Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Pollak sowie die Hofrätin Mag. Hainz Sator und den Hofrat Dr. Pürgy als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Vonier, über die Revision der Energie Control Austria für die Regulierung der Elektrizitäts und Erdgaswirtschaft (E Control) in Wien gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. Mai 2022, Zlen. 1. W295 2183438 1/18E, 2. W295 2190324 1/12E und 3. W295 21903271/12E, betreffend Feststellung der Kosten, der Zielvorgaben und des Mengengerüstes gemäß § 69 GWG 2011 (mitbeteiligte Parteien: 1. S GmbH in K, vertreten durch die SchneideR'S Rechtsanwalts KG in 1170 Wien, Hernalser Hauptstraße 49/22, 2. Bundesarbeitskammer in 1040 Wien, Prinz Eugen Straße 20 22, und 3. Wirtschaftskammer Österreich in Wien, vertreten durch die Haslinger/Nagele Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Mölker Bastei 5), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 1.1.Die erstmitbeteiligte Partei ist eine für ein näher bezeichnetes Gebiet in der Steiermark konzessionierte Verteilernetzbetreiberin im Sinn des § 7 Abs. 1 Z 72 Gaswirtschaftsgesetz 2011 (GWG 2011).
2Das gegenständliche Revisionsverfahren betrifft die durch Bescheid der Amtsrevisionswerberin gegenüber der erstmitbeteiligten Partei für das Jahr 2018 erfolgte Festsetzung der Kosten, der Zielvorgaben und des Mengengerüsts gemäß § 69 GWG 2011.
3 1.2. Mit Bescheid vom 20. November 2017 stellte die Amtsrevisionswerberin in einem von Amts wegen eingeleiteten Verfahren gegenüber der erstmitbeteiligten Partei als Zielvorgabe ein Einsparungspotential von 3,608 % für den Zeitraum von 1. Jänner 2018 bis 31. Dezember 2022 (Spruchpunkt 1.), die den Entgelten zu Grunde liegenden Kosten für das Jahr 2018 pro Netzebene (Spruchpunkt 2.) sowie das dem Netznutzungsentgelt zu Grunde zu legende Mengengerüst für das Jahr 2018 (Spruchpunkt 3.) fest.
4 Dagegen erhoben die erst , die zweitund die drittmitbeteiligte Partei jeweils Beschwerde an das Verwaltungsgericht. Die erstmitbeteiligte Partei brachte insbesondere vor, dass die Kosten für das im Rahmen der Einbringung des gewerblichen Unternehmens der Stadtgemeinde K übernommene Personal als unbeeinflussbare Kosten im Sinn des § 79 Abs. 6 Z 4 GWG 2011 anzuerkennen seien.
5 2.1.Mit dem angefochtenen Beschluss vom 11. Mai 2022 hob das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid vom 20. November 2017 auf und verwies die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Amtsrevisionswerberin zurück. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde für nicht zulässig erklärt.
6 2.2.In seiner Begründung verwies das Verwaltungsgericht auf das zwischenzeitlich (zu § 59 Abs. 6 Z 6 ElWOG 2010) ergangene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 18. März 2022, Ro 2018/04/0021. Da die Textierung des § 59 Abs. 6 Z 6 ElWOG 2010 weitgehend wortident mit jener des § 79 Abs. 6 Z 4 GWG 2011 sei und es um die gleichen als beeinflussbar oder nicht beeinflussbar zu bewertenden Kosten (im Zuge einer Ausgliederung) gehe, sei diese Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur gleichen Thematik in den „Stromkostenbescheiden“ auch auf die „Gaskostenbescheide“ der Amtsrevisionswerberin jedenfalls umzulegen und auf diese anzuwenden. Vor diesem Hintergrund sei daher davon auszugehen, dass der angefochtene Bescheid mangelhaft sei.
7Zu § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG führte das Verwaltungsgericht aus, dass die Ermittlungen zur Frage, welchen Spielraum die erstmitbeteiligte Partei beim Abschluss des Personalübereinkommens im Jahr 2001 angesichts der Vorgaben der Richtlinie 2001/23/EG gehabt habe, und die von diesem Ermittlungsergebnis abhängige Ermittlung von Zielvorgaben und Kosten jedenfalls umfangreich und hinsichtlich der notwendigen Berechnungen für das Verwaltungsgericht nicht ohne Unterstützung durch einen (Amts)Sachverständigen durchführbar seien. In Anbetracht der Komplexität und des wirtschaftlichen Charakters der zu ermittelnden Sachverhaltselemente liege eine Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht weder im Interesse der Raschheit noch der Kostenersparnis. Die Zurückverweisung der Angelegenheiten diene einer raschen und kostensparenden Durchführung des von der Amtsrevisionswerberin (als der belangten Behörde) zu ergänzenden Ermittlungsverfahrens. Diese sei unbestritten rascher in der Lage, die notwendigen Ermittlungsschritte (vor allem die Berechnungen) durchzuführen, als dies beim Verwaltungsgericht möglich wäre. Abgesehen davon scheine es im vorliegenden Fall trotz der restriktiven Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch deshalb geboten, die ausständigen, aber wesentlichen Ermittlungen durch die Behörde vornehmen zu lassen, weil die erstmalige Ermittlung der geforderten Sachverhaltselemente und Entscheidung durch das Verwaltungsgericht die Rechtsschutzmöglichkeiten der Parteien unnötig beschneiden würde.
8 Es müsse im fortgesetzten Verfahrender Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes im Erkenntnis Ro 2018/04/0021 folgenddas Vorbringen der erstmitbeteiligten Partei, ihr sei beim Abschluss des Personalübereinkommens angesichts der Vorgaben der Richtlinie 2001/23/EG faktisch kein Spielraum zugekommen, geprüft werden. Im Fall, dass die Prüfung ebendies ergebe, würden die aus der Übernahme resultierenden Personalkosten insoweit als unbeeinflussbare Kosten im Sinn des § 79 Abs. 6 Z 4 GWG 2011 zu behandeln und daher bei der Ermittlung der Zielvorgaben nicht zu berücksichtigen sein.
9 3. Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B VG).
10Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
11Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
12 4.In der Revision wird zur Begründung ihrer Zulässigkeit vorgebracht, der Amtsrevisionswerberin werde (als belangter Behörde) mit dem angefochtenen Beschluss aufgetragen, für den Fall, dass die Personalkosten des Unternehmens nach ergänzender Ermittlung als nicht beeinflussbare Kosten gemäß § 79 Abs. 6 Z 4 GWG 2011 zu beurteilen seien, diese bei der Ermittlung der Zielvorgaben nicht zu berücksichtigen und in der tatsächlichen Höhe in die Kostenermittlung aufzunehmen. Dies leite das Verwaltungsgericht aus dem Erkenntnis Ro 2018/04/0021 ab.
13 Diese vom Verwaltungsgericht pauschal vorgenommene Aussonderung der nicht beeinflussbaren Kosten bei der Ermittlung der Zielvorgaben habe der Verwaltungsgerichtshof im zitierten Erkenntnis aber gerade nicht ausgesprochen. Tatsächlich werde dort einleitend auf das System der Anreizregulierung Bezug genommen und in den Rn. 19 und 20 auch zu den nicht beeinflussbaren Kosten erwogen. Letztlich sei für den Verwaltungsgerichtshof offen geblieben, ob und inwieweit im konkreten Fall überhaupt nicht beeinflussbare Kosten gegeben seien. Der Verwaltungsgerichtshof habe sich daher nicht weiter mit der Frage auseinandersetzen können, inwieweit etwaige nicht beeinflussbare Kosten bei der Ermittlung der Zielvorgaben zu berücksichtigen wären. Das Verwaltungsgericht weiche mit der Beurteilung, dass etwaige nicht beeinflussbare Kosten bei der Ermittlung der Zielvorgaben pauschal nicht zu berücksichtigen seien, von der genannten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, nach der nicht beeinflussbare Kostenbestandteile einer (gesonderten) Würdigung im Rahmen des von der Regulierungsbehörde durchzuführenden Effizienzvergleichs (Benchmarking) bedürften. Für die Ermittlung der individuellen Zielvorgabe sei nämlich gerade dieses Benchmarking von maßgeblicher Bedeutung, weil durch diesen Vergleich die individuellen Ineffizienzen ermittelt würden, die letztendlich in die Zielvorgaben mündeten. Die Regulierungsbehörde unterziehe die Netzbetreiber daher regelmäßig einem Effizienzvergleich (Benchmarking) zu Beginn einer Regulierungsperiode, um die Zielvorgaben festzustellen.
14Die Frage, ob und inwieweit nicht beeinflussbare Kosten bei der Ermittlung der Zielvorgaben berücksichtigt werden können, sei für den Ausgang des Verfahrens sowie für sämtliche folgende Regulierungsentscheidungen auf Basis der geltenden Rechtslage relevant. Die angemessene Berücksichtigung von nicht beeinflussbaren Kosten nach § 59 ElWOG 2010 bzw. § 79 GWG 2011 bei der Ermittlung der Zielvorgaben der Netzbetreiber stelle eine gängige Praxis der Regulierungsbehörde dar und betreffe somit alle regulierten Strom und Gas Netzbetreiber, deren Zielvorgaben (weiterhin) periodisch festgestellt würden.
15 5. Der vorliegende Revisionsfall gleicht in den für seine Erledigung wesentlichen Punkten sowohl hinsichtlich des Sachverhalts als auch in Ansehung der zu lösenden Rechtsfragenjenem, den der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom heutigen Tag, Ra 2022/04/0064, entschieden hat (zur Übertragbarkeit dieserzum ElWOG 2010 ergangenenRechtsprechung auf das GWG 2011 siehe bereits VwGH 23.6.2022, Ro 2019/04/0005, Rn. 19). Auch das Vorbringen in der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden Amtsrevision entspricht im Wesentlichen dem Vorbringen in der Amtsrevision des genannten Verfahrens.
16Gemäß § 43 Abs. 2 und 9 VwGG wird auf die Begründung dieses Beschlusses verwiesen. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich darin zu dem von der Revision behaupteten Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (konkret vom Erkenntnis Ro 2018/04/0021) in der Frage der Berücksichtigung nicht beeinflussbarer Kosten bei der Ermittlung von Zielvorgaben geäußert.
17 6. In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 3. Juli 2025