Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Novak, den Hofrat Dr. Sutter sowie die Hofrätinnen Dr. in Lachmayer und Dr. in Wiesinger und den Hofrat Dr. Hammerl als Richter und Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Löffler, LL.M., über die Revision des Gemeindeverbands Bezirkskrankenhaus X, vertreten durch die Rubatscher Steuerberatungs und Wirtschaftsprüfungsgesellschaft mbH in Innsbruck, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 28. Februar 2023, Zl. RV/3100357/2022, betreffend Umsatzsteuer 2016 bis 2020, zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtwidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von Euro 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
1 Aufgrund einer Außenprüfung verfügte das Finanzamt beim Revisionswerber, einem Gemeindeverband, die Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Umsatzsteuer 2016 bis 2019 und setzte die Umsatzsteuer für die Jahre 2016 bis 2020 neu fest.
2 Der Revisionswerber erhob Beschwerde gegen die Umsatzsteuerbescheide, die mit Beschwerdevorentscheidung als unbegründet abgewiesen wurde. Die Revisionswerberin stellte einen Vorlageantrag.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde als unbegründet ab. Es stellte fest, dass der Revisionswerber bis zum 31. Dezember 2001 das Bezirkskrankenhaus X selbst betrieben habe. Er habe von November 1993 bis Oktober 1996 einen Neubau errichtet und bestehende Bauten saniert. Die historischen Anschaffungskosten des Anlagevermögens hätten sich auf über 12,7 Millionen Euro belaufen. Mit Gesellschaftsvertrag vom 11. Dezember 2001 hätten der Revisionswerber und die T GmbH die BS GmbH errichtet. Gegenstand des Unternehmens sei insbesondere die Sicherstellung einer zeitgemäßen, bedarfsgerechten medizinischen Versorgung der Bevölkerung durch die Führung des Krankenhauses X und die Aufrechterhaltung des Betriebs der Krankenpflegeschule im bestehenden Umfang unter Bedachtnahme auf den gesetzlichen Versorgungsvertrag gewesen. Die Gesellschaft sei gemeinnützig und nicht auf Gewinn ausgerichtet.
4 Mit (undatiertem) Übertragungsvertrag hätten der Revisionswerber sowie die BS GmbH als Vertragsparteien und die an der Vereinbarung mitbeteiligte Partei T GmbH die Übertragung der Rechtsträgerschaft am Krankenhaus X vereinbart. Der im angefochtenen Erkenntnis auszugsweise wiedergegebenen Vereinbarung sei u.a. zu entnehmen, dass auch ein Bestandvertrag am Anlagevermögen mit einem jährlichen Bestandzins von 10.000 Euro abgeschlossen und eine Betriebspflicht der BS GmbH vereinbart worden sei. Der Revisionswerber habe sich zudem zu bestimmten Investitionen verpflichtet. Zum Personal werde ausgeführt, dass der Personalaufwand vorläufig vom Revisionswerber getragen werde.
5 Weiters stellte das Bundesfinanzgericht fest, es sei mit Übertragungsvertrag festgehalten worden, dass sämtliches Personal der BS GmbH in einem (öffentlich oder privatrechtlichen) Dienstverhältnis zum Revisionswerber stehe. Die BS GmbH sei ermächtigt worden, sämtliche Angelegenheiten hinsichtlich der Vertragsbediensteten eigenständig wahrzunehmen. Die Bediensteten des Revisionswerbers, deren Dienststelle das Krankenhaus X sei, würden der Betriebsgesellschaft unter Wahrung ihrer Rechte und Pflichten als Gemeindeverbandsbedienstete zur Dienstleistung zugewiesen. Die Personalkosten in Höhe von 34 bis 39 Mio Euro jährlich seien dem Revisionswerber von der Betriebsgesellschaft im verfahrensgegenständlichen Zeitraum vollständig, aber ohne darüberhinausgehenden Aufschlag ersetzt worden. Die Personalkosten seien mit 10% Umsatzsteuer in Rechnung gestellt worden.
6 Die Buchwerte des Anlagevermögens, welches mit 1. Jänner 2002 in Bestand gegeben worden sei, hätten ca. 65 Mio Euro betragen, der Wert der Vorräte 386.182,21 Euro. Die Anschaffungskosten für Anlagegüter (Ersatzanschaffungen) habe der Revisionswerber der Betriebsgesellschaft stets ohne Aufschlag und zuzüglich 10% Umsatzsteuer im Jahr der Anschaffung verrechnet. Der Umfang dieser Ersatzanschaffungen habe sich im verfahrensgegenständlichen Zeitraum zwischen 394.000 Euro und 825.000 Euro jährlich bewegt. Im revisionsgegenständlichen Zeitraum habe der Revisionswerber größere Investitionen getätigt, welche der Betriebsgesellschaft nicht in Rechnung gestellt worden seien. Insbesondere seien Investitionen für folgende Maßnahmen getätigt worden: IT Infrastruktur, Funktionsverbesserung der Radiologie, Umbauten der Zentralsterilisation, Sanierung der Operationsräume, Maßnahmen zur Verbesserung der Energieeffizienz, Anschaffung eines MRT Gerätes, Umbau der Ambulanzen, Ausbau der Krankenpflegeschule und Zubau des Süd Traktes. Im Jahr 2016 hätten sich diese Investitionen auf 34,934.581 Euro belaufen.
7 Der Bestandzins iHv 10.000 Euro zuzüglich 20 % Umsatzsteuer werde der BS GmbH jeweils im Nachhinein für das Vorjahr vorgeschrieben. Der Bestandzins sei noch nie valorisiert worden. In den Jahren 2016 und 2017 (für die Jahre 2015 und 2016) sei der BS GmbH kein Bestandzins vorgeschrieben worden, da in diesen Jahren ein Verlust erzielt worden sei. Dieser sei im Jahr 2021 nachfakturiert worden. Der Revisionswerber habe im Prüfungszeitraum den vollen Vorsteuerabzug für sämtliche Investitionen und Ersatzanschaffungen geltend gemacht.
8 Rechtlich führte das Bundesfinanzgericht aus, in einem ersten Schritt sei zu prüfen, ob die Vertragspartner die „Vermietung bzw. Verpachtung eines Grundstückes“ oder die „Verpachtung eines Betriebes“ vereinbart hätten. Im gegenständlichen Fall sei mit dem Übertragungsvertrag das im Eigentum der Revisionswerberin befindliche Anlagevermögen (Liegenschaften mit den darauf errichteten baulichen Anlagen samt Bestandteilen und Zubehör sowie bewegliches Vermögen, insbesondere Apparate und Geräte) in Bestand gegeben worden. Zweifelsfrei ließen sich die Liegenschaften samt den darauf errichteten baulichen Anlagen unter den Begriff „Grundstück“ im Sinne der oben zitierten Bestimmung subsumieren. Die ebenfalls verfahrensgegenständliche Überlassung von Teilen des Zubehörs und des beweglichen Vermögens falle jedenfalls nicht mehr unter den eng auszulegenden Begriff „Grundstück“. Ein Unternehmenspachtvertrag liege vor, wenn ein lebendes Unternehmen Gegenstand des Bestandvertrages sei, also eine organisierte Erwerbsgelegenheit mit allem, was zum Begriff des „good will“ gehöre, übergeben werde. Es sprächen mehrere Indizien dafür, dass ein lebender Betrieb verpachtet worden sei. Nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes sei für die Beurteilung der Frage, ob ein Pachtverhältnis iZm einem lebenden Betrieb vorliege, unerheblich, dass explizit nur für das Anlagevermögen ein Bestandzins vereinbart worden sei. Die Vereinbarung weise typische Elemente eines Vertrages iZm der Verpachtung eines lebenden Betriebes auf, auch wenn die Vereinbarung überdies gesellschaftsrechtliche Rechte und Pflichten enthalte. Bei einer Gesamtbetrachtung sei daher als Zwischenergebnis dem Grunde nach vom Vorliegen eines Pachtverhältnisses iZm einem lebenden Betrieb auszugehen. Würde der Revisionswerber das Krankenhaus selbst betreiben, läge bei ihm mit näherer Begründung ein Betrieb gewerblicher Art vor.
9 Bei der Prüfung, ob eine entgeltliche Überlassung eines Betriebs gewerblicher Art vorliege, sei der Begriff der Entgeltlichkeit nach § 2 Abs. 2 KStG 1988 unabhängig von Einnahmen von wirtschaftlichem Gewicht iSd § 2 Abs. 1 KStG 1988 zu sehen. Eine entgeltliche Überlassung liege jedenfalls nicht automatisch vor, wenn die Bagatellgrenze von 2.900 Euro überschritten werde. Entscheidend müsse daher sein, ob mit der Überlassung eines Betriebes gewerblicher Art eine wirtschaftliche Tätigkeit iSd Art. 9 MwStSyst RL vorliege. Nach Art. 9 Abs. 1 MwStSyst RL gelte als Steuerpflichtiger, wer eine wirtschaftliche Tätigkeit unabhängig von ihrem Ort, Zweck und Ergebnis selbständig ausübe. Mit dem Übertragungsvertrag sei ein Rechtsverhältnis zwischen dem Revisionswerber und der BS GmbH geschaffen worden, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht würden. Die Betriebsgesellschaft verpflichte sich zur Weiterführung der Krankenanstalt und Bezahlung des Bestandzinses für das überlassene Anlagevermögen in Höhe von 10.000 Euro jährlich. Der Revisionswerber gebe die Liegenschaft samt Zubehör und Geräten in Bestand, übertrage die Rechtsträgerschaft und verpflichte sich dazu, bestimmte Neu , Zu und Umbauten sowie Sanierungsmaßnahmen durchzuführen und Geräte zu beschaffen. Alleine im verfahrensgegenständlichen Zeitraum habe der Revisionswerber Investitionen in Höhe von ca. 35 Mio Euro getätigt, bei Einnahmen aus der Verpachtung von 40.000 Euro (für das Jahr 2016 sei kein Bestandzins vorgeschrieben worden). Insofern liege eine Asymmetrie zwischen Leistung und Gegenleistung im Sinne näher zitierter EuGH Rechtsprechung vor. Es sei keine wirtschaftliche Tätigkeit iSd. Art. 9 MwStSyst RL gegeben. Es liege daher keine entgeltliche Verpachtung eines Betriebes gewerblicher Art vor. Die Weiterverrechnung der Personalkosten sei unmaßgeblich, weil sogar vereinbart worden sei, dass der Personalaufwand vorübergehend vom Revisionswerber zu tragen sei und nunmehr nur kostendeckend ohne Aufschlag weiterverrechnet werde. Überdies sei ausdrücklich vereinbart worden, dass der gesamte Bestandzins „nur“ 10.000 Euro betrage.
10 Die Revision ließ das Bundesfinanzgericht zu, weil zu der Rechtsfrage, ob eine entgeltliche Überlassung eines Betriebes gewerblicher Art bereits vorliege, wenn die „Bagatellgrenze“ von 2.900 Euro überschritten werde, eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehle.
11 Gegen dieses Erkenntnis richtete sich vorliegende ordentliche Revision, die als weitere Zulässigkeitsbegründung vorbringt, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes seien mehrere Betätigungen einer Körperschaft öffentlichen Rechts als eine Einheit zusammenzufassen, wenn eine enge wechselseitige wirtschaftliche, organisatorische oder technische Verflechtung zwischen diesen Betätigungen vorliege. Von dieser Rechtsprechung sei das Bundesfinanzgericht abgewichen, indem es die entgeltliche Überlassung des Krankenhausbetriebes (mit allen Betriebsvorrichtungen) einerseits und die entgeltliche Gestellung des gesamten Krankenhauspersonals zum Betrieb dieses Krankenhauses nicht als Einheit beurteilt habe. Der Revisionswerber habe der Betreibergesellschaft sowohl seine sachlichen wie auch seine personellen Ressourcen für den Krankenhausbetrieb zur Verfügung gestellt. Zudem habe das Bundesfinanzgericht auch die vom Revisionswerber vorgenommene laufende entgeltliche Zurverfügungstellung aller Gegenstände, die zum „laufenden Betriebsaufwand“ des Krankenhauses gehörten, nicht in die Einheit einbezogen. Bei zusammengefasster Betrachtung erreiche das Entgelt für die Überlassung jedes Jahr einen zweistelligen Millionenbetrag und müsse die Zurverfügungstellung des Betriebes gewerblicher Art jedenfalls eindeutig als entgeltlich und als wirtschaftliche Tätigkeit gewertet werden.
12 Als weiterer Zulässigkeitsgrund werde eine aktenwidrige Sachverhaltsfeststellung des Bundesfinanzgerichts geltend gemacht. Die Nichteinbeziehung der entgeltlichen Personalgestellung in die entgeltliche Überlassung des Krankenhausbetriebes begründe das Bundesfinanzgericht nur mit einem einzigen Satz, in welchem es feststelle, dass der Personalaufwand „vorübergehend“ vom Revisionswerber zu tragen sei. Da das Bundesfinanzgericht dieses „vorübergehend“ als das (einzige) Argument gegen die Einheitlichkeit der Betätigungen heranziehe, sei entscheidend, dass im Übertragungsvertrag nicht das Wort „vorübergehend“, sondern das Wort „vorläufig“ verwendet werde und sich aus Punkt XIV dieses Vertrages ergebe, dass die (vom Revisionswerber als Arbeitgeber auszuzahlenden) Arbeitslöhne des Personals umgehend der Betriebsgesellschaft in Rechnung gestellt würden. Diese Aktenwidrigkeit sei relevant, weil das Bundesfinanzgericht bei Beachtung der tatsächlichen Vertragsvereinbarung und Vertragsdurchführung die Betriebsverpachtung (Krankenhausbetrieb) einerseits und die entgeltliche Gestellung des für den Betrieb notwendigen Krankenhauspersonals andererseits „als Einheit wirtschaftlicher Tätigkeit mit hohen Umsätzen hätte anerkennen müssen“. In Bezug auf die gegenständlich gegebene Einheit von Inbestandgabe der Anlagen und Gestellung des Personals liege auch ein Abweichen von der Rechtsprechung zur Begründungspflicht vor. Der Revisionswerber habe sowohl in der Beschwerde wie auch im Vorlageantrag den bei ihm vorliegenden engen wirtschaftlichen und organisatorischen Zusammenhang zwischen diesen Bereichen aufgezeigt. Zudem habe das Bundesfinanzgericht diverse Zahlungen der BS GmbH an den Revisionswerber nicht berücksichtigt.
13 Das Finanzamt hat eine Revisionsbeantwortung erstattet.
14 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
15 Die Revision macht einen Begründungsmangel geltend. Ein solcher führt dann zur Zulässigkeit der Revision, wenn er relevant ist, der Mangel also den Revisionswerber an der Verfolgung seiner Rechte oder den Verwaltungsgerichtshof an der Überprüfung des angefochtenen Erkenntnisses auf seine inhaltliche Rechtmäßigkeit hindert (vgl. z.B. VwGH 24.4.2025, Ra 2023/15/0034, mwN). Dies liegt im Revisionsfall vor.
16 Das Bundesfinanzgericht geht in seinem Erkenntnis davon aus, dass ein Pachtverhältnis im Zusammenhang mit einem lebenden Betrieb vorliegt. Bei dem Betrieb handelt es sich um ein Krankenhaus. Wieso das Bundesfinanzgericht annimmt, dass die Personalgestellung also die Überlassung der für das Krankenhaus tätigen Personen nicht Teil dieser Betriebsverpachtung, sondern gesondert zu beurteilen sei, lässt sich seiner Begründung nicht entnehmen. Lediglich bei der Beurteilung der Entgeltlichkeit der Überlassung des Betriebs gewerblicher Art führt das Bundesfinanzgericht aus, dass die Weiterverrechnung der Personalkosten unmaßgeblich sei, da vereinbart worden sei, dass der Personalaufwand vorübergehend vom Revisionswerber zu tragen sei und nunmehr nur kostendeckend ohne Aufschlag weiterverrechnet werde.
17 Abgesehen davon, dass, wie die Revision zurecht moniert, im Vertrag nicht das Wort „vorübergehend“, sondern „vorläufig“ enthalten ist, lässt sich für den Verwaltungsgerichtshof damit noch nicht erkennen, wieso das Bundesfinanzgericht die Überlassung des Grundstückes, der Betriebsvorrichtungen, der Vorräte und eines bestimmten Teils des Personals als Teil der Verpachtung eines Betriebs gewerblicher Art ansieht, die Überlassung des weiteren Personals aber nicht.
18 Damit hat das Gericht sein Erkenntnis mit einem Begründungsmangel belastet. Dieser ist auch relevant, weil bei Einbeziehung der Personalgestellung die gezahlten Gehälter im Rahmen der Beurteilung der Entgeltlichkeit der Überlassung berücksichtigt werden müssten.
19 Nach dem Gesagten war das Erkenntnis schon deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. a, b und c VwGG aufzuheben.
20 Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 7. Oktober 2025