Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Nedwed und den Hofrat Mag. Straßegger sowie die Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richterin und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Andrés, über die Revision des J in P, vertreten durch die Draskovits Unger Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Bartensteingasse 16, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 30. November 2023, LVwG S 634/001 2023, betreffend Übertretung des ASchG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen), den Beschluss gefasst:
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 23. Jänner 2023 wurde dem Revisionswerber zur Last gelegt, er habe als das gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen berufene Organ der B J GmbH in seiner Funktion als handelsrechtlicher Geschäftsführer zu verantworten, dass diese Gesellschaft als Arbeitgeberin nicht dafür gesorgt habe, dass bei der Benutzung von Arbeitsmitteln die für sie geltenden Bedienungsanleitungen der Hersteller oder Inverkehrbringer eingehalten worden seien, weil ein namentlich genannter Arbeitnehmer am 18. Juli 2022 auf einer näher bezeichneten Baustelle ein mit der Handkreissäge C 7ST (Hersteller HIKOKI) zu schneidendes Werkstück (Holz) mit den Händen gehalten habe, obwohl in der geltenden Bedienungsanleitung Folgendes enthalten sei: „Halten Sie ein zu schneidendes Werkstück niemals mit den Händen oder gar über ihr Bein gelegt. Befestigen Sie das Werkstück auf einer stabilen Unterlage. Es ist wichtig das Werkstück richtig zu stützen, damit es nicht zu Körperkontakt, Festfressen des Sägeblattes oder Kontrollverlust kommt“. Der Revisionswerber habe dadurch § 130 Abs. 1 Z 16 iVm § 35 Abs. 1 Z 2 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG) verletzt, weshalb über ihn gemäß § 130 Abs. 1 Z 16 ASchG eine Geldstrafe in der Höhe von € 1.826, (Ersatzfreiheitsstrafe 73 Stunden) verhängt sowie ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens festgesetzt wurden.
2 Der dagegen vom Revisionswerber erhobenen Beschwerde gab das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (Verwaltungsgericht) mit dem angefochtenen Erkenntnis nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung insofern statt, als es die verhängte Geldstrafe auf € 1.000, (die Ersatzfreiheitsstrafe auf 36 Stunden) herabsetzte und den Beitrag zu den Kosten des behördlichen Verfahrens neu festsetzte. Die ordentliche Revision erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig.
3 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
4 Die Revision erweist sich als unzulässig:
5 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
8 In den gesondert vorzubringenden Gründen ist konkret auf die vorliegende Rechtssache bezogen aufzuzeigen, welche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung der Verwaltungsgerichtshof in einer Entscheidung über die Revision zu lösen hätte und in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat. Lediglich pauschale Behauptungen erfüllen diese Voraussetzungen nicht (vgl. VwGH 4.5.2022, Ra 2022/02/0062, mwN).
9 Die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision durch den Verwaltungsgerichtshof erfolgt ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulässigkeitsbegründung. Der Verwaltungsgerichtshof ist weder verpflichtet, Gründe für die Zulässigkeit einer Revision anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit der Revision hätten führen können, aufzugreifen (vgl. VwGH 6.4.2023, Ra 2022/02/0228, mwN).
10 Die Revision rügt in ihrer Zulässigkeitsbegründung zunächst die mangelhafte Begründung des Ausspruches des Verwaltungsgerichtes über die Unzulässigkeit der Revision.
11 Dem ist entgegenzuhalten, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes selbst das Fehlen einer näheren Begründung des Ausspruches nach § 25a Abs. 1 VwGG für sich betrachtet nicht dazu führt, dass die Revision im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG zulässig wäre. Die Zulässigkeitsbegründung der außerordentlichen Revision muss vielmehr Gründe anführen, aufgrund derer anzunehmen wäre, dass die Lösung des Revisionsfalles von einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhinge (vgl. VwGH 27.4.2020, Ra 2019/02/0229, mwN).
12 Auch mit dem weiteren Vorbringen, das Verwaltungsgericht sei in seinen rechtlichen Erwägungen von den eigenen Feststellungen abgewichen und versuche, diesen eine Feststellung zu unterstellen, die weder getroffen worden sei, noch habe getroffen werden können, wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan, zumal der Revisionswerber es unterlässt, konkret bezogen auf das angefochtene Erkenntnis darzulegen, inwiefern das Verwaltungsgericht von dem von ihm festgestellten Sachverhalt abgewichen wäre bzw. welche Sachverhaltselemente der Entscheidung nicht hätten zugrunde gelegt werden dürfen. Eine solche nicht weiter substantiierte Behauptung von Verfahrensmängeln reicht nicht aus, um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufzuzeigen, von deren Lösung das rechtliche Schicksal der Revision abhängt (vgl. VwGH 13.12.2021, Ra 2021/02/0240, mwN). Im Übrigen wäre auch die Relevanz der behaupteten Verfahrensmängel für den Verfahrensausgang darzulegen gewesen (vgl. zum Erfordernis der Darstellung der Relevanz bei der Geltendmachung von Verfahrensmängeln VwGH 18.4.2023, Ra 2023/02/0012, mwN).
13 Schließlich macht die Revision zur Begründung ihrer Zulässigkeit geltend, das Verwaltungsgericht unterstelle § 35 ASchG einen Anwendungsbereich, den die Bestimmung nicht habe, weil es diese auch auf Arbeitnehmer angewandt habe, die kein Arbeitsmittel benützt hätten. Eine Judikatur, wonach auch Arbeitnehmer aufgrund einer außerhalb ihrer Arbeitsleistung stehenden Tätigkeit vom Anwendungsbereich dieser Bestimmung geschützt sein sollen, gebe es nicht.
14 Zur Frage der Benutzung von Arbeitsmitteln ist zunächst auf die ebenfalls im 3. Abschnitt („Arbeitsmittel“) enthaltene Bestimmung des § 33 ASchG („Allgemeine Bestimmungen über Arbeitsmittel“) zu verweisen, die in ihrem Abs. 1 die „Benutzung“ von Arbeitsmitteln definiert. Demnach sind darunter „alle ein Arbeitsmittel betreffenden Tätigkeiten wie In und Außerbetriebnahme, Gebrauch, Transport, Instandsetzung, Umbau, Instandhaltung, Wartung und Reinigung“ zu verstehen.
15 Zudem hat der Verwaltungsgerichtshof im Zusammenhang mit § 130 Abs. 1 Z 16 ASchG zum Begriff der „Benutzung“ von Arbeitsmitteln bereits ausgesprochen, dass das ASchG, wie auch die Arbeitsmittelverordnung (AM VO), unter anderem der Umsetzung der Richtlinie 89/655/EWG (nunmehr 2009/104/EG) über Mindestvorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz bei Benutzung von Arbeitsmitteln durch Arbeitnehmer bei der Arbeit (Zweite Einzelrichtlinie im Sinne des Artikels 16 Absatz 1 der Richtlinie 89/391/EWG) dient, und diesem schon vor dem Hintergrund der gebotenen unionskonformen Auslegung dasselbe Begriffsverständnis zugrunde liegt, wie es in § 2 Abs. 2 AM VO sowie in § 33 Abs. 1 ASchG in Anlehnung an Art. 2 lit. b der Richtlinie 2009/104/EG definiert wird. Ebenso wie nach der entsprechenden Richtlinienbestimmung ist diese Aufzählung zudem nicht abschließend, sondern demonstrativ (vgl. VwGH 2.9.2015, Ra 2015/02/0143).
16 Weshalb das Verwaltungsgericht trotz dieses weiten Begriffsverständnisses im vorliegenden Fall, in dem mit dem Arbeitsmittel ein Brett zugeschnitten wurde, wobei eine Person das Arbeitsmittel bedient und eine andere das Brett gehalten hat, nicht von der „Benutzung“ eines Arbeitsmittels im Sinne des § 35 Abs. 1 Z 2 bzw. des § 130 Abs. 1 Z 16 ASchG hätte ausgehen dürfen, wird mit dem bloßen Verweis auf den Anwendungsbereich dieser Bestimmungen angesichts des insoweit klaren Wortlauts des § 35 Abs. 1 Z 2 ASchG nicht dargetan.
17 Sollte das Vorbringen zum Anwendungsbereich des § 35 ASchG in Bezug auf „außerhalb der Arbeitsleistung stehende Tätigkeiten“ von Arbeitnehmern darauf abzielen, dass der Arbeitnehmer den ihm zugewiesenen Tätigkeitsbereich überschritten habe, indem er das Holzbrett festgehalten habe, während dieses von einem anderen Arbeitnehmer mit der Handkreissäge zugeschnitten wurde, obwohl ihm die Arbeit an „Maschinen und mit Geräten“ untersagt war, genügt es, darauf hinzuweisen, dass ein wirksames Kontrollsystem gerade auch für den Fall eigenmächtiger Handlungen von Arbeitnehmern gegen Arbeitnehmerschutzvorschriften Platz zu greifen hat (vgl. VwGH 27.11.2019, Ra 2019/02/0164).
18 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 22. Februar 2024
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