Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Dr. Köller, den Hofrat Mag. Straßegger sowie die Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richter und Richterin, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Schörner, über die Revision der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom 12. Jänner 2021, LVwG 603420/15/BMa/PP, betreffend Übertretung der StVO (mitbeteiligte Partei: B in P, vertreten durch die Jaeger Loidl Welzl Schuster Schenk Rechtsanwälte OG in 4020 Linz, Hauptplatz 30), zu Recht erkannt:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
1 Mit Spruchpunkt 3. des Straferkenntnisses der revisionswerbenden Bezirkshauptmannschaft Linz Land vom 31. Oktober 2019 wurde der Mitbeteiligte schuldig gesprochen, am 26. Juni 2019 um 17:35 Uhr an einem näher angegebenen Ort ein mit „PKW, Kennzeichen: (A)“ genanntes Fahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand von mindestens 0,86 Promille Alkohol im Blut gelenkt zu haben und wegen Verletzung von § 99 Abs. 1b iVm. § 5 Abs. 1 StVO zu einer Geldstrafe von € 800,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 7 Tage) verurteilt sowie zur Zahlung eines Kostenbeitrags gemäß § 64 VStG verpflichtet.
2 Der dagegen erhobenen Beschwerde gab das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (Verwaltungsgericht) mit dem angefochtenen Erkenntnis Folge, es hob Spruchpunkt 3. des bekämpften Straferkenntnisses auf und sprach aus, dass der Mitbeteiligte weder einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgericht zu leisten habe, sowie dass gegen diese Entscheidung eine Revision unzulässig sei.
3 Das Verwaltungsgericht stellte fest, dass der Mitbeteiligte sein auf seinem privaten Vorplatz geparktes Auto auf die öffentliche Fläche gelenkt und dabei den Gartenzaun der Nachbarin touchiert habe. Der Mitbeteiligte habe nach dem Verkehrsunfall Bier und Sliwowitz in nicht mehr ermittelbarer Menge getrunken.
4 Beweiswürdigend nahm das Verwaltungsgericht auf das von der revisionswerbenden Bezirkshauptmannschaft eingeholte Gutachten Bezug, nach dem auf der Grundlage eines vom Mitbeteiligten ursprünglich angegebenen Nachtrunks von zwei Halbe Bier ein Alkoholisierungsgrad von 0,86 bis 1 Promille rückgerechnet worden sei. Der Mitbeteiligte habe am Tag des Unfalls angegeben, lediglich zwei Halbe Bier nach dem Unfall getrunken zu haben. In seiner Rechtfertigung habe er drei Flaschen Bier sowie ein paar Gläser Schnaps angegeben, in seiner Stellungnahme habe er von drei Bier sowie ein bis zwei Gläsern Schnaps gesprochen und in der Beschwerde den Nachtrunk mit drei Bier sowie mehreren Gläsern Schnaps beschrieben. Den Erstangaben des Mitbeteiligten sei schon deshalb keine besondere Bedeutung zuzumessen, weil der unter Wahrheitspflicht aussagende Zeuge J. einen glaubwürdigen Eindruck hinterlassen habe und den zusätzlichen, aber nicht näher quantifizierbaren Konsum von Sliwowitz durch den Mitbeteiligten bestätigt habe. Der vom Mitbeteiligten in der Verhandlung hergezeigten Schnapsflasche habe rund ein Viertelliter Sliwowitz gefehlt, was jedoch als Schutzbehauptung betreffend die konsumierte Alkoholmenge zu werten sei, weil er sich in jeder Hinsicht verteidigen dürfe und das Vorhandensein dieser Flasche bis zur fortgesetzten Verhandlung nicht erwähnt worden sei. Die Zeugin P. habe eine Alkoholisierung des Mitbeteiligten vermutet, habe aber dazu keine konkreten Angaben machen können. Zugunsten des Mitbeteiligten sei daher davon auszugehen, dass der Grad seiner Alkoholisierung zum vorgeworfenen Tatzeitpunkt nachträglich nicht feststellbar sei.
5 Rechtlich folgerte das Verwaltungsgericht, dass die dem Mitbeteiligten zur Last gelegte Tat nicht erweisbar gewesen sei, weshalb das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 VStG einzustellen gewesen sei.
6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Amtsrevision, zu der der Mitbeteiligte eine Revisionsbeantwortung erstattete.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
7 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, das angefochtene Erkenntnis weiche von näher zitierter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes betreffend Nachtrunk und Verpflichtung zur abschließenden Erledigung in der Sache ab.
8 Die Revision erweist sich als zulässig und begründet.
9 Soweit die Revision die Feststellungen zum Nachtrunk angreift, bekämpft sie in der Sache die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts. Der Verwaltungsgerichtshof ist grundsätzlich als Rechtsinstanz tätig; zur Überprüfung der Beweiswürdigung ist er im Allgemeinen nicht berufen. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt lediglich dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 27.9.2019, Ra 2019/02/0059, mwN). Eine dem § 60 AVG entsprechende Entscheidungsbegründung muss (auch) zu widersprechenden Beweisergebnissen im einzelnen Stellung nehmen und schlüssig darlegen, was das Verwaltungsgericht veranlasst hat, dem einen Beweismittel mehr Vertrauen entgegenzubringen als dem anderen; die dabei vorgenommenen Erwägungen müssen schlüssig sein, das heißt mit den Gesetzen der Logik und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut im Einklang stehen (vgl. VwGH 20.11.2019, Ro 2019/03/0018).
10 Im vorliegenden Fall hat der Mitbeteiligte trotz gebotener Gelegenheit die Behauptung eines Nachtrunks zunächst auf lediglich zwei Halbe Bier beschränkt und erst im Strafverfahren den Konsum größerer Alkoholmengen nach dem Verkehrsunfall behauptet. Die Tatsache dieser ersten Angabe wurde in der Anzeige festgehalten und vom Mitbeteiligten über Vorhalt in der Verhandlung nur insofern bestritten, als er einen Hörfehler der von ihm genannten „poar Halbe Bier“ als „zwoa Halbe Bier“ vermutete, auf das Fehlen von Angaben zum Schnapskonsum ging er nicht ein.
11 Vor dem Hintergrund der vom Verwaltungsgericht nicht ausreichend erörterten Erstaussage des Mitbeteiligten und seiner späteren Abweichungen davon erweist sich die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts, das sich in einer formelhaften Begründung über die Wahrheitspflicht von Zeugenaussagen sowie im nicht näher konkretisierten Eindruck über den Zeugen J. erschöpft und auf die zum Vorbringen des Mitbeteiligten in Widerspruch stehenden Aussagen des Zeugen J. über die Art des Konsums von Sliwowitz aus Gläsern oder aus der Flasche in diese Beweiswürdigung nicht miteinbezieht, als grob fehlerhaft. Mit den Gründen für die nach dem Mitbeteiligten angeblich - falschen Behauptungen bei der Erstbefragung zum Alkoholkonsum hat sich das Verwaltungsgericht überhaupt nicht beschäftigt. Auf das Verhältnis des Zeugen J. zum Mitbeteiligten ging das Verwaltungsgericht ebenso wenig ein. Der Aussage der Zeugin P. wird nur entnommen, dass sie eine Alkoholisierung des Mitbeteiligten vermute, dazu aber keine konkreten Angaben machen könne, ohne sich mit ihrer Angabe zu beschäftigen, dass der Mitbeteiligte nach Bier gerochen habe.
12 Die vom Verwaltungsgericht lediglich formelhaft und lückenhaft erfolgte Beweiswürdigung vermag daher die Negativfeststellung der Nachtrunkmengen vor dem Hintergrund der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur vollständigen und schlüssigen Beweiswürdigung nicht zu tragen.
13 Da das Verwaltungsgericht somit Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen hat, bei deren Einhaltung es zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, belastete das Verwaltungsgericht das angefochtene Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG.
14 Hinzu kommt, dass das Verwaltungsgericht die dem Mitbeteiligten zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht als erwiesen ansah und auch die daraus resultierende Einstellung gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 VStG begründete, ohne jedoch den Spruch diesbezüglich anzupassen. Damit belastete es seine Entscheidung mit Rechtswidrigkeit des Inhalts (vgl. VwGH 3.5.2021, Ra 2020/02/0276).
15 Das angefochtene Erkenntnis war sohin wegen prävalierender Rechtswidrigkeit des Inhalts aufzuheben.
Wien, am 1. Juni 2022
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