Beschluss
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Ri in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Gosteco Goworek Steuerberatungs-, Wirtschaftsprüfungs- und Consulting GmbH, Zieglergasse 27/2/9, 1070 Wien, betreffend Haftungs- und Abgabenbescheid 01.2011-12.2013 Steuernummer ***BF1StNr2*** beschlossen:
I. Die Beschwerde wird an das vorlegende Finanzamt Österreich weiter- bzw. rückgeleitet.
II. Gegen verfahrensleitende Beschlüsse ist eine abgesonderte Revision an den Verwaltungsgerichtshof oder Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht zulässig.
Begründung
1. Zu Spruchpunkt I.
Verfahrensgang
Am 22.06.2015 erließ das Finanzamt Körperschaftsteuerbescheide für die Jahre 2011, 2012 und 2013, einen Bescheid betreffend Festsetzung der Anspruchszinsen für das Jahr 2013, und einen Bescheid betreffend Festsetzung der Kapitalertragsteuer für den Zeitraum 2011 bis 2013.
Gegen diese Bescheide wurde am 28.08.2015 von der Beschwerdeführerin (Bf.) eine Beschwerde eingebracht. Am 17.09.2015 erfolgte die Beschwerdevorentscheidung betreffend die Festsetzung der Anspruchszinsen für das Jahr 2013, am 31.01.2017 die Beschwerdevorentscheidung betreffend die Festsetzung der Kapitalertragsteuer für den Zeitraum 2011 bis 2013 und am 02.02.2017 die Beschwerdevorentscheidung betreffend die Körperschaftsteuerbescheide für die Jahre 2011, 2012 und 2013.
Am 02.02.2017 wurde ein Haftungsbescheid für den Zeitraum 2011 bis 2013 betreffend Kapitalertragsteuer von der Abgabenbehörde erlassen.
Mit 28.02.2017 brachte die Bf. folgende Anträge ein:
"St.Nr.: ***BF1StNr2***, ***Bf1***, Antrag auf Vorlage der Beschwerde in Bezug auf die Beschwerdevorentscheidung vom 02.02.2017, eingelangt am 09.02.2017, an das Bundesfinanzgericht gemäß § 264 Abs. 1 BAO gegen die Körperschaftsteuerbescheide 2011 bis 2013 betreffend Außenprüfung sowie Anspruchszinsenbescheid 2013,St.Nr.: 11-111/1111, TK in Verbindung mit ***BF1StNr2***, Antrag auf Vorlage der Beschwerde in Bezug auf die Beschwerdevorentscheidung vom 31.01.2017, eingelangt am 09.02.2017, an das Bundesfinanzgericht gemäß § 264 Abs. 1 BAO gegen den Bescheid über die Festsetzung der Kapitalertragsteuer 2011 bis 2013, Antrag auf Vorlage der Beschwerde gegen den Haftungsbescheid an die ***Bf1*** für 2011 bis 2013 vom 02.02.2017, eingelangt am 09.02.2017, betreffend Kapitalertragsteuer".
Erstbescheid | Beschwerde | BVE | Vorlageantrag | |
Köst 2011 - 2013 | 22.06.2015 | 28.08.2015 | 02.02.2017 | 28.02.2017 |
Anspruchszinsen | 22.06.2015 | 28.08.2015 | 17.09.2015 | 28.02.2017 |
Kest 2011 - 2013 | 22.06.2015 | 28.08.2015 | 31.01.2017 | 28.02.2017 |
Haftungsbescheid | 02.02.2017 | 28.02.2017 |
Infolgedessen wurden die Beschwerde der Bf. gegen die Festsetzung der Anspruchszinsen für das Jahr 2013 und gegen die Körperschaftsteuerbescheide der Jahre 2011, 2012 und 2013 sowie die Beschwerde des Gesellschafters TK gegen die Festsetzung der Kapitalertragsteuer dem Bundesfinanzgericht vorgelegt.
Die Bf. hat in dieser Eingabe am 28.02.2017 unter anderem auch gegen den am 02.02.2017 ergangenen Haftungs- und Abgabenbescheid für den Zeitraum 2011 bis 2013 einen "Vorlageantrag" gestellt. Die bezugnehmenden Körperschaftsteuerbescheide wurden jedoch bereits jeweils am 22.06.2015 erlassen, gegen die innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben wurde, die mit Beschwerdevorentscheidung vom 02.02.2017 entschieden wurde. Im Zuge dieser Erledigung wurde erstmals der gegenständliche Haftungsbescheid erlassen.
Die Beschwerde betreffend Festsetzung von Anspruchszinsen wurde mit Beschwerdevorentscheidung vom 17.09.2015 erledigt.
Die Beschwerde betreffend Festsetzung der Kapitalertragsteuer wurde mit Beschwerdevorentscheidung vom 31.01.2017 erledigt.
Gegen diese Beschwerdevorentscheidungen stellte die Bf. einen Vorlageantrag hinsichtlich der Körperschaftsteuerbescheide und der Festsetzung der Anspruchszinsen sowie der Gesellschafter-Geschäftsführer [...] gegen den Bescheid über die Festsetzung der Kapitalertragsteuer 2011 bis 2013 (RV/7103537/2017).
In derselben Eingabe vom 28.02.2017 stellte die Bf. auch einen Antrag auf Vorlage der Beschwerde gegen den Haftungsbescheid betreffend Kapitalertragsteuer (RV/7104132/2024).
Diesen Vorlageantrag legte das Finanzamt dem Bundesfinanzgericht vor.
Beweiswürdigung
Die im Verfahrensgang festgestellten Tatsachen sind erwiesen und ergeben sich zur Gänze aus den vorgelegten Akten:
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Der Haftungsbescheid für den Zeitraum 2011 bis 2013 für Kapitalertragsteuer wurde am 02.02.2017 erlassen und am 09.02.2017 mit Rückschein an die steuerliche Vertretung zugestellt.
Rechtliche Beurteilung
Gemäß § 243 BAO sind gegen Bescheide, die Abgabenbehörde erlassen, Beschwerden (Bescheidbeschwerden) an die Verwaltungsgerichte zulässig, soweit in Abgabenvorschriften nicht anderes bestimmt ist.
Gemäß § 262 Abs. 1 BAO ist über Bescheidbeschwerden nach Durchführung der etwa noch erforderlichen Ermittlungen von der Abgabenbehörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat, mit als Beschwerdevorentscheidung zu bezeichnendem Bescheid abzusprechen.
Gemäß § 264 Abs. 1 BAO kann gegen eine Beschwerdevorentscheidung innerhalb eines Monats ab Bekanntgabe (§ 97 BAO) der Antrag auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Verwaltungsgericht gestellt werden (Vorlageantrag). Der Vorlageantrag hat die Bezeichnung der Beschwerdevorentscheidung zu enthalten.
Zuständig zu einer Entscheidung (in der Sache) ist das Bundesfinanzgericht im Regelfall nur dann, wenn zuvor bereits die Abgabenbehörde mit Beschwerdevorentscheidung entschieden hat und dagegen ein Vorlageantrag erhoben wurde (vgl. VwGH 29.01.2015, Ro 2015/15/0001, VwGH 22.11.2017, Ra 2017/13/0010).
Parteienerklärungen sind nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nach ihrem objektiven Erklärungswert auszulegen. Die Erklärung muss also unter Berücksichtigung der konkreten gesetzlichen Regelung, des Verfahrenszweckes und der der Behörde vorliegenden Aktenlage objektiv beurteilt werden (VwGH 27.11.2017, Ra 2016/15/0053).
Dem Inhalt nach handelt sich bei dem Schreiben der Bf. um eine Beschwerde. Eine Beschwerdevorentscheidung ist bislang unterblieben.
Der Antrag der Bf. betreffend der Vorlage der Beschwerde gegen den Haftungsbescheid enthält - anders als die im selben Schreiben gestellten Anträge - den Zusatz "in Bezug auf die Beschwerdevorentscheidung" nicht. Daraus folgt, dass die Bf. eine Unterscheidung zwischen dem Antrag in Bezug auf den Haftungsbescheid und den restlichen Anträgen, die als Vorlageantrag zu qualifizieren sind, trifft. Gemäß § 264 Abs. 1 letzter Satz BAO fehlt in Bezug auf den "Antrag auf Vorlage der Beschwerde gegen den Haftungsbescheid" auch die Bezeichnung der Beschwerdevorentscheidung, die für die Einordnung als Vorlageantrag notwendig wäre.
Da das verfahrensgegenständliche Anbringen im Rahmen der Erlassung der Beschwerdevorentscheidung gestellt wurde, ist von einem Irrtum bei der Bezeichnung des Rechtsmittels auszugehen und wird der "Vorlageantrag" in eine "Beschwerde" umgedeutet.
Das Vorbringen der Bf. in Bezug auf den Haftungsbescheid stellt daher keinen Vorlageantrag dar. Es ist als Beschwerde gegen den Haftungsbescheid vom 02.02.2017 zu qualifizieren.
Da diese Beschwerde direkt - ohne Vorliegen der gesetzlichen Gründe - vorgelegt wurde, ist das Bundesfinanzgericht nicht zur Entscheidung in der Sache zuständig.
Gemäß § 281a BAO hat das Verwaltungsgericht, wenn es nach einer Vorlage (§ 265 BAO) zur Auffassung gelangt, dass noch eine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen ist oder ein Vorlageantrag nicht eingebracht wurde, die Parteien darüber unverzüglich formlos in Kenntnis zu setzen.
In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (190 BlgNR 26. GP 56) wurde zu dieser Bestimmung auszugsweise wie folgt ausgeführt: "Wenn wegen einer fehlenden Beschwerdevorentscheidung oder wegen eines fehlenden Vorlageantrages eine Zuständigkeit zur Erledigung der Bescheidbeschwerde oder des Vorlageantrages trotz erfolgter Vorlage (§ 265 BAO) nicht auf das Verwaltungsgericht übergehen konnte, besteht kein Erfordernis, dass das Verwaltungsgericht darüber einen Unzuständigkeitsbeschluss fasst (vgl. VwGH 29.1.2015, Ro 2015/15/0001). Auch aus Gründen des Rechtsschutzes ist es nicht erforderlich, über eine Unzuständigkeit durch das Verwaltungsgericht mittels eines Feststellungsbeschlusses abzusprechen. Im Interesse der Vereinfachung und Beschleunigung des Beschwerdeverfahrens soll das Verwaltungsgericht eine ihm von der Abgabenbehörde (zumeist nur irrtümlich) vorgelegte Beschwerde, über die es seiner Ansicht nach in Ermangelung einer Beschwerdevorentscheidung oder eines Vorlageantrages nicht zu entscheiden hat, der Abgabenbehörde ohne unnötigen Aufschub zurückschicken und den Beschwerdeführer davon verständigen. Die neue Verständigungspflicht gemäß § 281a BAO soll, insbesondere im Hinblick auf die Verständigung des Beschwerdeführers vom Zeitpunkt und Inhalt der zunächst erfolgten Vorlage, gewährleisten, dass beide Parteien rasch und einfach mittels formloser Mitteilung des Verwaltungsgerichtes davon Kenntnis erlangen, dass sich das Verwaltungsgericht für unzuständig hält."
Der Gesetzgeber geht somit davon aus, dass in den genannten Fällen das Verwaltungsgericht die vorgelegte Beschwerde an die Abgabenbehörde ohne unnötigen Aufschub zurückschicken soll, was der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zufolge bereits kraft eines Größenschlusses aus § 53 BAO iVm § 2a BAO folgt. § 281a BAO sieht in diesem Zusammenhang (lediglich) die ausdrückliche Verpflichtung des Verwaltungsgerichts vor, die Parteien über diese Weiterleitung zu verständigen (vgl VwGH 20.9.2023, Ro 2023/13/0015, mwN).
Die Weiterleitung (Rückleitung) der Beschwerde durch das Verwaltungsgericht ist als verfahrensleitender Beschluss anzusehen. Wenn § 281a BAO vorsieht, dass die Verständigung "formlos" erfolgen soll, so ist dies dahin zu verstehen, dass eine bestimmte Form hiefür nicht vorgesehen ist. Zweckmäßig erfolgt diese Verständigung dadurch, dass eine Ausfertigung des verfahrensleitenden Beschlusses (samt Begründung, in der die Ansicht des Bundesfinanzgerichts dargelegt wird) den Parteien zugestellt wird (vgl VwGH 20.9.2023, Ro 2023/13/0015, mwN).
Bei der Verständigung nach § 281a BAO handelt es sich um einen verfahrensleitenden Beschluss (VwGH 20.09.2023, Ro 2023/13/0015). Gegen verfahrensleitende Beschlüsse ist eine abgesonderte Revision an den Verwaltungsgerichtshof oder Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht zulässig. Sie können erst in der Revision oder Beschwerde gegen das die Rechtssache abschließenden Bescheid erheben.
Das Bundesfinanzgericht gelangt daher gemäß § 281a BAO zur Auffassung, dass eine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen ist und setzt mit diesem Schreiben beide Parteien davon in Kenntnis.
Abschließend wird angemerkt, dass bei der Erlassung der Beschwerdevorentscheidung darauf Bedacht zu nehmen ist, dass die vorgeschriebene Kapitalertragsteuer bereits dem Gesellschafter vorgeschrieben und entrichtet wurde.
Das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesfinanzgericht ist daher einzustellen.
Die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens werden hiervon gemäß § 281a BAO formlos in Kenntnis gesetzt.
2. Zu Spruchpunkt II.
Die Weiterleitung (Rückleitung) der Beschwerde durch das Verwaltungsgericht ist als verfahrensleitender Beschluss anzusehen (vgl VwGH 20.09.2023, Ro 2023/13/0015, mwN). Gegen verfahrensleitende Beschlüsse des Verwaltungsgerichts (vgl auch - zur Abgrenzung von sofort anfechtbaren Beschlüssen - VwGH 15.12.2022, Ro 2022/13/0031, mwN) ist nach § 25a Abs. 3 VwGG eine abgesonderte Revision nicht zulässig; sie können erst in der Revision gegen das die Rechtssache erledigende Erkenntnis angefochten werden.
Gegen einen Beschluss, mit dem das Verwaltungsgericht die Beschwerde an eine andere Stelle weiterleitet, ist demnach eine abgesonderte Revision nicht zulässig (vgl zB VwGH 19.06.2018, Ko 2018/03/0002; VwGH 02.08.2018, Ra 2018/03/0072, mwN). Gleiches gilt auch für die "formlose" Verständigung über die Weiterleitung (Rückleitung) samt Mitteilung der Ansicht des Bundesfinanzgerichts, die der Bekanntgabe des Inhalts des verfahrensleitenden Beschlusses entspricht (VwGH 20.09.2023, Ro 2023/13/0015).
Belehrung und Hinweise
Gegen verfahrensleitende Beschlüsse ist eine abgesonderte Revision an den Verwaltungsgerichtshof oder Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht zulässig. Sie können erst in der Revision oder Beschwerde gegen das die Rechtssache erledigende Erkenntnis angefochten werden (§ 25a Abs 3 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, § 88a Abs 3 Verfassungsgerichtshofgesetz 1953).
Verneint das Bundesfinanzgericht nach der Vorlage der Beschwerde zu Unrecht seine Zuständigkeit, weil es fälschlich annimmt, es fehle (ohne Rechtfertigung durch eine der Ausnahmen des § 262 Abs. 2 bis 4 BAO) an einer (wirksam zugestellten) Beschwerdevorentscheidung oder es sei kein Vorlageantrag (wirksam) eingebracht worden, und unterlässt es daher die Erledigung der Beschwerde, so steht beiden Parteien (vgl zur Amtspartei VwGH 6.4.2016, Fr 2015/03/0011) des Verfahrens vor dem Bundesfinanzgericht der Fristsetzungsantrag an den Verwaltungsgerichtshof offen (VwGH 22.11.2017, Ra 2017/13/0010).
Wien, am 29. Juli 2025