Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Enzenhofer sowie die Hofräte Mag. Brandl und Dr. Terlitza als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Karger, LL.M., über die Revision des D J, in W, vertreten durch Mag. Johannes Maximilian Fouchs, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Weihburggasse 18 20/47, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. Jänner 2024, Zl. I416 2276950 1/18E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 18. Juli 2023 wurde dem Revisionswerber, einem kosovarischen Staatsangehörigen, der Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 aberkannt und festgestellt, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft nicht mehr zukomme, der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 nicht zuerkannt, kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen sowie festgestellt, dass die Abschiebung des Revisionswerbers in den Kosovo zulässig sei, eine Frist für eine freiwillige Ausreise gewährt und ein unbefristetes Einreiseverbot gegen ihn verhängt.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (Verwaltungsgericht) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung (u.a.) die Beschwerde des Revisionswerbers gegen den Bescheid des BFA als unbegründet ab. Die Revision wurde für nicht zulässig erklärt.
3 Begründend führte das Verwaltungsgericht u.a. aus, der Revisionswerber sei mit Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt vom 2. März 2023 wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 fünfter und sechster Fall, Abs. 2 Z 2 und Abs. 4 Z 3 SMG, des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 vierter Fall, Abs. 2 Z 2 und Abs. 4 Z 3 SMG, des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 12 zweiter oder dritter Fall StGB und § 28a Abs. 1 zweiter und dritter Fall, Abs. 2 Z 2 und Abs. 4 Z 3 SMG, der Vergehen nach § 50 Abs. 1 Z 1 und 3 WaffG und des Vergehens nach § 50 Abs. 1 Z 3 WaffG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von fünf Jahren verurteilt worden. Der Revisionswerber verbüße seit dem 24. August 2022 die Haftstrafe.
Es habe nicht festgestellt werden können, dass der Revisionswerber im Falle seiner Rückkehr in seinem Recht auf Leben gefährdet, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen oder von der Todesstrafe bedroht wäre. Die im Verfahren vorgebrachte Rückkehrbefürchtung des Revisionswerbers, dass er aufgrund eines Vorfalles in Wien, in den sein Bruder involviert gewesen sei, von Blutrache bedroht werde, habe er nicht glaubhaft machen können.
Im Rahmen der Interessenabwägung zur Zulässigkeit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung führte das Verwaltungsgericht aus, dass ein gemeinsames intensives Familienleben aufgrund der Verbüßung einer Haftstraße seit eineinhalb Jahren nicht bestehe. Die Ehefrau des Revisionswerbers, der ebenfalls die kosovarische Staatsbürgerschaft zukomme, wäre im Falle seiner Abschiebung in den Kosovo nicht gezwungen, das österreichische Bundesgebiet zu verlassen.
4 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
7 Die Revision bringt in den Zulässigkeitsgründen vor, das Verwaltungsgericht habe nicht ausreichend ermittelt, ob dem Revisionswerber im Fall einer Rückkehr in den Kosovo Gefahr für sein Leben durch Blutrache drohe. Es seien nicht sämtliche zur Verfügung stehende Beweisquellen ausgeschöpft worden. Das Erkenntnis leide somit an Ermittlungs und Feststellungsmängeln.
8 Die Frage, ob das Verwaltungsgericht im Rahmen seiner amtswegigen Ermittlungspflicht weitere Ermittlungsschritte setzen muss, unterliegt einer einzelfallbezogenen Beurteilung. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung läge insoweit nur dann vor, wenn die Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre (vgl. VwGH 7.9.2020, Ra 2020/01/0273, mwN).
9 Werden Verfahrensmängel als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss auch schon in der Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel dargelegt werden, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können. Die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensfehler ist in konkreter Weise, also fallbezogen darzulegen (vgl. VwGH 4.1.2024, Ra 2023/01/0355, mwN). Diesem Erfordernis wird in der Zulässigkeitsbegründung der Revision nicht entsprochen, insbesondere geht aus der Zulässigkeitsbegründung nicht hervor, zu welchen (asylrelevanten) Ermittlungsergebnissen das Verwaltungsgericht gekommen wäre, wenn es zusätzliche Ermittlungen getätigt hätte.
10 Der Revisionswerber wendet sich in seiner Zulässigkeitsbegründung weiters gegen die bei Erlassung der Rückkehrentscheidung und des Einreiseverbots angestellte Interessenabwägung nach § 9 BFA VG. Dazu bringt er vor, das Verwaltungsgericht sei nach näher genannter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht näher darauf eingegangen, ob und gegebenenfalls aus welchen Gründen es der Ehefrau nach ihrem langen durchgehenden Aufenthalt im Bundesgebiet zumutbar wäre, ihr unbefristetes Niederlassungsrecht und die damit verbundenen Ansprüche aufzugeben, um das gemeinsame Familienleben im Herkunftsstaat aufrechtzuerhalten.
11 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde nicht revisibel im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG (vgl. für viele VwGH 21.2.2022, Ra 2022/01/0024, mwN).
12 Die Revision vermag mit ihrem Vorbringen eine Unvertretbarkeit der durchgeführten Interessenabwägung nicht darzulegen, zumal das Verwaltungsgericht im gegenständlichen Verfahren anders als der Revisionswerber zur Zulässigkeit der Revision argumentiert nicht angenommen hat, das gemeinsame Familienleben könne im Herkunftsland fortgeführt werden. Vielmehr führte das Verwaltungsgericht mit näherer Begründung aus, dass die Ehefrau des Revisionswerbers nicht gezwungen sei, das österreichische Bundesgebiet zu verlassen (vgl. zum Nichtvorliegen einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung, wenn sich das Zulässigkeitsvorbringen vom festgestellten Sachverhalt entfernt, etwa VwGH 22.5.2023, Ra 2023/17/0046, mwN).
13 Die beim Revisionswerber vorliegende Suchtgiftdelinquenz stellt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zudem ein besonders verpöntes Fehlverhalten dar, bei dem erfahrungsgemäß eine hohe Wiederholungsgefahr gegeben ist und an dessen Verhinderung ein besonders großes öffentliches Interesse besteht. Dazu hat der Verwaltungsgerichtshof auch auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) hingewiesen, der Drogenhandel als Plage [„scourge“] bezeichnet und daher ein hartes Vorgehen nationaler Behörden dagegen billigt (vgl. VwGH 3.8.2023, Ra 2023/17/0093, mwN, sowie 26.5.2021, Ra 2021/01/0159, mit Verweis auf EGMR 15.10.2020, Akbay u.a./Deutschland , 40495/15, Z 110).
14 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 11. April 2024