Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Grünstäudl sowie die Hofräte Dr. Lukasser, Dr. Hofbauer und Dr. Eisner sowie die Hofrätin Mag. Zehetner als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision des Vereins „L“ in T, vertreten durch Mag. a Michaela Krömer, LL.M, und Dr. Peter Krömer, Rechtsanwältin und Rechtsanwalt in 3100 St. Pölten, Riemerplatz 1, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 29. März 2023, Zl. LVwG AV 194/001 2022, betreffend Zurückweisung einer Beschwerde i.A. des NÖ Naturschutzgesetzes 2000 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Melk; mitbeteiligte Partei: S AG in S), zu Recht erkannt:
Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Niederösterreich hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.
1 1.1. Mit Bescheid vom 26. November 2021 erteilte die belangte Behörde der mitbeteiligten Partei aufgrund deren Antrags vom 17. Juni 2021 unter Vorschreibung von Nebenbestimmungen die naturschutzbehördliche Bewilligung für die Errichtung einer (näher beschriebenen) Forststraße auf einem bestimmten Grundstück außerhalb eines Ortsbereiches im Landschaftsschutzgebiet „W“, im „FFH Gebiet W“ und im „Vogelschutzgebiet W“, wobei sich die belangte Behörde (materiell rechtlich) auf die Bestimmungen der §§ 7 und 8 Abs. 3 und 4 NÖ Naturschutzgesetz 2000NÖ NSchG 2000 stützte.
2 Die belangte Behörde legte ihrem Bescheid ein Gutachten eines Amtssachverständigen für den Natur und Landschaftsschutz vom 5. November 2021 zugrunde und gelangte aufgrund dieses Gutachtens zu dem „Ergebnis, dass eine Beeinträchtigung der durch das NÖ Naturschutzgesetz geschützten Interessen durch die Vorschreibung der im Spruch angeführten Auflagen unter Bedacht auf die Erfordernisse einer zeitgemäßen land und forstwirtschaftlichen Nutzung weitgehend ausgeschlossen werden kann“, weshalb die angestrebte Bewilligung erteilt werden könne.
3In dem erwähnten Gutachten vom 5. November 2021 hatte der naturschutzkundige Amtssachverständige unter der Überschrift „Feststellung der Naturverträglichkeit (§ 10 Abs. 2 NÖ NSchG 2000)“ auch (in der Bescheidbegründung nicht erwähnte) Feststellungen zu den Auswirkungen des beantragten Projektes auf das „FFHGebiet W“ und das „Vogelschutzgebiet W“ getroffen und war „zusammenfassend“ zu dem Schluss gelangt, bei dem gegenständlichen Vorhaben handle es sich um ein „Projekt, das weder einzeln noch im Zusammenwirken mit anderen Plänen oder Projekten zu einer erheblichen Beeinträchtigung eines Europaschutzgebiets führen kann“ (vgl. § 10 Abs. 1 und 2 NÖ NSchG 2000).
4 1.2. Die revisionswerbende Partei, eine anerkannte Umweltorganisation gemäß § 19 Abs. 7 UVP G 2000, erhob gegen den Bescheid vom 26. November 2021 eine Beschwerde, in der sie umfangreiches inhaltliches Vorbringen zur Dartuung einer „erheblichen Beeinträchtigung des Vogelschutzgebiets Wachau Jauerling (bezüglich Seeadler und anderer Anhang I Arten der Vogelschutz-Richtlinie) und möglicherweise auch des Europaschutzgebiets Wachau (bezüglich betroffener FFHWaldlebensraumtypen und Waldfledermäuse [...]), insbesondere in Verbindung mit Summationseffekten aus bereits früher durchgeführten oder aktuell in Bewilligungsverfahren befindlichen diversen Plänen und Projekten“, erstattete; demnach hätte nach Ansicht der revisionswerbenden Partei die entsprechende Vorprüfung nach § 10 NÖ NSchG 2000 „zum Ergebnis führen müssen, dass in diesem Fall eine Naturverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist“.
5 1.3. Mit dem angefochtenen Beschluss vom 29. März 2023 wies das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich diese Beschwerde mangels Beschwerdelegitimation der revisionswerbenden Partei zurück, wobei es die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zuließ.
6 Das Verwaltungsgericht begründete seine Entscheidung nach Wiedergabe maßgeblicher Rechtsnormen im Wesentlichen damit, dass die Frage der Parteistellung bzw. Beschwerdebefugnis der revisionswerbenden Partei anhand der zur Anwendung kommenden Verwaltungsvorschriften geprüft werden müsse (Hinweis auf VwGH 22.4.1992, 91/03/0067 = VwSlg. 13.615 A).
7Was das NÖ NSchG 2000 anlange, so ließen sich aus dessen §§ 27, 27b, 27c, 31 und 38 Erkenntnisse über die Rechtsstellung von Parteien und deren Beschwerdebefugnisse gewinnen. Da es sich beim gegenständlichen Verfahren nicht um ein Verfahren nach § 10 Abs. 1 und 2 oder § 20 Abs. 4 NÖ NSchG 2000, sondern um ein Bewilligungsverfahren nach § 8 NÖ NSchG 2000 handle, komme der revisionswerbenden Partei „vor dem Hintergrund (bloß) der innerstaatlichen Rechtslage“ keine Beschwerdelegitimation zu.
8 Dies bestreite die revisionswerbende Partei auch gar nicht, sondern wolle Parteistellung und Beschwerdelegitimation „aus der AarhusKonvention ableiten, welche [ihrer] Ansicht nach in Österreich und speziell auch im Rahmen des NÖ NSchG 2000 nicht ausreichend umgesetzt sei“.
9 Die Aarhus Konvention so das Verwaltungsgericht weiter sei ein völkerrechtlicher Vertrag, der nach den Erläuterungen zur Ratifizierung der unmittelbaren Anwendbarkeit im innerstaatlichen Recht nicht zugänglich sei (Hinweis auf die Erl. 654 Blg. XXII. GP NR, S. 2).
10 In seinem Urteil vom 20. Dezember 2017, C 664/15, Protect , habe der EuGH (zwar) die „Anforderungen für Beteiligungs- und nachträgliche Überprüfungsrechte der betroffenen Öffentlichkeit (vor allem auch für Umweltorganisationen) konkretisiert“ und betont, „dass Art. 9 Abs. 3 der Aarhus Konvention in Verbindung mit Art. 47 der GrundrechteCharta der Europäischen Union die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, einen wirksamen gerichtlichen Schutz der durch das Recht der Union garantierten Rechte, insbesondere der Vorschriften des Umweltrechts, zu garantieren“; vor dem Hintergrund dieser Vorgaben habe allerdings der Gesetzgeber durch die Novelle zum NÖ NSchG 2000 LGBl. Nr. 26/2019 die „Rechtsstellung von anerkannten Umweltorganisationen im naturschutzrechtlichen Verfahren geregelt“. Seither könnten Umweltorganisationen iSd § 27b Abs. 1 NÖ NSchG 2000 (nur) gegen bestimmteBescheide nach § 10 Abs. 1 und 2 sowie § 20 Abs. 4 NÖ NSchG 2000 Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht erheben.
11Den Entfall einer Verhandlung stützte das Verwaltungsgericht im Kern auf § 24 Abs. 2 Z 1 zweiter Fall VwGVG.
12 1.4. Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
13 Die belangte Behörde hat eine Revisionsbeantwortung erstattet, in der sie die Abweisung der Revision beantragt.
Die mitbeteiligte Partei hat keine Revisionsbeantwortung erstattet.
14 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
15 2. Für den Revisionsfall sind folgende Bestimmungen des NÖ Naturschutzgesetzes 2000NÖ NSchG 2000, LGBl. Nr. 5500 0 idF LGBl. Nr. 39/2021, in den Blick zu nehmen:
„§ 7
Bewilligungspflicht
(1) Außerhalb vom Ortsbereich , das ist ein baulich und funktional zusammenhängender Teil eines Siedlungsgebietes (z.B. Wohnsiedlungen, Industrie- oder Gewerbeparks), bedürfen der Bewilligung durch die Behörde:
1. die Errichtung und wesentliche Abänderung von allen Bauwerken, die nicht Gebäude sind und die auch nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit Gebäuden stehen und von sachlich untergeordneter Bedeutung sind;
[...]
(2) Die Bewilligung nach Abs. 1 ist zu versagen, wenn
1. das Landschaftsbild,
2. der Erholungswert der Landschaft oder
3. die ökologische Funktionstüchtigkeit im betroffenen Lebensraum
erheblich beeinträchtigt wird und diese Beeinträchtigung nicht durch Vorschreibung von Vorkehrungen weitgehend ausgeschlossen werden kann. [...]
[...]
(5) Von der Bewilligungspflicht gemäß Abs. 1 sind Maßnahmen, die im Zuge folgender Vorhaben stattfinden, ausgenommen:
1. Forststraßen und forstliche Bringungsanlagen;
[...]
§ 8
Landschaftsschutzgebiet
(1) Gebiete, die eine hervorragende landschaftliche Schönheit oder Eigenart aufweisen, als charakteristische Kulturlandschaft von Bedeutung sind oder die in besonderem Maße der Erholung der Bevölkerung oder dem Fremdenverkehr dienen, können durch Verordnung der Landesregierung zu Landschaftsschutzgebieten erklärt werden.
[...]
(3) Neben der Bewilligungspflicht nach § 7 Abs. 1 bedürfen in Landschaftsschutzgebieten einer Bewilligung durch die Behörde:
1. die Kulturumwandlung von Flächen mit einem Ausmaß von mehr als einem Hektar;
2. die Beseitigung besonders landschaftsprägender Elemente im Sinne des Abs. 1.
§ 7 Abs. 5 gilt in Landschaftsschutzgebieten nicht.
(4) In Landschaftsschutzgebieten sind bewilligungspflichtige Vorhaben oder Maßnahmen (§§ 7 Abs. 1 und 8 Abs. 3) zu versagen, wenn
1. das Landschaftsbild,
2. der Erholungswert der Landschaft,
3. die ökologische Funktionstüchtigkeit im betroffenen Lebensraum,
4. die Schönheit oder Eigenart der Landschaft oder
5. der Charakter des betroffenen Landschaftsraumes
erheblich beeinträchtigt wird und diese Beeinträchtigung nicht durch Vorschreibung von Vorkehrungen (§ 7 Abs. 4) weitgehend ausgeschlossen werden kann. [...]
[...]
§ 9
Europaschutzgebiet
(1) Die folgenden Bestimmungen (§§ 9 und 10) dienen dem Aufbau und dem Schutz des europäischen ökologischen Netzes ‚Natura 2000‘, insbesondere dem Schutz der Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung und der Europäischen Vogelschutzgebiete. Die getroffenen Maßnahmen zielen darauf ab, einen günstigen Erhaltungszustand der natürlichen Lebensräume und wildlebenden Pflanzen und Tierarten von gemeinschaftlichem Interesse zu bewahren oder wiederherzustellen.
[...]
§ 10
Verträglichkeitsprüfung
(1) Projekte,
- die nicht unmittelbar mit der Verwaltung eines Europaschutzgebietes in Verbindung stehen oder hierfür nicht notwendig sind und
- die ein solches Gebiet einzeln oder in Zusammenwirkung mit anderen Plänen oder Projekten erheblich beeinträchtigen könnten, bedürfen einer Bewilligung der Behörde.
(2) Die Behörde hat auf Antrag eines Projektwerbers oder der NÖ Umweltanwaltschaft mit Bescheid festzustellen, dass das Projekt weder einzeln noch im Zusammenwirken mit anderen Plänen oder Projekten zu einer erheblichen Beeinträchtigung eines Europaschutzgebietes führen kann. Dabei sind bereits erfolgte Prüfungen in vorausgegangenen oder gleichzeitig durchzuführenden Verfahren zu berücksichtigen.
(3) Im Rahmen des Bewilligungsverfahrens hat die Behörde eine Prüfung des Projektes auf Verträglichkeit mit den für das betroffene Europaschutzgebiet festgelegten Erhaltungszielen, insbesondere die Bewahrung oder Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustandes der natürlichen Lebensräume und wildlebenden Tier- und Pflanzenarten in diesem Gebiet, durchzuführen ( Naturverträglichkeitsprüfung ).
[...]
§ 18
Artenschutz
(1) Die Vorschriften zum Artenschutz dienen dem Schutz und der Pflege der wildlebenden Tier und Pflanzenarten in ihrer natürlichen und historisch gewachsenen Vielfalt. [...]
[...]
§ 20
Ausnahmebewilligungen
[...]
(4) Durch Bescheid kann die Landesregierung Ausnahmen von den Vorschriften nach § 18 gestatten, sofern es keine anderweitige zufrieden stellende Lösung gibt und unter der Bedingung, dass die Populationen der betroffenen Art in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet trotz der Ausnahmegenehmigung ohne Beeinträchtigung in einem günstigen Erhaltungszustand verweilen. [...]
[...]
§ 27
NÖ Umweltanwaltschaft und Gemeinden
(1) Die NÖ Umweltanwaltschafthat in den aufgrund dieses Gesetzes durchzuführenden Verwaltungsverfahren mit Ausnahme der Verwaltungsstrafverfahren sowie der Entschädigungsverfahren zur Wahrung der ihr gesetzlich übertragenen Aufgaben auf dem Gebiet des Umweltschutzes Parteistellung im Sinne des § 8 AVG.
Soweit der NÖ Umweltanwaltschaft Parteistellung zukommt, ist sie berechtigt, Beschwerde gegen solche Bescheide der Behörde an das Landesverwaltungsgericht zu erheben. Weiters kommt ihr das Recht zu, gegen solche Entscheidungen des Landesverwaltungsgerichtes Revision an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben.
(2) Die betroffenen Gemeinden haben zur Wahrung ihrer Interessen des Fremdenverkehrs, der örtlichen Gefahrenpolizei, des Ortsund Landschaftsbildes und der örtlichen Raumordnung Parteistellung im Sinne des § 8 AVG in den aufgrund dieses Gesetzes durchzuführenden Verwaltungsverfahren mit Ausnahme der Verwaltungsstrafverfahren sowie der Entschädigungsverfahren.
[...]
§ 27b
Beteiligung von Umweltorganisationen
(1) Umweltorganisationen , die gemäß § 19 Abs. 7 des UVP G 2000, BGBl. Nr. 697/1993, zur Ausübung von Parteienrechten in Niederösterreich befugt sind, sind an Verfahren gemäß § 10 Abs. 1 und 2 zu beteiligen.
[...]
(6) Umweltorganisationen, welche fristgerecht eine Stellungnahme zu einem Vorhaben bzw. einem Sachverständigengutachten abgegeben haben, sind berechtigt, Beschwerde gegen Bescheide der Behörde gemäß § 10 Abs. 1 und Abs. 2 an das Landesverwaltungsgericht zu erheben. [...]
§ 27c
Nachprüfende Kontrolle durch Umweltorganisationen
(1) Umweltorganisationen im Sinne des § 27b Abs. 1 steht das Recht zu, gegen Bescheide gemäß § 20 Abs. 4, sofern geschützte Tier und Pflanzenarten, die in
- Anhang IV der Fauna Flora Habitat Richtlinie oder
- Anhang I der Vogelschutz Richtlinie aufgelistet oder in
- Art. 4 Abs. 2 der Vogelschutz Richtlinie genannt sind,
betroffen sind, Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht zu erheben.
[...]
§ 38
Schluss und Übergangsbestimmungen
[...]
(10) Umweltorganisationen im Sinne des § 27b Abs. 1 steht nur gegen Bescheide nach
1. § 10 Abs. 1 und 2 sowie
2. § 20 Abs. 4, sofern geschützte Tier und Pflanzenarten, die in
- Anhang IV der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie oder
- Anhang I der Vogelschutz-Richtlinie aufgelistet oder
- Art. 4 Abs. 2 der Vogelschutz-Richtlinie genannt sind,
betroffen sind,
und die bis zu einem Jahr vor Inkrafttreten dieses Gesetzes in der Fassung LGBl. Nr. 26/2019 erlassen worden sind, das Recht zu, Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht zu erheben. [...]“
16 3. Zur Zulässigkeit ihrer außerordentlichen Revision bringt die revisionswerbende Partei im Kern vor, der Verwaltungsgerichtshof habe in seiner Rechtsprechung (bereits) „basierend auf dem Urteil des EuGH“ vom 20. Dezember 2017, C 664/15, Protect , sowohl im Anwendungsbereich des Art. 9 Abs. 2 als auch in jenem des Art. 9 Abs. 3 der Aarhus Konvention die Parteistellung von Umweltorganisationen in Bewilligungsverfahren bejaht; nach dieser Rechtsprechung müsse anerkannten Umweltorganisationen die Möglichkeit eingeräumt werden, die Beachtung von Rechtsvorschriften in Umsetzung von Art. 6 Abs. 3 FFHRichtlinie (Richtlinie 92/43/EWG zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen) einzufordern (Hinweis u.a. auf VwGH 20.12.2019, Ro 2018/10/0010, 18.12.2020, Ra 2019/10/0081, 0082, sowie 16.2.2021, Ra 2019/10/0148).
17 Der gegenständliche Bau einer Forststraße durch ein Europaschutzgebiet und ein Vogelschutzgebiet sei vom Projektbegriff des Art. 6 Abs. 3 FFHRichtlinie umfasst, weshalb das Verwaltungsgericht zu Unrecht das ausführliche inhaltliche Beschwerdevorbringen der revisionswerbenden Partei gegen das Unterbleiben einer Naturverträglichkeitsprüfung „nicht berücksichtigt“ und die Beschwerde mangels gemäß § 8 NÖ NSchG 2000 bestehender Parteirechte zurückgewiesen habe.
18 4. Die Revision ist mit Blick auf dieses Vorbringen zulässig. Sie erweist sich auch als begründet.
194.1. Dem angefochtenen Beschluss liegt die Auffassung zugrunde, der revisionswerbenden Partei mangle die Beschwerdelegitimation, weil der bekämpfte Bescheid (eine Bewilligung für eine Forststraße in [u.a.] einem Landschaftsschutzgebiet „nach § 8 NÖ NSchG 2000“) nicht unter die mit der Novelle LGBl. Nr. 26/2019 (welche aufgrund der Vorgaben insbesondere des EuGH Urteils Protectdie „Rechtsstellung von anerkannten Umweltorganisationen im naturschutzrechtlichen Verfahren geregelt“ habe) geschaffenen Bestimmungen des NÖ NSchG 2000 (vgl. etwa §§ 27b, 27c NÖ NSchG 2000) zu subsumieren sei.
20 Diese Auffassung greift allerdings zu kurz.
21 4.2. Wie die revisionswerbende Partei richtig darlegt, hat der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen, dass einer anerkannten Umweltorganisation ungeachtet dessen, dass die nationalen Verfahrensvorschriften ihr weder Parteistellung noch Rechtsmittellegitimation zuerkennen aufgrund der Rechtsprechung des EuGH eine aus Art. 9 AarhusKonvention iVm Art. 47 GRC abgeleitete Parteistellung insoweit zuzuerkennen ist, als die Umweltorganisation dadurch in die Lage versetzt wird, „die Beachtung der aus dem Unionsumweltrecht hervorgegangenen Rechtsvorschriften überprüfen zu lassen“; das entscheidende Kriterium für die Beurteilung der Beschwerdelegitimation einer anerkannten Umweltorganisation in einem bestimmten naturschutzrechtlichen Verfahren ist daher die Frage, ob in diesem Verfahren „(auch) der Schutz von Normen des Unionsumweltrechts auf dem Spiel stand“ (vgl. etwa die in der Revision erwähnten Erkenntnisse VwGH Ro 2018/10/0010 sowie Ra 2019/10/0081, 0082; weiters etwa VwGH 9.3.2023, Ra 2022/07/0052).
Diese Judikatur lässt das Verwaltungsgericht gänzlich außer Acht (vgl. oben Rz 9).
22 4.3. Im vorliegenden Revisionsfall holte die belangte Behörde vor Erlassung ihres Bescheides vom 26. November 2021ein Gutachten eines naturschutzkundigen Amtssachverständigen ein, welcher sich darin auch (mit Blick auf § 10 NÖ NSchG 2000) zur „Naturverträglichkeit“ des beantragten Projektes äußerte und zur Einschätzung gelangte, dabei handle es sich um ein „Projekt, das weder einzeln noch im Zusammenwirken mit anderen Plänen oder Projekten zu einer erheblichen Beeinträchtigung eines Europaschutzgebiets führen kann“.
23 Die belangte Behörde legte ihrem Bescheid diese Einschätzung zugrunde, stützte sie doch die damit erteilte naturschutzbehördliche Bewilligung materiellrechtlich ausschließlich auf §§ 7 und 8 Abs. 3 und 4 NÖ NSchG 2000 und verneinte so erkennbar eine Bewilligungspflicht nach § 10 Abs. 1 NÖ NSchG 2000.
24Das (inhaltliche) Vorbringen der mit dem angefochtenen Beschluss zurückgewiesenen Beschwerde richtete sich nun gerade gegen die Auffassung, eine Naturverträglichkeitsprüfung könne mangels erheblicher Beeinträchtigung des betroffenen Europaschutzgebietes „einzeln oder im Zusammenwirken mit anderen Plänen oder Projekten“ (vgl. § 10 Abs. 1 und 2 NÖ NSchG 2000) unterbleiben. (Dem entsprechend macht nunmehr die Revision unter kritischem Bezug zu dem erwähnten naturschutzkundigen Gutachten näher ausgeführt geltend, die belangte Behörde sei ihrer Prüfpflicht nach Art. 6 Abs. 3 FFH Richtlinie nicht nachgekommen.)
25 4.4. Wie auch die belangte Behörde in ihrer Revisionsbeantwortung zutreffend ausführt, wurde das für Europaschutzgebiete geltende Instrument der Naturverträglichkeitsprüfung nach Art. 6 Abs. 3 FFHRichtlinie in § 10 NÖ NSchG 2000 umgesetzt; die in dieser Bestimmung getroffenen Rechtsvorschriften sind somit unzweifelhaft aus dem Unionsumweltrecht hervorgegangen (vgl. etwa auch VwGH Ra 2019/10/0148).
26 Die Beachtung derartiger Rechtsvorschriften muss allerdings von der revisionswerbenden Partei als einer anerkannten Umweltorganisation im gegenständlichen naturschutzrechtlichen Bewilligungsverfahren geltend gemacht werden können, dies umso mehr, als wie die Revision und sogar die Revisionsbeantwortung hervorheben§ 10 Abs. 2 NÖ NSchG 2000 lediglich dem Projektwerber und der NÖ Umweltanwaltschaft ein Antragsrecht zuerkennt.
275. Indem das Verwaltungsgericht dies verkannt und aus diesem Grund die Beschwerdelegitimation der revisionswerbenden Partei verneint hat, hat es den angefochtenen Beschluss mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
28 Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Eingehen auf das weitere Revisionsvorbringen.
29Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG iVm der VwGHAufwandersatzverordnung 2014. Das Kostenmehrbegehren war abzuweisen, weil die verzeichnete Umsatzsteuer in diesen Normen keine Deckung findet (vgl. etwa VwGH 26.5.2020, Ra 2020/20/0031, mwN).
Wien, am 22. Mai 2025
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