Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident MMag. Maislinger und die Hofrätin Dr. in Lachmayer, den Hofrat Dr. Bodis, die Hofrätin Dr. inWiesinger sowie den Hofrat Mag. M. Mayr, LL.M., als Richter und Richterinnen, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Karger, LL.M., MA, über die Revision des Finanzamtes Österreich gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom 5. Juli 2022, RV/7100408/2022, betreffend Aufhebung gemäß § 299 BAO (Einkommensteuer 2019) (mitbeteiligte Partei: Ing. G, vertreten durch die KPMG Alpen Treuhand GmbH, Wirtschaftsprüfungs und Steuerberatungsgesellschaft in Wien), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
1 Der Mitbeteiligte reichte im Jahr 2021 seine Einkommensteuererklärung für das Jahr 2019 ein und übermittelte zugleich einen ergänzenden Schriftsatz, in dem er die näheren Umstände seiner Beteiligung als Kommanditist an der (vermögensverwaltenden) I KG darlegte. Er führte dabei im Wesentlichen aus, die I KG habe in den Jahren 2017 und 2018 von verschiedenen Gläubigern (aufschiebend bedingte) Forderungen gegenüber der I GmbH unter dem Nennwert entgeltlich erworben und zugleich Haftungen gegenüber der G GmbH übernommen. Diese erworbenen Forderungen seien im Jahr 2019 (nach Eintritt der vereinbarten Bedingungen) durch die I GmbH zur Gänze beglichen worden, wobei nach Rechtsansicht des Mitbeteiligten die dadurch erzielten und ihm aufgrund seiner Beteiligung an der I KG direkt zuzurechnenden Überschüsse (Unterschiedsbeträge zwischen den Tilgungsbeträgen und den niedrigeren Anschaffungskosten der Forderungen) nicht steuerbar seien, weil nach der näher angeführten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Einziehung einer notleidenden Forderung im außerbetrieblichen Bereich nur im Rahmen der Spekulationseinkünfte (somit nur innerhalb der einjährigen Spekulationsfrist) erfasst sei.
2Nachdem der Einkommensteuerbescheid 2019 zunächst erklärungsgemäß (ohne Berücksichtigung der genannten Überschüsse) ergangen war (Bescheid vom 29. Jänner 2021), hob das Finanzamt nach Durchführung eines schriftlichen Vorhalteverfahrens diesen Bescheid gemäß § 299 BAO auf und erließ einen neuen Einkommensteuerbescheid (beide vom 3. Dezember 2021), mit dem die genannten Überschüsse als Einkünfte aus Kapitalvermögen gemäß § 27 Abs. 3 EStG 1988, auf die ein besonderer Steuersatz nicht anwendbar ist, erfasst wurden.
3 In der gegen diese beiden Bescheide gerichtetenu.a. mit dem Antrag auf Unterlassung einer Beschwerdevorentscheidung gemäß § 262 Abs. 2 lit. a BAO verbundenenBeschwerde vom 2. Februar 2022 wiederholte der Mitbeteiligte im Wesentlichen sein rechtliches Vorbringen aus dem die Einkommensteuererklärung ergänzenden Schriftsatz. Weiters brachte er u.a. vor, der Aufhebungsbescheid gemäß § 299 BAO sei ohne nähere auf die Rechtswidrigkeit des aufgehobenen Einkommensteuerbescheides 2019 Bezug nehmende und die Ermessensübung darlegende Begründung ergangen und die im neu erlassenen Einkommensteuerbescheid 2019 angekündigte, gesonderte Begründung sei nicht zugestellt worden.
4Mit Bescheid vom 11. Februar 2022 berichtigte das Finanzamt gemäß § 293 BAO den Aufhebungsbescheid gemäß § 299 BAO, indem es eine Begründung ergänzte. Mit Erledigung vom selben Tag fertigte das Finanzamt eine gesonderte Begründung zum neu erlassenen Einkommensteuerbescheid 2019 aus. Beide Erledigungen wurden dem Mitbeteiligten am 16. Februar 2022 zugestellt. Über das weitere Schicksal des Berichtigungsbescheides kann den vorgelegten Verfahrensakten nichts entnommen werden.
5 Mit Vorlagebericht vom 14. Februar 2022 (am selben Tag eingelangt) legte das Finanzamt die Beschwerde des Mitbeteiligten dem Bundesfinanzgericht vor.
6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde statt und hob die angefochtenen Bescheide auf. Es sprach zudem aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B VG zulässig sei.
7 Das Bundesfinanzgericht führte nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens im Wesentlichen aus, der Mitbeteiligte sei an der im Geschäftszweig „Erwerb und Veräußerung von Beteiligungen“ vermögensverwaltend tätigen I KG seit deren Gründung im Jahr 2017 bis zu deren Löschung aus dem Firmenbuch im Jahr 2020 im näher genannten Ausmaß beteiligt gewesen. In den Jahren 2017 und 2018 habe die I KG von verschiedenen Gesellschaften Forderungen gegen die I GmbH zu einem näher angeführten, (weit) unter dem Nominale liegenden Kaufpreis erworben und zugleich Haftungen gegenüber der G GmbH übernommen.
8 Die erworbenen Forderungen seien aufschiebend mit dem Verkauf von Geschäftsanteilen an einer näher genannten GmbH durch die G GmbH bedingt gewesen. Der tatsächliche Umfang der Befriedigung der Forderungen habe sich nach dem aus der Veräußerung der Geschäftsanteile erzielten Erlös nach Abrechnung mit anderen, teilweise bevorrechtigten Gesellschaftern, gerichtet. Eine Verzinsung der übernommenen Forderungen sei nicht vereinbart gewesen.
9 Im Jahr 2019 seien die genannten Geschäftsanteile durch die G GmbH veräußert und dabei Verkaufserlöse (in näher angeführter Höhe) erzielt worden, die zur Erfüllung der Forderungen durch die I GmbH gegenüber der I KG geführt hätten.
10In rechtlicher Hinsicht führte das Bundesfinanzgericht auf das Wesentliche zusammengefasst aus, § 27 Abs. 3 EStG 1988 knüpfe formal an § 27 Abs. 2 EStG 1988 an, womit nur Wertsteigerungen jener Wirtschaftsgüter bzw. Kapitalanlagen der Besteuerung unterliegen würden, deren laufende Erträge von § 27 Abs. 2 EStG 1988 erfasst seien. Es komme dabei nicht auf konkrete Kapitalerträge an; es reiche, wenn laufende Einkünfte aus der betreffenden Kapitalanlage von § 27 Abs. 2 EStG 1988 erfasst wären. Eine Ausnahme davon bildeten Nullkuponanleihen, deren Erträge aufgrund der ausdrücklichen Nennung in § 27 Abs. 3 EStG 1988 nur im Rahmen dieser Bestimmung erfasst wären; laufende Kapitalerträge nach § 27 Abs. 2 EStG 1988 gebe es hier nicht.
11In § 27 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 seien als „Kapitalforderungen jeder Art“ beispielhaft (nicht taxativ) Darlehen, Anleihen, Hypotheken, Bankeinlagen, Guthaben bei Kreditinstituten und Ergänzungskapital iSd BWG und VAG genannt. Kapitalforderungen jeder Art seien nach dieser Bestimmung alle auf einen Geldbetrag gerichteten Forderungen, die nicht schon nach einem anderen Tatbestand des § 27 Abs. 2 EStG 1988 zu erfassen seien, wobei der Rechtsgrund für die Kapitalforderung keine Rolle spiele. Auch eine (verzinsliche) Kaufpreisforderung, eine (verzinsliche) Forderung aus einer gemischten Schenkung oder eine Schadenersatzforderung, für die Verzugszinsen zu leisten seien, würden darunter fallen. Die Bestimmung des § 27 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 sei wortgleich zur Vorgängerbestimmung des § 27 Abs. 1 Z 4 EStG 1988 idF vor dem Budgetbegleitgesetz 2011 (BGBl. I Nr. 111/2010).
12 Zur genannten Vorgängerbestimmung habe der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 11. November 2008, 2006/13/0088, ausgesprochen, dass die Einlösung von unter Nominale erworbenen Forderungen zum vollen Nominale unter keinen Einkünftetatbestand zu subsumieren sei.
13Werde eine Forderung deshalb unter dem Nominale gekauft, weil sie notleidend sei, und gehe sie dann im Privatvermögen zur Gänze ein, werde dieser wirtschaftliche Vorteil nicht von der Einkommensteuer erfasst. Ein anderer Fall läge nur dann vor, wenn die Forderung bloß im Hinblick auf ihre spätere Fälligkeit um einen Abzinsungsbetrag reduziert erworben würde; in einem solchen Fall erzielte der Zessionar Einkünfte aus Kapitalvermögen. Eine notleidende Forderung werde aber nicht deshalb mit dem niedrigeren Preis bemessen, um Zinsen wegen späterer Fälligkeit der Forderung zu berücksichtigen, womit der erzielte höhere Einlösungsbetrag als „Umkehrung“ eines einstigen Abwertungsvorgangs und somit als Wertänderung des Kapitalstammes zu verstehen sei. Der allenfalls realisierte Unterschiedsbetrag könne daher nicht als Entgelt für die Nutzungsüberlassung von Kapital iSd § 27 EStG 1988 angesehen werden.
14Aufgrund des unveränderten Inhalts des § 27 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 sei die zur früheren Rechtslage ergangene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes weiterhin einschlägig.
15Da die notleidende Forderung kein Wirtschaftsgut sei, dessen Erträge Einkünfte aus der Überlassung von Kapital iSd § 27 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 idF des Budgetbegleitgesetzes 2011 seien, werde auch § 27 Abs. 3 EStG 1988 nicht anwendbar sein.
16Aus den Gesetzesmaterialien zum Budgetbegleitgesetz 2011 sei ersichtlich, dass nur zinstragende Kapitalforderungen jeder Art von der „Vermögenszuwachsbesteuerung“ umfasst sein sollten. Nur Nullkuponanleihen seien ausdrücklich in § 27 Abs. 3 EStG 1988 erwähnt; Erträge daraus würden sowohl im Fall der Einlösung als auch im Fall der Veräußerung unter die Besteuerung fallen, womit es einer Abgrenzung zwischen Kapitalertrag und Substanzgewinn nicht mehr bedürfe. Der Gesetzgeber wolle demnach unter § 27 Abs. 3 EStG 1988 einerseits die Veräußerung von verzinslichen Forderungen erfassen, wenn im Veräußerungspreis zeitanteilig aufgelaufene Stückzinsen abgegolten würden, und andererseits Forderungen, die abgezinst begeben und aufgezinst eingelöst würden, weil in diesem Fall im Einlösungspreis kalkulatorische Zinsen enthalten seien.
17Anders ausgedrückt würden (nur) die realisierten Wertsteigerungen jener Wirtschaftsgüter der Kursgewinnbesteuerung gemäß § 27 Abs. 3 EStG 1988 unterliegen, deren Früchte der Art nachgemäß § 27 Abs. 2 EStG 1988 steuerpflichtig seien. Es komme nicht darauf an, ob Früchte tatsächlich besteuert würden; so unterliege etwa eine Beteiligung auch dann der Kursgewinnbesteuerung, wenn keine Ausschüttung fließe.
18 Die in diesem Zusammenhang in den Einkommensteuerrichtlinien vertretene Rechtsansicht, wonach unter Fremden von der Verzinslichkeit von Forderungen auszugehen sei und daher Einkünfte aus der Einlösung bzw. Realisierung von Forderungen stets Einkünfte aus realisierten Wertsteigerungen darstellen würden (EStR 2000 Rz 6121), vermöge nicht zu überzeugen, weil damit der gesetzliche Zinsbegriff über den Wortsinn hinaus erweitert werde und diese Rechtsmeinung im offenen Widerspruch zur angeführten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stehe.
19Die Veräußerung der aus Risikogründen unter Nominalwert angeschafften unverzinslichen und auch nicht abgezinsten Forderungen und deren spätere Veräußerung zum Nominale stelle daher keine Einkünfte aus Kapitalvermögen iSd § 27 Abs. 3 EStG 1988 dar. Auch im späteren höheren Einlösungsbetrag wegen Nichteintritt des erwarteten Ausfallsrisikos sei keine kalkulatorische Zinskomponente erkennbar.
20Im vorliegenden Fall sei auch kein steuerbares Spekulationsgeschäft gemäß § 31 EStG 1988 verwirklicht worden, weil zwischen sämtlichen anschaffungsbezogenen Aufwendungen und dem Veräußerungsvorgang ein längerer als einjähriger Zeitraum gelegen sei, womit sich auch die Auseinandersetzung mit der Frage erübrige, ob dieser Steuertatbestand überhaupt anwendbar wäre.
21Daher erweise sich der ursprünglich ergangene Einkommensteuerbescheid 2019 als rechtskonform, womit die Voraussetzung für eine Aufhebung gemäß § 299 BAO nämlich die Unrichtigkeit des Bescheidspruchs nicht vorliege.
22Das Bundesfinanzgericht erklärte die Revision für zulässig, weil die angeführten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zur strittigen Rechtsfrage zu einer früheren Rechtslage ergangen seien und es zumindest denkbar erscheine, dass der Verwaltungsgerichtshof nach der neuen Rechtslage von seiner bislang vertretenen Ansicht abweiche. Zur Rechtslage eines derartigen Veräußerungsvorganges unter Anwendung des § 27 Abs. 3 EStG 1988 idF des Budgetbegleitgesetzes 2011 bestehe bislang keine ausdrückliche Judikatur.
23 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende ordentliche Amtsrevision, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Erstattung einer Revisionsbeantwortung durch den Mitbeteiligten erwogen hat:
24 Die Revision ist zulässig und begründet.
25 § 27 Abs. 2 und 3 EStG 1988 (in der im Revisionsfall anwendbaren Fassung BGBl. I Nr. 103/2019) lauten:
„(2) Zu den Einkünften aus der Überlassung von Kapital gehören:
1. a) Gewinnanteile (Dividenden) und sonstige Bezüge aus Aktien oder Anteilen an Gesellschaften mit beschränkter Haftung;
b) Gleichartige Bezüge und Rückvergütungen aus Anteilen an Erwerbs und Wirtschaftsgenossenschaften;
c) Gleichartige Bezüge aus Genussrechten und sonstigen Finanzierungsinstrumenten sowie Bezüge aus Partizipationskapital gemäß § 8 Abs. 3 Z 1 des Körperschaftsteuergesetzes 1988;
d) Bezüge aus Anteilen an körperschaftlich organisierten Personengemeinschaften in den Angelegenheiten der Bodenreform (Agrargemeinschaften), wenn diese einen Betrag in Höhe von 4.000 Euro im Kalenderjahr übersteigen.
2.Zinsen, und andere Erträgnisse aus Kaitalforderungen jeder Art, beispielsweise aus Darlehen, Anleihen, Hypotheken, Einlagen, Guthaben bei Kreditinstituten und aus Ergänzungskapital im Sinne des VAG 2016, ausgenommen Stückzinsen;
3. Diskontbeträge von Wechseln und Anweisungen;
4. Gewinnanteile aus der Beteiligung an einem Unternehmen als stiller Gesellschafter sowie aus der Beteiligung nach Art eines stillen Gesellschafters, soweit sie nicht zur Auffüllung einer durch Verluste herabgeminderten Einlage zu verwenden sind.
(3) Zu den Einkünften aus realisierten Wertsteigerungen von Kapialvermögen gehören Einkünfte aus der Veräußerung, Einlösung und sonstigen Abschichtung von Wirtschaftsgütern, deren Erträge Einkünfte aus der Überlassung von Kapital im Sinne von Abs. 2 sind (einschließlich Nullkuponanleihen).“
26 Diese Bestimmungen wurden mit dem Budgetbegleitgesetz 2011, BGBl. I Nr. 111/2010, als Teil einer umfassenden Reform der Besteuerung der Einkünfte aus Kapitalvermögen eingeführt.
27 Nach den Gesetzesmaterialien sollte mit dieser Reform die Besteuerung von Kapitalvermögen „neu geordnet, systematisiert und auf Substanzgewinne sowie Derivate ausgedehnt werden“. Durch die „generelle Besteuerung von Substanzgewinnen aus Finanzvermögen unabhängig von Behaltedauer und Beteiligungsausmaß“ sollte u.a. „die bislang notwendige Unterscheidung von Früchten und Substanz bei Finanzprodukten weitgehend hinfällig“ werden, weil diese Unterscheidung bis dahin „komplexe Abgrenzungsfragen aufgeworfen“ habe und „in der Praxis schwer handhabbar“ gewesen sei. Damit werde auch ein „Beitrag zu einer ‚produktneutralen‘ Besteuerung geleistet“ (vgl. ErlRV 981 BlgNR 24. GP 8; vgl. zur verfassungsrechtlichen Dimension der Abgrenzungsproblematik auch VfGH 16.6.2011, G 18/11, Rn 2.4.4.).
28 Zu den Zielsetzungen der Reform wird weiters ausgeführt, künftig sollten „im Sinne einer Vermögenszuwachsbesteuerung für Finanzvermögen“ nicht nur „Einkünfte aus der Überlassung von Kapital, sondern auch Einkünfte aus realisierten Wertsteigerungen von Wertpapieren sowie aus Derivaten unabhängig von Behaltedauer bzw. Beteiligungsausmaß generell besteuert werden. Der Vermögenszuwachs soll somit stets erfasst werden, unabhängig davon, ob er aus den Früchten oder der Substanz stammt“. Als weitere Zielsetzung wird angeführt, dass künftig „der Vermögenszuwachs sowohl im betrieblichen als auch im außerbetrieblichen Bereich grundsätzlich einheitlich steuerlich erfasst werden“ soll. „Sowohl die Erfassung des gesamten Vermögenszuwachses im Finanzvermögen als auch dessen einheitliche Erfassung im betrieblichen und außerbetrieblichen Bereich“ würden dabei „einen wichtigen Beitrag zur Erreichung einer ‚produktneutralen‘ Besteuerung“ darstellen (vgl. ErlRV 981 BlgNR 24. GP 115 f).
29 Hauptzielsetzung der Reform der Besteuerung von Kapitalvermögen war demnach, dass nicht nur wie bisher Einkünfte aus der Überlassung von Kapital, sondern auch realisierte Wertsteigerungen von Kapitalvermögen generell besteuert werden. Der Vermögenszuwachs aus Kapitalvermögen soll nunmehr stets erfasst werden, unabhängig davon, ob er aus den Früchten oder der Substanz stammt und ob er im betrieblichen oder außerbetrieblichen Bereich realisiert wird.
30Um dieses Ziel zu erreichen, knüpft § 27 Abs. 3 EStG 1988 an § 27 Abs. 2 EStG 1988 an. Es unterliegen nur realisierte Wertsteigerungen jener Wirtschaftsgüter der Steuerpflicht nach § 27 Abs. 3 EStG 1988, deren Erträge als Einkünfte aus der Überlassung von Kapitalvermögen iSd § 27 Abs. 2 EStG 1988 zu qualifizieren sind.
31Zu dieser Anknüpfung hat der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen, dass es dabei nicht auf konkret erzielte Kapitalerträge ankommt, sondern es vielmehr genügt, wenn laufende Einkünfte aus der betreffenden Kapitalanlage von § 27 Abs. 2 EStG 1988 erfasst wären. Da fehlende laufende Erträge regelmäßig zu einer Wertsteigerung des Vermögensstammes führen, wäre das Abstellen auf das Vorliegen konkret erzielter Kapitalerträge mit der Zielsetzung der Reform nicht vereinbar (vgl. zu alldem VwGH 18.12.2017, Ro 2016/15/0026, mwN). Damit handelt es sich beim Verweis in § 27 Abs. 3 EStG 1988 auf § 27 Abs. 2 EStG 1988 um eine rein abstrakte Anknüpfung.
32Dementsprechend kann es für die Anwendbarkeit des § 27 Abs. 3 EStG 1988 auch nicht darauf ankommen, ob das betreffende Wirtschaftsgut aufgrund seiner konkreten Ausgestaltung keine laufenden Erträge abwerfen und damit nicht zu Einkünften aus der Überlassung von Kapitalvermögen iSd § 27 Abs. 2 EStG 1988 führen kann. Dies kann beispielsweise Beteiligungen an Kapitalgesellschaften betreffen, mit denen aufgrund der getroffenen Regelungen im Gesellschaftsvertrag kein Anspruch auf den laufenden Gewinn bzw. auf laufende Gewinnausschüttungen verbunden ist (sondern allenfalls ausschließlich eine Beteiligung am Liquidationsgewinn), oder wie im vorliegenden RevisionsfallGeldforderungen, die nicht laufend verzinst werden. Entscheidend ist auch in derartigen Fällen ausschließlich, ob laufende Einkünfte aus dem betreffenden Wirtschaftsgut grundsätzlich von § 27 Abs. 2 EStG 1988 erfasst würden (vgl. erneut VwGH 18.12.2017, Ro 2016/15/0026).
33Diese Auslegung des Anknüpfungstatbestandes in § 27 Abs. 3 EStG 1988 steht im Einklang mit den durch die genannte Besteuerungsreform verfolgten Zielen, und gewährleistet auch bei derartigen Wirtschaftsgütern die vom Gesetzgeber beabsichtigte generelle Erfassung der Vermögenssubstanz.
34 Die vom Bundesfinanzgericht vertretene gegenteilige Sichtweise hätte demgegenüber beispielsweise zur Folge, dass hinsichtlich der genannten Wirtschaftsgüter die aufgrund ihrer konkreten Ausgestaltung keine laufenden Erträge abwerfen (können) die mit der Besteuerungsreform verfolgte ertragsteuerliche Gleichstellung mit dem betrieblichen Bereich gerade nicht erreicht würde, weil entstandene (und realisierte) Substanzgewinne (ebenso aber auch Substanzverluste) im außerbetrieblichen Bereich nicht steuerbar wären. Weiters hätte diese Rechtsansicht zur Folge, dass besonders risikoreiche Kapitalanlagen etwa ungewisse oder notleidende Kapitalforderungeneine andere steuerliche Behandlung erfahren würden als andere Kapitalanlagen. Wie auch der Mitbeteiligte in der Revisionsbeantwortung ausführt, wären dem Grunde nach unverzinsliche Kapitalforderungen von § 27 Abs. 3 EStG 1988 schließlich nur dann erfasst, wenn sie (nur) deshalb unter dem Nennbetrag (Einlösungsbetrag) erworben werden, um durch den höheren Einlösungsbetrag kalkulatorische Zinsen zu lukrieren, weil in diesen Fällen wirtschaftlich betrachtet ein Abzinsungsvorgang stattfindet (wie beispielsweise bei Nullkuponanleihen), nicht aber, wenn der Erwerb unter dem Nennbetrag aufgrund des Ausfallsrisikos erfolgt. Für ein derartiges Ergebnis das offenkundig mit dem verfolgten Ziel einer „produktneutralen Besteuerung“ nicht im Einklang steht gibt es aber weder im Gesetzeswortlaut noch in den Gesetzesmaterialien Anhaltspunkte.
35 Bei den im vorliegenden Revisionsfall vom Mitbeteiligten erworbenen Wirtschaftsgütern handelt es sich um (bedingte) Kapitalforderungen. Auch wenn bei diesen Kapitalforderungen nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichtes (zur Frage, ob auch eine Verzinsung der Forderungen ab Eintritt ihrer Fälligkeit ausgeschlossen wurde, hat das Bundesfinanzgericht hingegen keine Feststellungen getroffen)eine laufende Verzinsung nicht vereinbart wurde und der die Anschaffungskosten übersteigende Tilgungsbetrag nach der zur früheren Rechtslage ergangenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht zu Einkünften aus der Überlassung von Kapital führt (vgl. VwGH 11.11.2008, 2006/13/0088, mwN), handelt es sich bei diesen Forderungen dem Grunde nach um Wirtschaftsgüter, bei denen daraus bezogene laufenden Einkünfte von § 27 Abs. 2 EStG 1988 erfasst würden. Damit sind wie bereits ausgeführtrealisierte (etwa im Fall der Einlösung) Substanzgewinne vom Tatbestand des § 27 Abs. 3 EStG 1988 erfasst.
36Das angefochtene Erkenntnis war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
37Im fortgesetzten Verfahren wird sich das Bundesfinanzgericht damit auseinandersetzen müssen, ob das Finanzamt im gemäß § 299 BAO ergangenen Bescheid einen wirksamen Aufhebungsgrund herangezogen hat.
Wien, am 4. September 2025