satz KFG 1967 unzulässige Verwendung eines Mobiltelefons dar.

22 Die Zulässigkeitsbegründung macht in diesem Zusammenhang weiter geltend, die Beweiswürdigung der angefochtenen Entscheidung sei nicht vollständig und schlüssig, vielmehr aktenwidrig, weil die Erstverantwortung der Mitbeteiligten gegenüber der Polizei direkt bei der Amtshandlung sowie auch die diesbezügliche zeugenschaftliche Aussage des Polizisten gänzlich unberücksichtigt geblieben seien.

23 Zwar können Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung nicht nur solche des materiellen Rechts, sondern auch des Verfahrensrechts sein, etwa bei Verletzung tragender Grundsätze des Verfahrensrechts oder gegebenenfalls dann, wenn der vom Verwaltungsgericht angenommene Sachverhalt in unvertretbarer Weise nicht mit den vorgelegten Akten übereinstimmt, also Aktenwidrigkeit vorliegt (vgl. VwGH 22.8.2018, Ra 2018/03/0077, mwN).

24 Derartiges wird in der Zulässigkeitsbegründung aber nicht aufgezeigt:

25 Die belangte Behörde hatte, auch nachdem ihr Bescheid vom 4. August 2022 vom Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 20. Oktober 2022 aufgehoben und die Sache an die Behörde zurückverwiesen worden war, weil nicht dargelegt worden sei, wie die Mitbeteiligte das Handy verwendet habe, im Ersatzbescheid vom 26. Jänner 2023 der angeordneten Nachschulung auf Sachverhaltsebene lediglich zugrunde gelegt, dass die Mitbeteiligte „ein Handy sekundenlang (ca. 3 5 Sekunden) auf ihrem Schoß in der Hand gehalten“ habe.

26 Eine Unschlüssigkeit oder Unvertretbarkeit der insbesondere auf die Ergebnisse der mündlichen Beschwerdeverhandlung, in der eine Einvernahme der Mitbeteiligten und des einschreitenden Polizeibeamten (W) erfolgte, gestützten verwaltungsgerichtlichen Beweiswürdigung wird in der Zulässigkeitsbegründung nicht dargelegt (zum diesbezüglichen Prüfmaßstab des Verwaltungsgerichtshofes vgl. etwa VwGH 27.10.2020, Ra 2019/11/0022, mwN). Auch die gerügte Aktenwidrigkeit liegt nicht vor.

27 Nach dem Gesagten werden in der Zulässigkeitsbegründung der Revision keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 iVm Abs. 3 VwGG zurückzuweisen.

28 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 12. Juni 2025

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