Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Nedwed und den Hofrat Mag. Straßegger sowie die Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richterin und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Andrés, über die Revision des F in M, vertreten durch Dr. Georg Bauer und Mag. Edwin Kerschbaummayr, Rechtsanwälte in 4020 Linz, Museumstraße 6 8, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 26. März 2024, LVwG S 231/001 2023, betreffend Übertretung des KFG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Amstetten), zu Recht erkannt:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
1Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 15. Dezember 2022 wurde dem Revisionswerber zur Last gelegt, er habe es als gemäß § 9 Abs. 2 VStG verantwortlicher Beauftragter der B GmbH zu verantworten, dass diese Gesellschaft als Zulassungsbesitzerin eines nach dem Kennzeichen näher bezeichneten KFZ nicht dafür Sorge getragen habe, dass der Zustand des genannten KFZ den Vorschriften des KFG entspreche. Das Fahrzeug sei zum angeführten Zeitpunkt am angeführten Ort von R gelenkt worden, wobei festgestellt worden sei, dass beim Kraftwagenzug die größte zulässige Höhe von 4 m um 0,90 m überschritten worden sei. Der Revisionswerber habe dadurch § 103 Abs. 1 Z 1 in Verbindung mit § 4 Abs. 6 in Verbindung mit § 134 Abs. 1 KFG verletzt, weshalb über ihn eine Geldstrafe in Höhe von € 220,00 (Ersatzfreiheitsstrafe 22 Stunden) verhängt und ihm ein Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgeschrieben wurde.
2 In der dagegen erhobenen Beschwerde brachte der Revisionswerber vor, der vor Antritt der Fahrt gesicherte Muldenkipper habe sich während der Fahrt offensichtlich hinsichtlich der Mulde aufgeschaukelt, sodass sich die Mulde gehoben habe. Dabei habe es sich um ein technisches Versagen des Muldenkippers handeln müssen. Zum Beweis dafür beantragte er die Einholung eines Sachverständigengutachtens.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich (Verwaltungsgericht) wurde der dagegen erhobenen Beschwerde des Revisionswerbers nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung dahingehend Folge gegeben, dass der letzte Satz der Tatbeschreibung zu lauten habe: „Das Fahrzeug wurde zum angeführten Zeitpunkt am angeführten Ort von [R] gelenkt, wobei festgestellt wurde, dass beim Kraftwagenzug die größte zulässige Höhe von 4,30 m überschritten wurde.“ Weiters wurde die Geldstrafe herabgesetzt und der Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens neu festgelegt. Die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig.
4 Das Verwaltungsgericht stellte zusammengefasst fest, R habe zum im Straferkenntnis angeführten Zeitpunkt ein Sattelfahrzeug mit Sattelanhänger (Tieflader) auf einer näher genannten Strecke gelenkt, wobei auf dem Sattelanhänger ein Muldenkipper geladen gewesen sei. Während des Transportes auf der Autobahn habe der Muldenkipper mit dem oberen Teil der Mulde eine näher bezeichnete, über die Autobahn führende Brücke gestreift und diese erheblich beschädigt. Die Durchfahrtshöhe habe in der Mitte des ersten Fahrstreifens 4,58 m betragen. Grund für die Kollision mit der Brücke sei der Umstand gewesen, dass die Mulde des Muldenkippers nicht vollständig abgesenkt gewesen sei und daher die zulässige Gesamthöhe von 4,30 m überschritten worden sei. Es sei davon auszugehen, dass die Mulde bereits bei Fahrtantritt nicht vollständig abgesenkt gewesen sei.
5 Hinsichtlich der Feststellung, dass die Mulde des Muldenkippers bereits bei Fahrtantritt nicht vollständig abgesenkt gewesen sei, gab das Verwaltungsgericht beweiswürdigend an, aus dem eingeholten Gutachten des technischen Amtssachverständigen ergebe sich, dass für das Anheben der Mulde eine erhebliche Kraft erforderlich sei. Die beiden einvernommenen Zeugen hätten jedoch angegeben, dass der Motor des Muldenkippers abgestellt und eine Energiezufuhr durch Betätigung der Hydraulik daher ausgeschlossen gewesen sei. Es sei auch nicht möglich, dass sich die Mulde durch Erschütterungen während der Fahrt um zumindest 30 bis 40 cm gehoben habe. Hinweise auf die vom Revisionswerber wiederholt behaupteten möglichen Druckspeicher würden nicht vorliegen und es seien auch keine entsprechenden Beweismittel vorgelegt worden, obwohl der Revisionswerber dafür ausreichend Möglichkeiten gehabt hätte. Bei der durch die B GmbH in Auftrag gegebenen Reparatur hätten Erkenntnisse über allfällige Druckspeicher oder ein allfälliges technisches Gebrechen gewonnen werden können.
6Rechtlich führte das Verwaltungsgericht dazu aus, der objektive Tatbestand der angelasteten Verwaltungsübertretung sei dadurch erfüllt, dass die tatsächliche Fahrzeughöhe zum Tatzeitpunkt mehr als 4,30 m betragen habe. Hinsichtlich der subjektiven Tatseite sei auszuführen, dass der Revisionswerber lediglich angegeben habe, dass sich ein derartiger Vorfall noch nie ereignet habe und es sich daher um ein nicht näher beschriebenes technisches Gebrechen handeln müsse. Zur Frage, woher die Energie für das behauptete Anheben der Mulde während der Fahrt hätte kommen können, habe er auf mögliche Druckspeicher verwiesen, die im gegenständlichen Muldenkipper verbaut sein könnten. Damit sei ihm eine Glaubhaftmachung im Sinn des § 5 Abs. 1 zweiter Satz VStG jedoch nicht gelungen.
7 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, in der die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses beantragt wird. In dem vom Verwaltungsgerichtshof durchgeführten Vorverfahren wurde keine Revisionsbeantwortung erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
8 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit zusammengefasst vor, das Verwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, indem es seinem Erkenntnis ein Amtssachverständigengutachten zugrunde gelegt habe, das weder schlüssig noch logisch sei, zumal der Amtssachverständige zwar festgehalten habe, dass ein Heben der Mulde durch das Vorliegen von Druckspeichern erklärbar sei, zum Vorliegen von Druckspeichern beim gegenständlichen Fahrzeug aber keine Angaben habe machen können.
9 Die Revision erweist sich mit diesem Vorbringen als zulässig und begründet.
10Soweit die Revision die Schlüssigkeit des durch das Verwaltungsgericht eingeholten Gutachtens in Frage stellt, bekämpft sie in der Sache die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts (vgl. etwa VwGH 4.5.2022, Ra 2022/02/0056).
11Der Verwaltungsgerichtshof ist grundsätzlich als Rechtsinstanz tätig; zur Überprüfung der Beweiswürdigung ist er im Allgemeinen nicht berufen. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt lediglich dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. etwa VwGH 1.6.2022, Ra 2021/02/0058, mwN).
12 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes trifft auch ein Verwaltungsgericht die Verpflichtung, im Rahmen der Begründung seiner Entscheidung das Gutachten eines Sachverständigen auf seine Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit hin zu prüfen, weshalb es gehalten ist, sich im Rahmen der Begründung seiner Entscheidung mit dem Gutachten auseinander zu setzen und dieses gegebenenfalls unter Berücksichtigung dazu vorgebrachter Einwendungenentsprechend zu würdigen (vgl. VwGH 24.01.2022, Ra 2020/02/0018, mwN).
13 Aus dem Verhandlungsprotokoll der mündlichen Verhandlung am 19. Februar 2024 ergibt sich, dass der vom Verwaltungsgericht beigezogene technische Amtssachverständige zunächst ausschloss, dass sich die Mulde des gegenständlichen Fahrzeugs während der Fahrt hätte heben können, weil für derartige Bewegungen nach oben entgegen der Schwerkraft die Erzeugung einer „gewissen Leistung oder Kraft“ erforderlich sei. Zur Frage, ob er wisse, ob das System Ausgleichsbehälter bzw. Druckspeicher habe, gab er an, dass ihm Druckspeicher zwar nicht bekannt seien, er das System aber „natürlich nicht im Detail“ kenne. Wenn es Druckspeicher in entsprechender Größe gegeben hätte oder in das Fahrzeug eingebaut wären, wäre es „theoretisch nicht auszuschließen, dass die Kraft von diesen Druckspeichern“ komme.
14 Dem Verhandlungsprotokoll der mündlichen Verhandlung am 21. März 2024 ist zu entnehmen, dass der Amtssachverständige ausführte, ein Heben der Mulde während der Fahrt sei auch bei Vorliegen eines technischen Defektes ohne Energiezufuhr aus technischer Sicht nicht nachvollziehbar, weil es dafür relativ große Druckspeicher geben müsse. Der Amtssachverständige gab (wiederum) an, nicht zu wissen, ob das gegenständliche Fahrzeug überhaupt Druckspeicher bzw. größere Druckspeicher habe.
15 Da eine abschließende Beurteilung der für den gegenständlichen Fall wesentlichen Frage, ob das gegenständliche Fahrzeug Druckspeicher hat, die zu einem Heben der Mulde während der Fahrt hätten führen können, dem Gutachten des Amtssachverständigen somit nicht zu entnehmen ist, erweist sich schon der Befund und damit in weiterer Folge das Gutachten in diesem Punkt als nicht vollständig, weshalb es diesbezüglich auch nicht auf seine Schlüssigkeit hin überprüfbar ist. Wenn das Verwaltungsgericht ausführt, dass der Revisionswerber ausreichend Möglichkeiten gehabt hätte, Beweismittel zum Vorliegen von Druckspeichern vorzulegen, ist zu entgegnen, dass den Revisionswerber eine diesbezügliche Mitwirkungspflicht schon mangels Aufforderung zur Vorlage entsprechender Beweismittel nicht traf (zur mit dem Grundsatz der Amtswegigkeit des Verwaltungsverfahrens korrespondierenden Verpflichtung der Partei zur Mitwirkung bei der Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes bei entsprechender Aufforderung vgl. etwa VwGH 25.4.1997, 95/19/0926).
16Indem das Verwaltungsgericht dennoch auf der Grundlage des unvollständigen Amtssachverständigengutachtens von einer bereits bei Fahrtantritt angehobenen Mulde ausging und den vom Revisionswerber behaupteten technischen Defekt ausschloss, belastete es das angefochtene Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG.
17Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 25. Oktober 2024
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