JudikaturVwGH

Ro 2023/04/0027 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
Datenschutzrecht
02. September 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Pollak sowie die Hofrätin Mag. HainzSator und den Hofrat Dr. Pürgy als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Vonier, über die Revision des E F, vertreten durch Mag. Thomas Preisinger, Rechtsanwalt in Wien, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. Mai 2023, Zl. W211 2266989-1/12E, betreffend eine datenschutzrechtliche Angelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Datenschutzbehörde; weitere Partei: Bundesministerin für Justiz; mitbeteiligte Partei: Finanzprokuratur in Wien), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Revisionswerber hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Kostenersatzbegehren der mitbeteiligten Partei wird abgewiesen.

1 1. Der Revisionswerber ist Justizwachebeamter. Er erhob eine Datenschutzbeschwerde gegenüber der Finanzprokuratur (mitbeteiligte Partei) als Verantwortliche und Beschwerdegegnerin wegen Verletzung im „Grundrecht auf Geheimhaltung gemäß § 1 Abs. 1 DSG“ und brachte zusammengefasst vor, er sei im Rahmen einer Amtshandlung von einem näher genannten Gefängnisinsassen am Körper verletzt worden und habe sich aufgrund dieser Verletzungen in der Folge im Krankenstand befunden. Die Mitbeteiligte habe als Vertreterin des Bundes im Rahmen des zur Geltendmachung der geleisteten Lohnfortzahlungen eingebrachten Privatbeteiligtenanschlusses diverse Unterlagen ungeschwärzt der ermittelnden Staatsanwaltschaft übermittelt. Die Staatsanwaltschaft habe diese Unterlagen wiederum unverändert weitergeleitet. Diese seien letztlich zum betreffenden Gefängnisinsassen gelangt. Diese Unterlagen enthielten näher angeführte personenbezogene Daten des Revisionswerbers.

2 Mit Bescheid vom 11. November 2022 wies die Datenschutzbehörde die Beschwerde als unbegründet ab.

3 2. Die dagegen gerichtete Beschwerde des Revisionswerbers wies das Bundesverwaltungsgericht (Verwaltungsgericht) mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision zulässig sei.

4 Das Verwaltungsgericht legte seiner Entscheidung nachfolgend zusammengefasste Sachverhaltsfeststellungen zugrunde: Der von einem näher genannten Gefängnisinsassen während einer Amtshandlung verletzte Revisionswerber habe sich infolge der Verletzungen in einem näher bezeichneten Zeitraum im Krankenstand befunden. Während dieses Zeitraums sei dem Erstrevisionswerber sein Gehalt fortgezahlt worden. Die Mitbeteiligte sei mit der Geltendmachung des Schadens, den der Bund aus der Entgeltfortzahlung für den Revisionswerber erlitten habe, beauftragt worden. Dementsprechend habe sich die Mitbeteiligte für die Republik Österreich im Strafverfahren gegen den Gefängnisinsassen als Privatbeteiligte angeschlossen und zur Begründung des Anspruchs unter anderem das Lohnkonto des Revisionswerbers, die Unfallmeldung der BVAEB sowie eine Krankenstandbestätigung beigelegt. Aus diesen übermittelten Unterlagen ergäben sich näher angeführte personenbezogene Daten des Revisionswerbers.

5 Diese Unterlagen seien im Haftraum des Beschuldigten gefunden worden. Bereits zuvor habe eine näher genannte Justizanstalt eine Strafanzeige wegen des Vorfalls samt Verletzungsanzeige, beinhaltend näher bezeichnete personenbezogene Daten zur Anamnese des Revisionswerbers, an die Staatsanwaltschaft übermittelt. Danach habe sich der Revisionswerber selbst als Privatbeteiligter dem staatsanwaltschaftlichen Verfahren angeschlossen und dabei seine Wohnadresse zunächst nicht geschwärzt. Aus näher genannten dem Privatbeteiligtenanschluss beigefügten Unterlagen seien näher bezeichnete personenbezogene Daten des Erstrevisionswerbers hervorgegangen.

6 Rechtlich führte das Verwaltungsgericht zusammengefasst aus, dass es sich bei den übermittelten Daten um personenbezogene Daten zum Teil auch um besondere Kategorien von personenbezogenen Daten iSd Art. 9 DSGVO gehandelt habe. Die Übermittlung der Unterlagen durch die mitbeteiligte Partei an die Staatsanwaltschaft stelle eine Verarbeitung iSd Art. 4 Z 2 DSGVO dar. Die Vorlage der gegenständlichen Unterlagen sei jedoch „in einer ex anteBetrachtung aus Sicht der mitbeteiligten Partei als erforderlich“ anzusehen, um einerseits den Krankenstand des Revisionswerbers sowie die Entgeltfortzahlung durch das Bundesministerium für Justiz zu dokumentieren, andererseits eine Vorfallskausalität des Krankenstandes und des Schadens aus der Entgeltfortzahlung herzustellen. Die Erforderlichkeit sei somit iSd Art. 9 Abs. 2 lit. f DSGVO für die besondere Kategorie von Daten und in einem Größenschluss auch für jene Daten gegeben, die nicht in diese Kategorie und damit unter den Erlaubnistatbestand des Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO fielen. Die Vorlage der Unterlagen mit dem Privatbeteiligtenanschluss sei daher betreffend näher bezeichneter personenbezogener Daten des Revisionswerbers erforderlich gewesen. Überdies habe der Revisionswerber die Angaben zu seinen Verletzungen und Behandlungen selbst ins Strafverfahren eingebracht. Weitere näher bezeichnete personenbezogene Daten des Revisionswerbers seien auf den vorgelegten Unterlagen, wie etwa Lohnkonto, Unfallmeldung und Krankenstandsbestätigung bereits vorhanden gewesen und somit Teil der zur Begründung des Anspruchs herangezogenen Dokumente. Auch diese personenbezogenen Daten seien vom „Konzept der Erforderlichkeit der Erlaubnistatbestände“ umfasst, das aus einer ex ante-Sicht weit auszulegen sei. Unabhängig von der Verpflichtung zur Vorlage von unveränderten und vollständigen Urkunden gemäß § 298 ZPO im Adhäsionsverfahren über die Ansprüche des Privatbeteiligten im Strafprozess sei es nachvollziehbar, dass sich eine Parteienvertretung ex ante betrachtet auch aus Gründen der advokatorischen Vorsicht und der Verantwortung gegenüber dem Mandanten unter Bedachtnahme auf die Beweiswürdigungsregelung des § 296 ZPO für die Vorlage von Dokumenten in unveränderter Art und Weise entscheide. Demnach sei der Verzicht auf Schwärzungen in den mit dem Privatbeteiligtenanschluss vorgelegten Urkunden erforderlich gewesen. Insgesamt lägen keine Umstände für ein Überwiegen des Geheimhaltungsinteresses des Revisionswerbers gegenüber dem Interesse der mitbeteiligten Partei an der umfassenden Vertretung der Interessen ihrer Mandantin bzw. dem Interesse des BMJ an der Geltendmachung des Anspruchs auf Ersatz der geleisteten Entgeltfortzahlung vor, zumal näher genannte personenbezogene Daten des Revisionswerbers bereits vor Einbringung des Privatbeteiligtenanschlusses im staatsanwaltschaftlichen Akt vorhanden gewesen seien.

7 Den Zulässigkeitsausspruch begründete das Verwaltungsgericht allein damit, dass „es zur Frage der Auslegung des Begriffs der ‚Erforderlichkeit‘ in Art. 9 Abs. 2 lit. f DSGVO und zum Zusammenspiel dieser Bestimmung mit Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO und § 1 Abs. 1 DSG noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes“ gebe.

8 3. Dagegen richtet sich die vorliegende ordentliche Revision, die in Bezug auf ihre Zulässigkeit der diesbezüglichen „Einschätzung des Bundesverwaltungsgerichts“ beitrat. Die belangte Behörde und die mitbeteiligte Partei (für sich) beantragten in ihren Revisionsbeantwortungen jeweils die Zurückweisung, in eventu Abweisung der Revision gegen Aufwandersatz.

9 4. Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

10Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

11Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4.2. Der Revisionsfall gleicht in den maßgeblichen tatsächlichen und rechtlichen Aspekten jenem, der vom Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 31. Oktober 2023, Ro 2023/04/0033 bis 0036, entschieden wurde, weshalb gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf die dortige Begründung verwiesen werden kann.

12 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

13 4.3. Zum Aufwandersatz:

Der Ausspruch über den Aufwandersatz für die Revisionsbeantwortung der belangten Behörde gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere §§ 51 und 53 Abs. 1 letzter Satz, in Verbindung mit der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014.

14 Der Revisionswerber richtete seine gegenständliche Datenschutzbeschwerde ausdrücklich gegen die Finanzprokuratur als Verantwortliche und Beschwerdegegnerin. Die Finanzprokuratur ist als Einrichtung des Bundes (§ 1 FinanzprokuraturgesetzProkG) Verantwortliche des öffentlichen Bereichs im Sinne des § 26 Abs. 1 Z 1 DSG und war somit gemäß § 26 Abs. 2 DSG Partei im Verfahren vor der Datenschutzbehörde. Im vorliegenden Revisionsverfahren ist sie daher gemäß § 21 Abs. 1 Z 4 VwGG mitbeteiligte Partei. Nach § 48 Abs. 3 Z 2 VwGG hat die obsiegende mitbeteiligte Partei Anspruch auf Ersatz des Aufwandes, der für sie mit der Einbringung einer Revisionsbeantwortung durch einen Rechtsanwalt (Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer) verbunden war. Vorliegend wurde die Revisionsbeantwortung der mitbeteiligten Partei jedoch nicht durch einen von ihr bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht. Vielmehr ist die mitbeteiligte Partei in eigener Sache eingeschritten. Mangels Vertretung durch einen Rechtsanwalt und damit verbundenen Aufwand für die Einbringung der Revisionsbeantwortung kommt ein Ersatz für den Schriftsatzaufwand nicht in Betracht (soweit der Finanzprokuratur gemäß § 8 Abs. 1 ProkG der Zuspruch der Kosten gleich einem Rechtsanwalt gebührt, vgl. zum fehlenden Aufwandersatzanspruch beim Einschreiten eines Rechtsanwalts in eigener Sache etwa VwGH 11.7.2022, Ra 2020/04/0080, Rn. 13, mwN). Das Begehren der mitbeteiligten Partei auf Kostenersatz für die von ihr selbst verfasste Revisionsbeantwortung war daher abzuweisen.

Wien, am 2. September 2025