Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Pollak sowie die Hofrätinnen Mag. Liebhart Mutzl und Dr. in Sembacher als Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Tichy, über die Revision 1. der Verlassenschaft nach H H, vertreten durch H H, und 2. der E H, beide in W, beide vertreten durch die Neulinger Mitrofanova Čeović Rechtsanwälte OG in 1020 Wien, Taborstraße 11B, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 20. März 2023, 1. VGW 112/072/11397/2022 16 und 2. VGW 112/V/072/11398/2022, betreffend baupolizeiliche Aufträge (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien; weitere Partei: Wiener Landesregierung), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Mit Bescheid des Magistrats der Stadt Wien vom 12. August 2022 wurde den revisionswerbenden Parteien als Eigentümern einer näher bezeichneten Liegenschaft in Wien gemäß § 129 Abs. 4 und 10 Bauordnung für Wien (im Folgenden: BO) aufgetragen, binnen sechs Monaten nach Rechtskraft die ohne baubehördliche Genehmigung hergestellten Gittertüren im Stiegenhaus und den Gängen abtragen und entfernen zu lassen, die schadhaften Fangköpfe näher bezeichneter Abgasanlagen ordnungsgemäß instandsetzen zu lassen, die Kellerfenster an der Straßenschaufläche zur P Gasse konsensgemäß herstellen zu lassen, das schadhafte Wangenmauerwerk im Dachbodenbereich näher bezeichneter Abgasanlagen (Fanggruppen) und die schadhaften Kehrtürchen näher bezeichneter Abgasanlagen ordnungsgemäß instandsetzen zu lassen und die vorschriftwidrigen Rohrleitungen (Lüftungsrohre) im Dachboden abtragen und entfernen zu lassen sowie die Öffnungen der Rohrdurchführungen in der Decke ordnungsgemäß verschließen zu lassen.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht die dagegen erhobene Beschwerde der revisionswerbenden Parteien nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erklärte es für nicht zulässig.
3 Seine Erwägungen gründete das Verwaltungsgericht auf die Feststellung des Zustandes des im Eigentum der revisionswerbenden Parteien stehenden Gebäudes in der P Gasse, KG F, zum Zeitpunkt der Erlassung der bekämpften baupolizeilichen Aufträge. So seien im Erdgeschoss im Gang im Bereich rechts neben den Stiegenhausstufen und im Bereich der Gangtoiletten, im 1. Obergeschoß im Gang im Bereich zu Top 12 bzw. 12A und im Bereich der Gangtoiletten, im 2. Obergeschoß im Bereich links und rechts neben den Stiegenhausstufen und im Bereich der Gangtoiletten und im 3. Obergeschoß im Gang im Bereich rechts neben den Stiegenhausstufen und im Bereich der Gangtoiletten ohne baubehördliche Genehmigung Gittertüren angebracht worden. Diese seien aus Baustahl hergestellt, scharfkantig und versperrt. Die Kellerfenster an der Straßenschaufläche P Gasse seien mittels Holzfaserplatten verplankt gewesen. Der Behördenvertreter habe nicht feststellen können, ob die ursprünglichen Fenster hinter der Verplankung intakt gewesen seien. Am Dachboden hätten sich vier Lüftungsrohre befunden, die durch die letzte Geschoßdecke in den Dachboden geführt und keine brandbeständige Ummantellung aufgewiesen hätten. Damit sei der Brandabschnitt „Dachboden“ verletzt worden. Das Rauchfangmauerwerk bei näher bezeichneten Abgasanlagen (Fanggruppen) im Dachbodenbereich, die Kehrtürchen und die Fangköpfe näher bezeichneter Abgasanlagen seien schadhaft gewesen. Von der Straße aus sei der schadhafte Verputz der Fangköpfe erkennbar gewesen. Das Gebäude sei noch bewohnt gewesen, die Gittertüren hätten die nicht bewohnten Bereiche des Gebäudes abgesperrt.
4 Schließlich erwog das Verwaltungsgericht, dass ein beseitigungspflichtiges Baugebrechen gemäß § 129 Abs. 4 BO immer dann vorliege, wenn der Zustand einer Baulichkeit derart mangelhaft sei, dass dadurch öffentliche Interessen berührt würden. Es reiche dafür aus, wenn eine Gefahr für Leben und Gesundheit oder körperlicher Sicherheit auch nur einer Person herbeigeführt oder vergrößert werden könne. Auf die Ursache des Baugebrechens komme es nicht an. Aufträge gemäß § 129 Abs. 4 und 10 seien an den Gebäudeeigentümer zu richten.
5 Durch die Anbringung der Gittertüren seien allgemeine Teile des Hauses nicht mehr zugänglich gewesen und damit die Raumeinteilung geändert worden. Dies hätte der Einholung einer Bewilligung gemäß § 60 Abs. 1 lit. c BO bedurft, die nicht erfolgt sei. Eine Bewilligungsfreiheit gemäß § 62a Abs. 1 Z 1 bzw. 5 BO sei weder erkannt noch vorgebracht worden. Auch habe es sich bei dem Gebäude entgegen dem Vorbringen der revisionswerbenden Parteien nicht um eine Baustelle gehandelt. Die verbliebenen Hausbewohner hätten die Gittertüren passieren müssen, um zu ihren Wohnungen zu gelangen. Die aus scharfkantigem Baustahl hergestellten Gittertüren hätten eine Verletzungsgefahr für die verbliebenen Hausbewohner dargestellt. Ebenso seien die versperrten Gittertüren feuerpolizeilich bedenklich, zumal ein Zugang zu den abgesperrten Bereichen im Brandfall nicht oder nur erheblich verzögert möglich gewesen wäre. Der Zweck der Verhinderung von Vandalismus und unbefugtem Betreten hätte auch durch andere Maßnahmen, wie etwa das verlässliche Versperren der Haustür, erzielt werden können. Die Sonderrechtsfähigkeit der Gittertüren sei nicht zu prüfen gewesen, da sich Aufträge gemäß § 129 Abs. 10 nach dem Gesetzeswortlaut an den Gebäudeeigentümer zu richten hätten.
6 Die Verplankung der Kellerfenster bedeute, dass kein konsensgemäßes Erscheinungsbild des Gebäudes mehr gegeben sei. Dieses habe Glas bzw. Glassteinfenster vorgesehen. Eine Bewilligung für das Verschließen mehrerer Kellerfenster gemäß § 60 Abs. 1 lit. c BO liege nicht vor. Auch wenn das Verplanken eine kurzfristige Sicherungsmaßnahme darstellen könne, liege darin schon aufgrund der mangelnden Witterungsbeständigkeit des Materials keine zulässige dauerhafte Maßnahme. Der dem Auftrag zugrundeliegende Zustand habe über Monate angedauert und ein auf Dauer angelegter Sicherungszweck hätte durch andere Maßnahmen erreicht werden müssen.
7 Bei den Fangköpfen stelle der schadhafte Putz ein Baugebrechen dar, zumal derartige Mängel an Rauchfangköpfen dazu führen könnten, dass Teile sowohl auf die Straße fallen und Personen gefährden als auch in den Rauchfang stürzen und diesen verstopfen könnten. Das Baugebrechen sei im Bescheid ausreichend umschrieben: Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei ein Baugebrechen dann ausreichend konkretisiert, wenn ein Fachmann erkennen könne, welche Instandsetzungsmaßnahmen durchzuführen seien. Dies sei hier der Fall. Zum Wangenmauerwerk und zu den Kehrtürchen habe der zuständige Rauchfangkehrer auch nachvollziehbar dargestellt, dass die Feuerbeständigkeit der Kamine nur dann sichergestellt sei, wenn sie in ordnungsgemäßem Zustand seien. Bei Undichtheiten sei mit unkontrolliertem Austritt von Ruß und dem Rückschlag von Abgasen zu rechnen. Ein Baugebrechen liege vor, die Brandsicherheit der Rauchfänge sei nicht sichergestellt und es bestehe bei Rußaustritt und mangelhaftem Abzug von Abgasen Gesundheitsgefahr.
8 Soweit die revisionswerbenden Parteien in ihrer Beschwerde vorgebracht hätten, die Rauchfänge seien nicht mehr in Betrieb, sei darauf hinzuweisen, dass dem Rauchfangkehrer anzuzeigen sei, wenn Rauchfänge nicht mehr genutzt würden. Dies habe der Rauchfangkehrer zu bestätigen. Eine solche Anzeige sei nicht vorgelegt worden. Auch sei bei dauerhafter Außerbetriebnahme von Rauchfängen die Magistratsabteilung 37 zu befassen, da die Beheizbarkeit der Wohnungen sichergestellt bleiben müsse. Bei dauernder Stilllegung seien die Rauchfänge zu verfüllen und die Öffnungen dauerhaft zu verschließen. Das erstmals in der Beschwerdeverhandlung erstattete Vorbringen, die Stilllegung näher bezeichneter Rauchfänge sei im Zeitpunkt der Auftragserteilung bereits angezeigt gewesen, sei von den revisionswerbenden Parteien nicht näher belegt worden. Auch habe deren Vertreter nur vermutet, dass es eine solche Anzeige gegeben habe. Zudem habe sich dieses Vorbringen nach Einsicht in den behördlichen Akt durch Behördenvertreter im Nachhang zur Verhandlung als nicht zutreffend erwiesen. Die Verletzung des Brandabschnittes „Dachboden“ durch die vier Lüftungsrohre sei nicht bestritten worden, daraus resultiere die Gefahr des Brandübertrittes in den Dachboden. Als vorschriftswidrige Bauteile seien sie gemäß § 129 Abs. 10 BO zu entfernen. Im Ergebnis seien alle im angefochtenen Bescheid angeführten Baugebrechen und Konsenswidrigkeiten im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides vorgelegen. Die teilweise Behebung sei insofern nicht zu berücksichtigen, da nach näher genannter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Herstellung des vom baupolizeilichen Auftrag geforderten Zustands keine vom Verwaltungsgericht zu beachtende Änderung darstelle.
9 Dagegen richtet sich die vorliegende Revision.
10 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
11Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
12Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof ausschließlich im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
13Voranzustellen ist, dass gemäß § 129 Abs. 10 BO jede Abweichung von Bauvorschriften einschließlich der Bebauungsvorschriften zu beheben ist. Ein vorschriftswidriger Bau, für den eine nachträgliche Bewilligung oder Kenntnisnahme einer Bauanzeige nicht erwirkt worden ist, ist zu beseitigen. Gegebenenfalls kann die Baubehörde Aufträge erteilen; solche Aufträge müssen erteilt werden, wenn augenscheinlich eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit der Menschen besteht. Aufträge sind an den Eigentümer (jeden Miteigentümer) des Gebäudes oder der baulichen Anlage zu richten; im Falle des Wohneigentums sind sie gegebenenfalls an den Wohnungseigentümer der betroffenen Nutzungseinheit zu richten (vgl. VwGH 25.3.2024, Ra 2021/05/0079, Rn. 11).
14Ein Baugebrechen (§ 129 Abs. 2 und 4 BO), das beseitigt werden muss, liegt immer dann vor, wenn der Zustand einer Baulichkeit so mangelhaft geworden ist, dass dadurch öffentliche Interessen berührt werden. Dies kann durch eine gröbliche Störung des Stadtbildes oder durch die Gefährdung der Sicherheit und Gesundheit gegeben sein, wobei es genügt, wenn eine Gefahr für Leben, Gesundheit oder körperliche Sicherheit auch nur einer Person herbeigeführt oder vergrößert werden kann (vgl. VwGH 8.11.2021, Ro 2021/05/0020, mwN).
15Soweit die Revision zur Begründung ihrer Zulässigkeit eine Abweichung von näher genannter Rechtsprechung zur Frage, an wen ein baupolizeilicher Auftrag zu richten sei, zumal die revisionswerbenden Parteien nicht die Eigentümer der Gittertüren seien, sondern eine näher benannte Gesellschaft (Hinweis auf VwGH 18.3.2004, 2003/05/0230, sowie auf VwGH 4.9.2001, 2001/05/0168), sowie zur Frage, welcher Stand der Technik für die im Bescheid der Behörde in den Punkten 2 bis 6 angeführten Bauaufträge heranzuziehen sei (Hinweis auf VwGH 20.11.2018, Ra 2018/05/0039), vorbringt, so übersieht sie Folgendes:
16Im Fall der Behauptung einer Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist konkret darzulegen, dass der der angefochtenen Entscheidung zugrundeliegende Sachverhalt einer der von der Revision ins Treffen geführten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes gleicht, das Verwaltungsgericht im gegenständlichen Fall dennoch anders entschieden hat und es damit von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen ist (vgl. aus vielen etwa VwGH 14.12.2023, Ra 2023/05/0229, mwN). Diesen Begründungsanforderungen wird die Revision, die in ihren Zulässigkeitsgründen in beiden Fällen eine Abweichung ohne Darstellung der Vergleichbarkeit der Sachverhalte und ohne nähere Ausführung bloß behauptet, nicht gerecht.
17 Weiters bringt die Revision zur Begründung ihrer Zulässigkeit im Hinblick auf die Feststellung der Baugebrechen, zu den Fangköpfen, zur Stilllegung der Rauchfänge und zur Begründung im Allgemeinen Verfahrensfehler hier: Feststellungs und Begründungsmängel vor. Dazu ist zu bemerken, dass Rechtsfragen des Verfahrensrechtes nur dann grundsätzliche Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 BVG zukommt, wenn tragende Grundsätze des Verfahrensrechtes auf dem Spiel stehen oder die in der angefochtenen Entscheidung getroffene Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre, wozu kommt, dass auch die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels dargelegt werden muss (vgl. VwGH 23.1.2018, Ra 2018/05/0002, mwN). Dabei muss nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch schon in der abgesonderten Zulassungsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für die Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt (in Bezug auf Feststellungsmängel) voraus, dass auf das Wesentliche zusammengefasstjene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des behaupteten Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten (vgl. VwGH 26.9.2022, Ra 2022/05/0130, mwN).
18 Eine solche konkrete und fallbezogene Relevanzdarstellung ist der Revision jedoch nicht zu entnehmen. Weder legt die Revision dar, dass tragende Grundsätze des Verfahrensrechts auf dem Spiel stünden, noch, dass die durch das Verwaltungsgericht getroffene Beurteilung grob fehlerhaft wäre. Die Revision zeigt nicht ansatzweise auf, welche Ergebnisse bei der Durchführung welcher Ermittlungen zu erwarten gewesen wären und inwieweit diese das Ergebnis des angefochtenen Erkenntnisses beeinflusst hätten.
19Wenn die Revision schließlich vorbringt, das Verwaltungsgericht sei von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 7 AVG abgewichen, weil der Sachbearbeiter der Behörde im verwaltungsgerichtlichen Verfahren als Zeuge und Amtssachverständiger mitgewirkt habe und weil der Rauchfangkehrer die Anzeige verfasst habe und von der Behörde als Sachverständiger zumindest angesehen worden sei, weshalb beide im Beschwerdeverfahren nicht hätten mitwirken dürfen, so genügt es darauf hinzuweisen, dass weder den vorgelegten Akten noch dem angefochtenen Erkenntnis zu entnehmen ist, dass eine der genannten Personen dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren als (Amts )Sachverständiger beigezogen worden wäre.
20 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 BVG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 5. Dezember 2024