Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. Dr. Zehetner sowie die Hofrätinnen Mag. Liebhart Mutzl und Dr. in Sembacher als Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kieslich, über die Revision des Magistrats der Stadt Wien gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 15. Juli 2022, VGW 011/041/856/2021 14, betreffend Übertretung der Bauordnung für Wien (mitbeteiligte Partei: Ing. B K in B, vertreten durch Dr. Gernot Kerschhackel, Rechtsanwalt in 2500 Baden, Wiener Straße 44 46/1/11), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die Bundeshauptstadt Wien hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von € 922, binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
1 Mit Straferkenntnis des Amtsrevisionswerbers vom 14. Dezember 2020 wurde über die mitbeteiligte Partei gemäß § 135 Abs. 1 iVm § 125 Abs. 1 lit. a der Bauordnung für Wien (BO) in Verbindung mit § 1 Abs. 2 des Gesetzes über Kleingärten in Wien (Wiener Kleingartengesetz 1996) in der Fassung LGBl. Nr. 57/1996, § 8 Wiener Kleingartengesetz 1996 in der Fassung LGBl. Nr. 69/2018 und § 22 Wiener Kleingartengesetz 1996 in der Fassung LGBl. Nr. 71/2018 eine Verwaltungsstrafe in der Höhe von € 5.400, (Ersatzfreiheitsstrafe ein Tag und 12 Stunden) verhängt, weil sie es als baurechtlicher Geschäftsführer der X Gesellschaft gemäß § 124 Abs. 1a BO zu verantworten habe, dass die X Gesellschaft als befugte Bauführerin auf einer näher bezeichneten Liegenschaft innerhalb des Tatzeitraumes von 7. April 2020 bis 8. September 2020 entgegen der gemäß § 125 Abs. 1 lit. a BO der Bauführerin auferlegten Verpflichtungen näher bezeichnete bewilligungspflichtige Bauarbeiten habe durchführen lassen, ohne dass die dafür erforderliche Bewilligung der Behörde erwirkt worden sei und ohne, dass ein Bewilligungsverfahren gemäß § 8 Wiener Kleingartengesetz 1996 durchgeführt worden sei. Gemäß § 8 Abs. 4 Wiener Kleingartengesetz 1996 hätte erst nach Vorliegen der vollständigen Unterlagen nach Anzeige des Baubeginns mit der Bauführung begonnen werden dürfen; das Ansuchen vom 24. August 2020 sei aber in vier näher bezeichneten Punkten fehlerhaft bzw. unzureichend gewesen. Gemäß § 64 Verwaltungsstrafgesetz VStG wurde der mitbeteiligten Partei ein Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens in der Höhe von € 540, vorgeschrieben.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Verwaltungsgericht Wien (Verwaltungsgericht) der dagegen erhobenen Beschwerde der mitbeteiligten Partei nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung Folge, behob das bekämpfte Straferkenntnis, stellte das Verfahren für den Zeitraum bis 23. August 2020 gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG und für den Zeitraum ab 24. August 2020 gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 VStG ein und sprach aus, dass die mitbeteiligte Partei gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten habe. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG erklärte es für zulässig.
3 Begründend führte das Verwaltungsgericht auf das Wesentliche zusammengefasst aus, die mitbeteiligte Partei habe als baurechtlicher Geschäftsführer der X Gesellschaft am 18. Februar 2020 eine Baubeginnsanzeige unterfertigt, diese sei aber erst am 24. August 2020 bei der Baubehörde vorgelegt worden. Die ursprüngliche Einreichung des Projektes sei durch die U Gesellschaft erfolgt, diese habe auch die ursprünglichen Pläne unterzeichnet. Die Bauführung sei durch die X Gesellschaft erfolgt. Der Bau sei am 9. September 2020 noch nicht fertiggestellt gewesen, jedenfalls ab dem 24. August 2020 seien keine Bauarbeiten mehr erweisbar. Bei der X Gesellschaft und der U Gesellschaft handle es sich um zwei unterschiedliche Unternehmen. Die X Gesellschaft sei am 24. August 2020 erstmalig gegenüber der Baubehörde aufgetreten.
4 In seiner rechtlichen Beurteilung hielt das Verwaltungsgericht fest, dass die Unterzeichnung der Anzeige am 18. Februar 2020 der X Gesellschaft zuzurechnen sei; für den Zeitraum vor 24. August 2020 sei mangels Benennung an die Baubehörde für die U-Gesellschaft kein Bauführer bestellt gewesen, daher sei nach näher genannter Rechtsprechung diese als Bauwerber zur Verantwortung zu ziehen. Die mitbeteiligte Partei habe in diesem Zeitraum keine Funktion bei der U Gesellschaft bekleidet, weshalb sie für den Tatzeitraum bis 23. August 2020 nicht verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich sei. Für den Tatzeitraum ab 24. August 2020 sei davon auszugehen, dass die X Gesellschaft als Bauführerin und die mitbeteiligte Partei als baurechtlicher Geschäftsführer formell ordnungsgemäß bestellt waren. In diesem verbleibenden Tatzeitraum seien aber keine Bautätigkeiten mehr erweisbar gewesen, weshalb das Verfahren auch für diesen Tatzeitraum einzustellen sei, da es sich bei der unberechtigten Bauführung nicht um ein Dauerdelikt handle.
5 Die ordentliche Revision ließ das Verwaltungsgericht mit folgender Begründung zu:
„Das Rechtsinstitut des baurechtlichen Geschäftsführers ist eine Besonderheit der Wiener Bauordnung. Es wurde im Jahr 2014 eingeführt. Zur speziellen Frage der Rechtsgültigkeit der Erklärung und Abgabe derselben bei der Behörde mangelt es an Rechtsprechung des Gerichtshofes. Insbesondere kann in diesem Fall auch nicht auf die Rechtsprechung zum verantwortlichen Beauftragten (§ 9 VStG), dem das Rechtsinstitut nachempfunden ist, zurückgegriffen werden.“
6 Daraufhin wurde die vorliegende ordentliche Revision eingebracht.
7 Die mitbeteiligte Partei erstattete eine Revisionsbeantwortung, wandte sich darin gegen die „Berechtigung“ der Revision und beantragte deren Abweisung sowie Kostenersatz im Ausmaß von € 922, .
8 Mit der im Zulässigkeitsausspruch des Verwaltungsgerichts formulierten Frage wird keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme:
9 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
10 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist gemäß § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.
11 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.
12 Die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision erfolgt ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulassungsbegründung (vgl. für viele etwa VwGH 16.11.2017, Ro 2017/07/0027, oder auch 24.9.2019, Ra 2019/06/0104, jeweils mwN).
13 Der Verwaltungsgerichtshof ist weder verpflichtet, Gründe für die Zulässigkeit einer Revision anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit einer Revision hätten führen können, aufzugreifen (vgl. VwGH 26.4.2021, Ro 2020/05/0020; 14.12.2017, Ro 2015/07/0043, oder auch nochmals 16.11.2017, Ro 2017/07/0027, jeweils mwN).
14 Reicht die Begründung der Zulässigkeit der Revision durch das Verwaltungsgericht für deren Zulässigkeit nicht aus oder erachtet der Revisionswerber andere Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung für gegeben, hat der Revisionswerber nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch in einer ordentlichen Revision von sich aus die Zulässigkeitsgründe gesondert darzulegen (vgl. für viele nochmals VwGH 26.4.2021, Ro 2020/05/0020, oder auch 25.9.2019, Ro 2019/05/0013, jeweils mwN).
15 In einem solchen Fall ist von der revisionswerbenden Partei auf die vorliegende Rechtssache bezogen bezüglich jeder von ihr hinausgehend über die Zulässigkeitsbegründung des Verwaltungsgerichts als von grundsätzlicher Bedeutung qualifizierten Rechtsfrage konkret (unter Berücksichtigung auch der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes) aufzuzeigen, warum der Verwaltungsgerichtshof diese Rechtsfrage in einer Entscheidung über die Revision als solche von grundsätzlicher Bedeutung zu behandeln hätte, von der die Lösung der Revision abhängt (vgl. etwa erneut VwGH 16.11.2017, Ro 2017/07/0027). Die vorliegende ordentliche Revision bringt im Rahmen der Zulässigkeitsbegründung lediglich vor, Ausführungen zur Zulässigkeit könnten entfallen, da das Verwaltungsgericht diese ausdrücklich zugelassen habe. Darüberhinausgehendes Zulässigkeitsvorbringen wird nicht erstattet. Aus diesem Grund hat im vorliegenden Fall die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision allein anhand der Ausführungen des Verwaltungsgerichts in seiner Zulässigkeitsbegründung zu erfolgen.
16 Im Revisionsfall legte das Verwaltungsgericht mit seinen allgemeinen Ausführungen zur Zulassung der Revision im angefochtenen Erkenntnis nicht dar, welche konkret auf die vorliegende Rechtssache bezogene grundsätzliche Rechtsfrage, die für das gegenständliche Verfahren von entscheidender Bedeutung wäre, der Verwaltungsgerichtshof bei der Entscheidung über die Revision (erstmals) zu lösen habe. Zweck der Begründungspflicht des Verwaltungsgerichtes nach § 25a Abs. 1 VwGG ist die Fokussierung auf die vom Verwaltungsgerichtshof zu lösende Rechtsfrage (vgl. etwa VwGH 25.3.2020, Ro 2020/10/0005, mwN); eine solche wird mit den allgemeinen Formulierungen des Verwaltungsgerichtes nicht ansatzweise angesprochen.
17 Im Übrigen ist dazu auch auszuführen, dass eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung nach der hg. Judikatur dann nicht vorliegt, wenn die revisionsgegenständliche Regelung bereits außer Kraft getreten ist und es angesichts eines kleinen Kreises potentiell betroffener Personen nicht wahrscheinlich ist, dass noch über eine nennenswerte Anzahl vergleichbarer Fälle zu entscheiden sein wird (vgl. etwa VwGH 30.4.2019, Ra 2017/06/0142, mwN). Dies gilt in gleicher Weise für den vorliegenden Fall, in dem § 124 Abs. 1a BO zwar nicht außer Kraft getreten, aber mit der Bauordnungsnovelle 2020, LGBl. Nr. 61/2020, mit Wirkung ab 1. Oktober 2020 dahingehend geändert wurde (vgl. Erläuternde Bemerkungen LT 20. GP, Beilage Nr. 19/2020, S. 17 der Materialien), dass bei unterbliebener Benennung des baurechtlichen Geschäftsführers (an die Behörde, vgl. § 124 Abs. 1a Satz 1 BO) bereits die Bekanntgabe eines Bauführers als nicht erfolgt gilt, und die damit in Verbindung stehenden Rechtsfolgen eintreten.
18 Dass noch über eine nennenswerte Anzahl vergleichbarer Fälle nach der früheren Rechtslage zu entscheiden sein wird, legen weder das Verwaltungsgericht noch der Amtsrevisionswerber dar und ist dies für den Verwaltungsgerichtshof angesichts der bereits vor geraumer Zeit erfolgten Novellierung auch nicht ersichtlich (vgl. VwGH 30.11.2022, Ro 2019/05/0016, mwN).
19 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.
20 Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 VwGG, insbesondere auf § 51 VwGG in Verbindung mit der VwGH Aufwandersatzordnung 2014. Hinsichtlich des Ausmaßes des Ersatzes hier: für Schriftsatzaufwand ist auf das Antragsprinzip gemäß § 59 VwGG, wonach ziffernmäßig verzeichnete Kosten nur in der beantragten Höhe zuzusprechen sind, zu verweisen (vgl. VwGH 22.1.2021, Ra 2019/03/0081).
Wien, am 20. April 2023