Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Lehofer sowie die Hofräte Mag. Nedwed und Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision des A P in V, vertreten durch Mag. Gerald Planner, Rechtsanwalt in 8570 Voitsberg, Hauptplatz 57, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 30. Jänner 2023, Zl. LVwG 70.18 6677/2022 10, betreffend die Verhängung eines Waffenverbots (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Voitsberg), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis verhängte das Landesverwaltungsgericht Steiermark über den Revisionswerber in Bestätigung eines entsprechenden Bescheids der belangten Behörde ein Waffen- und Munitionsverbot gemäß § 12 Abs. 1 Waffengesetz 1996 (WaffG) und erklärte die Revision für nicht zulässig. Dieser Entscheidung lag ein gewalttätiger Vorfall im familiären Umfeld vom 28. April 2022 zugrunde, der zu einem Betretungsverbot gemäß § 38a SPG sowie einer Strafanzeige gegen den Revisionswerber geführt hatte; das Strafverfahren endete mit einer diversionellen Erledigung.
2 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zur Zulässigkeit geltend macht, die gegenständliche Entscheidung weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab bzw. fehle höchstgerichtliche Rechtsprechung, weil sämtliche bisherigen Entscheidungen auf Personen abgestellt hätten, die eine Waffe im Sinne des WaffG besessen oder zumindest Zugang zu einer solchen gehabt hätten. Der Revisionswerber habe hingegen keine Waffe in Besitz und dazu auch keinen Zugang, da sich bei ihm zu Hause keine derartigen Waffen befänden. Davon abgesehen sei die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes betreffend die für das Waffenverbot entscheidende Gefährdungsprognose insofern uneinheitlich, als einerseits beim Beobachtungszeitraum stets die Umstände des Einzelfalls zu prüfen seien und andererseits ein ausreichend langer Beobachtungszeitraum gefordert werde.
3 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan:
4 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Hat das Verwaltungsgericht wie im vorliegenden Fall im Erkenntnis ausgesprochen, dass die Revision nicht zulässig ist, muss die Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichts die Revision für zulässig erachtet wird.
Der Verwaltungsgerichtshof ist bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts nicht gebunden. Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß § 34 Abs. 1a VwGG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe zu überprüfen. Liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG danach nicht vor, ist die Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
5 Hinsichtlich der für die Verhängung eines Waffenverbots nach § 12 Abs. 1 WaffG maßgebenden Rechtslage wird gemäß § 43 Abs. 2 iVm Abs. 9 VwGG auf VwGH 8.9.2020, Ra 2020/03/0117, mwN, verwiesen.
6 Danach ist zusammengefasst für die Verhängung eines Waffenverbots entscheidend, ob der angenommene Sachverhalt „bestimmte Tatsachen“ im Sinne des § 12 Abs. 1 WaffG begründet, ob also die Annahme gerechtfertigt ist, der Betroffene könnte durch missbräuchliches Verwenden von Waffen das Leben, die Gesundheit oder die Freiheit von Menschen oder fremdes Eigentum gefährden.
7 Dabei genügt es, wenn konkrete Umstände vorliegen, die die Besorgnis erwecken, dass von der Waffe ein gesetz oder zweckwidriger („missbräuchlicher“) Gebrauch gemacht und dadurch eine Gefährdung im Sinne des § 12 Abs. 1 WaffG herbeigeführt werden könnte. Hierbei ist nach dem dem WaffG allgemein innewohnenden Schutzzweck bei der Beurteilung der mit dem Besitz von Schusswaffen verbundenen Gefahr ein strenger Maßstab anzulegen. Der Verbotstatbestand des § 12 Abs. 1 WaffG setzt voraus, dass auf Grund objektiver Sachverhaltsmerkmale eine qualifiziert rechtswidrige Verwendung von Waffen (nämlich durch gesetz- oder zweckwidrigen Gebrauch) zu befürchten ist. Liegt diese Voraussetzung vor, so hat die Behörde gemäß § 12 Abs. 1 WaffG vorzugehen und ein Waffenverbot auszusprechen, ohne dass ein bisher untadeliges Vorleben dem entgegenstünde. Wesentlich ist, dass dem Betroffenen die missbräuchliche Verwendung von Waffen zuzutrauen ist.
8 Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner gefestigten Rechtsprechung zu Situationen familiärer Gewalt festgehalten, dass nach den Umständen des Einzelfalls auch schon ein einmaliger Vorfall (Gewaltexzess) ungeachtet eines untadeligen Vorlebens die Verhängung eines Waffenverbots nach § 12 Abs. 1 WaffG rechtfertigen kann; auch wenn dabei keine Waffe verwendet wurde (vgl. etwa VwGH 27.1.2022, Ra 2021/03/0330, mwN).
9 Wenn die Revision geltend macht, der Revisionswerber verfüge über keine Waffen, vermag sie auf der Grundlage der zitierten höchstgerichtlichen Rechtsprechung allein damit nicht darzutun, dass die Gefährdungsprognose des Verwaltungsgerichts unzutreffend wäre oder es weiterer rechtlicher Leitlinien durch den Verwaltungsgerichtshof bedürfte, um den gegenständlichen Fall zu lösen. Ob der Betroffene aktuell eine Waffe (im Sinne des § 1 WaffG) besitzt, ist für die Verhängung des Waffenverbots nicht entscheidend und wurde in der umfangreichen höchstgerichtlichen Rechtsprechung zu diesem Thema auch nicht verlangt; vorausgesetzt wird vielmehr eine Prognose, ob aufgrund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, der Betroffene könnte durch missbräuchliches Verwenden von Waffen das Leben, die Gesundheit oder die Freiheit von Menschen oder fremdes Eigentum gefährden. Dabei mag das Vorhandensein von Waffen im Haushalt des Betroffenen eine gefahrenerhöhende Tatsache darstellen. Der Umkehrschluss, mangels Vorhandenseins von Waffen im Haushalt des Betroffenen bestehe die Gefahr missbräuchlicher Verwendung in keinem Fall, ist aber nicht zulässig, wenn nicht auszuschließen ist, dass sich der Betroffene, dessen Verhalten und Persönlichkeit die missbräuchliche Verwendung von Waffen indiziert, solche beschaffen könnte. Letzteres legt die Revision mit ihrem allgemein gehaltenen Vorbringen, der Revisionswerber habe „zu Hause keine Waffen“, nicht dar.
10 Gegen die (rechtliche) Sichtweise des Revisionswerbers spricht fallbezogen auch, dass § 13 Abs. 1 zweiter Satz WaffG idF BGBl. I Nr. 211/2021 bei Erlassung eines Betretungsverbots- und Annäherungsverbots gemäß § 38a SPG wie hier ex lege ein vorläufiges Waffen- und Munitionsverbot vorsieht, um „der zunehmenden Gewaltbereitschaft, die sich ... vermehrt und vor allem gegenüber Frauen geäußert hat“ entgegenzuwirken und „damit maßgeblich zum präventiven Opferschutz“ beizutragen bzw. „eine Erhöhung der öffentlichen Sicherheit“ zu bewirken (RV 1101 BlgNR XXVII. GP, S. 5). Auf das Vorhandensein von Waffen und Munition im Haushalt der Betroffenen wird (auch) dabei nicht abgestellt.
11 Entgegen dem weiteren Revisionsvorbringen ist die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, inwieweit das seit der Anlasstat für das Waffenverbot gezeigte Wohlverhalten Bedeutung für die Gefährdungsprognose hat, auch nicht uneinheitlich.
12 Im Zusammenhang mit der Aufhebung eines Waffenverbots wegen Wegfalls der dafür gegebenen Gründe nach § 12 Abs. 7 WaffG hat der Verwaltungsgerichtshof erkannt, dass die Behörde unter Berücksichtigung der für die Erlassung des Waffenverbotes maßgebenden Gründe, des Verhaltens des Betroffenen seit seiner Anlasstat und der Länge des zwischenzeitig verstrichenen Zeitraumes zu prüfen hat, ob die qualifizierte Gefährdungsprognose gemäß § 12 Abs. 1 WaffG noch aufrecht ist. Bei einem Wohlverhalten des Betroffenen zwischen der Anlasstat und dem Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung über die Aufhebung des Waffenverbots muss dieser Beobachtungszeitraum ausreichend lang sein, um vom Wegfall der Voraussetzungen des Waffenverbots ausgehen zu können. Im Hinblick auf den dem WaffG allgemein innewohnenden Schutzzweck bei der Beurteilung der mit dem Besitz von Waffen verbundenen Gefahren ist auch hier ein strenger Maßstab anzulegen. Bei der Wahl des Beobachtungszeitraums sind stets die Umstände des Einzelfalles zu prüfen, wozu die Bedachtnahme auf Art und zeitliches Ausmaß der Anlasstat gehört. Nichts Anderes gilt dann, wenn wie im Revisionsfall im Rechtsmittelweg zu beurteilen ist, ob im Zeitpunkt der Erlassung der Rechtsmittelentscheidung weiterhin eine Prognose im Sinne des § 12 Abs. 1 WaffG gerechtfertigt ist. Auch in diesem Fall muss also ein ausreichend langer Zeitraum des Wohlverhaltens verstrichen sein, um der einstigen Anlasstat das entscheidende Gewicht zu nehmen und damit zu einer für den Betroffenen günstigeren Prognose zu gelangen (vgl. etwa VwGH 27.11.2020, Ra 2020/03/0086, mwN).
13 Im gegenständlichen Fall hat das Verwaltungsgericht die seit der Anlasstat vergangene Zeit von neun Monaten als zu kurz angesehen, um eine für den Revisionswerber günstige Prognose stellen zu können. Dem tritt die Revision in der Zulassungsbegründung nicht substantiiert entgegen.
14 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 11. Oktober 2023