Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pfiel sowie den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Herrmann Preschnofsky, in der Rechtssache der Revision des R A, vertreten durch Dr. Christian Schmaus, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Chwallagasse 4/11, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21. November 2022, W129 2243004 1/14E, betreffend Anerkennung als Flüchtling nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger von Syrien, stellte nach unrechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet am 24. Dezember 2020 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005).
2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies diesen Antrag mit Bescheid vom 3. Mai 2021 hinsichtlich des Begehrens auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ab. Die Behörde erkannte jedoch dem Revisionswerber den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu und erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte mit der Gültigkeit für ein Jahr.
3 Die gegen die Versagung der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten erhobene Beschwerde wurde vom Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer Verhandlung mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet abgewiesen. Unter einem sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die Erhebung einer Revision nach Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.
4 Der Revisionswerber brachte daraufhin gegen dieses Erkenntnis eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof ein, der mit Beschluss vom 27. Februar 2023, E 3506/22 5, deren Behandlung ablehnte und sie über nachträglichen Antrag des Revisionswerbers mit Beschluss vom 14. März 2023, E 3506/22 7 dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. In der Folge wurde die gegenständliche Revision erhoben.
5 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
8 Die Revision stützt sich in ihrem Vorbringen zu ihrer Zulässigkeit auf diverse Mängel in der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses und wendet sich gegen die beweiswürdigenden Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichtes.
9 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) definierten Verfolgung im Herkunftsstaat die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 21.5.2021, Ro 2020/19/0001, mwN).
10 Voraussetzung für die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ist nach § 3 Abs. 1 AsylG 2005, dass dem Asylwerber im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinn des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, also aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung, droht (vgl. VwGH 2.2.2023, Ro 2022/18/0002, mwN).
11 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt die Furcht vor der Ableistung des Militärdienstes bzw. der bei seiner Verweigerung drohenden Bestrafung im Allgemeinen keine asylrechtlich relevante Verfolgung dar, sondern könnte nur bei Vorliegen eines Konventionsgrundes Asyl rechtfertigen (vgl. dazu nochmals VwGH Ro 2020/19/0001, mwN). Wie der Verwaltungsgerichtshof zur möglichen Asylrelevanz von Wehrdienstverweigerung näher ausgeführt hat, kann auch der Gefahr einer allen Wehrdienstverweigerern bzw. Deserteuren im Herkunftsstaat gleichermaßen drohenden Bestrafung asylrechtliche Bedeutung zukommen, wenn das Verhalten des Betroffenen auf politischen oder religiösen Überzeugungen beruht oder dem Betroffenen wegen dieses Verhaltens vom Staat eine oppositionelle Gesinnung unterstellt wird und den Sanktionen wie etwa der Anwendung von Folter jede Verhältnismäßigkeit fehlt. Unter dem Gesichtspunkt des Zwanges zu völkerrechtswidrigen Militäraktionen kann auch eine „bloße“ Gefängnisstrafe asylrelevante Verfolgung sein (vgl. zum Ganzen VwGH 28.3.2023, Ra 2023/20/0027, mwN).
12 Das Bundesverwaltungsgericht verschaffte sich im Rahmen einer Verhandlung einen persönlichen Eindruck vom Revisionswerber und befasste sich mit der individuellen Situation des Revisionswerbers in Bezug auf den Herkunftsstaat. Anhand der dazu getroffenen Feststellungen hat es das Vorliegen einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit der Verfolgung des Revisionswerbers durch das syrische Regime in einer den konkreten Einzelfall betreffenden Beurteilung in vertretbarer Weise verneint.
13 Soweit die Revision dazu geltend macht, das angefochtene Erkenntnis leide an Begründungsmängeln, ist dem Revisionswerber zuzugestehen, dass die vom Bundesverwaltungsgericht in diesem Zusammenhang vertretene Auffassung erst durch eine Zusammenschau der in den Feststellungen, der Beweiswürdigung und der rechtlichen Beurteilung enthaltenen Erwägungen, in denen sich jeweils auch für andere Themenbereiche maßgebliche Elemente finden, zu Tage tritt.
14 Die Revision weist in diesem Zusammenhang zutreffend darauf hin, dass die Ausführungen im angefochtenen Erkenntnis, die syrischen Behörden würden nur Männer bis zu einem Alter von 27 Jahren einziehen und der Revisionswerber weise keine militärische Ausbildung auf, wodurch dies ein allfälliges Interesse der syrischen Armee an seiner Person mindere, sich aus den Länderberichten für Personen (wie den Revisionswerber), die den Wehrdienst noch nicht abgeleistet haben, nicht ergibt und vielmehr für Reservisten gilt.
15 Die Revision übersieht allerdings, dass sich das Bundesverwaltungsgericht bei der Beurteilung, ob der Revisionswerber in den Fokus der syrischen Behörden gelangen könnte und damit eine mit maßgeblicher Wahrscheinlich vorliegende Verfolgungsgefahr des Revisionswerbers bestünde, mit näherer Begründung unter Berücksichtigung seiner individuellen Situation darauf gestützt hat, dass eine Einberufung als Soldat oder Wehrdienstleistender nicht glaubhaft dargelegt worden sei. Es stützte sich tragend darauf, dass er wiederholt bis zum Jahr 2015 Aufschübe zur Ableistung des Wehrdienstes erhalten habe, er schließlich legal mit einer Ausreisegenehmigung von syrischen Behörden aus seiner Heimat ausgereist sei, er keinen Einberufungsbefehl erhalten habe und seinen Schilderungen auch keine persönlichen Kontaktaufnahmen durch Angehörige der syrischen Armee oder Ereignisse zu entnehmen gewesen wären, die eine geplante Einziehung zu den syrischen Streitkräften nahelegen würden.
16 Die Revision hält diesen Erwägungen nichts Stichhaltiges auf die Person des Revisionswerbers bezogen entgegen. Sie begegnet den Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichtes mit einzeln aus den Länderberichten herausgegriffenen Passagen und verweist dabei vor dem Hintergrund der vom Revisionswerber im Verfahren geäußerten Befürchtungen, im Fall seiner Rückkehr „bei einer Einziehung zum Militärdienst verhaftet, gefoltert, getötet zu werden“ auf sich aus den Länderberichten in Einzelfällen ergebenden Konsequenzen. Letztlich stellt die Revision damit eine bloß theoretisch denkbare Möglichkeit eines Verfolgungsszenarios für den Revisionswerber in den Raum und keine für ihn konkret vorliegende Gefahrenlage.
17 Es entspricht der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass die Frage, ob eine aktuelle Verfolgungsgefahr vorliegt, eine Einzelfallentscheidung ist, die grundsätzlich wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde nicht revisibel ist. Dem Revisionswerber muss, um den Status des Asylberechtigten zu erhalten, bei Rückkehr in seinen Herkunftsstaat Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohen. Die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 7.12.2022, Ra 2022/20/0076, mwN).
18 Wie bereits ausgeführt, stellt die Furcht vor der Einziehung zum Militärdienst allein oder die bei seiner Verweigerung drohende Bestrafung im Allgemeinen keine asylrelevante Verfolgung dar. Der Revision gelingt es fallbezogen nicht, ausgehend vom festgestellten Sachverhalt eine Verknüpfung zu einem der Verfolgungsgründe des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK herzustellen und damit darzulegen, dass die fallbezogene Einschätzung des Bundesverwaltungsgerichtes zu den vom Revisionswerber geschilderten fluchtauslösenden Ereignissen unvertretbar wäre (zur eingeschränkten Revisibilität der Beweiswürdigung im Revisionsverfahren vgl. etwa VwGH 31.1.2023, Ra 2022/20/0347, mwN).
19 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 13. Juni 2023