JudikaturBFG

RV/2100602/2025 – BFG Entscheidung

Entscheidung
09. September 2025

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Senatsvorsitzende***SenV***, den Richter ***Ri2*** sowie die fachkundigen Laienrichter ***SenLR1*** und ***SenLR2*** in der Beschwerdesache

***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Kiffmann KG, WP und StB-Gesellschaft, Mariatroster Straße 36, 8043 Graz, Steuernummer ***BF1StNr1***,

über die Beschwerde vom 17. Juni 2025 gegen den Bescheid des***FA*** vom 21. Mai 2025 betreffend Zwangsstrafen 2023 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 9. September 2025 in Anwesenheit der Schriftführerin ***Sf*** zu Recht erkannt:

I. Der angefochtene Bescheid wird abgeändert. Die Zwangsstrafe wird mit 1.000 Euro festgesetzt.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer, ***Bf1*** (im Folgenden kurz: Bf.) erzielt Einkünfte aus selbständiger Arbeit und ist steuerlich von einem Steuerberater vertreten, während die laufende Buchhaltung von einer selbständigen Buchhalterin durchgeführt wird. Die Abgabe der Steuererklärungen war von der so genannten "Quotenregelung" des steuerlichen Vertreters umfasst.

Mit Bescheid vom 28. November 2024 wurde der Beschwerdeführer (Bf.) persönlich aus der Quotenregelung des steuerlichen Vertreters ausgeschieden und ihm wurde für die Einreichung der ausständigen Abgabenerklärungen (Einkommen- und Umsatzsteuererklärung 2023) eine Nachfrist bis zum 08. Jänner 2025 gewährt.

Mit Bescheid vom 10. Jänner 2025 wurde dem Bf. eine Zwangsstrafe iHv 300 Euro (150 Euro je Steuererklärung) angedroht, weil er die Einkommen- und Umsatzsteuererklärungen 2023 nicht fristgerecht eingereicht hatte. Dafür wurde dem Bf. im Bescheid eine Nachfrist bis 17. Februar 2025 eingeräumt.

Mit Bescheid vom 12. März 2025 wurde eine Zwangsstrafe iHv 300 Euro festgesetzt, weil der Bf. bis zu diesem Zeitpunkt die Erklärungen nicht eingereicht hatte.

Mit Bescheid vom 31. März 2025 wurde dem Bf. eine weitere Zwangsstrafe iHv 2.000 Euro (1.000 Euro je Steuererklärung) angedroht, weil er die Einkommen- und Umsatzsteuererklärungen 2023 noch immer nicht eingereicht hatte. Dafür wurde dem Bf. im Bescheid eine Nachfrist bis 23. April 2025 eingeräumt.

Mit dem hier angefochtenen Bescheid vom 21. Mai 2025 wurde die angedrohte Zwangsstrafe iHv 2.000 Euro festgesetzt, weil der Bf. bis zu diesem Zeitpunkt die Erklärungen noch immer nicht eingereicht hatte. Gleichzeitig wurde der Bf. neuerlich aufgefordert, bis längstens 06. Juni 2025 die Erklärungen einzureichen. Ansonsten würden die Besteuerungsgrundlagen geschätzt.

Am 06. Juni 2025 reichte die steuerliche Vertretung des Bf. die ausstehenden Abgabenerklärung über FinanzOnline ein. Mit Bescheid vom 20. Juni 2025 wurde der Bf. erklärungsgemäß zur Umsatzsteuer iHv 28.534,55 Euro veranlagt, was zu einer Nachforderung iHv 3.267,62 Euro führte. Mit Bescheid vom 27. Juni 2025 wurde der Bf. erklärungsgemäß zur Einkommensteuer veranlagt und die Einkommensteuer mit 32.623 Euro festgesetzt. Dies führte zu einer Gutschrift iHv 19.437 Euro.

In der gegen den Bescheid betr. Zwangsstrafen eingebrachten Beschwerde vom 17. Juni 2025 erklärte der Bf., dass die Verhängung bzw. die Höhe der Zwangsstrafe aus folgenden Gründen unverhältnismäßig sei: - die Abgabenerklärungen seien zwischenzeitlich vollständig übermittelt worden, - es bestünde keine Wiederholungsgefahr, - die wirtschaftliche Lage sei angespannt und sei die Strafe in dieser Höhe existenzgefährdend und - es sei zu einem Wechsel in der Buchhaltung gekommen, was zur Verzögerung geführt hätte.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom 18. Juni 2025 wurde der Beschwerde teilweise Folge gegeben und die Zwangsstrafe wurde auf 1.000 Euro reduziert.

Mit Schreiben vom 17. Juli 2025 beantragte der Bf. die Behandlung der Beschwerde durch das BFG (Entscheidung durch den Senat nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung) und begründete dies wie die Beschwerde.

Den vorgelegten Aktenteilen bzw. dem Vorlagebericht des Finanzamtes ist zu entnehmen, dass in den letzten Jahren wiederholt Säumnis -und Verspätungszuschläge festgesetzt wurden. Am 22. Februar 2024 ist es mangels Einreichung der Umsatzsteuervoranmeldungen (UVA) für die Monate 10/2023, 11/2023 und 12/2023 abermals zur Androhung einer Zwangsstrafe iHv 900 Euro (300 Euro je UVA) gekommen. Am Abgabenkonto besteht kein Rückstand.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 9. September 2025 erläuterte der steuerliche Vertreter, dass der Bf. seine steuerlichen Obliegenheiten vernachlässigt hat, weil der ihm gehörenden ***1*** GmbH die Zahlungsunfähigkeit drohe. Auch sei von der selbständigen Buchhalterin in FinanzOnline offenbar die Zustellvollmacht der steuerlichen Vertretung gelöscht worden, sodass er nicht rechtzeitig Kenntnis von den Schreiben der Finanzverwaltung erlangt hätte. Aus Billigkeitsgründen sei die Zwangsstrafe zu reduzieren.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt und Beweiswürdigung

Der Sachverhalt stellt sich wie im Verfahrensgang angeführt dar und ergibt sich aus den vorliegenden Bescheiden.

2. Rechtliche Beurteilung

2.1. Rechtslage

§ 111 BAO lautet:

(1) Die Abgabenbehörden sind berechtigt, die Befolgung ihrer Anordnungen zur Erbringung von Leistungen, die sich wegen ihrer besonderen Beschaffenheit durch einen Dritten nicht bewerkstelligen lassen, durch Verhängung einer Zwangsstrafe zu erzwingen. Zu solchen Leistungen gehört auch die elektronische Übermittlung von Anbringen und Unterlagen, wenn eine diesbezügliche Verpflichtung besteht.

(2) Bevor eine Zwangsstrafe festgesetzt wird, muß der Verpflichtete unter Androhung der Zwangsstrafe mit Setzung einer angemessenen Frist zur Erbringung der von ihm verlangten Leistung aufgefordert werden. Die Aufforderung und die Androhung müssen schriftlich erfolgen, außer wenn Gefahr im Verzug ist.

(3) Die einzelne Zwangsstrafe darf den Betrag von 5 000 Euro nicht übersteigen.

(4) Gegen die Androhung einer Zwangsstrafe ist ein abgesondertes Rechtsmittel nicht zulässig.

2.2. Festsetzung Zwangsstrafe

Die Abgabenbehörden sind gem. § 111 BAO berechtigt, die Befolgung ihrer Anordnungen zur Einreichung von Steuererklärungen durch Verhängung einer Zwangsstrafe zu erzwingen (zB VwGH 19.4.2018, Ra 2016/15/0030; VwGH 26.3.2014, 2013/13/022; VwGH 24.5.2007, 2006/15/0366, VwGH 28.10.1998, 98/14/0091).

Zweck der Zwangsstrafe ist es insbesondere, die Partei zur Erfüllung ihrer abgabenrechtlichen Pflichten zu verhalten (VwGH 15.12.2022, Ra 2022/13/0023; vgl. auch VwGH 26.3.2014, 2013/13/0022).

Die Verhängung einer Zwangsstrafe ist nur unzulässig, wenn die Leistung unmöglich, die Erfüllung unzumutbar oder bereits erfolgt wäre (VwGH 16.2.1994, 93/13/0025 unter Verweis auf VwGH 13.9.1988, 88/14/0084).

Die Verhängung einer Zwangsstrafe liegt dem Grunde und der Höhe nach im Ermessen der Abgabenbehörde (VwGH 15.12.2022, Ra 2022/13/0023 unter Verweis auf VwGH 26.6.1992, 89/17/0010; VwGH 22.2.2000, 96/14/0079). Gemäß § 20 BAO müssen sich Entscheidungen, die die Abgabenbehörden nach ihrem Ermessen zu treffen haben (Ermessensentscheidungen), in den Grenzen halten, die das Gesetz dem Ermessen zieht. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen.

Bei der Ermessensübung ist im Beschwerdefall insbesondere zu berücksichtigen: - das bisherige Verhalten der Partei bei der Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten, - der Grad des Verschuldens der Partei, - die wirtschaftlichen Verhältnisse des Abgabepflichtigen oder - die abgabenrechtliche Bedeutung (Auswirkung) der verlangten Leistung (vgl. Ritz, BAO6, § 111 Tz 10 mit zahlreichen Nachweisen aus der Judikatur).

Die Höhe allfälliger Abgabennachforderungen stellt - anders als bei Ritz, BAO6, § 111 Tz 10 angeführt - nach der jüngeren Judikatur kein Kriterium dar, das im Zuge des bei der Festsetzung einer Zwangsstrafe auszuübenden Ermessens zu berücksichtigen ist, da diese erst auf Grundlage der Abgabenerklärung, deren Vorlage durch diese Maßnahme erzwungen werden soll, ermittelt werden kann (BFG 15.4.2019, RV/7103113/2018). Der Zweck der Zwangsstrafe besteht ausschließlich in der Unterstützung der Abgabenbehörden bei der Erreichung ihrer Verfahrensziele. Eine Aufforderung zur Einreichung einer Abgabenerklärung stellt eine mit Zwangsstrafe erzwingbare verfahrensleitende Verfügung dar, die jedoch keine abschließende Entscheidung darüber ist, ob die aufgeforderte Person tatsächlich auch abgabepflichtig ist und ihr deswegen die Abgaben, über die die Abgabenerklärung gefordert wurde, vorgeschrieben werden (VwGH 20.3.2007, 2007/17/0063).

Im Beschwerdefall hat der Bf. bei der Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten bereits zuvor auffallende Sorglosigkeit an den Tag gelegt. So wurde ihm bereits am 22. Februar 2024 mangels Einreichung der UVA`s für die Monate 10/2023, 11/2023 und 12/2023 2024 eine Zwangsstrafe angedroht. In den letzten Jahren wurden auch wiederholt Säumnis- und Verspätungszuschläge festgesetzt. Das zeigt, dass es sich nicht um eine erstmalige Pflichtverletzung handelt.

Die Begründung, die Buchhaltung werde von einer nicht zur Abgabe von Steuererklärungen berechtigten selbständigen Buchhalterin erledigt und den Bf. treffe daher praktisch kein Verschulden an der Nichteinreichung der Erklärungen ist insoweit nicht tragfähig, als der Bf. die selbständige Buchhalterin selbst und freiwillig ausgewählt hat. Trotz mehrmaliger, direkt an den Bf. gerichteter Aufforderung zur Einreichung der Erklärungen hat der Bf. keinen Kontakt zum Finanzamt aufgenommen (etwa um die Frist verlängern zu lassen) und damit außerordentlich sorglos gehandelt.

Die verlangte Leistung ist von hoher abgabenrechtlicher Bedeutung, sichert sie doch die richtige Veranlagung des Bf.

All diese Punkte sprechen dafür, die Einreichung von Abgabenerklärungen durch Zwangsstrafe zu erzwingen. Nachdem die Androhung bzw. Verhängung einer Zwangsstrafe von 300 Euro nicht zielführend war, ist es bei dieser Sachlage auch gerechtfertigt, eine höhere Zwangsstrafe, etwa die angedrohten 2.000 Euro anzusetzen.

Auf der anderen Seite sind die wirtschaftlichen Verhältnisse des Abgabepflichtigen zu beachten. Aus der Veranlagung zur Einkommensteuer ergibt sich, dass sich auch seine persönliche wirtschaftliche Lage verschlechtert hat und nicht nur die der ihm gehörenden ***1*** GmbH. Dieser Umstand wurde vom Finanzamt im Rahmen der Beschwerdevorentscheidung insoweit in Betracht gezogen, als die Zwangsstrafe der Höhe nach halbiert wurde. Gegen diese Vorgangsweise bestehen keine Bedenken.

Die Zwangsstrafe wegen Nichteinreichung der Einkommensteuer- und Umsatzsteuererklärung 2023 ist daher - wie im Spruch ersichtlich - mit 1.000 Euro (500 Euro je Abgabenerklärung) festzusetzen.

2.3. Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Graz, am 9. September 2025