JudikaturVwGH

Ra 2023/05/0235 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
31. März 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Pollak sowie die Hofrätinnen Dr. Leonhartsberger und Dr. in Gröger als Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Tichy, über die Revision des M P in W, vertreten durch die Sunder Plaßmann Loibner Partner Rechtsanwälte OG in 1010 Wien, Johannesgasse 22/6, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 14. Juni 2023, 1. VGW 111/078/10660/2022 14, 2. VGW 111/078/10668/2022 14 und 3. VGW 111/078/10672/2022 14, betreffend Versagung einer baubehördlichen Bewilligung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien; weitere Partei: Wiener Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Revisionswerber hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

1 Mit Bescheiden vom 19. Juli 2022 versagte die belangte Behörde jeweils die baubehördliche Bewilligung gemäß den §§ 70 und 71 der Bauordnung für Wien (im Folgenden: BO) für die vom Revisionswerber am 3. Dezember 2021 eingebrachten Ansuchen für einen Umbau und „Ausnahme vom Verbot der Verwendung einer in einer Wohnzone gelegenen Wohnung bzw. eines Teiles einer solchen Wohnung für andere als für Wohnzwecke, gemäß § 7a Abs. 5 BO [...], Umwidmung von Wohnungen in Beherbergungsbetrieb“ betreffend drei in 1040 Wien gelegene Liegenschaften.

2 Die dagegen erhobenen Beschwerden des Revisionswerbers wies das Verwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab und sprach gleichzeitig aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.

3 Begründend führte es zusammengefasst aus, durch das beantragte Bauvorhaben sollten in drei Gebäuden in 1040 Wien weitere Wohnräume für kurzfristige Beherbergungszwecke gewidmet werden. Der für die von der Umwidmung betroffenen Wohnräume vorgesehene Ersatzwohnraum im Sinn des dritten Tatbestandes des § 7a Abs. 5 zweiter Halbsatz BO befinde sich auf einer näher bezeichneten Liegenschaft in 1030 Wien. Die Entfernung zwischen zwei der Liegenschaften in 1040 Wien und der Liegenschaft in 1030 Wien betrage mit dem PKW 4,5 km, zu Fuß 2,9 km und mit dem Fahrrad 3,0 km. Dies entspreche einer Fahrzeit von 14 Minuten mit dem PKW und 11 Minuten mit dem Fahrrad sowie einer Gehzeit von 36 Minuten. Bei Benützung des öffentlichen Personennahverkehrs betrage die Fahrzeit mindestens 22 Minuten. Die Wegstrecke zwischen der weiteren Liegenschaft in 1040 Wien und jener in 1030 Wien betrage bei Zurücklegung mit dem PKW 4,6 km, zu Fuß 2,8 km und mit dem Fahrrad 2,9 km. Die Fahrzeit sei mit dem PKW gleich; die Fahrzeit mit dem Fahrrad, mit öffentlichen Verkehrsmitteln und die Gehzeit seien jeweils um eine Minute kürzer.

4 Gemäß § 7a Abs. 3 BO seien Aufenthaltsräume in Wohnzonen, die als Wohnung in einem Hauptgeschoß oder Teile einer solchen Wohnung im Zeitpunkt der Festsetzung der Wohnzone gewidmet waren (oder rechtmäßig verwendet wurden oder später neu errichtet werden), auch weiterhin nur als Wohnung zu verwenden. § 7a Abs. 5 zweiter Halbsatz BO nenne als einen Grund, die Ausnahme von der Wohnnutzung möglich zu machen, die Schaffung von Wohnraum in räumlicher Nähe in zumindest gleichem Ausmaß. Ausschließlich darauf stütze sich der Revisionswerber. Bei der Beurteilung, ob sich der neu geschaffene Wohnraum (Ersatzwohnraum) in „räumlicher Nähe“ des Bestandswohnraums befinde, sei nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes ausschließlich auf die Entfernung des Bestandswohnraums vom Ersatzwohnraum abzustellen. Auf eine gleichwertige räumliche Lage innerhalb der Stadt bzw. im Verhältnis zur Inneren Stadt komme es hingegen ebensowenig an wie auf eine Gleichwertigkeit im Hinblick auf das infrastrukturelle Umfeld. Bei einer fußläufigen Entfernung von 2,8 km bzw. 2,9 km zwischen Bestandswohnraum und Ersatzwohnraum könne auch unter Berücksichtigung der vorhandenen Verkehrsinfrastruktur von einer „räumlichen Nähe“ der Bestandswohnungen zum Ersatzwohnraum nicht mehr die Rede sein, zumal Ausnahmebestimmungen grundsätzlich restriktiv auszulegen seien.

5 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zu ihrer Zulässigkeit vorbringt, es liege noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 7a Abs. 5 zweiter Halbsatz BO vor. Zur Beurteilung der „räumlichen Nähe“ sei auch maßgeblich, in welcher Zeit der Weg zwischen zwei Objekten zurückgelegt werden könne und wie die Wohnungen in ihrer Entfernung zum Mittelpunkt der Stadt lägen.

6 Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Revision beantragt.

7 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

9Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof ausschließlich im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10 Die Voraussetzungen für die Erhebung einer außerordentlichen Revision fehlen auch dann, wenn sich das Verwaltungsgericht auf eine klare Rechtslage stützen kann. Ist die Rechtslage nach den in Betracht kommenden Normen klar und eindeutig, liegt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 BVG vor, und zwar selbst dann nicht, wenn zu einer der anzuwendenden Normen noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergangen ist (vgl. etwa VwGH 30.9.2022, Ra 2022/05/0099, Rn. 18, mwN).

11 § 7a Bauordnung für Wien, LGBl. Nr. 11/1930 in der hier maßgeblichen Fassung LGBl. Nr. 69/2018, lautet auszugsweise:

„Wohnzonen

§ 7a.

(1) In den Bebauungsplänen können aus Gründen der Stadtstruktur, Stadtentwicklung und Vielfalt der städtischen Nutzung des Baulandes sowie Ordnung des städtischen Lebensraumes zur Erhaltung des Wohnungsbestandes sowohl im Wohngebiet als auch im gemischten Baugebiet Wohnzonen ausgewiesen werden.

[...]

(3) Aufenthaltsräume in Wohnzonen, die als Wohnung in einem Hauptgeschoß oder Teile einer solchen Wohnung im Zeitpunkt der Festsetzung der Wohnzone gewidmet waren oder rechtmäßig verwendet wurden oder später neu errichtet werden, sind auch weiterhin nur als Wohnung oder Teile einer Wohnung zu verwenden. Ein Aufenthaltsraum wird auch dann als Wohnung oder Teil einer Wohnung verwendet, wenn in ihm auch Tätigkeiten ausgeübt werden, die zwar nicht unmittelbar Wohnzwecken dienen, jedoch üblicherweise in Wohnungen ausgeübt werden; die gewerbliche Nutzung für kurzfristige Beherbergungszwecke stellt keine solche Tätigkeit dar.

[...]

(5) Ausnahmen von Abs. 3 sind auf Antrag durch die Behörde zuzulassen, wenn dadurch in Wohngebieten die im Gebäude für Wohnungen verwendeten Flächen nicht weniger als 80 vH der Summe der Nutzflächen der Hauptgeschosse, jedoch unter Ausschluss des Erdgeschosses betragen; in Wohngebieten und in gemischten Baugebieten sind weiters Ausnahmen von Abs. 3 sowie Ausnahmen von Abs. 4 zuzulassen, wenn die Wohnqualität in den betroffenen Aufenthaltsräumen durch äußere Umstände wie Immissionen, Belichtung, Belüftung, fehlende sonstige Wohnnutzungen im selben Haus oder die besonders schlechte Lage im Erdgeschoss und ähnliches gemindert ist oder wenn Einrichtungen, die der lokalen Versorgung der Bevölkerung dienen, geschaffen oder erweitert werden sollen oder wenn zugleich anderer Wohnraum in räumlicher Nähe in zumindest gleichem Ausmaß geschaffen wird.“

12 Das Verwaltungsgericht hat anhand der getroffenen Feststellungen im Wesentlichen auf die fußläufige Entfernung von 2,8 km bzw. 2,9 km zwischen Bestandswohnraum und Ersatzwohnung abgestellt und den Schluss gezogen, auch unter Berücksichtigung vorhandener Verkehrsinfrastruktur könne dabei von „räumlicher Nähe“ im Sinn des § 7a Abs. 5 BO nicht mehr die Rede sein. Dem Verwaltungsgericht ist nicht entgegenzutreten, wenn es angesichts der wiedergegebenen Feststellungen und des Gesetzeswortlautes („Wohnraum in räumlicher Nähe“) die Voraussetzungen der räumlichen Nähe verneinte. Mit ihren Ausführungen zur Maßgeblichkeit auch der Zeit, in der die Strecke unter Berücksichtigung der Verkehrsinfrastruktur zurückgelegt werden könne, und der Lage der Wohnungen im Verhältnis zur Innenstadt vermag die Revision keine diesbezüglichen Bedenken zu erwecken. Das Verwaltungsgericht verwies auch in nicht zu beanstandender Weise darauf, dass die Bestimmung eindeutig nur die Lage der beiden Objekte zueinander als relevant erachtet, nicht aber ihr Verhältnis zu anderen Punkten in der Stadt, wie etwa zur Stadtmitte.

13Im Übrigen liegt eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung nach der Judikatur des Verwaltungsgerichthofes dann nicht vor, wenn die revisionsgegenständliche Regelung bereits außer Kraft getreten ist und es angesichts eines kleinen Kreises potentiell betroffener Personen nicht wahrscheinlich ist, dass noch über eine nennenswerte Anzahl vergleichbarer Fälle zu entscheiden sein wird. Dies gilt in gleicher Weise für den hier vorliegenden Fall, in dem § 7a Abs. 5 BO zwar nicht außer Kraft getreten, aber mit der Bauordnungsnovelle 2023, LGBl. Nr. 37/2023, relevant geändert wurde (vgl. VwGH 20.4.2023, Ro 2022/05/0018, zu § 124 Abs. 1a BO). Dies trifft vorliegend zu. Mit der seit 14. Dezember 2023 (für Neuanträge) in Kraft getretenen Änderung liegt eine „Ersatzwohnraumbeschaffung“ vor, wenn zugleich anderer in einer Wohnzone und im gleichen Bezirk befindlicher Wohnraum geschaffen wird, der zum Zeitpunkt seiner Schaffung hinsichtlich der Wohnungsgröße, Ausstattung und der hiefür durchschnittlich fiktiv erzielbaren Miete gleichwertig ist.

14 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

15Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere § 51 VwGG, in Verbindung mit der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 31. März 2025